tagesthemen 29.07.2021, 22:15 Uhr - Corona-Testpflicht für Reiserückkehrer ab dem 1. August, US-Präsident Biden will
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (29.07.2021)
Heute im Studio: Helge Fuhst
Guten Abend zu den Tagesthemen.
Auf Mallorca lesen heute viele Urlauber:
"Schatzi, schenk mir 'ne Dosis."
Frei nach dem Ballermann-Hit von Mickie Krause.
Eine Wahlkampf-Aktion der SPD.
Damit soll die Impflust geweckt werden.
Eine Testpflicht hatten Mallorca-Rückkehrer längst.
Alle anderen Urlauber müssen sich nun darauf einstellen,
sich testen zu lassen, bevor sie nach Hause kommen.
Wahrscheinlich schon ab 1. August.
Dazu spreche ich gleich mit Vizekanzler Olaf Scholz.
Ab Sonntag sollen für Reiserückkehrer neue Regeln gelten.
Laut Gesundheitsministerium müssen alle einen negativen Test vorweisen.
Egal von wo und egal wie man einreist.
Ausgenommen sind Geimpfte und Genesene.
Gesundheits-, Innen- und Justizministerium
hatten sich geeinigt.
Die Länder hatten Druck gemacht.
Ich finde es als Ministerpräsidentin richtig,
wenn der Bund an dieser Stelle die Einreiseordnung verändert.
Wir wollen alles tun,
um Schulen und Kitas nicht zu gefährden.
Deshalb finden wir die Testpflicht richtig.
Das alles liegt auch an Bayerns Ministerpräsident Söder.
Er hatte das Datum ins Spiel gebracht.
Ministerpräsidenten begrüßen die Regel.
Besser spät als gar nicht.
Wir haben die Delta-Variante.
Erst durch ihr Auftreten sind wir unter Zugzwang geraten.
Die Kontrollen sollen stichprobenartig erfolgen.
Für Pendler soll es Sonderregeln geben.
Grenzschließungen wollen die Länder vermeiden.
Wir reden von 3800 Kilometern Grenze.
Und von Flughäfen und Bahnhöfen.
Eine lückenlose Kontrolle ist nicht möglich.
Personell und infrastrukturell sind wir dafür nicht aufgestellt.
Die FDP kritisiert das.
Viele Menschen werden überlegen, das Land nicht zu verlassen.
Eine Testpflicht verunsichert die Menschen.
Die Tourismusbranche erfährt einen weiteren Nackenschlag.
Für Verdruss könnte eine weitere Regelung sorgen:
Bei Einreise aus Gebieten mit besorgniserregenden Mutationen
müssen auch Geimpfte und Genesene einen Test verweisen.
Darüber sprechen wir mit dem Vizekanzler.
Guten Abend, Herr Scholz. Guten Abend.
Wir kennen aus Wahlkämpfen zu gut, dass Geschenke verteilt werden.
Mit den ganzen Pflicht-Tests versauen Sie jetzt den Urlaub.
Oder?
Es geht hier nicht darum, etwas mit Wahlen zu machen.
Es geht um die Gesundheit der Bürger.
Wir alle sind gewohnt, uns testen zu lassen.
Bestimmte Räume konnte man nicht anders betreten.
Das gehört zur Praxis der Pandemie dazu.
Deshalb ist es richtig, das zu tun, was viele gefordert haben:
Es müssen sich auch die testen,
wo das bisher nicht vorgeschrieben war.
Aber viele haben sich an den Urlaubsorten
sicher oft testen lassen.
Das ist auch da Vorschrift.
Wie soll das Ganze funktionieren?
Nehmen wir eine Familie, die mit dem Auto vom Gardasee kommt.
Zwei Kinder und die Eltern müssen vier Tests in Italien machen.
Und an der Grenze werden sie kontrolliert?
Die meisten Deutschen halten sich an Vorschriften und Regeln.
Deshalb haben wir einen guten Rechtsstaat.
Nicht alle halten sich an Regeln, weil sie erwischt werden könnten.
Auch viele Reisende finden das gut.
Wir stellen sicher, dass niemand anderer ansteckt.
Gestern haben Sie gesagt,
die Menschen müssen sich auf neuen Regeln einstellen können.
Und jetzt geht's ab Sonntag los?
Schön, dass Sie mich zitieren.
Es ging um die Frage, ob Tests kostenlos bezahlt werden.
Irgendwann in den nächsten Wochen
werden wir eine Änderung herbeiführen.
