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2021 from Youtube, Ex-Neonazi: Wie wir Deutschland stürzen wollten - ein neues Nazideutschland

Ex-Neonazi: Wie wir Deutschland stürzen wollten - ein neues Nazideutschland

Er wollte den Umsturz, ein neues Nazideutschland.

(alle:) Sieg heil! Sieg heil!

(Unruhige Musik)

Wenn ich mit richtiger Munition auf jemanden schieße oder ziele,

dann wird das einen Grund haben.

In den Wendejahren nannten man ihn den Führer von Berlin.

Ich war geistiger Brandstifter - nicht folgenlos.

Wie kam es zu dieser massiven Gewalt und was hat das mit heute zu tun?

Wir haben ein paar Mal hin- und hergeschrieben, telefoniert.

bevor ich ihn in Berlin treffen kann,

den ehemals bekanntesten Neonazi Ostdeutschlands.

Falls ihr euch wundert, wir haben den Film im letzten Sommer gedreht.

Da waren die Coronazahlen noch ganz unten.

Ich mach mal ein bisschen leiser.

(off:) Ich hab im Archiv einen alten Film gefunden von Anfang der 90er.

Es gibt ja hier in dem Film so Passagen von militanten Neonazis.

(Unverständlicher Ruf)

(Schüsse)

Es ist ein Film über Ingo Hasselbach und seine damaligen Mitstreiter.

Hasselbach läuft vorne weg.

(Video:) "Manöver gehören längst zum Alltag

neonazistischer Organisationen."

"In fast allen größeren deutschen Städten gibt es Wehrsportgruppen."

"Sie werden meistens von Rekruten der Bundeswehr ausgebildet.

(Knall)

(Laufschritte)

(Schuss)

(Schuss)

"Wenn ich mit richtiger Munition auf jemanden schieße oder ziele,

dann wird das einen Grund haben."

"Kannst du dir das vorstellen?" - "Sicher."

"In welcher Situation?"

"Zum Beispiel ... erst mal von Haus aus Notwehr."

"Politisch gesehen?"

Vielleicht auch irgendwann mal zur Durchsetzung politischer Ziele.

Wie ist denn das für Sie, wenn Sie das wieder mal so gucken?

Es ist schwer, mich zusammenzubringen mit der Person, es ist so lange her.

Ich weiß natürlich, dass ich das bin,

aber es ist schon wahnsinnig absurd zu sehen.

Dass ich das mal gesagt habe, also ...

Den ganzen Zusammenhang sehe, für was das alles steht

und wo das herkommt.

Aber letztlich ist es ein Teil meiner Geschichte, den ich akzeptieren muss,

den ich auch akzeptiere natürlich.

Wann haben Sie das zum letzten Mal geguckt?

Ich hab's noch nie geguckt.

Sie haben es noch nie geguckt? - Nee.

Das ist für mich auch mit so wahnsinnig viel Scham belastet,

ich denke, das ist eigentlich unglaublich, dass ich das bin.

(Er räuspert sich.)

Aber er ist es.

Ingo Hasselbach war vor 30 Jahren

eine zentrale Führungsfigur der Neonazis,

zuständig für den Osten Deutschlands, da ist er großgeworden.

(Treibende Musik)

In der Weitlingstraße in Ostberlin

errichtete die neue Rechte Bewegung ihr Hauptquartier.

Das war 1990.

Der junge Ingo Hasselbach wurde Anführer

und Parteivorsitzender der nationalen Alternative.

Er sagt, dass er in der Zeit oft Waffen mit sich trug,

das sei besser gewesen.

(Treibende Musik)

Von den Medien wurde Hasselbach "der Führer von Berlin" genannt.

Die Neonazis besetzten Häuser,

das hatten sie sich von den Linken abgeschaut.

Schnell wurde die Weitlingstraße zum Treffpunkt von bis zu 400 Neonazis

aus Ost und West.

So sieht es heute hier aus.

(Treibende Musik)

Ingo Hasselbach ist das erste Mal seit 1990 wieder hier.

So richtig wohl fühle er sich nicht, sagt er.

(Treibende Musik)

Aber er will mir zeigen,

wo er und andere Neonazis damals in diesem Haus gewohnt haben.

Es ist seine Vergangenheit.

Hier konnte man sich nicht mehr bewegen in dieser Straße,

ohne Stress zu kriegen.

Die Linken haben draußen patrouilliert,

die Polizei hat patrouilliert,

der Verfassungsschutz hat patrouilliert.

alle waren draußen auf den Straßen unterwegs.

Es gab eine totale Überwachung, nachdem die geschnallt haben,

wer eingezogen ist in das Haus.

In der Weitlingstraße

versammelten sich viele junge Männer wegen Hasselbach.

Die Rechten ließen oft Medien rein,

doch manche Fragen wurden nicht beantwortet.

Es wird davon gesprochen,

dass es größere Waffenlager im rechten Lager gibt?

Kein Kommentar.

Warum?

Kein Kommentar.

Jahre später wird Hasselbach die Waffenlager preisgeben.

Das war meine Wohnung. - Das war Ihre Wohnung?

Vor 30 Jahren. - Vor 30 Jahren, genau.

War schon so eine Art rechtsfreier Raum?

Das war ein komplett rechtsfreier Raum.

Es galt nur das, was wir als Gesetz erklärt haben.

Hier gab's im Prinzip direkten Zugang auf den Dachboden.

Hatten Sie Waffen im Haus?

Wir hatten immer Waffen im Haus, ja.

Das war auch unausgesprochen klar, dass jeder hier eine Waffe hat.

Für den Fall, dass man überfallen wird, dass es eine Stürmung gibt,

was auch immer.

Die heftigste Auseinandersetzung um die Weitlingstraße

gab es am 23. Juni 1990.

(Sirene)

Ein linkes Bündnis

hatte zur Demonstration gegen das rechte Zentrum aufgerufen.

Die Weitlingstraße stand im Prinzip

als Symbol für die Wiedervereinigung der Rechten,

also der Vereinigung der Rechten Ost-West.

Wir hatten das Gefühl, wir können Geschichte machen,

das haben wir versucht.

Hasselbach sagt, er und seine Kameraden

hätten an dem Tag im Sommer 1990

die Weitlingstraße bis zum Allerletzten verteidigt.

Dass es keine Toten gab, ist ein kleines Wunder.

Der Angriff der Linken war eine Reaktion

auf etliche Gewalttaten der Neonazis.

(Sirene)

(Ernste Musik)

Die Gewalt, die die Skins, die hier gelebt haben,

gegen Ausländer ausgeübt haben, das wurde auch hochgradig kriminell.

Es gab Raubüberfälle, es war nicht mehr zu kontrollieren.

Natürlich waren wir verantwortlich.

Wir haben die hier hergeholt, denen ein Zuhause gegeben.

Wir haben zwar nicht gesagt: "Geht raus und schlagt Ausländer tot",

aber sie haben es trotzdem gemacht.

Ausländer verprügelt, überfallen, Brandstiftung

und weiß der Teufel, was die gemacht haben.

Aber wir waren verantwortlich.

Auch Westneonazi Christian Worch rechts neben Hasselbach.

Die beiden lernen sich kurz nach Mauerfall kennen.

Worch wurde "Führer von Hamburg" genannt.

Die Kader aus dem Westen wie Worch

sahen auf dem Gebiet der Ex-DDR einen fruchtbaren Boden

für ihre radikalen Ideen.

Sie witterten ihre Chance.

