tagesWEBschau 24.03.2021, 20:00 Uhr - Kanzlerin Merkel kippt die verlängerte Oster-Ruhe
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der tagesschau.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (24.03.2021)
Heute im Studio: Constantin Schreiber
Guten Abend, ich begrüße Sie zur tagesschau.
Kanzlerin Merkel hat die Pläne für die verlängerte Osterruhe gestoppt.
In einer persönlichen Erklärung übernahm sie die Verantwortung.
Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler,
denn am Ende trage ich für alles die letzte Verantwortung.
Qua Amt ist das so, also auch für die Entscheidung zur Osterruhe.
Gleichwohl weiß ich,
dass dieser Vorgang zusätzliche Verunsicherung auslöst.
Das bedaure ich zutiefst,
und dafür bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung.
Mit der Erklärung Merkels ist der wohl wichtigste Beschluss
der letzten Bund-Länder-Runde vom Tisch.
Ziel war es, mit der um Gründonnerstag verlängerten Osterruhe
die dritte Welle der Pandemie zu brechen.
Die Kanzlerin sprach von einer Idee, die in bester Absicht entstanden sei.
Der Aufwand hätte aber in keinem Verhältnis zum Nutzen gestanden.
Nach ihrem öffentlichen Fehlereingeständnis
macht sich die Kanzlerin auf in den Bundestag.
Auch hier: die Bitte um Verzeihung.
Sie weiß: Es ist wohl Vertrauen verlorengegangen,
Verunsicherung entstanden – durch das Hin und Her um die Osterruhe.
Sie hatte Gründe, war aber in der Kürze der Zeit nicht so umsetzbar,
dass Aufwand und Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis stehen.
Fast zeitgleich tagen in vielen Bundesländern die Parlamente.
Von einigen Ministerpräsidenten bekommt Merkel Unterstützung.
Wir haben Bedenken geäußert,
aber am Ende haben wir dem zugestimmt.
Ich möchte der Kanzlerin Respekt zollen für die Initiative,
diesen Punkt auszusetzen.
Weniger harmonisch die SPD.
Die Kanzlerin sei selbst schuld, heißt es aus Rheinland-Pfalz.
Die Idee kam von Frau Merkel, sie kam sehr spät in der Nacht.
Dann muss man sich drauf verlassen können,
dass die Zusage der Bundesregierung steht.
Dass die rechtlichen Bedingungen abgeklärt werden.
In Wahrheit: Das muss vorher geklärt sein.
Wie weiter durch die Pandemie?
Vieles unklar, auch im Gespräch nicht mal eben zu klären.
Frust macht sich breit, seit Tagen sogar in Merkels Unionsfraktion.
Für die Opposition daher klar:
Merkel fehle der Rückhalt aus den Regierungsreihen,
könne so nicht weitermachen.
Müssten Sie nicht die Vertrauensfrage stellen?
Oder wagen Sie es nicht angesichts dieses Koalitionspartners?
Sind Sie sicher, dass Sie die Unterstützung Ihrer Fraktion haben?
Doch die Fragen wehrt Merkel ab,
auch mit dem unterstützenden Applaus aus ihrer Fraktion.
FDP und Grüne kritisieren Merkel noch einmal dafür,
dass der Bundestag bei den Corona-Maßnahmen außen vor sei.
Warum weigern Sie sich, den gesetzlichen Rahmen,
die klare Orientierung für was möglich ist,
hier im Parlament zu treffen?
Ich mache weder die umfassenden Maßnahmen für die Länder.
Noch können Sie sagen, ich mache das für die Länder mit.
Das ist ein komplizierter Aushandlungsprozess.
Über diese Bund-Länder-Konferenzen
spricht Merkel auch im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio.
Einige Länderchefs fordern, das Gremium zu überdenken:
Mehr Transparenz, weniger Nachtsitzungen.
Über manches, wie wir arbeiten, müssen wir noch mal reden
und sicherlich sind 15 Stunden nicht der Weisheit letzter Schluss.
Das haben alle verstanden und da werden wir drüber nachdenken.