Da geht es um Wochen.
Hier ist es eine Sache, die seit einiger Zeit diskutiert wird.
Sogar das Datum.
Jeder wird einen Weg finden, damit zurechtzukommen.
Es geht um die Gesundheit.
Wir haben eine gute Impfquote.
Aber sie ist nicht gut genug.
Das Testen wird dazu beitragen,
dass wir weniger intensive Infektionen haben als sonst.
Das ist allen klar.
Aber wieso wird den Bürgern erst gesagt, wie die Regeln sind,
wenn die Menschen schon unterwegs sind?
Beschlossen wurde es ja noch nicht.
Wir diskutieren die Dinge fortschreitend.
Die Lage ändert sich immer wieder.
Das Infektionsgeschehen hat sich in mehreren Ländern verändert.
Ich finde es richtig, die Entscheidung zu treffen.
Viele Parteien haben das gefordert.
Auch diejenigen im Urlaub möchten einen guten Herbst und Winter haben.
Dass wir nicht zum Lockdown kommen.
Trotzdem die Frage:
Das gibt eine Verunsicherung.
Jens Spahn sprach schon vor zwei Wochen davon.
Aber es wurde nicht entschieden.
Auch die SPD hat eine Sondersitzung ins Spiel gebracht.
Warum diese Verzögerungen?
Warum keine frühe Ansage?
Die Ferientermine standen fest.
Sie haben darüber berichtet.
Eine solche Entscheidung muss sorgfältig vorbereitet werden.
Sie muss mit allen abgestimmt werden.
Einige beklagen, dass Entscheidungen aus der Hand geschüttelt wirken.
Diese ist nicht so.
Glauben Sie,
dass Sie damit die vierte Welle verhindern?
Zehn Prozent der gemeldeten Fälle stammten zuletzt von Auslandsreisen.
Was wir machen müssen,
um das Infektionsgeschehen im Griff zu behalten:
Dafür werben, dass man sich impfen lässt.
Jeder, der das nicht tut, riskiert krank zu werden.
Und andere anzustecken.
Das will niemand verantworten.
Wir müssen ohne Terminbuchung Impfungen möglich machen.
Und an ungewöhnlichen Orten.
Wir müssen viele Vorsichtsmaßnahmen beibehalten,
die keine große Beeinträchtigung darstellen.
Zum Beispiel das Testen in Betrieben.
Wir werden es längere Zeit so haben:
Dass bestimmte Räume nur aufgesucht werden können,
wenn man genesen ist oder ein Test vorweisen kann.
Wo es Gedränge gibt, wie im Verkehr, muss es Masken geben.
Dann haben wir eine Chance für eine bessere Entwicklung.
Das sollte unser Anliegen sein.
Wir haben eine Verantwortung für uns selber und unsere Nächsten.
Vielen Dank.
Die neuen Regeln des Bundes:
Kristin Joachim hat dazu eine Meinung.
In fünf Bundesländern sind die Ferien vorbei.
Erst jetzt kommt die Testpflicht für alle Reiserückkehrer.
Warum nicht früher?
Auch wenn die Infektionszahlen noch moderat sind:
Sie steigen an.
Reiserückkehrer haben einen entscheidenden Anteil daran.
Es ist eine Entwicklung mit Ansage:
Ferien, Reisezeit, Delta-Variante.
Hohe Inzidenzen in den Reiseländern.
Eine nur zur Hälfte vollständig geimpfte Bevölkerung.
Es ist also nicht so,
dass die Regierung das nicht hätte sehen können.
Zwei Erklärungen gibt es - beide sind wenig schmeichelhaft.
Aus Fehlern des letzten Sommers hat man nicht gelernt.
Oder aber - kurz vor der Bundestagswahl:
Niemand hatte Lust, der Buhmann zu sein,
der den pandemiegenervten Wählern ihre Urlaubsfreude vermiest.
Mit einem Antigen-Test ...
Das ist zumutbar.
Ursprünglich sollte die Testpflicht am 11. September kommen.
Dann hätte sie niemandem wehgetan.
Allerdings wäre bis dahin die Inzidenz so hoch gewesen,
dass Schulen und Kitas wieder geschlossen worden wären.
Der Unmut der Menschen wäre größer gewesen.
Jetzt ist es wieder mal der bayrische Ministerpräsident,
der sich als treibende Kraft darstellt.
Er scheint die Testpflicht zum 1. August angeschoben zu haben -
pünktlich zum Ferienbeginn in seinem Land.
