tagesthemen 14.08.2021, 23:35 Uhr - Umfragen zur Bundestagswahl sehen Kanzlerkandidaten Scholz zum SPD-Wahlkampfauftakt
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (14.08.2021)
Heute im Studio: Caren Miosga
Guten Abend zu den tagesthemen, die mit Afghanistan beginnen.
Ein Land,
das zurückkatapultiert wird in eine finstere Zeit der Gewalt.
In wenigen Wochen seit dem Abzug der US-Soldaten
haben die Taliban fast alle ihre früheren Einflussgebiete erobert.
Das ist ein Großteil des Landes.
Ländliche Gebiete genauso wie Provinzhauptstädte.
Heute nahmen sie Masar-i-Scharif im Norden des Landes ein,
wo die Bundeswehr jahrelang ihr Hauptquartier hatte.
Nun stehen die Kämpfer nah vor der Hauptstadt Kabul.
Dort wächst die Gefahr für Einheimische,
die für die Bundeswehr gearbeitet haben und um ihr Leben fürchten.
Oliver Mayer.
Hier waren wir auf Patrouille.
Das bin ich und der deutsche Feldjäger.
13 Jahre hat Zalmai Ahmadi für die Bundeswehr gearbeitet.
Er war Übersetzer für die deutschen Soldaten.
Er sitzt in einem Safe House in Kabul.
Er hat Angst von den Taliban.
Sie werden mich schlachten.
Kann sein, dass sie mir die Augen rausziehen.
Oder die Zunge wegschneiden.
Das ist sehr furchtbar.
Meine Vorstellung ist sehr furchtbar.
Sie werden nicht mit dem Blumenstrauß zu mir kommen.
Die USA haben damit begonnen,
Botschaftsmitarbeiter und afghanische Truppenhelfer auszufliegen.
Die Taliban rücken vor.
Sie sind wenige Kilometer vor Kabul.
Am Vormittag wurde über einen Rücktritt des Präsidenten spekuliert.
Der gibt sich kämpferisch.
Ich weiß, dass alle besorgt sind.
Ich verspreche,
Unsicherheit und Gewalt zu verhindern.
Es dürfen nicht mehr Unschuldige getötet
und die Fortschritte der letzten 20 Jahre zunichte gemacht werden.
Wie das geschehen soll, bleibt offen.
Ein Großteil der Armee scheint keinen Widerstand zu leisten.
300 ehemalige Ortskräfte sind in Safe Houses.
Für sie sind das bedrückende Nachrichten.
Die Sicherheitslage ist schlechter geworden,
schneller als wir dachten.
Die Taliban kommen näher.
Es wird nicht lange dauern, bis sie Kabul einnehmen.
Die meisten haben noch kein Visum für Deutschland erhalten.
Ahmadi kann das nicht verstehen.
Es sei klar, was passiere, wenn die Taliban Kabul einnehmen.
Wenn du einen Tag für die Bundeswehr gearbeitet hast oder zehn Jahre:
Die gucken nicht auf deinen Vertrag.
Die lesen nicht, wann du aufgehört hast.
Es reicht, wenn du einen Tag gearbeitet hast.
Dann bist du weg.
Ahmadi ist verzweifelt.
Die Hoffnung hat er aber nicht aufgegeben.
Wir fragen gleich in Berlin nach,
wie schnell die Regierung Menschen wie Ahmadi herausholen können.
Davor schalten wir nach Kabul zu Stefan Recker.
Er ist Leiter des Büros Caritas International Afghanistan.
Guten Abend.
Wie nah stehen die Taliban vor Kabul?
Nach letzten Berichten
sind die Kämpfer 50 Kilometer südwestlich von Kabul.
Aber auch eine Provinz östlich von Kabul ist eingenommen worden.
Sie liegt 60 Kilometer entfernt.
Es ist eher eine Frage von Stunden als von Tagen.
Wir hören von chaotischen Zuständen.
Wir erleben Sie die Stadt?
Es gibt eine große Anspannung.
Es gibt sehr viele Binnenflüchtlinge.
Sie sind vor den Taliban geflohen.