Und auch das sagt Merkel am Tag,
an dem die Osterruhe zum Osterchaos wurde:
Sie bittet die Bürger, auch ohne offizielle Regelung
über die Feiertage zu Hause zu bleiben.
Oliver Köhr in Berlin.
Die Kanzlerin hat einen Fehler eingeräumt.
Wie ist der Schritt zu bewerten?
Das ist ein einmaliger Vorgang.
Es gibt nicht viele Kanzler, die das vor Merkel gemacht haben.
Wie im privaten Leben kommt eine Entschuldigung
Politikern nicht leicht über die Lippen.
Dafür wurde Merkel viel Respekt gezollt.
Aber das Chaos in der Bewältigung der Corona-Krise
ist noch einmal deutlich geworden.
Das Einverständnis versagt zu haben sorgt für viele Beobachter dafür,
dass das Vertrauen in die Bundesregierung weiter sinkt.
Die Rolle rückwärts ist auch nicht mit einer Alternative verbunden.
Über Ostern gibt es auch keine Ausgangsbeschränkungen.
Es bleibt die Bitte, zu Hause zu bleiben.
So wie letztes Jahr.
Verbunden mit Auftrag ans Justizministerium, zu prüfen,
ob die Urlaubsflieger nach Mallorca irgendwie zu stoppen sind.
Das geht aber wohl nur,
wenn Reisen in alle Länder verboten würden.
Oder man begibt sich auf juristisch dünnes Eis.
Zum Regierungschaos sendet das Erste heute um 20.15 Uhr einen Brennpunkt.
Gesprächsgast ist Kanzlerin Merkel.
Der Brennpunkt in DGS auf tagesschau24
Nicht berührt vom Stopp der verlängerten Osterruhe
ist die Entscheidung, den Lockdown bis zum 18. April zu verlängern.
Die damit verbundenen Regeln gelten auch über die Feiertage.
So dürfen sich maximal fünf Menschen aus zwei Haushalten treffen,
Kinder bis 14 Jahre nicht mitgerechnet.
Strenger wird es da, wo der Inzidenz-Wert die 100 überschreitet.
Am Gründonnerstag kann normal eingekauft und gearbeitet werden,
unter Beachtung der gültigen Corona-Maßnahmen.
Zur aktuellen Infektionslage:
Das RKI meldet heute mehr als 15.800 neue Corona-Fälle binnen eines Tages,
fast 2400 mehr als vor einer Woche.
Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt laut RKI bei 108.
Vor einer Woche betrug sie 84.
Die Folgen der Corona-Pandemie
treiben die Neuverschuldung des Bundes auf einen Höchststand.
Finanzminister Scholz plant für 2021 eine weitere Kreditaufnahme
in Höhe von 60 Mrd. Euro auf dann 240 Mrd. Euro.
Auch für 2022 sind dann noch einmal neue Schulden
in erheblicher Höhe vorgesehen.
Damit sollen Unternehmen in der Krise gestützt
und Gesundheitsausgaben finanziert werden.
Die Etat-Entwürfe wurden heute vom Kabinett gebilligt.
Olaf Scholz, Finanzminister mit Rekordverschuldung,
die kaum jemand grundsätzlich kritisiert.
Wenn niemand einkaufen kann, wenn weniger gearbeitet wird,
dann nimmt der Staat weniger Steuern ein.
Gleichzeitig zahlt der Staat Milliardenhilfen -
für die Verdienstausfälle während des Lockdowns im Winter.
Denjenigen, die fragen: "Wo ist der Wumms?"
Denen kann man nur sagen: Das ist der Wumms.
Wir haben eine bessere wirtschaftliche Entwicklung
als ohne die Maßnahmen, die hier auf den Weg gebracht wurden.
Der Preis dafür: Rekord-Schulden.
Für 2020 sind nicht mehr knapp 180 Milliarden Euro eingeplant,
sondern mehr als 240 Milliarden.
Im nächsten Jahr sollen es noch einmal gut 81 Milliarden Euro sein.
Der Koalitionspartner trägt die Verschuldung mit, fordert aber, ...
... dass der Finanzminister darauf hinweisen würde, sollte und müsste,
dass man Maß und Mitte halten soll.