Dass die Bundesregierung die Weichen gestellt hatte,
interessiert niemanden mehr.
Es bleibt wie so oft der Eindruck:
Statt in die Vorhand zu kommen,
läuft die Regierung bei Corona immer hinterher.
Vielen Menschen in den USA gehen diese Pflichten zu weit.
Im Land der unbegrenzten Freiheit wollen sie keine Impfpflicht,
auch keine Masken- oder Testpflicht.
Deshalb feierte US-Präsident Biden den Unabhängigkeitstag der USA
als den Unabhängigkeitstag von Corona.
Doch die Hoffnung lag wohl auf mehr Impfwilligen.
Es hatten sich viele Amerikaner erst schnell impfen lassen.
Doch in Südstaaten stockt es mit nicht mal 40 Prozent Geimpften.
Große Firmen wie Google, Facebook und Netflix
haben eine Impfpflicht für ihre Angestellten verkündet.
Dasselbe könnte Präsident Biden für Bundesangestellte verordnen.
Aus den USA Jonas Wixforth.
Arkansas ist ein Staat im Süden der USA.
De Corona-Zahlen steigen hier.
Impfstoff gäbe es genug.
Nur ein Drittel der Menschen hat sich impfen lassen.
Ich werde es nicht tun.
Ich bin kein Versuchskaninchen.
Das ist eine Frage von Freiheit.
So sehen das viele hier.
Arkansas ist eine Hochburg der Republikaner.
Ratschläge aus Washington kommen nicht gut an -
auch nicht bei manchen, die Corona erlebt haben.
Ich weiß nicht, ob mein Sohn bleibende Schäden hat.
Er hatte wochenlang Fieber.
Lassen Sie sich impfen? Nein.
Ich vertraue der Regierung nicht.
Damit ist vor allem Präsident Biden gemeint.
Der wollte Corona längst mit hoher Impf-Quote besiegt haben.
Nun preschen andere vor.
Google, Facebook und Netflix verpflichten Mitarbeiter zur Impfung,
bevor sie nach dem Sommer zum Arbeitsplatz zurückkehren.
New York verkündet eine Impf-Pflicht für Staatsbedienstete.
Eine bundesweite Regelung wird wohl von Biden kommen.
Es ist jetzt eine Pandemie der Ungeimpften.
Also, bitte:
Wenn Sie nicht geimpft sind,
schützen Sie sich selbst und die Kinder.
Es ist wichtig.
Von Impf-Pflicht und Masken hält das konservative Amerika nichts.
In Florida verbrennen einige ihre Masken aus Protest.
In besonders betroffenen Staaten kommen Republikaner in Erklärungsnot.
Die Gouverneurin von Alabama ändert den Ton.
Die Leute sollten den gesunden Menschenverstand haben:
Es sind die Ungeimpften, die uns im Stich lassen.
So dürften es viele in den Krankenhäusern sehen.
Dort landen jetzt viele ungeimpfte 20-Jährige.
Dieser Arzt einer Covid-Station ist zunehmend verzweifelt.
Ich gucke seit drei Wochen täglich nach einem Patienten,
der möglicherweise sterben wird.
Ganz sicher ist er sehr krank.
Der fragt mich jetzt, ob er geimpft werden kann.
Es bricht mir das Herz, zu sagen: "Es ist zu spät."
Vor fünf Wochen wäre die Zeit gewesen,
das hier zu vermeiden.
Die USA erleben einen Corona-Rückfall.
Die "Pandemie der Ungeimpften" wird zum Problem -
für Amerika und für den Präsidenten.
Christoph Kehlbach in unserer Rechtsredaktion in Karlsruhe:
Könnten Unternehmen in Deutschland eine Impfpflicht verordnen?
Nein.
Nach aktuellem Arbeitsrecht ist das kaum vorstellbar.
Es gibt zwar das Direktionsrecht des Arbeitgebers.
Sie können den Arbeitnehmern Weisungen erteilen.
Aber dieses Recht reicht nicht so weit in den privaten Bereich hinein.
Impfen ist eine persönliche Entscheidung.
Der Arbeitgeber kann Werbung dafür machen.
Er hat auch eine Fürsorgepflicht für alle Mitarbeiter.
Auch für Risikopatienten.
Oder die sich nicht impfen lassen können.
Man kann in einer E-Mail an alle Mitarbeiter sagen:
Wir finden es gut, wenn ihr euch impft.
Sind dann in Firmen Nachteile für Nichtgeimpfte ausgeschlossen?