Sie leben in Parks und auf der offenen Straße.
Es gibt Schlangen vor Lebensmittelläden und Banken.
Die Zentralbank hat die Geldzufuhr unterbunden.
Der Wertverlust der Währung gegenüber dem Dollar ist groß,
angeblich 20 Prozent in den letzten Tagen.
Es gibt viele Probleme in der Stadt.
Wie viele Flüchtlinge kommen an?
Können Sie den vielen Menschen helfen?
Wir gehen von 20.000 aus, die in den letzten Tagen kamen.
Einige Hilfsorganisationen haben Maßnahmen ergriffen.
Sie haben Zelte gebaut.
Die Stadtverwaltung
bringt Flüchtlingen in Moscheen und Schulen unter.
Wir legen morgen los.
Wir werden Verteilungen durchführen an die bedürftigen Menschen.
Das heißt, Sie bleiben in Kabul?
Solange es geht.
Das hängt auch an der Geschäftsstelle
von Caritas International.
Ich würde gerne bleiben,
auch als Signal an meine nationalen Kollegen.
Sie haben große Angst.
Deshalb würde ich gerne bleiben.
Viel Kraft für Ihre Zeit dort.
Danke, Stefan Recker.
Ich danke Ihnen.
Der Leiter der Hilfsorganisation wird vor Ort gebraucht.
Viele ehemalige Helfer der Deutschen warten nur darauf,
Afghanistan schnellstmöglich zu verlassen.
Sie fürchten um Leib und Leben.
Mit einem Teil des Kabinetts hat die Kanzlerin darüber beraten.
Julie Kurz ist in Berlin.
Bislang konnten die Ortskräfte das Land nicht verlassen.
Geht das plötzlich ohne bürokratische Hürden?
Innenminister Seehofer hat gesagt,
dass man die Einreise erleichtern wolle.
Man könne die Identität erst in Deutschland klären.
Aber die Frage ist,
wie viele Ortskräfte überhaupt an Bord sind.
Man spricht von Tausenden, die der Bundeswehr geholfen haben.
Sie waren Dolmetscher oder Informant.
Sie waren Koch.
Die Frage ist,
ob auf den Charterflügen genug Platz ist.
Und sie müssten es erst mal bis nach Kabul schaffen.
Erst wenn die Operation zu Ende ist,
wird man wissen, wie viele Ortskräfte mitkommen.
Und wie schnell kann diese Evakuierung gehen?
Der Bundestag soll beteiligt werden.
Das heißt, es muss ein Mandat von ihm geben.
Am 25. August gibt es eine Sondersitzung.
Aber der Regierung läuft die Zeit davon.
Die Taliban rücken sehr schnell vor.
Es kann deshalb sein,
dass das Mandat erst im Nachhinein beschlossen wird.
Denn es ist Gefahr im Verzug.
Der Einsatz der US-Streitkräfte endet am 31. August.
Eile ist von daher geboten.
Danke nach Berlin. Gerne.
Bei den Telefonaten zu Afghanistan war auch Olaf Scholz in der Leitung.
Auch wenn ihm keineswegs zum Lachen war,
kann sich der SPD-Kanzlerkandidat kaum ein Grinsen verkneifen.
Bis vor Kurzem lachten sich die Mitbewerber ins Fäustchen,
wenn Scholz voller Selbstbewusstsein erklärte:
"Der nächste Kanzler werde ich sein."
Das ist durchaus möglich, lassen die Umfragen erahnen.
Da wird ihm am ehesten zugetraut, das Land lenken zu können.
Seine SPD ist aus lichtlosem Keller auf die Etage der Grünen geklettert.
Der Mann ist im Aufwind.
Und die SPD ist nun offiziell im Wahlkampf.
Gute Stimmung in der Bochumer Innenstadt.
Die Genossen sind beflügelt von den Umfragewerten ihres Kandidaten.
Der läutet sechs Wochen vor der Wahl die heiße Phase ein
in der einstigen Herzkammer der Sozialdemokratie.
Ein Aufbruch ist möglich für unser Land.
Wir können eine Regierung bekommen, die Zukunftsaufgaben anpackt.