Dass wir gemeinsam vereint sind

in einem heiligen Großdeutschen Reich.

(mehrere:) Sieg heil! Sieg heil! Sieg heil!

Wir haben hier ein großes Potential von vorwiegend jungen Menschen,

die politisch unverbraucht sind.

Diese Naivität, ich möchte es schöne Naivität nennen,

die wird sehr befruchtend, die wird sehr beflügelnd auf das rechte Lager

Gesamtdeutschlands, also auch der alten Bundesländer wirken.

Wie wichtig war der Osten wirklich für die Westnazis?

Ich fahre zum ehemaligen Führer von Hamburg.

Heute wohnt er in Parchim.

In den letzten Jahren fuhr er noch Taxi.

Jetzt lebt er von Hartz IV erzählt er.

Seit 40 Jahren ist Christian Worch strammer Rechtsextremist.

Ein Ordner mit "NS-heute" fällt mir auf.

Ansonsten lässt hier wenig auf seine politische Gesinnung schließen.

(Elektronische Musik)

Auf Smalltalk vor dem Interview haben weder er noch ich Lust.

(Ernste Musik)

Wo stand denn die Rechte vor Mauerfall in der Bundesrepublik?

Als radikale Rechte waren wir vor dem Mauerfall in der BRD

nicht einmal im Stande 1.000 Mann auf die Straße zu bringen.

War denn der Mauerfall für Sie ein Glücksfall?

Das war er eindeutig, ja.

Wir hatten die Hoffnung,

dass nach dem Sturz des einen deutschen Systems

möglicherweisen nahezu direkt anschließend

der Sturz des zweiten deutschen Systems stattfinden könnte.

Wir hatten plötzlich Zugriff auf personelle Ressourcen von Menschen,

die mit dem kommunistischen System überhaupt nichts mehr am Hut hatten.

Mit anderen Worten Leute, die bereits etwas geändert hatten

und die im Prinzip zu weiteren Veränderungen bereit waren.

(Ernste Musik)

So wie Ingo Hasselbach und seine Kameraden.

Der Fall der Mauer, der Zusammenbruch der DDR,

also eines ganzen Staates,

brachte nach der ersten Euphorie viel Unsicherheit.

Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit -

eine gefährliche Mischung.

(Treibende Musik)

Ich treffe einen Mann,

der gegen Ingo Hasselbach in den 90ern ermittelt hat.

Jahre später werden sie gemeinsam

die Aussteigerorganisation "Exit" gründen.

Bernd Wagner war schon Kriminalpolizist in der DDR.

Auf den Zusammenbruch der DDR

haben die Neonazis in Ost und West lange gewartet,

erzählt er mir.

Kaum war die Mauer auf, gab es einen Aufbauplan Ost.

Führende Kader aus dem Westen kamen in den Osten,

die haben gedacht, sie trauen ihren Augen nicht,

wie viele Kameraden da rumlaufen, optisch sichtbar, völlig unbefangen,

keine Angst vor dem Verfassungsschutz, Stasi war tot,

die waren also hochbegeistert.

Die haben sogar geträumt in der Zeit von der nationalen Revolution.

Schon zu DDR-Zeiten hat Kriminalpolizist Wagner gemerkt,

dass sein Staat ein massives Problem mit Neonazis hat.

Wagner entdeckte etliche rechte Gruppierungen.

"SS-Division Walter Krüger Wolgast." - Ja.

"SS-Kampfstaffel Nord."

"Wotansbrüder."

"Wilhelmsruher Türkenklatscher."

"Lichtenberger Front", die "Vandalen", die "Ostkreuzler".

"Deutschland stirbt nicht", "SS-Teutonenkampfstaffel".

Die waren alle aktiv und viele mehr.

Das ist ja nur ein kleiner Ausschnitt der Wirklichkeit.

Alle waren nationalsozialistisch,

alle haben sich am Dritten Reich orientiert.

Man kann davon ausgehen, dass in allen Städten der DDR

mindestens eine Gruppierung existierte,

also kommen Sie auf eine Zahl, die weit über 200 liegt

nur an Gruppierungen.

Vor Mauerfall durfte Wagner seine Erkenntnisse nicht veröffentlichen.

Denn ins Selbstbild der DDR passten keine Neonazis.

Die durfte es offiziell nicht geben.

(Fröhliche Marschmusik)

Heute wie damals lautet der Schwur:

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Die deutsche demokratische Republik,

sie verkörpert die Ideale des antifaschistischen Kampfes.

(off:) Aber nicht alle folgten dieses Idealen.

Kurz vor Mauerfall 1988, das Politmagazin "Kontraste"

drehte heimlich in der DDR diese Aufnahmen von Neonazis.

Wir sind sehr auf Gewalt aus.

Wir wollen was gegen die ganzen Linken tun und

uns kotzt es ja an in dem Scheißstaat.

Ich meine, viel können wir ja nicht machen.

Wir treten ein für ein vereinigtes Deutschland

und dass die Scheißkanaken raus sind.

(Langsame Musik)

Erst kurz nach Mauerfall konnte Wagner seine Ermittlungsergebnisse

auf einer Pressekonferenz vorstellen.

Bis September diesen Jahres wurden bevorzugt angegriffen

Anhänger der Punkbewegung wegen ihrer undeutschen Lebensweise,

Gruftis, homosexuelle Bürger,

Ausländer mit dunkler Hautfarbe und auch Vietnamesen.

Das Ergebnis war, dass wir es schon mit einem ziemlich rüden System

von rechtsradikalen zu tun haben in der DDR.

Wagner zählt in der DDR schon 15.000 Rechtsradikale,

das war in den 80ern.

Zu der Zeit wuchs Ingo Hasselbach

in der Plattenbausiedlung Berlin-Lichtenberg auf.

Ich war weder links noch recht, sagen wir so,

so ein Mittelding

und war im Protest gegen den Staat als Punk oder so.

(Schnelle Musik)

Am Anfang war das nicht politisch, überhaupt nicht.

Das war wirklich ein reines Anderssein.

Wir wollten uns nicht einordnen lassen in dieses System.

Wir sind ja nicht als Punks losge- gangen und haben alles kaputtgehauen.

Wir haben in den Kaufhallen geklaut, das haben wir gemacht,

aber wir haben nicht wirklich kriminelle Taten begangen,

wo man sagen muss, die gehörten verfolgt.

Wir wurden verfolgt, weil das politische System

diese westliche Jugendkultur, die wir in die DDR geschleppt haben,

zum Staatsfeind erklärt haben, wir wurden politisiert.

Wir fingen an nachzudenken, was es bedeutet,

wenn man unter so einen Druck gerät, dass man das aufgreift.

Dann wird man politisch, fängt an zu denken,

wo leben wir hier, wir leben in einem Land,

das eingesperrt ist.

(Langsame Musik)

Stasi-Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen.

(Langsame Musik)

Als 19-jähriger Punk kommt Ingo Hasselbach in Haft.

Er wird als Neonazi den Knast wieder verlassen.

Seine Erinnerungen an diesen Ort liegen lange zurück.

Doch die Bilder sind sofort wieder da.

Das wurde von den Gefangenen Tigerkäfig genannt.

Da oben lief halt so ein Posten rum,

der konnte von da in jede Freigangszelle gucken.

Also, so weit, wie wir jetzt hier stehen, war nicht erlaubt.

Und man musste laufen.

(Dynamische Musik)

Seine Geschichte begann so:

Er wurde 1986 von der Staatssicherheit,

der Geheimpolizei der DDR, festgenommen.

