Was kostet eine Geschlechtsangleichung
Ich habe mir irgendwann auch einfach gedacht,
alles, was kommt, ist besser als das,
was ich jetzt habe. Ich will so nicht mehr leben,
und so kann ich auch nicht leben.
Hi, ich bin der Luca.
Ich habe eine Geschlechtsangleichung hinter mir
und auf YouTube und auf Instagram erzähle ich über meine Transition
und kläre so ein bisschen über das Thema auf.
Na ja, als Kind habe ich einfach schon immer den Wunsch geäußert:
Ich möchte ein Junge sein.
Ich wollte immer ganz kurze Haare haben.
Ich wollte alles stereotypisch “Jungsmäßige” machen.
Aber ich konnte mich nie mit meinem Körper identifizieren.
Ich habe das eine ganz lange Zeit einfach ausgeblendet,
dass das überhaupt da ist.
Ich weiß noch, als Kind hab ich mal mit meiner Schwester,
wir haben gespielt und dann hat sie zu mir gesagt:
“Irgendwann werden dir Brüste wachsen.”
Da habe ich gesagt: “Nein, mir werden keine Brüste wachsen.”
Also ich war mir so sicher und habe mit ihr um einen Euro gewettet,
dass mir keine Brüste wachsen.
Ich war davon überzeugt, weil ich wollte, glaube ich, das gar nicht
so richtig wahrhaben, dass mein Körper weiblich ist
und nicht männlich ist.
Also ich habe sehr lange Zeit damit verbracht, das alles auszublenden
und so richtig gespürt, auch dieses disphorische Gefühl,
also diese negativen Gefühle auf meinen Körper, habe ich erst gemerkt,
als ich die ersten Male auch sexuell aktiv war.
Also als ich die ersten Male Sex hatte, habe ich gemerkt:
Hier ist irgendwas komisch.
Ich habe mich auch immer danach total komisch gefühlt und unwohl gefühlt.
Damals, als ich mich geoutet habe, hatte ich eine Freundin.
Bei ihr habe ich es auch gemerkt, dann wieder eben beim Sex,
dass hier was falsch ist.
Ich finde es total schwer zu beschreiben, aber einfach richtig ...
Es ist auch Ekel.
Also wirklich Ekel, Schamgefühle, Unwohlsein.
Und wir sind irgendwann auf dieses Thema gekommen,
da habe ich ihr gesagt: “Hey,
vielleicht bin ich ja auch trans.”
Sie hat in dem Moment so gut reagiert
und hat dann einfach gesagt: “OK,
wie würdest du denn dann heißen wollen?”
Und dann habe ich gleich den Namen Luca ausgespuckt
und sie hat so gut reagiert und mich Luca genannt.
Und in dem Moment, als sie mich dann auch Luca genannt hat,
hat es so viel positive Gefühle in mir bewirkt, dass ich gemerkt habe:
Ich glaube, das ist wirklich das Richtige.
Als ich mich dann geoutet habe, war ich total happy
und konnte es gar nicht erwarten,
auf diese Reise zu gehen und diese ganze Transition zu machen.
Also mein Papa hat sich direkt über alles informiert:
Wie funktioniert das jetzt alles?
Was muss man jetzt für Schritte einleiten und so?
Für meine Mutter war es in dem Sinne schlimm,
also so hatte sie es mir jedenfalls erklärt,
dass sie wusste, was jetzt auf mich zukommt,
mit diesen ganzen Operationen und so weiter.
Sie wusste, das ist kein einfacher Weg.
Also ich hatte neun Operationen insgesamt innerhalb von vier Jahren.
Und die erste OP war bei mir die Eizellentnahme.
Wenn man dann mit Testosteron später beginnen möchte,
dann sinkt einfach die Fruchtbarkeit.
Also es kann auch sein, dass man irgendwann komplett unfruchtbar ist
und auch spätestens dann, wenn man sich dann irgendwann diese
weiblichen Organe entfernen lassen möchte,
dann hat man eben keine Chance mehr auf Kinder,
die von einem selbst abstammen.
Und ich hatte eigentlich schon immer einen relativ großen Kinderwunsch
und dafür kann man sich eben Eizellen entnehmen lassen.
Die Eizellentnahme muss man selber bezahlen.
Ich glaube, daher machen das auch nicht so viele.
Und das hat so etwa 2.500 Euro gekostet.
