Polizeigewalt und Rassismus - Wer kontrolliert die Polizei? | WDR Doku (3)
sondern dass die polizeiliche Tätigkeit in dieser Konstellation
strukturell dafür guten Nährboden bietet.
Aber Kai Seidensticker hat auch Ideen,
wie man aufkeimendem Rassismus bei der Polizei begegnen könnte.
Es erfolgt z.B. politische Bildung nur im Bereich des Studiums
und später, nur wenn man das möchte, an ein, 2 Stellen.
Hier könnte man im Bereich politischer Bildung
durch die komplette Dienstzeit viel stärker darauf einwirken,
solche Erfahrungen tatsächlich zu thematisieren,
zu problematisieren und zu reflektieren.
Fortbildung, um Schwarz-Weiß-Denken, um Rassismus vorzubeugen.
Eine Möglichkeit.
Aber Fortbildungen sind keine Selbstverständlichkeit,
sagt der Gewerkschafter.
Wenn Sie jemanden aus der Organisation rausholen,
fehlt der in der täglichen Arbeit.
Wir sind als Polizei nicht überbesetzt,
um das vorsichtig auszudrücken.
Wenn jemand für ein oder 2 Wochen aus der Organisation raus ist,
und wir Seminare machen, fehlt der vor Ort.
Frühjahr 2019.
Zurück bei Sven, bei seinem Prozess vor dem Landgericht Köln.
Er ist immer noch angeklagt.
Hat immer noch Albträume von Schlägen durch Polizisten.
5 Tage lang werden Zeugen gehört.
Werden sie aufklären,
dass die Polizisten unrecht haben und Sven unschuldig ist?
Und? Wie wars?
Das Urteil war positiv, dass ich freigesprochen worden bin.
Bzw. dass die Berufung aufgehoben worden ist der Staatsanwaltschaft.
Und ich habe auch wieder ein Stück weit Vertrauen
zum Rechtsstaat bekommen, das kann man so sagen.
Weil es auch authentisch und menschlich war,
wie der Richter das Urteil gesprochen hat.
Der Richter sagt in der Urteilsverkündung,
er schäme sich für diesen Staat, der einen Menschen so behandele.
Doch für Sven geht der Albtraum weiter.
Wenige Wochen später steht fest: Die Staatsanwaltschaft gibt keine Ruhe.
Sie will eine Revision.
Sven und sein Anwalt müssen nun auch noch vors Oberlandesgericht.
Also, da ist mir richtig schlecht geworden.
Ich habe gehofft,
dass dieses sehr nachhaltige Urteil von dem Richter am Landgericht,
jetzt auch zum 2. Mal freigesprochen, wirkt.
Doch im Februar 2020
steht er schließlich vor dem Oberlandesgericht
und will eigentlich nur, dass es endlich vorbei ist.
Die Erwartung ist, dass ich freigesprochen werde
und dass letztendlich die Geschichte,
der Lebensabschnitt als Angeklagter zu Ende geht, ja, zumindest.
Eigentlich habe ich immer noch die Hoffnung,
dass die wahren Täter bei der Polizei auf der Anklagebank landen.
Endlich mal dann.
Bei der Staatsanwaltschaft und der Polizei Köln
bitten wir mehrfach um ein Interview.
Wir möchten verstehen, wie es zu dem Übergriff kam
und was mit den Beamten passiert.
Vergebens.
Seit Jahren schon fordern Menschenrechtler eine bessere,
externe Kontrolle der Polizei in Deutschland.
Eric Töpfer sagt, im Ausland klappe das auch.
Das Modell in Dänemark,
und ein ähnliches Modell gibts in Großbritannien
mit dem Independent Office for Police Conduct,
das ist ein sehr starkes und sehr eindrucksvolles Modell,
weil diese Stellen
sowohl Beschwerden gegen Polizeibeamte bearbeiten können
als auch strafrechtliche Ermittlungen durchführen.
Wenn z.B. ein Misshandlungsvorwurf im Raum steht.
Wir fahren nach Aarhus.
Hier, in der zweitgrößten Stadt Dänemarks,
sitzt seit 2012 die Unabhängige Polizeibeschwerdebehörde.
34 Mitarbeiter kümmern sich um alle Arten von Konflikten
zwischen Bürgern und Polizisten.