Weil ick auf 'nem Druschba-Fest,

das ist so 'n Freund der ... so 'n Fest der ...

russischen Streitkräfte, der Alliierten sozusagen,

gerufen hab: "Die Mauer muss weg."

Weißt du? So, dat war dann ...

da hab ick gemerkt, dass es mit der Meinungsfreiheit hapert.

Die Vernehmungen waren halt sehr intensiv hier.

Wo man halt ...

auf Herz und Niere geprüft wurd sozusagen,

ob man 'n Staatsfeind ist.

Darum geht's letztlich.

Zu welchem Ergebnis sind die gekommen?

Na, offensichtlich waren wir Staatsfeinde.

Staatsfeind mit 19. (Beklemmende Musik)

Weil er den Satz "Die Mauer muss weg." gerufen hatte.

Dafür bekam Ingo Hasselbach sieben Monate Haft.

Nach seiner Strafe wollte er nur noch weg aus dieser DDR.

Aber sein Fluchtversuch scheiterte.

Er kam wieder in Haft, diesmal zweieinhalb Jahre.

Eine Odyssee durch ein Dutzend DDR-Gefängnisse begann.

Oft wurde er transportiert

in solchen Bahnwagons.

(Traurige Musik)

Hier waren jetzt vier Gefangene?

Wir waren zu viert drinnen, ja.

War immer voll besetzt, dat war nie leer.

Die sind nie halbbesetzt gefahren, immer voll.

Und man war immer gefesselt an den Nachbarn.

Wo waren Sie überall?

Ähm ...

Also, in Berlin war ich in der Keibelstraße, Rummelsburg,

Hohenschönhausen, Magdalenenstraße.

Dann bin ich nach Halle verlegt worden.

Dann war ich in Bautzen I und II.

Dann war ich in Bützow, in Waldheim.

Äh ... in Dessau.

Dann nach Magdeburg.

Dann nach ... Rostock.

Dann nach Brandenburg.

Frankfurt Oder.

Und wieder Berlin. So in diesem ...

Bereich. - Warum wurde man so oft verlegt?

Na ja, das ist schon einfach auch, um Nervosität

bei dem Gefangenen zu verursachen.

Dass er sich nicht einlebt irgendwo, um den zu verunsichern.

Dit is schon 'ne Art von Zusatzstrafe gewesen.

Da is 'n System dahinter.

Und wie lange haben dann solche Fahrten mitunter gedauert?

Ich meine man würde ja annehmen, dass 'ne Fahrt von Dresden nach Berlin

so in zwei Stunden oder in drei maximal erledigt ist.

Dat Problem war hier, dass die ...

dass diese Hänger, die wurden willkürlich

an Güterwagons angehängt.

Und immer 'n Stück mal mitgenommen,

dann standen sie wieder am Abstellgleis.

Da konnte man zwei, drei Tage unterwegs sein, ja.

(Beklemmende Musik)

Am Ende landete Ingo Hasselbach mit 22 Jahren

als politischer Gefangener in Brandenburg an der Havel.

Und dort wurde er zusammen mit alten NS-Kriegsverbrechern inhaftiert.

Erzählt er mir.

Ich hab 1988 im Frühjahr

in Brandenburg den ...

Heinz Barth kennengelernt.

Der galt als einer der Haupttäter der Mörder von Oradour.

Einem kleinen französischen Dorf.

Dass sie dieses ganze Dorf im Prinzip komplett ausgelöscht haben.

Die haben die Männer alle erschossen und die Frauen und Kinder

in die Kirche getrieben und haben die angezündet.

Der Zweite war ... Henry Schmidt.

Der war der Gestapo-Chef von Dresden,

verantwortlich für die Deportation aller Dresdner Juden.

Jetzt haben wir plötzlich mit zwei Leuten zu tun gehabt,

die im Gefängnis waren.

Die sich zu Unrecht im Gefängnis empfanden.

Die uns ihre Sicht der Dinge aus den 30er-Jahren erzählt haben.

Wie Hitler an die Macht kam, wat der fürs deutsche Volk getan hat.

Und haben uns 'ne andere Betrachtungsweise geliefert.

Die wir nie gehört hatten. - Wie haben die Sie beeinflusst?

Die haben verstanden und gesehen wie kaum jemand anders,

wat für 'nen Hass wir auf diesen verordneten Antifaschismus haben.

Auf dieses System DDR, was sich immer als antifaschistisch deklariert hat.

Diese Wut haben die im Prinzip benutzt.

Die haben uns natürlich indoktriniert.

Dat wat uns wichtig wurde, dat war im Prinzip

die größtmögliche Opposition gegen die DDR.

Und da haben Sie sich dann schon in ...

der Haft in Brandenburg dann als ...

rechts oder Neonazi oder als Nationalsozialist gesehen?

Das ist ... natürlich, diese Jahre im Gefängnis,

diese Wut auf die DDR hat ...

'nen wahnsinnigen Einfluss darauf gehabt.

Ohne den Knast wär ich nicht Neonazi geworden, da bin ich mir sicher.

Einer der wichtigsten Westkader,

den Ingo Hasselbach nach dem Mauerfall kennenlernt,

war Michael Kühnen.

Der ehemalige Bundeswehroffizier

setzte sich massiv für den rechten Aufbau Ost ein.

Bis er im Frühjahr 1991 an Aids verstarb.

(Spannungsvolle Musik)

Das fordere ich von jedem Einzelnen, der sich mir anschließt.

Sich zu bekennen als das, was wir sind.

Als nationale Sozialisten in der Tradition der NSDAP und der SA.

Und genau das machte Ingo Hasselbach.

(Spannungsvolle Musik)

(Nazi-Rufe)

Die unverfrorenen Aufritte Kühnens in der DDR

mobilisieren nach Monaten hilflosen Zuwartens

dann doch die Polizei des sterbenden Staates.

Hasselbach war der Versammlungsleiter

bei einem der ersten Auftritte Kühnens

im Osten Deutschlands in Cottbus.

Das war noch vor der Wiedervereinigung.

(Kameraauslöser)

Wir sind bereit, über alles zu sprechen,

über Auflagen, korrektes Verhalten.

Über alles.

(Spannungsvolle Musik)

Neonazi-Führer Kühnen ließ sich medienwirksam abführen.

(Hundebellen)

War kurze Zeit später aber wieder frei.

(Spannungsvolle Musik)

Michael Kühnen wusste um die Bedeutung Ostdeutschlands

beim Aufbau militanter rechtsextremer Strukturen.

Und Hasselbach half dabei.

Wir sprechen speziell Jugendliche an,

wo man merkt, dass die Tendenz ins rechte Lager schon geht.

(Reporter:) Auch an Schulen? - Auch an Schulen.

(Reporter:) Wie denkst du über Ausländer?

Scheiße. - Warum?

Na ja, weil es unser Land ist.

Ausländer sind scheiße.

Nehmen uns die Arbeit weg, die Wohnung weg.

(Reporter:) Was hältst du von den Angriffen auf Asylantenwohnheime?

Find ich gut. (Lachen im Hintergrund)

Würdest du dich selbst auch daran beteiligen?

Ja. - Warum?

(Schmatzen) Weil Ausländer da bleiben müssten,

wo sie hingehören.

Findet ihr auch diese Attacken auf Asylantenwohnheime korrekt.

Einwandfrei, ja.

Wir haben selber mitgemacht, wir wissen, wat los is.

Also, wir sind total dafür.

Ausländer betteln hier beim Aldi und so, wat soll dat?