Grundsätzlich schon.
Es gibt eine klare Regel im Gesetz.
Das ist das Maßregel-Verbot.
Mitarbeiter, die ihre Rechte ausüben,
dürfen nicht benachteiligt werden.
Das gilt so lange, solange es keine staatliche Impfpflicht gibt.
Das würde ins Arbeitsrecht hineinwirken.
Dann wäre es kein zulässiger Rechtsgebrauch,
die Impfung zu verweigern.
Es gibt allerdings seit 2020 eine Masern-Impfpflicht
für wenige Berufsgruppen.
Wäre das auch auf eine begrenzte Corona-Impfpflicht übertragbar?
Das ist fraglich.
Die Masernpflicht betrifft bestimmte Bereiche,
zum Beispiel Kindertagesstätten.
Diese Impfpflicht ist nicht allgemein.
Ob sie mit dem Grundgesetz vereinbar ist, ist nicht geklärt.
Es gibt Verfassungsbeschwerden.
Sie liegen in Karlsruhe.
Es ist noch nicht entschieden worden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
hat ein Urteil über Fälle aus Tschechien gesprochen.
Dort geht die Impfpflicht viel weiter.
Das Gericht sagte:
Es sei ein legitimes Ziel, für Gesundheitsschutz zu sorgen.
Aber man muss verhältnismäßig sein.
Bußgelder dürfen nicht hoch sein.
Das war ein Fall aus Tschechien.
Wir sind in juristischem Neuland unterwegs.
Man muss immer die Umstände berücksichtigen.
Facebook war schon Thema bei der Impf-Pflicht.
In Deutschland bekam der Konzern andere Pflichten aufgetragen
vom Bundesgerichtshof.
Die Kurznachrichten.
Es geht um die Sperrung oder Löschung von Nutzer-Beiträgen.
Zwar dürfe Facebook auch künftig gegen anstößige Inhalte vorgehen.
Die Nutzer müssten jedoch zwingend vor einer Sperrung informiert werden.
Sie müssten die Möglichkeit haben, sich zu äußern.
Über die Entfernung müsse zumindest nachträglich informiert werden.
Die Zahl der Arbeitslosen ist im Juli gesunken.
Das geschieht erstmals seit 15 Jahren.
Hintergrund ist der Aufholprozess nach dem Corona-Lockdown.
Dieser überdecke den üblichen Anstieg der Erwerbslosigkeit im Sommer.
Nach der Explosion im Chempark in Leverkusen
sind drei weitere Leichen aus den Trümmern geborgen worden.
Damit steigt die Zahl der Todesopfer auf mindestens fünf.
Zwei Menschen werden vermisst.
Brandermittler untersuchen den Unglücksort.
Tanks mit Lösungsmitteln hatten Feuer gefangen.
Die Ursache ist unklar.
An der türkischen Mittelmeerküste sind Waldbrände ausgebrochen.
Touristengegenden sind betroffen.
In der Region Antalya kamen drei Menschen ums Leben.
180 Personen wurden verletzt.
Hitze und Winde beschleunigten die Ausbreitung der 50 Feuer.
Hunderte Menschen mussten ihre Häuser verlassen.
Hotels wurden evakuiert.
Es besteht der Verdacht, dass einige der Brände gelegt wurden.
Die Verbraucherpreise sind im Juli stark gestiegen.
Laut einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes
legte die Inflation um 3,8 Prozent zu.
Anja Kohl aus der Frankfurter Börse.
Die Nachfrage zieht an, so dass Firmen Preise erhöhen.
Hinzu kommen Lieferengpässe und die Tatsache,
dass sich Energie verteuert hat.
Zudem verzerrt ein rechnerischer Effekt die Inflation:
Die vor einem Jahr gesenkte und erhöhte Mehrwertsteuer.
Die war vor einem Jahr negativ, als die Wirtschaft abstürzte.
Schnell zog die Inflation wieder an.
Die Inflation dürfte laut Bundesbank Richtung fünf Prozent steigen.
Mit einer dauerhaften Inflation rechnet sie nicht.
Die Gewerkschaften kündigten an, Lohnerhöhungen zu fordern.
Knapp zwei Monate bis zur Bundestagswahl.
Dann fahren die Parteien ihre Ernte ein.
Auf den Politikfeldern,
die wir in den tagesthemen bis dahin durchchecken:
Wer will was?
Das ist die Frage an die Kandidaten fürs Parlament,
heute mit Fokus auf der Landwirtschaft.