Und ich habe dann, so zwei Wochen nach der Eizellentnahme
mit der ersten Testosteron-Spritze angefangen.
Das zahlt auch die Krankenkasse.
Ja, und das Testosteron verändert körperlich sehr viel.
Also der ganze Körper vermännlicht dadurch:
Schon meistens relativ früh kommt man in den Stimmbruch,
es wachsen Haare am ganzen Körper überall.
Wenn man Glück hat, geht auch die weibliche Brust ein bisschen zurück.
Es kann sein, dass die Brustdrüsen ein bisschen kleiner werden,
dann wird die auch ein bisschen kleiner.
Und was auch bei den meisten passiert, ist,
dass die Klitoris wächst.
Genau, die kann so zwei bis drei Zentimeter wachsen.
Kurz nachdem ich dann mit Testosteron angefangen habe,
habe ich dann die Vornamens- und Personenstandsänderung
beim Amtsgericht beantragt.
Im Prinzip braucht man dann zwei unabhängige Gutachter.
Das muss man auch selber bezahlen.
Bei mir haben die beiden Gutachten jeweils 600 Euro gekostet und
dann erscheint man beim Amtsgericht und dann hat man so ein Gespräch,
10 bis 15 Minuten kurz mit einem Richter,
bestätigt nochmal, dass die Namen stimmen und so weiter.
Und dieses Gerichtsverfahren hat dann bei mir
auch noch mal so gute 200 Euro gekostet.
Also bei den Gutachtergesprächen,
da wird wirklich alles gefragt.
Tatsächlich auch sehr intime Sachen werden gefragt:
Wie oft masturbierst du in der Woche oder
was hast du beim Masturbieren an?
Solche Sachen halt.
Und ich habe mich immer gefragt: Wieso müsst ihr das wissen?
Wen geht das was an?
Das ist doch eigentlich meine Privatsphäre.
Aber man ist halt dann so ausgeliefert.
Man muss das beantworten, um an sein Ziel zu gelangen.
Ich finde das eigentlich nicht so cool,
weil dann liest das so ein Richter, der nichts damit zu tun hat,
liest dann die intimsten Sachen über mich.
Also das ist …
ein bisschen ein entwürdigendes Gefühl.
Die zweite Operation war dann die Mastektomie zur Entfernung der
weiblichen Brust und Angleichung an eine männliche Brust.
Da wurde einfach einmal um die Brustwarzen drumherum geschnitten
und so wurde über diese Schnitte das ganze Gewebe entfernt,
Fett abgesaugt und die Brustwarzen wurden auch gleichzeitig
ein bisschen verkleinert.
Und dann wird das wieder zusammengenäht.
Die dritte OP war dann eine Korrektur-OP an der Brust.
Aus ästhetischen Gründen.
Die vierte OP
war dann die erste geschlechtsangleichende
Genital-Operation.
Da wurden mir Gebärmutter, Eierstöcke und Eileiter entfernt.
Die Scheide wurde entfernt und verschlossen
und es wurde die Harnröhre schon mal ein Stück verlängert
für den späteren Penisaufbau dann.
Genau, das war dann eben auch die nächste OP.
Das war dann die Phalloplastik, also der eigentliche Penisaufbau.
Ich hatte als Kind immer den Wunsch danach, einen Penis zu haben.
Hatte ich aber nicht.
Aber das wusste ich einfach nicht, dass es überhaupt möglich ist.
Also ich habe jeden Tag mir überlegt:
Will ich diesen großen Penisaufbau machen oder nicht?
Und ich habe einfach mit der Zeit gemerkt, dass ich darunter leide,
es nicht zu haben.
Ich habe ganz viel auch YouTube-Videos angeschaut
von anderen, die über ihre Erfahrungen sprechen und so weiter.
Da war für mich so:
Ich will das, ich will das unbedingt.
Also in der Klinik, wo ich war,
machen die das in vier Steps.
Ich hatte ja vorhin schon erwähnt, dass durch das Testosteron die
Klitoris wächst.
Und dann macht man mit der OP,
schafft man eine verlängerte Harnröhre und dann nimmt man Haut
von den inneren Schamlippen, von den kleinen Schamlippen,
und baut sozusagen eine Harnröhre,
sodass der neue Harnröhrenausgang an der Klitoris ist.
Und das nennt man Klitorispenoid.