Also, du würdest dich selbst noch mal daran beteiligen.

Ich würd noch mal mitmachen. Hab keinen Skrupel vor.

(Reporter:) Und wie lange dauert so 'ne Planung

von 'nem Überfall auf ein Asylantenheim?

Wenn's schnell gehen soll, in einer Stunde.

Wenn wir 'n größeres Ding planen,

wie Türkenladen oder so einwerfen,

dann dauert dat zwei, drei Tage.

Die Gewalt nimmt Anfang der 90er immer weiter zu.

Polnische Grenze.

(Geschrei und Lärm)

Hoyerswerda.

(Geschrei, Pfiffe)

Rostock-Lichtenhagen.

(Geschrei)

Heute werden diese gewaltvollen Nachwendejahre

"Baseballschlägerjahre" genannt.

(Geschrei, Pfiffe)

(Sprecher:) Allein im vorigen Jahr wurden über 1.500 Gewalttaten

von Rechtsextremisten verübt.

Alles deutet darauf hin, dass die Zahl in diesem Jahr

bei Weitem überschritten wird.

Am letzten Augustwochenende 1992

wurden mehr als 20 Asylbewerberheime angegriffen.

(Beklemmende Musik)

(Geschrei)

(Pfiffe)

# Deutschland, Deutschland über alles.

# Über alles in der Welt.

(im Chor:) Sieg Heil! Sieg Heil!

Mölln in Schleswig-Holstein am 23. November 1992.

Bei einem Brandanschlag von Rechtsextremen

sterben drei türkischstämmige Bewohnerinnen.

(Beklemmende Musik)

Für mich war an dem Tag klar, dat ist es gewesen.

Weil da Menschen gestorben sind? - Ja.

Also, es wurd wirklich klar ...

durch Propaganda, für mich ganz klar durch Propaganda ...

was wir gesagt haben, propagiert in Interviews ...

wat wir an Schulungsmaterial vertreten haben

ganz klar Tote gab.

Ne?

Hasselbach stieg aus. Er musste untertauchen.

Lebte lange im Ausland.

Er ging mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit.

Ab dem Zeitpunkt galt er als Verräter.

Und dat Ganze gipfelte im Prinzip darin, dass meine Mutter

'ne ein Kilo schwere Bombe bekommen hat im November 1993.

Die nur durch 'nen glücklichen Umstand nicht explodiert ist.

Weil der Postlaufweg zu lang war.

Aber die war scharf, die war ...

ordentlich gebaut, sodass sie funktionieren sollte.

Und ... ja, glücklicherweise nicht hochgegangen ist.

War Ihnen das klar, dass der Ausstieg so schwer wird?

Ich hab da nicht drüber nachgedacht, in der Zeit.

Dat war für mich das Richtige.

Und die Konsequenzen, da schau ich, wat da kommt.

Ich hab gedacht, wenn ich mich ruhig verhalte, is dat alles gut.

Allerdings hab ich im Prinzip nie wirklich ausgesagt.

Das war für mich 'ne Art letzte Ehre,

ich sage nichts aus, was Leute belastet.

Oder wat Leute in irgendeiner Form in Gefahr bringt.

Als die Bombe kam, hat sich dat für mich geändert,

die Sichtweise. Da war klar, wenn ihr Krieg wollt, könnt ihr Krieg haben.

Dann hab ich beim Bundeskriminalamt monatelang ausgesagt.

Und hab alle Strukturen aufgedeckt im Prinzip.

Über Waffenlager, Sprengstoffschulung

und diese ganze Untergrundarbeit im Prinzip.

Und ... wat auch zu Verurteilungen führte und zu Anklagen.

Also, auch gegen mich führte dann letztlich.

Ich bin der Erste gewesen, der angeklagt wurde.

Was haben Sie dann bekommen?

Ich hab 'ne Bewährungsstrafe gekriegt.

Dat lag ausschließlich daran, dass ich halt ausgesagt habe, ne?

Aber ich war halt einer der Ersten,

die 'n Terrorismusverfahren gekriegt haben.

Tragen Sie eine Mitverantwortung für das, was in den 90ern

passiert ist?

Ja, natürlich, klar. Das ist ... wat ich ...

meine, wenn ich sage, die Geister, die ich rief.

Ich kann mich nicht hinstellen und sagen "Ausländer raus"

und mich umdrehen und so tun, als ob ich nicht sehe, wat passiert.

Ich trag 'ne Mitverantwortung.

Deshalb war für mich Mölln 'n Punkt, wo ich gesagt habe:

bis hierher und nicht weiter.

Dass ich einfach gesehen hab, was passiert, wenn man propagiert.

Wenn man Gewalt im Prinzip ...

nicht entschieden entgegentritt,

sondern es einfach laufen lässt.

Du kannst nicht sagen "Ausländer raus", irgendeiner wird's umsetzen.

(Beklemmende Musik)

(Pfiffe)

(Stimmengewirr)

Ich treffe noch einmal Christian Worch.

Den alten Weggefährten von Hasselbach.

Erst wir, dann du!

Aber anders als Hasselbach marschiert Langzeit-Neonazi Worch

noch immer mit seinen Kameraden für die braune Revolution.

Seit ein paar Jahren mit seiner neonazistischen Kleinstparte

"Die Rechte".

Verpisst euch aus Braunschweig!

(Stimmengewirr, Beleidigungen)

Worch war einst Führer von Hamburg, heut ist er Kassenwart seiner Partei.

Die alte Rechte hat an Bedeutung verloren.

(Beklemmende Musik)

Was ist Ihr Antrieb, immer noch so politisch aktiv zu sein?

Da braucht es keinen besonderen Antrieb.

Ich halte es einfach für notwendig.

Warum? - Seh ich als meine Pflicht an,

mich fürs Volk und Heimatland einzusetzen.

(Rufgesang)

Ich bin ein politischer Soldat für mein Volk.

So, ich muss mich jetzt langsam aber mal um meinen eigenen Abzug kümmern.

Eine letzte Frage? - Ich habe keine Zeit!

Worch und seine Kameraden sind heute nur noch ein versprengter Haufen.

Doch damals, Anfang der 90er,

waren Worch und Hasselbach sogenannte Führer der Neonazis.

Sie träumten vom Umsturz.

Der kam nicht.

Doch sie haben Ostdeutschland verändert.

Das wirkt bis heute.

Die Szene war nirgendwo so stark wie in den neuen Bundesländern.

So 1990, '91, '92, '93, wenn man sich das anschaut.

Das ist geblieben, auf jeden Fall ist da 'n Boden ...

also, gelegt worden, wat sich durchgezogen hat, ne?

Das ist auch über die Generationen weiter gewachsen, in all den Jahren.

Wir haben Strukturen entwickelt, die bis heute wirken.

Das ist sicherlich das, wat ich für mich auch ...

als Schuld mit mir rumschleppe.

Wo ich denke, da hab ich 'nen Einfluss drauf gehabt,

dass solche Sachen entstehen konnten.

Ähm ... ja.

(Schlucken)

Also, mein Eindruck nach dieser Recherche,

es kommt überhaupt nicht von ungefähr,

warum die neue Rechte im Osten Deutschlands,

in meiner alten Heimat so stark ist.

Es hat was mit der Vergangenheit zu tun,

mit der DDR-Zeit, aber vor allem auch mit diesen gewaltvollen 90er-Jahren.

Mich würde interessieren, was denkt ihr?

Werden politische Einstellungen weitergegeben?