Vielleicht das System der Fördergelder reif für eine Reform.
Aus dem ARD-Hauptstadtstudio Nadine Bader.
Es steht die Weizenernte an
auf dem Hof von Familie Muus in Schleswig-Holstein.
Der braucht noch paar Tage.
Auf 400 Hektar betreibt die Familie konventionelle Landwirtschaft.
Immer geht es um die Frage,
wie sie den Betrieb nachhaltiger gestalten.
Kathrin Muus ist Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft.
Die wurde 2020 von der Kanzlerin einberufen,
um Bauern und Umweltschützer zu versöhnen.
Landwirte seien bereit, weniger Pestizide einzusetzen,
mehr für Insektenschutz zu tun.
Aber das gehe nicht ohne Ausgleich.
Wenn Landwirte Umweltleistungen erbringen,
nehmen sie ein Stück Feld aus der Produktion:
Um Blühstreifen zu etablieren.
Dann gibt es keinen Ertrag.
Man sollte dafür entschädigt werden.
Union und SPD sehen das so.
Sie wollen Bauern bei der Umstrukturierung unterstützen.
Die Gesellschaft fordert Standards.
Der Markt bezahlt keine höheren Preise.
Ein Umbau muss staatlich finanziert werden.
Wir haben ein System, wo nicht die Qualität zählt,
sondern das "Immer höher, immer weiter".
Zahlungen müssen an Leistungen gekoppelt werden.
Landwirte bekommen einen Großteil der EU-Subventionen
als Flächenprämie ausgezahlt.
Union und SPD sagen in ihren Programmen nicht,
bis wann sie das System umstellen wollen.
Die Grünen werden konkreter.
Wir müssen die gemeinsame Agrarpolitik ändern:
Nicht Fläche bezahlen, sondern Gemeinwohlleistungen.
Wir wollen erreichen, dass bis Ende der Förderperiode
die Hälfte der Gelder für Gemeinwohlleistungen sind.
Bis 2028.
Auch die Linke will,
dass Bauern Subventionen nur für Umweltmaßnahmen bekommen.
An den Umbaukosten will die Partei Konzerne beteiligen.
Es geht nicht,
dass Konzerne und Molkereien Landwirte so drücken bei Preisen.
Wir brauchen Mindestpreise, eine Regelung des Marktes.
Ein Modell wäre,
dass Konzerne einzahlen in einen Fonds für den Umbau.
FDP und AfD wollen die EU-Subventionen abbauen
und Landwirten nichts vorschreiben.
Die meisten Landwirte würden gern auf die Zahlungen verzichten,
wenn sie die Bürokratie nicht mehr erfüllen müssten.
Dass ihnen nicht nicht Vorgaben gemacht werden.
Man muss ihnen Freiraum geben, dann passiert die Nachhaltigkeit.
Harald Grethe bezweifelt das.
Er sieht die Politik in der Pflicht, die Bauern zu unterstützen.
Die Wahlprogramme überzeugen ihn nicht.
Ich kann in keinem der Programme ein umfassendes Konzept sehen.
Häufig bleibt man vage.
Herausforderungen werden nicht angesprochen:
Die Düngepolitik, die Verringerung der Produktion tierischer Produkte.
Das sprechen nur die Grünen an.
Kathrin und Georg Muus sind aktiv geworden.
Den Gewässerrandstreifen
haben sie an den Wasser- und Bodenverband verkauft:
Als Brachfläche für Insekten
und um den Bereich vor Pestiziden zu schützen.
Der Streifen wird nach Ende der Vegetation gemäht,
damit er nicht verbuscht.
Sonst kann hier alles blühen.
Eine Win-win-Situation für die Natur und den Betrieb.
Sie hoffen, dass die kommende Regierung
die Bauern bei der Neustrukturierung unterstützt.
Bruder und Schwester in der Verantwortung.
Das ist in der Landwirtschaft die Ausnahme.
Nicht mal jeder vierte Bauernhof wird von einer Frau geführt.
Das hat mit Tradition zu tun.
Wie bei der Fischerei.
Da sind Frauen deutlich in der Minderheit.
Und ein Verein im Oberschwäbischen lässt erst gar keine Frau zu,
wenn es an den Fischfang geht.
Frauen sind nicht mittendrin, sondern nur dabei,
wenn die Männer von Memmingen die Forellen holen.
"Jahrhundertealte Tradition", so steht es in der Vereinssatzung.
Dabei ist diese Tradition gar nicht belegt.