Und einen Kanzler, der sie realistisch beschreibt
und sich kümmert, dass sie umgesetzt werden.
Eine überraschend leidenschaftliche Rede.
Scholz ist selbstbewusst.
Seine Themen:
Klimawandel, sozialer Wohnungsbau, gerechte Steuerpolitik.
Er verspricht einen Mindestlohn von zwölf Euro.
Bei der Basis kommt das an.
Er hat klargemacht, was er will.
Das fand ich gut.
Das haben andere Parteien noch nicht gemacht.
Die Rede war überraschend gut.
Er hat nicht diesen schläfrigen Eindruck gemacht.
Wir haben lieber hanseatische Kühle als eine rheinländische Frohnatur.
Scholz profitiere von Fehlern von Laschet und Baerbock,
so Julia Schwanholz.
Bislang ging es um die Charaktere der Kandidaten und um die Fehler,
die gemacht wurden.
Wir dürfen hoffen, dass es endlich um Inhalte geht.
Der Umstieg auf eine CO2-neutrale Wirtschaft sei eine Riesenaufgabe.
Die Weichen müssten gestellt werden.
Scholz greift den Koalitionspartner an.
Eine von der CDU/CSU geführte Regierung kostet uns Wohlstand,
Arbeitsplätze und Zukunft.
Das darf nicht sein!
Der nüchterne Norddeutsche hat sich kämpferisch gezeigt,
klar im Ausdruck, klar in der Sache.
Er wurde als Krisenmanager in der Pandemie bekannt.
Das wird als Kompetenz wahrgenommen und ist ein kleiner Vorsprung.
Der Zuspruch berühre ihn sehr, beteuert er.
Er nimmt sich Zeit für die Menschen.
Ob sein Höhenflug die SPD voranbringen wird,
bleibt die offene Frage im Wahlkampf.
Haiti ist von einem Erdbeben erschüttert worden.
Die Nachrichten.
Mindestens 227 Menschen sind ums Leben gekommen.
Die Zahl könnte noch steigen.
Einige Orte sind fast vollständig zerstört worden.
Zahlreiche Menschen werden vermisst.
Krankenhäuser sind überfüllt.
Das Beben hatte eine Stärke von 7,2.
Es ereignete sich im Südwesten des Landes.
Den fünften Samstag in Folge gingen 200.000 Franzosen
gegen die Corona-Regeln auf die Straße.
Sie protestierten gegen den Gesundheitspass
und gegen die Impfpflicht im Gesundheitswesen.
Bürger müssen sich ausweisen,
ob sie geimpft, genesen oder negativ getestet sind.
Nur dann dürfen sie ins Kino oder auf Fernreise gehen.
Im Westen von Japan ist es zu Erdrutschen gekommen.
In der Präfektur Nagasaki kam eine Frau ums Leben.
Zwei Menschen gelten als vermisst.
Rettungskräfte brachten Anwohner in Sicherheit.
Hunderttausende sollen ihre Häuser verlassen.
Zum ersten Spieltag der Fußball-Bundesliga:
Für Aufsteiger geht es darum, zu zeigen, dass man mithalten kann.
Für eine Mannschaft ging das daneben.
Greuther Fürth hat einen Fehlstart hingelegt.
Dabei haben sie acht Jahre lang auf diesen Tag gewartet:
Endlich wieder in der Bundesliga.
Dann läuft für den Aufsteiger so ziemlich alles schief.
Mit 1:5 geraten die Franken beim VfB Stuttgart unter die Räder -
völlig verdient.
Das Spiel war eine Lehrstunde für die Gäste.
Nach dem Pokal-Aus die Niederlage zum Bundesliga-Auftakt.
Stuttgart kann nach zehn Jahren am ersten Spieltag wieder jubeln.
Stuttgart feierte mit dem 5:1 gegen Fürth
den besten Saisonstart der Vereinsgeschichte.
Der VfB musste aber auch verkraften,
dass Sankoh sich schwer am Knie verletzte.
Es musste etwas Schlimmes sein.
Er ist kein Junge, der jammert.
Der steht meistens sofort auf.