Innerhalb der Familie, von Generation zu Generation?

Schreibt es uns in die Kommentare.


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Er wollte den Umsturz, ein neues Nazideutschland.

(alle:) Sieg heil! Sieg heil!

(Unruhige Musik)

Wenn ich mit richtiger Munition auf jemanden schieße oder ziele, If I shoot or aim at someone with proper ammunition,

dann wird das einen Grund haben.

In den Wendejahren nannten man ihn den Führer von Berlin.

Ich war geistiger Brandstifter - nicht folgenlos.

Wie kam es zu dieser massiven Gewalt und was hat das mit heute zu tun?

Wir haben ein paar Mal hin- und hergeschrieben, telefoniert.

bevor ich ihn in Berlin treffen kann,

den ehemals bekanntesten Neonazi Ostdeutschlands.

Falls ihr euch wundert, wir haben den Film im letzten Sommer gedreht.

Da waren die Coronazahlen noch ganz unten.

Ich mach mal ein bisschen leiser.

(off:) Ich hab im Archiv einen alten Film gefunden von Anfang der 90er.

Es gibt ja hier in dem Film so Passagen von militanten Neonazis.

(Unverständlicher Ruf)

(Schüsse)

Es ist ein Film über Ingo Hasselbach und seine damaligen Mitstreiter.

Hasselbach läuft vorne weg.

(Video:) "Manöver gehören längst zum Alltag

neonazistischer Organisationen."

"In fast allen größeren deutschen Städten gibt es Wehrsportgruppen."

"Sie werden meistens von Rekruten der Bundeswehr ausgebildet.

(Knall)

(Laufschritte)

(Schuss)

(Schuss)

"Wenn ich mit richtiger Munition auf jemanden schieße oder ziele,

dann wird das einen Grund haben."

"Kannst du dir das vorstellen?" - "Sicher."

"In welcher Situation?"

"Zum Beispiel ... erst mal von Haus aus Notwehr."

"Politisch gesehen?"

Vielleicht auch irgendwann mal zur Durchsetzung politischer Ziele.

Wie ist denn das für Sie, wenn Sie das wieder mal so gucken?

Es ist schwer, mich zusammenzubringen mit der Person, es ist so lange her.

Ich weiß natürlich, dass ich das bin,

aber es ist schon wahnsinnig absurd zu sehen.

Dass ich das mal gesagt habe, also ...

Den ganzen Zusammenhang sehe, für was das alles steht

und wo das herkommt.

Aber letztlich ist es ein Teil meiner Geschichte, den ich akzeptieren muss,

den ich auch akzeptiere natürlich.

Wann haben Sie das zum letzten Mal geguckt?

Ich hab's noch nie geguckt.

Sie haben es noch nie geguckt? - Nee.

Das ist für mich auch mit so wahnsinnig viel Scham belastet,

ich denke, das ist eigentlich unglaublich, dass ich das bin.

(Er räuspert sich.)

Aber er ist es.

Ingo Hasselbach war vor 30 Jahren

eine zentrale Führungsfigur der Neonazis,

zuständig für den Osten Deutschlands, da ist er großgeworden.

(Treibende Musik)

In der Weitlingstraße in Ostberlin

errichtete die neue Rechte Bewegung ihr Hauptquartier.

Das war 1990.

Der junge Ingo Hasselbach wurde Anführer

und Parteivorsitzender der nationalen Alternative.

Er sagt, dass er in der Zeit oft Waffen mit sich trug,

das sei besser gewesen.

(Treibende Musik)

Von den Medien wurde Hasselbach "der Führer von Berlin" genannt.

Die Neonazis besetzten Häuser,

das hatten sie sich von den Linken abgeschaut.

Schnell wurde die Weitlingstraße zum Treffpunkt von bis zu 400 Neonazis

aus Ost und West.

So sieht es heute hier aus.

(Treibende Musik)

Ingo Hasselbach ist das erste Mal seit 1990 wieder hier.

So richtig wohl fühle er sich nicht, sagt er.

(Treibende Musik)

Aber er will mir zeigen,

wo er und andere Neonazis damals in diesem Haus gewohnt haben.

Es ist seine Vergangenheit.

Hier konnte man sich nicht mehr bewegen in dieser Straße,

ohne Stress zu kriegen.

Die Linken haben draußen patrouilliert,

die Polizei hat patrouilliert,

der Verfassungsschutz hat patrouilliert.

alle waren draußen auf den Straßen unterwegs.

Es gab eine totale Überwachung, nachdem die geschnallt haben,

wer eingezogen ist in das Haus.

In der Weitlingstraße

versammelten sich viele junge Männer wegen Hasselbach.

Die Rechten ließen oft Medien rein,

doch manche Fragen wurden nicht beantwortet.

Es wird davon gesprochen,

dass es größere Waffenlager im rechten Lager gibt?

Kein Kommentar.

Warum?

Kein Kommentar.

Jahre später wird Hasselbach die Waffenlager preisgeben.

Das war meine Wohnung. - Das war Ihre Wohnung?

Vor 30 Jahren. - Vor 30 Jahren, genau.

War schon so eine Art rechtsfreier Raum?

Das war ein komplett rechtsfreier Raum.

Es galt nur das, was wir als Gesetz erklärt haben.

Hier gab's im Prinzip direkten Zugang auf den Dachboden.

Hatten Sie Waffen im Haus?

Wir hatten immer Waffen im Haus, ja.

Das war auch unausgesprochen klar, dass jeder hier eine Waffe hat.

Für den Fall, dass man überfallen wird, dass es eine Stürmung gibt,

was auch immer.

Die heftigste Auseinandersetzung um die Weitlingstraße

gab es am 23. Juni 1990.

(Sirene)

Ein linkes Bündnis

hatte zur Demonstration gegen das rechte Zentrum aufgerufen.

Die Weitlingstraße stand im Prinzip

als Symbol für die Wiedervereinigung der Rechten,

also der Vereinigung der Rechten Ost-West.

Wir hatten das Gefühl, wir können Geschichte machen,

das haben wir versucht.

Hasselbach sagt, er und seine Kameraden

hätten an dem Tag im Sommer 1990

die Weitlingstraße bis zum Allerletzten verteidigt.

Dass es keine Toten gab, ist ein kleines Wunder.

Der Angriff der Linken war eine Reaktion

auf etliche Gewalttaten der Neonazis.

(Sirene)

(Ernste Musik)

Die Gewalt, die die Skins, die hier gelebt haben,

gegen Ausländer ausgeübt haben, das wurde auch hochgradig kriminell.

Es gab Raubüberfälle, es war nicht mehr zu kontrollieren.

Natürlich waren wir verantwortlich.

Wir haben die hier hergeholt, denen ein Zuhause gegeben.

Wir haben zwar nicht gesagt: "Geht raus und schlagt Ausländer tot",

aber sie haben es trotzdem gemacht.

Ausländer verprügelt, überfallen, Brandstiftung

und weiß der Teufel, was die gemacht haben.

Aber wir waren verantwortlich.

Auch Westneonazi Christian Worch rechts neben Hasselbach.

Die beiden lernen sich kurz nach Mauerfall kennen.

Worch wurde "Führer von Hamburg" genannt.

Die Kader aus dem Westen wie Worch

sahen auf dem Gebiet der Ex-DDR einen fruchtbaren Boden

für ihre radikalen Ideen.

Sie witterten ihre Chance.

Dass wir gemeinsam vereint sind

in einem heiligen Großdeutschen Reich.