Vor allem ist sie jetzt gebrochen.
Eine Frau hat sich durchgesetzt.
Sie wollte nicht mehr nur "Kübelfrau" sein,
sondern auch mal die "Königin" der Fischerei.
Männer springen in einen Bach und keschern Forellen.
Die Frauen nehmen sie mit Eimern in Empfang.
So sah es aus,
als 2019 die Stadtbachfischer in den Stadtbach "juckten".
So sagen die Memminger.
Fischerinnen sind nicht darunter,
so sieht es die Satzung des Fischertagsvereins vor.
Christiane Renz ist seit Jahrzehnten Mitglied im Verein.
Seit meiner Jugend ist das Thema,
dass Frauen und Mädchen nicht mit neijucken dürfen.
Sie fühlen sich ausgeschlossen.
Etliche sind heimlich neigejuckt, mit Freunden oder Vätern.
Ich möchte das offiziell, deshalb habe ich das angegangen.
Sie hat geklagt.
Das Landgericht hat entschieden:
Frauen dürfen mit in den Bach.
Das Vereinsrecht rechtfertige keine Ungleichbehandlung,
anders als bei Sportwettkämpfen.
Der Vereinszweck sei Traditionspflege.
Der Verein sagt:
Die Trennung der Geschlechter gehöre zur Tradition.
Vorm Prozess hatten die Mitglieder sich dafür ausgesprochen,
das beizubehalten.
Wir sehen die Vereinsautonomie in einem Verein so hoch,
dass man so einen Sachverhalt entscheiden darf.
In einem so großen Verein mit Männern, Frauen, Kindern.
Das Thema der "Kübelfrauen" wird kontrovers diskutiert.
Muss Tradition sich wandeln, um lebendig zu bleiben?
Ein gutes Urteil, wir leben im 21. Jahrhundert.
Das sollte gleichberechtigt ablaufen.
Von mir aus kann's auch bleibe.
I würd die Frau nicht sei wolle, die mit den Männern neihüpfe muss.
Schade, dass man das kippen kann mit Gesetzen.
Schade um die Tradition.
Man muss auch mal was sei lasse, wie es Tradition war.
Is so, Frauen dürfe nicht mitmache.
Gibt auch Spiele, wo Männer nicht mitmache.
Christiane Renz hat Ablehnung und Unterstützung erfahren.
Nur nicht aus dem Verein.
Ich hoffe,
dass die Delegiertenversammlung erkennt:
Brauchtum darf nicht von Hautfarbe, Religion, Geschlecht abhängig sein.
Das sind Menschen, die das ausüben.
Und dass man da nicht diskriminieren darf:
Du darfst es machen und du nicht.
Am Abend beraten die Delegierten über eine Revision
gegen das Urteil vor dem Bundesgerichtshof.
Ein klares Votum: Sie nehmen das Urteil an.
Damit war der Fischertag 2019 der letzte ohne Frauen.
Fischen war auch mal olympisch, inoffiziell vor 121 Jahren.
Die Verbände hoffen immer noch,
dass es irgendwann wieder ein olympisches Wettangeln gibt.
Die Spiele haben ein drängenderes Problem:
Trotz der Einschränkungen steigen die Corona-Zahlen.
Liegt das wirklich an den Olympischen Spielen?
Allein in Tokio gab es heute 4000 Neuinfektionen.
Landesweit sind es mehr als 10.000 neu Infizierte:
Ebenfalls ein Höchststand.
Parallel zu den Zahlen wachsen auch die Sorgen.
Obwohl weiter Notstandsregeln gelten.
Die Straßen, die U-Bahnen, die Restaurants sind voll.
Auch zu den Wettkämpfen strömen immer mehr Menschen.
Das IOC bleibt dabei:
Einen Zusammenhang mit den Spielen gibt es nicht.
Bei Olympia purzeln die Corona-Rekorde.
Die Blase meldet 24 Fälle in 24 Stunden,
Olympisches Dorf inklusive.
Tokio zählt 4000 Infektionen pro Tag.
In ganz Japan sind es 10.000.
Vor Olympia gab es nicht so viele Fälle.
Ich frage mich, ob das mit Ausländern zu tun hat.
In den USA gehen die Zahlen auch hoch.
Es hat nichts mit Olympia zu tun.
Die U-Bahnen und Straßen sind voll.
Fachleute sagen: Es liegt an der Delta-Variante.
Viele hielten sich nicht an die Vorgaben.