Sportlich hatte der VfB alles im Griff -
spätestens nach dem Führungstor durch Endo.
Klement traf zum Halbzeitstand.
Nach dem Wechsel hatte Fürth nichts mehr entgegenzusetzen.
Kempf traf zum 3:0 in der 55. Minute.
Wiederum sechs Minuten später flankte Sosa auf Al Ghaddioui -
der köpfte sein erstes Bundesligator.
Stuttgart erspielte sich Chance auf Chance.
Sosa gab zum dritten Mal die Vorlage.
Kempf köpfte sein zweites Tor:
Das 5:0 in der 76. Minute.
Den Gästen gelang durch Leweling ihr erstes Saisontor.
Überlegene Stuttgarter bezwangen Fürth mit 5:1.
Stuttgart springt an die Tabellenspitze.
Und auch Hoffenheim feiert einen Kantersieg:
4:0 in Augsburg.
Großen Anteil daran hat Andrej Kramaric.
Vergangene Saison schoss der Kroate drei Tore zum Bundesligastart.
Heute bereitete er drei Tore vor.
Noch nie hat Hoffenheim so hoch beim Bundesliga-Start gewonnen.
Andrej Kramaric hat beim 4:0 keinen Treffer erzielt.
Er ist aber trotzdem der Mann des Spiels.
Er ist ein zentraler Spieler.
Er hat heute mit super Vorbereitungen geglänzt.
Er war auch läuferisch stark und diszipliniert gegen den Ball.
Das war eine extrem reife Leistung.
Augsburg hätte in Führung gehen können.
Das macht aber Hoffenheim.
Bruun Larsen trifft nach 37 Minuten.
Die Vorarbeit kommt von Kramaric.
Augsburg macht es weiter ordentlich - bis zur 78. Minute.
Kramaric spielt auf Adamyan:
Der erhöht auf 2:0.
Und hier ist die dritte Vorlage von Kramaric.
Rutter hat freie Bahn.
Augsburg bricht in der Schlussphase ein.
Das vierte Tor geht auch mal ohne Kramaric.
In der Nachspielzeit spielt Rutter auf Rudy.
Das ist der perfekte Saisonstart für Hoffenheim.
Andrej ist ein super Spieler.
Er stellt seine Stärken in den Dienst der Mannschaft.
Letzte Saison waren es 20 Tore.
Kramaric war viertbester Schütze.
Heute bleibt er ohne Treffer.
Die weiteren Ergebnisse:
Eine Frau steht bald an der Spitze der Deutschen Fußball Liga.
Donata Hopfen wird neue Geschäftsführerin.
Bisher hatte Christian Seifert den Liga-Dachverband geleitet.
Er hört Ende des Jahres auf.
Dann übernimmt die 45-Jährige.
Hopfen wechselt von einer weltweit tätigen Unternehmensberatung.
Diese beiden zählen in Europa zu den Besten im Beachvolleyball.
Karla Borger und Julia Sude haben in Wien
die Bronzemedaille bei der Europameisterschaft geholt.
Sie gewannen mit 2:1 im kleinen Finale gegen Lettland.
Glück gehört beim Sport auch dazu - so wie beim Lotto.
Hier die aktuellen Zahlen:
Jetzt möchten wir glücksberauscht vom Wetter sein.
Für den morgigen Sonntag sollte es klappen.
Die meisten Menschen
werden sich über sommerliche Temperaturen freuen.
Aber nur für den Sonntag.
Zu Wochenbeginn wird es kälter und wechselhaft.
Heute Nacht ist es meist trocken.
Im Norden etwas Regen.
Morgen viel Sonnenschein in der Mitte und im Süden.
Aber im Süden kann es am Nachmittag Gewitter geben.
Es kann auch Sturmböen geben.
Tagsüber gibt es diese sommerlichen Werte.
Danach wird es wechselhafter und kälter.
Hier folgt das Wort zum Sonntag mit Gedanken zu Mariä Himmelfahrt.
Danach folgt Inas Nacht
mit einer besonderen Kurzausgabe der tagesthemen.
Wir sind morgen wieder da.
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