(mehrere:) Sieg heil! Sieg heil! Sieg heil!

Wir haben hier ein großes Potential von vorwiegend jungen Menschen,

die politisch unverbraucht sind.

Diese Naivität, ich möchte es schöne Naivität nennen,

die wird sehr befruchtend, die wird sehr beflügelnd auf das rechte Lager

Gesamtdeutschlands, also auch der alten Bundesländer wirken.

Wie wichtig war der Osten wirklich für die Westnazis?

Ich fahre zum ehemaligen Führer von Hamburg.

Heute wohnt er in Parchim.

In den letzten Jahren fuhr er noch Taxi.

Jetzt lebt er von Hartz IV erzählt er.

Seit 40 Jahren ist Christian Worch strammer Rechtsextremist.

Ein Ordner mit "NS-heute" fällt mir auf.

Ansonsten lässt hier wenig auf seine politische Gesinnung schließen.

(Elektronische Musik)

Auf Smalltalk vor dem Interview haben weder er noch ich Lust.

(Ernste Musik)

Wo stand denn die Rechte vor Mauerfall in der Bundesrepublik?

Als radikale Rechte waren wir vor dem Mauerfall in der BRD

nicht einmal im Stande 1.000 Mann auf die Straße zu bringen.

War denn der Mauerfall für Sie ein Glücksfall?

Das war er eindeutig, ja.

Wir hatten die Hoffnung,

dass nach dem Sturz des einen deutschen Systems

möglicherweisen nahezu direkt anschließend

der Sturz des zweiten deutschen Systems stattfinden könnte.

Wir hatten plötzlich Zugriff auf personelle Ressourcen von Menschen,

die mit dem kommunistischen System überhaupt nichts mehr am Hut hatten.

Mit anderen Worten Leute, die bereits etwas geändert hatten

und die im Prinzip zu weiteren Veränderungen bereit waren.

(Ernste Musik)

So wie Ingo Hasselbach und seine Kameraden.

Der Fall der Mauer, der Zusammenbruch der DDR,

also eines ganzen Staates,

brachte nach der ersten Euphorie viel Unsicherheit.

Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit -

eine gefährliche Mischung.

(Treibende Musik)

Ich treffe einen Mann,

der gegen Ingo Hasselbach in den 90ern ermittelt hat.

Jahre später werden sie gemeinsam

die Aussteigerorganisation "Exit" gründen.

Bernd Wagner war schon Kriminalpolizist in der DDR.

Auf den Zusammenbruch der DDR

haben die Neonazis in Ost und West lange gewartet,

erzählt er mir.

Kaum war die Mauer auf, gab es einen Aufbauplan Ost.

Führende Kader aus dem Westen kamen in den Osten,

die haben gedacht, sie trauen ihren Augen nicht,

wie viele Kameraden da rumlaufen, optisch sichtbar, völlig unbefangen,

keine Angst vor dem Verfassungsschutz, Stasi war tot,

die waren also hochbegeistert.

Die haben sogar geträumt in der Zeit von der nationalen Revolution.

Schon zu DDR-Zeiten hat Kriminalpolizist Wagner gemerkt,

dass sein Staat ein massives Problem mit Neonazis hat.

Wagner entdeckte etliche rechte Gruppierungen.

"SS-Division Walter Krüger Wolgast." - Ja.

"SS-Kampfstaffel Nord."

"Wotansbrüder."

"Wilhelmsruher Türkenklatscher."

"Lichtenberger Front", die "Vandalen", die "Ostkreuzler".

"Deutschland stirbt nicht", "SS-Teutonenkampfstaffel".

Die waren alle aktiv und viele mehr.

Das ist ja nur ein kleiner Ausschnitt der Wirklichkeit.

Alle waren nationalsozialistisch,

alle haben sich am Dritten Reich orientiert.

Man kann davon ausgehen, dass in allen Städten der DDR

mindestens eine Gruppierung existierte,

also kommen Sie auf eine Zahl, die weit über 200 liegt

nur an Gruppierungen.

Vor Mauerfall durfte Wagner seine Erkenntnisse nicht veröffentlichen.

Denn ins Selbstbild der DDR passten keine Neonazis.

Die durfte es offiziell nicht geben.

(Fröhliche Marschmusik)

Heute wie damals lautet der Schwur:

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Die deutsche demokratische Republik,

sie verkörpert die Ideale des antifaschistischen Kampfes.

(off:) Aber nicht alle folgten dieses Idealen.

Kurz vor Mauerfall 1988, das Politmagazin "Kontraste"

drehte heimlich in der DDR diese Aufnahmen von Neonazis.

Wir sind sehr auf Gewalt aus.

Wir wollen was gegen die ganzen Linken tun und

uns kotzt es ja an in dem Scheißstaat.

Ich meine, viel können wir ja nicht machen.

Wir treten ein für ein vereinigtes Deutschland

und dass die Scheißkanaken raus sind.

(Langsame Musik)

Erst kurz nach Mauerfall konnte Wagner seine Ermittlungsergebnisse

auf einer Pressekonferenz vorstellen.

Bis September diesen Jahres wurden bevorzugt angegriffen

Anhänger der Punkbewegung wegen ihrer undeutschen Lebensweise,

Gruftis, homosexuelle Bürger,

Ausländer mit dunkler Hautfarbe und auch Vietnamesen.

Das Ergebnis war, dass wir es schon mit einem ziemlich rüden System

von rechtsradikalen zu tun haben in der DDR.

Wagner zählt in der DDR schon 15.000 Rechtsradikale,

das war in den 80ern.

Zu der Zeit wuchs Ingo Hasselbach

in der Plattenbausiedlung Berlin-Lichtenberg auf.

Ich war weder links noch recht, sagen wir so,

so ein Mittelding

und war im Protest gegen den Staat als Punk oder so.

(Schnelle Musik)

Am Anfang war das nicht politisch, überhaupt nicht.

Das war wirklich ein reines Anderssein.

Wir wollten uns nicht einordnen lassen in dieses System.

Wir sind ja nicht als Punks losge- gangen und haben alles kaputtgehauen.

Wir haben in den Kaufhallen geklaut, das haben wir gemacht,

aber wir haben nicht wirklich kriminelle Taten begangen,

wo man sagen muss, die gehörten verfolgt.

Wir wurden verfolgt, weil das politische System

diese westliche Jugendkultur, die wir in die DDR geschleppt haben,

zum Staatsfeind erklärt haben, wir wurden politisiert.

Wir fingen an nachzudenken, was es bedeutet,

wenn man unter so einen Druck gerät, dass man das aufgreift.

Dann wird man politisch, fängt an zu denken,

wo leben wir hier, wir leben in einem Land,

das eingesperrt ist.

(Langsame Musik)

Stasi-Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen.

(Langsame Musik)

Als 19-jähriger Punk kommt Ingo Hasselbach in Haft.

Er wird als Neonazi den Knast wieder verlassen.

Seine Erinnerungen an diesen Ort liegen lange zurück.

Doch die Bilder sind sofort wieder da.

Das wurde von den Gefangenen Tigerkäfig genannt.

Da oben lief halt so ein Posten rum,

der konnte von da in jede Freigangszelle gucken.

Also, so weit, wie wir jetzt hier stehen, war nicht erlaubt.

Und man musste laufen.

(Dynamische Musik)

Seine Geschichte begann so:

Er wurde 1986 von der Staatssicherheit,

der Geheimpolizei der DDR, festgenommen.