Wir müssen mehr tun, um die Kontakte zu reduzieren.
Alle müssen verstehen,
ab wann die Krankenhäuser an Grenzen stoßen.
Die Gesellschaft muss das Krisengefühl teilen.
Bald werden Krankenhäuser in Ballungsräumen SOS funken.
Ende Juni meldete die Uniklinik eine Corona-Belegung von 20 Prozent.
Jetzt sind es 70 Prozent.
Die Zahl der schweren Verläufe unter den Jüngeren steigt stark an.
Betroffen sind Menschen in den Zwanzigern und Dreißigern.
Es sind viele, die zum Essen waren oder Freunde getroffen haben.
Muss Japans Bevölkerung die Spiele fürchten oder umgekehrt?
Unter den Fällen in der Blase sind nur zehn Prozent Athleten,
aber 50 Prozent Fremdfirmen:
Reinigung-, Küchen- oder Sicherheitspersonal.
Laut Experten sind sie nicht geimpft oder schlecht getestet.
Das trifft auf Patrick Halatsch nicht zu.
Für ihn ist ein negativer Test Voraussetzung zum Arbeiten.
Wie ist es für Sie, in Tokio zu arbeiten?
Alles Ottcha.
Wir mussten diese App auf unserem Handy installieren.
Dort müssen wir täglich unsere Temperatur eintragen.
Wenn das nicht passiert, drohen uns 24 Stunden Quarantäne.
In den ersten 14 Tagen müssen wir sechs PCR-Selbsttests abgeben.
Wenn man weiter entfernt ist, muss man Kollegen bitten,
den Test mitzunehmen.
Der wird im internationalen Pressezentrum abgegeben.
Wenn nicht, drohen wieder 24 Stunden Quarantäne.
Aber wir dürfen das Hotel ohnehin nur zur Arbeit verlassen.
Es bleiben uns 15 Minuten, um etwas zu Essen zu holen.
Das müssen wir auf dem Zimmer verspeisen.
Zu wenig getestet wird nicht.
Wie gehen die Sportler mit der Situation um?
Ähnlich wie wir.
Sie haben Angst, ihren Wettbewerben nicht nachgehen zu können.
Sie sind sehr penibel.
Das Olympische Dorf ist an der Brücke vorbei.
Dort war ich gestern auf Stippvisite.
Man braucht eine Genehmigung.
Dann hat man die Möglichkeit, mit Athleten zu sprechen.
Sonst sieht man sie nur nach den Wettkämpfen.
Eigene Gespräche oder Recherchen fallen unter den Tisch.
Einschätzungen von Patrick Halatsch.
Eine Goldmedaille für Deutschland gab es heute nicht.
Dafür gab es eine Premiere im Rudern.
Jason Osborn und Jonathan Rommelmann gewinnen Silber -
im Leichtgewichts-Doppelzweier.
Es kommt auf perfekte Abstimmung an.
Das ist schwierig bei Wind und unruhigem Wasser.
Die beiden zogen durch und stehen nun in Geschichtsbüchern.
Sie fahren das Rennen ihres Lebens im leichten Doppelzweier:
Jason Osborne und Jonathan Rommelmann gewinnen Silber.
Die erste deutsche Medaille in dieser Disziplin.
Wir beide werden brauchen, um das zu realisieren.
Wir sind stolz auf das Rennen.
O'Donovan und McCarthy aus Irland sind die Favoriten und Gold-Gewinner.
Aber so nah dran am irischen Boot waren die Deutschen nie.
Es ist im Ziel eine Sekunde.
Es war ein krasses Rennen.
Man konnte nicht sagen, wer es macht.
Wir haben Irland Druck gemacht.
Der größte Erfolg hier, die bitterste Niederlage dort.
Er war Gold-Kandidat und Weltmeister.
Das Halbfinale sollte das Aufwärmprogramm für Gold werden.
Der Wind wird sein Gegner.
Das Finale ist futsch.
Oliver Zeidler hat mit dem Rudern vor fünf Jahren begonnen.
Die Erfahrung haben andere in zehn Jahren gesammelt,
bei den Bedingungen zu rudern.
Das kann ich nicht in der Kürze reinholen.
2024 könnte sich der 25-Jährige den Gold-Traum in Paris erfüllen.
Jason Osborne hat Visionen: Er möchte Rad-Profi werden.
Der Mainzer verlässt den Doppelzweier mit schwerem Gepäck:
Die Silbermedaille wiegt ein halbes Kilo.