Für den Penisaufbau werden dann
Unterhaut, Fettgewebe, Blutgefäße und Nerven entnommen.
Es wird so ein ganzer Lappen, sage ich mal,
aus dem Arm rausgeschnitten und das wird dann,
das nennt man Tube-in-Tube-Technik, zusammengerollt.
Man rollt erst mal in eine Richtung, sodass die Harnröhre entsteht und
dann in die andere Richtung drumherum.
Dann hat man den Penis sozusagen.
Und der wird dann eben an die anatomisch korrekte Stelle
hintransplantiert, es werden Blutgefäße miteinander verbunden,
es werden Nerven verbunden.
Dass man dann auch später Gefühl dadrin hat.
Also ich konnte mir nicht aussuchen, wie groß der wird.
Zu mir haben sie gesagt, die machen das, was möglich ist,
und schauen auch, dass es halt zur Körpergröße und alles passt.
Also wenn jemand sehr klein ist, dass sie nicht ein Riesending dran machen
und dass es vor allem auch handlich ist.
Die letzte OP hatte ich vor Kurzem erst.
Das war dann die Glansplastik,
also Eichelnachbildung, Skrotumplastik,
der Hodensackaufbau und die Harnröhren wurden verschlossen.
Also, der Hodensack ist dann erst mal, ich sag mal leer.
Es ist halt einfach nur Haut. Und man kann dann eben noch
eine Erektionsprothese sich einsetzen lassen.
So eine hydraulische Prothese. Da hat man zwei Zylinder, so zwei Stäbe
im Penis drin und davon gehen dann so zwei Schläuche, sag ich mal, weg.
Einmal hat man dann einen Ballon unter der Bauchdecke
und der Ballon ist mit Kochsalzlösung gefüllt.
Und dann hat man eben noch so eine Pumpe in einem Hoden drin.
Wenn man dann auf diese Pumpe mehrmals drauf drückt, dann pumpt es
eben diese Kochsalzlösung in die Stäbe rein.
Dann werden die gefüllt mit Flüssigkeit und werden dann hart.
Und so wird dann auch der Penis steif.
Und wenn man dann nicht mehr will, dann gibt es so ein Ablassventil
auch an der Pumpe dran.
Da drückt man drauf
und drückt dann quasi die Flüssigkeit wieder zurück in diesen Ballon.
Also bei den ganzen Operationen habe ich nichts selber bezahlt.
Alles hat die Krankenkasse bezahlt, außer eben diese Eizellentnahme.
Also 2.500 Euro Eizellentnahme.
Dann hatten wir gesagt Vornamen- und Personenstandsänderung mit
den Dokumenten ändern ungefähr 1.500 Euro.
Ja, und dann an sich noch die 300 Euro von der Mastektomie.
Da diese Fettabsaugung, dann ungefähr 300 Euro.
Also mich persönlich hat das Ganze etwa 4.300 Euro gekostet.
Jeden Schritt, den ich gemacht habe,
sei es Testosteron, sei es dann die erste OP.
also immer, wenn ich einen Schritt weitergegangen bin,
habe ich mich wohler gefühlt und habe mich glücklicher gefühlt.
Das, was mich immer so ein bisschen abgehalten hat,
gerade vor der Phalloplastik, diese Riesen-OP,
ist, dass eben diese Riesen-OP ist.
Da hängen natürlich auch Risiken dran und Gefahren
und das muss man dann irgendwie abwägen.
Bei mir war eben dieser große springende Punkt:
Ich habe jeden Tag darüber nachgedacht.
Und ich wollte nicht mehr jeden Tag darüber nachdenken.
Ich habe mir irgendwann auch einfach gedacht:
Alles, was kommt, ist besser als das, was ich jetzt habe.
Ich will so nicht mehr leben und so kann ich auch nicht leben.
Auch nach der Phalloplastik,
also die ersten Tage,
das war ein bisschen krass, auch diese
großen, riesigen Veränderungen zu sehen.
Mein Arm sah heftig aus.
Dann auf einmal hast du da unten ein Ding.
Und es war auch krass überwältigend,
aber ich habe mich sehr schnell daran gewöhnt.
Für mich fühlt sich das komplett normal an.
Heute in meinem Körper zu sein, das ist für mich das
Allernormalste auf der Welt.
Ich habe mir einfach gedacht: Ey geil, dass du das gemacht hast.
Das war die beste Entscheidung deines Lebens.