Weil ick auf 'nem Druschba-Fest,

das ist so 'n Freund der ... so 'n Fest der ...

russischen Streitkräfte, der Alliierten sozusagen,

gerufen hab: "Die Mauer muss weg."

Weißt du? So, dat war dann ...

da hab ick gemerkt, dass es mit der Meinungsfreiheit hapert.

Die Vernehmungen waren halt sehr intensiv hier.

Wo man halt ...

auf Herz und Niere geprüft wurd sozusagen,

ob man 'n Staatsfeind ist.

Darum geht's letztlich.

Zu welchem Ergebnis sind die gekommen?

Na, offensichtlich waren wir Staatsfeinde.

Staatsfeind mit 19. (Beklemmende Musik)

Weil er den Satz "Die Mauer muss weg." gerufen hatte.

Dafür bekam Ingo Hasselbach sieben Monate Haft.

Nach seiner Strafe wollte er nur noch weg aus dieser DDR.

Aber sein Fluchtversuch scheiterte.

Er kam wieder in Haft, diesmal zweieinhalb Jahre.

Eine Odyssee durch ein Dutzend DDR-Gefängnisse begann.

Oft wurde er transportiert

in solchen Bahnwagons.

(Traurige Musik)

Hier waren jetzt vier Gefangene?

Wir waren zu viert drinnen, ja.

War immer voll besetzt, dat war nie leer.

Die sind nie halbbesetzt gefahren, immer voll.

Und man war immer gefesselt an den Nachbarn.

Wo waren Sie überall?

Ähm ...

Also, in Berlin war ich in der Keibelstraße, Rummelsburg,

Hohenschönhausen, Magdalenenstraße.

Dann bin ich nach Halle verlegt worden.

Dann war ich in Bautzen I und II.

Dann war ich in Bützow, in Waldheim.

Äh ... in Dessau.

Dann nach Magdeburg.

Dann nach ... Rostock.

Dann nach Brandenburg.

Frankfurt Oder.

Und wieder Berlin. So in diesem ...

Bereich. - Warum wurde man so oft verlegt?

Na ja, das ist schon einfach auch, um Nervosität

bei dem Gefangenen zu verursachen.

Dass er sich nicht einlebt irgendwo, um den zu verunsichern.

Dit is schon 'ne Art von Zusatzstrafe gewesen.

Da is 'n System dahinter.

Und wie lange haben dann solche Fahrten mitunter gedauert?

Ich meine man würde ja annehmen, dass 'ne Fahrt von Dresden nach Berlin

so in zwei Stunden oder in drei maximal erledigt ist.

Dat Problem war hier, dass die ...

dass diese Hänger, die wurden willkürlich

an Güterwagons angehängt.

Und immer 'n Stück mal mitgenommen,

dann standen sie wieder am Abstellgleis.

Da konnte man zwei, drei Tage unterwegs sein, ja.

(Beklemmende Musik)

Am Ende landete Ingo Hasselbach mit 22 Jahren

als politischer Gefangener in Brandenburg an der Havel.

Und dort wurde er zusammen mit alten NS-Kriegsverbrechern inhaftiert.

Erzählt er mir.

Ich hab 1988 im Frühjahr

in Brandenburg den ...

Heinz Barth kennengelernt.

Der galt als einer der Haupttäter der Mörder von Oradour.

Einem kleinen französischen Dorf.

Dass sie dieses ganze Dorf im Prinzip komplett ausgelöscht haben.

Die haben die Männer alle erschossen und die Frauen und Kinder

in die Kirche getrieben und haben die angezündet.

Der Zweite war ... Henry Schmidt.

Der war der Gestapo-Chef von Dresden,

verantwortlich für die Deportation aller Dresdner Juden.

Jetzt haben wir plötzlich mit zwei Leuten zu tun gehabt,

die im Gefängnis waren.

Die sich zu Unrecht im Gefängnis empfanden.

Die uns ihre Sicht der Dinge aus den 30er-Jahren erzählt haben.

Wie Hitler an die Macht kam, wat der fürs deutsche Volk getan hat.

Und haben uns 'ne andere Betrachtungsweise geliefert.

Die wir nie gehört hatten. - Wie haben die Sie beeinflusst?

Die haben verstanden und gesehen wie kaum jemand anders,

wat für 'nen Hass wir auf diesen verordneten Antifaschismus haben.

Auf dieses System DDR, was sich immer als antifaschistisch deklariert hat.

Diese Wut haben die im Prinzip benutzt.

Die haben uns natürlich indoktriniert.

Dat wat uns wichtig wurde, dat war im Prinzip

die größtmögliche Opposition gegen die DDR.

Und da haben Sie sich dann schon in ...

der Haft in Brandenburg dann als ...

rechts oder Neonazi oder als Nationalsozialist gesehen?

Das ist ... natürlich, diese Jahre im Gefängnis,

diese Wut auf die DDR hat ...

'nen wahnsinnigen Einfluss darauf gehabt.

Ohne den Knast wär ich nicht Neonazi geworden, da bin ich mir sicher.

Einer der wichtigsten Westkader,

den Ingo Hasselbach nach dem Mauerfall kennenlernt,

war Michael Kühnen.

Der ehemalige Bundeswehroffizier

setzte sich massiv für den rechten Aufbau Ost ein.

Bis er im Frühjahr 1991 an Aids verstarb.

(Spannungsvolle Musik)

Das fordere ich von jedem Einzelnen, der sich mir anschließt.

Sich zu bekennen als das, was wir sind.

Als nationale Sozialisten in der Tradition der NSDAP und der SA.

Und genau das machte Ingo Hasselbach.

(Spannungsvolle Musik)

(Nazi-Rufe)

Die unverfrorenen Aufritte Kühnens in der DDR

mobilisieren nach Monaten hilflosen Zuwartens

dann doch die Polizei des sterbenden Staates.

Hasselbach war der Versammlungsleiter

bei einem der ersten Auftritte Kühnens

im Osten Deutschlands in Cottbus.

Das war noch vor der Wiedervereinigung.

(Kameraauslöser)

Wir sind bereit, über alles zu sprechen,

über Auflagen, korrektes Verhalten.

Über alles.

(Spannungsvolle Musik)

Neonazi-Führer Kühnen ließ sich medienwirksam abführen.

(Hundebellen)

War kurze Zeit später aber wieder frei.

(Spannungsvolle Musik)

Michael Kühnen wusste um die Bedeutung Ostdeutschlands

beim Aufbau militanter rechtsextremer Strukturen.

Und Hasselbach half dabei.

Wir sprechen speziell Jugendliche an,

wo man merkt, dass die Tendenz ins rechte Lager schon geht.

(Reporter:) Auch an Schulen? - Auch an Schulen.

(Reporter:) Wie denkst du über Ausländer?

Scheiße. - Warum?

Na ja, weil es unser Land ist.

Ausländer sind scheiße.

Nehmen uns die Arbeit weg, die Wohnung weg.

(Reporter:) Was hältst du von den Angriffen auf Asylantenwohnheime?

Find ich gut. (Lachen im Hintergrund)

Würdest du dich selbst auch daran beteiligen?

Ja. - Warum?

(Schmatzen) Weil Ausländer da bleiben müssten,

wo sie hingehören.

Findet ihr auch diese Attacken auf Asylantenwohnheime korrekt.

Einwandfrei, ja.

Wir haben selber mitgemacht, wir wissen, wat los is.

Also, wir sind total dafür.

Ausländer betteln hier beim Aldi und so, wat soll dat?

Also, du würdest dich selbst noch mal daran beteiligen.