Beim Rudern schauen die Sportler ja zurück.
Beim Kanu ist es anders: Da schaut man nach vorne.
Im Slalom scheinen die Deutschen eine Medaillen-Flatrate zu haben -
einmal Gold und zweimal Bronze.
Heute war es Andrea Herzog, die Jüngste im Team.
Der Tanz durch die 25 Stangen war nicht ganz sauber.
Es reichte trotzdem für eine Medaille.
Bronze gab es auch für Anna-Maria Wagner -
und das im berühmten Judo-Tempel von Tokio.
Der Nippon Budokan ist ein legendärer Ort.
Anna-Maria Wagner aus Ravensburg erkämpft sich Bronze
im Halbschwergewicht,
Sie brachte im Duell mit ihrer kubanischen Gegnerin
nach 1:50 Minuten die entscheidende Wertung.
Die Führung gab sie nicht her.
Die erste Medaille für die deutschen Judo-Frauen:
Bronze durch Anna-Maria Wagner.
Im Tischtennis hat Dimitri Ovtcharov ein spektakuläres Spiel gemacht.
Sein Gegner:
Ma Long aus China, auch "Der Außerirdische" genannt.
Wie von einem anderen Planeten spielte auch Ovtcharov.
81 Minuten kämpften die beiden Punkt um Punkt.
Am Ende verliert Ovtcharov.
Trotzdem sorgt er für eine Sternstunde im Tischtennis.
Die weiße Kugel fest im Blick.
2,7 Gramm leicht, 40 Millimeter Durchmesser
und bis zu 180 Kilometer pro Stunde schnell.
Sie fliegt in einem denkwürdigen Halbfinale über den Tisch.
Dimitri Ovtcharov und Chinas Topstar Ma Long
im entscheidenden siebten Satz.
* Was ist das für ein Spiel?
* Das war der beste Ballwechsel des Turniers,
und er geht an Dimitri Ovtcharov. * Der noch nie gegen Ma Long gewann. Heute spielen beide auf unfassbarem Niveau.
* Mit diesem Vorhandblock holt sich Ma Long drei Matchbälle. * Ich habe fest daran geglaubt, dass heute der Moment ist. Ich habe nie besser gespielt als heute.
Ich habe ihn nie enger am Rand einer Niederlage gehabt.
Da kann man sich nichts für kaufen.
* Was für ein fantastisches Spiel. * In dem Ovtcharov noch einen Matchball gegen sich hat. Der weiße Ball landet im Netz.
* Vorbei für Dimitri Ovtcharov. * Ich war bereit für mehr, das hat man gesehen. Jetzt muss ich regenerieren und mich neu vorbereiten.
Ovtcharov war so nah dran am Finale um Gold.
Morgen geht's um Bronze.
Es gibt keine Fans bei den Spielen und kaum freiwillige Helfer.
Ganz viele wollten aber dabei sein.
So haben sie die Nationalhymnen von 204 Teilnehmerländer gelernt
und im Internet hochgeladen.
Auch die deutsche Hymne.
♪ Einigkeit und Recht und Freiheit
Für das deutsche Vaterland
Danach lasst uns alle streben ♪
Du hast ein Faible für Musik im Sport.
Gestern Gospel, heute Hymne.
Aufs Wetter am Freitag bin ich gespannt.
Donald, das wird nicht typisch Hochsommer.
Ja.
Es wird Richtung Wochenende kälter.
Auf der Vorderseite des neuen Tiefdruckgebiets
kommt ein Schwall warmer Luft.
Aber die zieht schnell über uns hinweg.
Hier sehen wir die Regenmengen.
Es sieht heute nicht nach Unwetter aus.
Aber nach heftigen Regenfällen.
Vom Saarland bis nach Brandenburg gibt es einen Streifen,
wo nichts passiert.
Hier sehen wir die Wolkenpakete von Ferdinand.
Im Westen langsame Bewölkungsverdichtung.
Im Südwesten versucht die warme Luft,
über die Alpen zu kommen.
Es gibt Hagel und Sturmböen.
Wir schauen auf die nächsten Tage.
Der Samstag wird im Norden stimmig.
Im Süden zieht sich der Regen zurück.
Am Sonntag kommt er zurück.
In der Mitte bleibt es trocken.
Jetzt folgen extra 3 und danach Inas Nacht.
Um 0.45 Uhr meldet sich das nachtmagazin.
Wir sind morgen bereits um 21.45 Uhr mit den tagesthemen da.
Bis dahin!
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