Und nicht so tun,
als ob mit Wumms und Bazooka diese Pandemie mit Schulden zu lösen sei.
Was tun gegen den Schuldenberg?
Aus der Opposition unterschiedliche Vorschläge.
Jetzt klar zu definieren:
Was brauchen wir in der Zukunft und was nicht?
Damit sich alle drauf einstellen:
Welche Subvention ist nicht mehr nötig?
Die Einnahmen müssen erhöht werden durch eine Umverteilung
bei den Krisengewinnlern, die haben ihren Beitrag zu leisten.
Ab 2023 plant die Regierung,
dass die Schuldenbremse wieder eingehalten wird.
Wie genau und ob das das Ziel bleibt,
werden nach der Wahl ihre Nachfolger entscheiden.
Italienische Behörden entdeckten bei der Inspektion einer Abfüllanlage
in der Nähe von Rom 29 Millionen Corona-Impfdosen von AstraZeneca.
Der Konzern gab an, diese seien zum Teil für die EU bestimmt
und man warte noch auf die Freigabe durch die Qualitätskontrolle.
Die EU-Kommission hatte die Kontrolle veranlasst,
da sie den Verdacht hatte, AstraZeneca verfüge in Europa
über eine größere Produktionskapazität als angegeben.
Die Aufregung war groß:
Auf Wunsch der EU hatten italienische Behörden
diese Abfüllanlage von AstraZeneca bei Rom inspiziert.
Sie fanden 29 Millionen Impfstoffdosen.
Der Verdacht:
Sie könnten für den Export nach Großbritannien
zurückgehalten worden sein.
Brisant: AstraZeneca hat seine Lieferverpflichtungen
gegenüber der EU bisher nicht eingehalten.
Vereinbart waren für das erste Quartal 120 Mio. Dosen.
Dann gab es massive Lieferengpässe
und die Zahl wurde auf 30 Mio. korrigiert.
Mitte März waren davon rund 21 Millionen Impfdosen geliefert.
Wie viel an dem Verdacht von heute dran ist – unklar.
AstraZeneca erklärte,
die Dosen seien zum einen für den Export in ärmere Länder bestimmt.
Zum anderen für die EU.
Die EU-Kommission kommentierte diese Antwort heute nicht.
Aber die Aufregung über den Fund zeigt,
wie emotional das Thema Impfstoffverteilung diskutiert wird.
Brüssel fühlt sich benachteiligt.
Wir haben zehn Millionen Impfdosen aus der EU
nach Großbritannien exportiert und keine einzige zurückbekommen.
Deshalb will sie Exporte in ein Drittland nur noch dann zulassen,
wenn dieses auch umgekehrt Impfstoffe an die EU liefert.
Darüber entscheiden die Staats- und Regierungschefs
morgen beim EU-Gipfel.
Nach der vierten Parlamentswahl binnen zwei Jahren
steht Israel erneut vor einer schwierigen Regierungsbildung.
Zwar holte die rechtskonservative Likud-Partei von Premier Netanyahu
die meisten Sitze.
Doch weder sein Lager noch das von Oppositionsführer Lapid
verfügt wohl über eine stabile Mehrheit.
Die bisherige Regierung war am Streit über den Haushalt zerbrochen.
Wieder ist er Wahlsieger - und wieder reicht es nicht für eine Mehrheit.
Israels Premier Netanyahu steht vor schwierigen Verhandlungen.
Wir brauchen eine stabile Regierung.
Was wir nicht brauchen, ist eine Regierung,
die wegen persönlicher Abneigungen oder Ambitionen zerrissen ist.
Netanyahu schließt also keine Partei als Koalitionspartner aus,
um Einfluss auf seinen Korruptionsprozess nehmen zu können.
Kritiker fürchten, dass er sich per Gesetz
Immunität vor Strafverfolgung sichern will.
Netanyahu streitet dies ab.
Zünglein an der Waage bei der Regierungsbildung könnte er sein:
Der Chef der arabischen Ra'am-Partei.
Dieses Mal hat Netanyahu nicht gegen arabische Parteien Wahlkampf gemacht,
sondern er warb um Stimmen der arabischen Israelis.
