Operation Flaschenhals: Die Geschichte hinter dem Impfdesaster | Kontraste
Der Impfstoff: Das kostbare Gut in diesem Fläschchen
soll auch hier in Heidelberg millionenfach hergestellt werden.
Im Auftrag eines Impfstoff-Entwicklers.
Die Anlage dafür wird gerade aufgebaut.
Dafür braucht die Firma spezielle Technik und Pharmastoffe
von vielen unterschiedlichen Zulieferern.
Doch die kommen kaum hinterher.
An allen Fronten kämpft der Chef mit Engpässen.
Wir kriegen keine Maschinen, keine Verbrauchsmaterialien,
kein Rohmaterial.
Es ist schwer, von den Lieferanten eine Liefergarantie zu bekommen.
Die Probleme beim Aufbau der Produktion
kommen nicht von ungefähr:
Impfstoffe wurden zu spät von den EU-Mitgliedstaaten geordert.
Doch diesen Zusammenhang will der Bundesgesundheitsminister
nicht so recht erkennen.
Grund für diese Knappheit zu Beginn der Impfkampagne
sind fehlende Produktionskapazitäten,
nicht fehlende Verträge.
Die Firmen in der EU haben es nicht geschafft,
die verlorene Zeit aus eigener Kraft aufzuholen.
Produktionsanlagen und Lieferketten: Es klemmt an allen Ecken.
In Großbritannien oder den USA läuft es deutlich besser.
Hier steht heute mehr Impfstoff zur Verfügung.
So kann deutlich mehr geimpft werden als in Deutschland.
Dieser Erfolg, z.B. in den USA, hat v.a. damit zu tun,
dass der Staat die Initiative ergriff:
mit der "Operation Warp Speed" unter Donald Trump.
Operation-Warp-Speed-Impfgipfel, ein Abenteuer für alle.
Und was für ein wahnsinniger Erfolg!
Chef von Warp Speed: Moncef Slaoui, der Pharmamanager leitet für Trump
die militärische Operation mit enormen finanziellen Mitteln.
Er kann sogar zivile Unternehmen verpflichten,
für ihn zu arbeiten, auf Basis eines Gesetzes aus dem Koreakrieg.
Alles wurde in Bewegung gesetzt,
wenn es irgendwo bei der Herstellung von Impfstoffen klemmte.
Die "Operation Warp Speed"
wurde nach dem Überlichtgeschwindigkeits-Antrieb
der Star-Trek-Raumschiffe benannt.
Der Staat griff ein, auch bei dieser Fabrik in Alabama.
Sie stellt spezielle Fläschchen für die Impfstoffe her.
Aber viel zu wenig, für den immensen Bedarf.
Schon im Juni 2020 überwies die US-Regierung
163 Mio. Dollar für den Ausbau.
Das Lokalfernsehen berichtete über den Geldsegen.
Doch dann gab es Probleme: Baufirmen lehnten Aufträge ab.
Die Regierung half wieder prompt.
Sie entsendete Bauexperten und organisierte Baufirmen.
Sie wurden per Gesetz gezwungen, die Arbeit für uns vorzuziehen.
In diesem Teil von Alabama gibt es nicht viele Baufirmen.
Alle wurden angewiesen, die Arbeiten für unser Werk zu priorisieren,
um sicherzustellen, dass wir die Zeitvorgaben einhalten können.
Ziemlich beeindruckend.
Die riesigen Maschinen für die Produktion
holt die Air Force aus Deutschland.
Auf die Fläschchen hat der Staat nun ein Vorkaufsrecht.
Diesen Deal musste die Firma für die Unterstützung eingehen.
Wieder in Heidelberg.
Von solch staatlicher Unterstützung kann der Chef hier nur träumen.
Die Regierung hält sich vornehm zurück.
Nicht mal per Telefon sucht man den Kontakt.
Ich kann mich nicht erinnern,
dass es die Bundesregierung oder die EU-Kommission ...
Ich weiß gar nicht, ob die wissen, dass wir Impfstoffe herstellen.
Ich glaube, das gilt für Stufen, die noch weiter vorgeschaltet sind,
noch viel stärker.
Genau in den vorgeschalteten Stufen der Produktionskette
beginnt das Problem.
Auch die Zulieferer müssten ihre Kapazitäten massiv ausbauen.
Und zwar schnell.
Da es hier keine Operation Warp Speed gibt,
müssten die Firmen finanziell voll ins Risiko gehen.
Da zögert man, denn was ist,
wenn in einem Jahr keine Nachfrage mehr da ist?