Ich würd noch mal mitmachen. Hab keinen Skrupel vor.

(Reporter:) Und wie lange dauert so 'ne Planung

von 'nem Überfall auf ein Asylantenheim?

Wenn's schnell gehen soll, in einer Stunde.

Wenn wir 'n größeres Ding planen,

wie Türkenladen oder so einwerfen,

dann dauert dat zwei, drei Tage.

Die Gewalt nimmt Anfang der 90er immer weiter zu.

Polnische Grenze.

(Geschrei und Lärm)

Hoyerswerda.

(Geschrei, Pfiffe)

Rostock-Lichtenhagen.

(Geschrei)

Heute werden diese gewaltvollen Nachwendejahre

"Baseballschlägerjahre" genannt.

(Geschrei, Pfiffe)

(Sprecher:) Allein im vorigen Jahr wurden über 1.500 Gewalttaten

von Rechtsextremisten verübt.

Alles deutet darauf hin, dass die Zahl in diesem Jahr

bei Weitem überschritten wird.

Am letzten Augustwochenende 1992

wurden mehr als 20 Asylbewerberheime angegriffen.

(Beklemmende Musik)

(Geschrei)

(Pfiffe)

# Deutschland, Deutschland über alles.

# Über alles in der Welt.

(im Chor:) Sieg Heil! Sieg Heil!

Mölln in Schleswig-Holstein am 23. November 1992.

Bei einem Brandanschlag von Rechtsextremen

sterben drei türkischstämmige Bewohnerinnen.

(Beklemmende Musik)

Für mich war an dem Tag klar, dat ist es gewesen.

Weil da Menschen gestorben sind? - Ja.

Also, es wurd wirklich klar ...

durch Propaganda, für mich ganz klar durch Propaganda ...

was wir gesagt haben, propagiert in Interviews ...

wat wir an Schulungsmaterial vertreten haben

ganz klar Tote gab.

Ne?

Hasselbach stieg aus. Er musste untertauchen.

Lebte lange im Ausland.

Er ging mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit.

Ab dem Zeitpunkt galt er als Verräter.

Und dat Ganze gipfelte im Prinzip darin, dass meine Mutter

'ne ein Kilo schwere Bombe bekommen hat im November 1993.

Die nur durch 'nen glücklichen Umstand nicht explodiert ist.

Weil der Postlaufweg zu lang war.

Aber die war scharf, die war ...

ordentlich gebaut, sodass sie funktionieren sollte.

Und ... ja, glücklicherweise nicht hochgegangen ist.

War Ihnen das klar, dass der Ausstieg so schwer wird?

Ich hab da nicht drüber nachgedacht, in der Zeit.

Dat war für mich das Richtige.

Und die Konsequenzen, da schau ich, wat da kommt.

Ich hab gedacht, wenn ich mich ruhig verhalte, is dat alles gut.

Allerdings hab ich im Prinzip nie wirklich ausgesagt.

Das war für mich 'ne Art letzte Ehre,

ich sage nichts aus, was Leute belastet.

Oder wat Leute in irgendeiner Form in Gefahr bringt.

Als die Bombe kam, hat sich dat für mich geändert,

die Sichtweise. Da war klar, wenn ihr Krieg wollt, könnt ihr Krieg haben.

Dann hab ich beim Bundeskriminalamt monatelang ausgesagt.

Und hab alle Strukturen aufgedeckt im Prinzip.

Über Waffenlager, Sprengstoffschulung

und diese ganze Untergrundarbeit im Prinzip.

Und ... wat auch zu Verurteilungen führte und zu Anklagen.

Also, auch gegen mich führte dann letztlich.

Ich bin der Erste gewesen, der angeklagt wurde.

Was haben Sie dann bekommen?

Ich hab 'ne Bewährungsstrafe gekriegt.

Dat lag ausschließlich daran, dass ich halt ausgesagt habe, ne?

Aber ich war halt einer der Ersten,

die 'n Terrorismusverfahren gekriegt haben.

Tragen Sie eine Mitverantwortung für das, was in den 90ern

passiert ist?

Ja, natürlich, klar. Das ist ... wat ich ...

meine, wenn ich sage, die Geister, die ich rief.

Ich kann mich nicht hinstellen und sagen "Ausländer raus"

und mich umdrehen und so tun, als ob ich nicht sehe, wat passiert.

Ich trag 'ne Mitverantwortung.

Deshalb war für mich Mölln 'n Punkt, wo ich gesagt habe:

bis hierher und nicht weiter.

Dass ich einfach gesehen hab, was passiert, wenn man propagiert.

Wenn man Gewalt im Prinzip ...

nicht entschieden entgegentritt,

sondern es einfach laufen lässt.

Du kannst nicht sagen "Ausländer raus", irgendeiner wird's umsetzen.

(Beklemmende Musik)

(Pfiffe)

(Stimmengewirr)

Ich treffe noch einmal Christian Worch.

Den alten Weggefährten von Hasselbach.

Erst wir, dann du!

Aber anders als Hasselbach marschiert Langzeit-Neonazi Worch

noch immer mit seinen Kameraden für die braune Revolution.

Seit ein paar Jahren mit seiner neonazistischen Kleinstparte

"Die Rechte".

Verpisst euch aus Braunschweig!

(Stimmengewirr, Beleidigungen)

Worch war einst Führer von Hamburg, heut ist er Kassenwart seiner Partei.

Die alte Rechte hat an Bedeutung verloren.

(Beklemmende Musik)

Was ist Ihr Antrieb, immer noch so politisch aktiv zu sein?

Da braucht es keinen besonderen Antrieb.

Ich halte es einfach für notwendig.

Warum? - Seh ich als meine Pflicht an,

mich fürs Volk und Heimatland einzusetzen.

(Rufgesang)

Ich bin ein politischer Soldat für mein Volk.

So, ich muss mich jetzt langsam aber mal um meinen eigenen Abzug kümmern.

Eine letzte Frage? - Ich habe keine Zeit!

Worch und seine Kameraden sind heute nur noch ein versprengter Haufen.

Doch damals, Anfang der 90er,

waren Worch und Hasselbach sogenannte Führer der Neonazis.

Sie träumten vom Umsturz.

Der kam nicht.

Doch sie haben Ostdeutschland verändert.

Das wirkt bis heute.

Die Szene war nirgendwo so stark wie in den neuen Bundesländern.

So 1990, '91, '92, '93, wenn man sich das anschaut.

Das ist geblieben, auf jeden Fall ist da 'n Boden ...

also, gelegt worden, wat sich durchgezogen hat, ne?

Das ist auch über die Generationen weiter gewachsen, in all den Jahren.

Wir haben Strukturen entwickelt, die bis heute wirken.

Das ist sicherlich das, wat ich für mich auch ...

als Schuld mit mir rumschleppe.

Wo ich denke, da hab ich 'nen Einfluss drauf gehabt,

dass solche Sachen entstehen konnten.

Ähm ... ja.

(Schlucken)

Also, mein Eindruck nach dieser Recherche,

es kommt überhaupt nicht von ungefähr,

warum die neue Rechte im Osten Deutschlands,

in meiner alten Heimat so stark ist.

Es hat was mit der Vergangenheit zu tun,

mit der DDR-Zeit, aber vor allem auch mit diesen gewaltvollen 90er-Jahren.

Mich würde interessieren, was denkt ihr?

Werden politische Einstellungen weitergegeben?

Innerhalb der Familie, von Generation zu Generation?

Schreibt es uns in die Kommentare.