Auch Mansour Abbas verschließt sich nicht.
Entscheidend ist, dass in arabischen Gemeinden
die Kriminalität und Gewalt bekämpft und es mehr Land zum Bauen gibt.
Das Land bleibt gespalten: Pro und kontra Netanyahu.
Beide Seiten blicken nun auf die Königsmacher dazwischen.
Die arabische Ra'am-Partei und die Siedler-Partei Jamina.
So sehr sich Netanyahu auf die Araber zubewegt,
so unwahrscheinlich scheint es,
dass sich seine ultrarechten Partner auf eine Koalition einlassen würden.
Gleiches gilt für den Anti-Netanyahu-Block.
Die politische Krise geht wohl weiter.
Ein auf Grund gelaufenes Containerschiff
blockiert seit gestern den Suezkanal.
Eine für Welthandel und Ölversorgung wichtige Wasserstraße.
Dort stauen sich nun Tanker und Handelsschiffe.
Der Suezkanal in Ägypten verbindet Mittelmeer und Rotes Meer.
Von dort aus war der Frachter Ever Given unterwegs nach Rotterdam.
Wenige Kilometer hinter der Kanaleinfahrt
verlor die Crew die Kontrolle.
Jetzt steckt das Schiff quer im Kanal.
Festgekeilt zwischen den Ufern:
Das Schiff ist länger, als der Suezkanal breit ist.
Für die Havarie gibt es zwei mögliche Erklärungen.
Die eine: Starker Wind habe das Schiff vom Kurs abgebracht.
Die andere: Die Steuerung sei ausgefallen.
Es ist mit 400 m Länge eins der größten Containerschiffe der Welt,
das nun den Suezkanal blockiert.
Mehr als 100 Schiffe stauen sich dort bereits.
Ein Stau, der sich auch auf Europa auswirkt.
Containerschiffe und Tanker transportieren keine Nahrungsmittel,
Treibstoff, Produkte nach Europa.
Und Produkte von Europa werden nicht in den Fernen Osten geliefert.
Das hat massive Auswirkungen auf die Produktion
und die Verfügbarkeit von Waren in Europa und Asien.
Für Ägypten bedeutet die Blockade ein großes finanzielles Loch.
Der Suezkanal ist für das Land eine der wichtigsten Einnahmequellen.
Schlepper haben laut Hafenbehörde das Schiff etwas bewegen können.
Wann es freikommt, ist noch unklar.
Für die wartenden Schiffe ist fraglich,
ob sich der Umweg über das Kap der Guten Hoffnung lohnt.
Dieser Weg beträgt etwa 7000 km und dauert mindestens eine Woche.
Viel Zeit im eng getakteten Welthandel.
Die Lottozahlen:
Die Wettervorhersage für morgen, Donnerstag, den 25. März.
Ein atlantischer Tiefausläufer bringt uns morgen wieder mehr Wolken,
aber kaum Regen.
In den Nordwesten ziehen heute Nacht dichte Wolken,
die in der Früh stellenweise Schauer bringen.
Richtung Südosten oft sternenklar und morgen noch längere Zeit sonnig.
Ansonsten überwiegen die Wolken und einzelne Schauer sind unterwegs.
Später wird es von Nordwesten wieder freundlicher.
Am Freitag vor allem im Süden recht sonnig und warm,
im Norden dagegen unbeständig.
Am Samstag wechselhaftes, windiges Schauerwetter.
Es wird kühler und im Bergland fällt wieder Schnee.
Am Sonntag im Norden gebietsweise Regen und windig,
im Süden häufiger Sonnenschein und dort bleibt es auch trocken.
Um 22.35 Uhr haben wir diese Tagesthemen für Sie:
Rolle rückwärts - was bedeutet die Entschuldigung der Kanzlerin?
Und: Wie weiter im Kampf gegen die Pandemie?
Fragen von Pinar Atalay an CDU-Chef Laschet
und den FDP-Vorsitzenden Lindner.
Copyright Untertitel: NDR 2021
Und nun der ARD-Brennpunkt mit Oliver Köhr.