Clemens Fuest vom Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo
fordert deswegen seit Langem,
dass der Staat die Abnahmen garantieren soll.
Der Staat kann die Unternehmen versichern gegen die Risiken,
die mit Kapazitätsausweitung verbunden sind.
Man weiß nicht, wie lange es Nachfrage nach Impfungen gibt.
Da könnte der Staat die Risiken übernehmen.
Und er fordert einen Bonus für die Hersteller,
als zusätzliche Motivation, den Impfstoff schneller auszuliefern.
Es wäre richtig, Prämien zu zahlen.
Prämien für zusätzliche beschleunigte Lieferungen
von Impfungen, das müsste eine Prämie sein,
die erst sehr hoch ist und dann im Zeitablauf fällt.
Dieser Bonus für die Hersteller
könnte an die Zulieferer durchgereicht werden,
meint der IFO-Chef.
Hört sich an, als würde es teuer für den Staat, ist es aber nicht:
Eine Spritze kostet bis zu 18 Euro.
Man braucht zwei Dosen, damit wären wir bei 36 Euro.
Würde konsequent geimpft,
bräuchte es bald keinen milliardenteuren Lockdown mehr.
Umgerechnet bedeutet das: Jede Impfung verhindert einen geschätzten
volkswirtschaftlichen Schaden von 1500 Euro.
Impfen statt Lockdown.
Bei der Produktion zu knausern wäre nichts anderes,
als Geld zu verbrennen.
In Brüssel wacht man langsam auf.
Kommissionspräsidentin von der Leyen ist mit ihrem Kurs,
die Wirtschaft sich selbst um ihre Probleme kümmern zu lassen,
inzwischen enorm unter Druck.
Nun holt sie sich Rat. Aus den USA:
Von Trumps-Warp-Speed-Mann Moncef Slaoui.
Und in Deutschland?
Hier beim Impfgipfel der Bundesregierung
trommeln die Chefs der Hersteller.
"Kontraste" liegt ein Bericht von Biontech vor.
Das Unternehmen bittet die Regierung um Unterstützung.
Der Impfstoff-Pionier sucht dringend Fachpersonal.
Universitäten könnten mit Experten aushelfen.
Es geht auch um die speziellen Fläschchen, sterile Tüten.
Und es fehlt an Lipiden: extrem reine Fettkügelchen im Nanobereich.
Ohne sie keine mRNA-Impfstoffe.
Nur langsam wird die Lipid-Produktion
auch bei uns hochgefahren.
Die Bundesregierung handelt bürokratisch,
ja unmotiviert, meint Prof. Moritz Schularick.
Der Ökonom beschäftigt sich seit Langem mit der Corona-Politik.
Um Weihnachten herum wurde klar,
dass wir nicht genug Impfstoff haben.
Da hätten sofort alle Ampeln in Berlin auf grün gehen müssen.
Man hätte verstehen müssen, dass das die wichtigste Frage ist
für unsere Gesundheit, aber auch für die Volkswirtschaft in diesem Jahr.
Man verbrachte aber erst mal sechs Wochen damit,
das Problem zu leugnen, und die fehlen uns jetzt.
Am 9. Februar 2021 fragt der Wirtschaftsminister das erste Mal
bei den Impfstoffentwicklern nach, die in Europa aktiv sind,
wie die Herstellung der Impfstoffe beschleunigt werden könnte.
Aber zwei wichtige Player wurden offenbar vergessen:
Moderna oder Novavax.
Mehrere Firmen erzählen uns im Vertrauen,
wie enttäuscht sie von der Bundesregierung sind.
Es fehle die Koordination, die Verantwortung
wird hin und her geschoben zwischen Ministerien und Kanzleramt.
Aus dem Kanzleramt erfahren wir noch letzte Woche:
Einen Impfkoordinator wie etwa in den USA
brauche man in Deutschland nicht.
Nur einen Tag später setzt dann Olaf Scholz
doch einen Impfkoordinator durch.
Christoph Krupp, ein Vertrauter von Scholz
und sein ehemaliger Staatskanzleichef in Hamburg.
Immerhin ein Anfang, während die "Operation Warp Speed"
in den USA mit ihrer Arbeit langsam zum Ende kommt.
Mein bescheidener Rat, was auch immer er wert ist:
Eine Person macht nicht den Unterschied!
Diese Person braucht Unterstützung, eine Infrastruktur.
Ich glaube, was in den USA gut funktionierte, war,
dass man "Warp Speed" Geld gegeben hat.
Momentan wird in deutschen Impf- zentren v.a. der Mangel verwaltet.
Es wird Zeit, dass sich daran etwas ändert.