Anders als in Deutschland haben sie ein Millionenbudget
und weitreichende Ermittlungsbefugnisse.
Die Juristin Charlotte Storgaard leitet die Behörde.
Niels Raasted ist einer der Chefermittler,
er war früher selbst Polizist.
Die Polizeichefs in jedem Polizeibezirk sind verpflichtet,
uns in den Fällen anzurufen, wenn eine Person bei einem Polizeieinsatz
oder in Polizeigewahrsam schwer verletzt oder getötet wurde.
Dann werden wir reagieren
und die Ermittlungen von einem sehr frühen Stadium an übernehmen.
Auch Pia Kjeldsen ist eine der Ermittlerinnen.
Ihre Befugnisse sind ähnlich wie in Deutschland
die der Staatsanwaltschaft.
Aber anders als die Staatsanwaltschaft
müssen sie und Niels nicht täglich mit der Polizei zusammenarbeiten.
Und die Polizeichefs seien ganz froh,
dass sie nicht mehr gegen die eigenen Leute ermitteln müssten.
Wir bringen zum Ausdruck, wie kritisch ein Verhalten war.
Unserer Ansicht nach.
Das Ergebnis wird der nationalen Polizei übergeben.
Die kann auf dieser Grundlage ein Disziplinarverfahren durchführen.
Und machen die das? - Ja.
Da herrscht Einigkeit.
Wenn wir sagen, dass es etwas zu kritisieren gab,
dann wird die nationale Polizei
auch eine disziplinarische Strafe verhängen.
Wenn es in Dänemark so gut klappt, warum wehrt sich
die Deutsche Polizeigewerkschaft gegen unabhängige Kontrolle?
Eine Stelle, die über das normale Maß hinaus,
was wir gerade diskutieren und eingeführt haben,
wird durchaus auch als Misstrauensorganisation gesehen.
Deswegen muss man die Debatte weiterführen,
die führen wir auch weiter.
Externe Kontrolle gleich Misstrauen?
Das sieht man bei der dänischen Polizei anders.
In Kopenhagen sprechen wir mit Claus Oxfeldt,
Chef der dänischen Polizeigewerkschaft.
Ich halte das für eine gute Sache.
Denn so können sie das Misstrauen gegen die Polizei mindern.
Denn jetzt untersucht eine unabhängige Einheit,
ob die Polizeibeamten die Sache richtig machen oder nicht.
Warum sollten andere Länder das auch machen?
Wenn wir Polizisten ein Verbrechen aufklären wollen,
dann brauchen wir die Hilfe der Öffentlichkeit, der Bürger.
Wenn sie uns nicht vertrauen,
werden wir nicht die Hilfe bekommen, die wir wollen.
Eine unabhängige Kontrolle, die das Vertrauen in die Polizei stärkt.
Ein Vorbild für Deutschland, findet auch der Polizeiforscher.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt,
dass wir als Polizei noch stärker realisieren müssen,
dass wir von Bürgerinnen und Bürgern, von dem Vertrauen
und von der Legitimität unserer Handlungen dort stark abhängig sind.
Wir brauchen das Vertrauen und die Mithilfe der Bürger,
um professionelle und gute Arbeit zu leisten.
Einführen kann ein System wie in Dänemark aber nicht die Polizei.
Das wäre Aufgabe der Innenminister. Z.B. von Georg Maier.
Der Thüringer Politiker ist in diesem Jahr Vorsitzender
der Innenministerkonferenz der Länder.
Wir können von anderen Ländern lernen.
Wenn die in Dänemark gute Erfahrungen gemacht haben, gerne.
Ich fahre gerne mal dorthin, lasse mir das zeigen.
Aber lassen Sie uns Schritt für Schritt machen.
Ich verfolge das auch, eine Studie in Auftrag zu geben,
die noch mal das Feld besser aufarbeitet, auch statistisch.
Jetzt sagen die Bürger, diese Probleme gibts schon lange.
Jetzt kommt ihr Politiker und macht eine Studie.
D.h. es wird wieder was verschoben, das wird Jahre dauern.
Bis wann soll das vorliegen? - Das muss doch nicht Jahre dauern.
Eine gute Studie kann auch in kürzeren Zeiträumen erstellt werden.
Da muss man, ich weiß es nicht,
vielleicht ein halbes Jahr kalkulieren.
Dann kann man auch drüber reden.
Aber jetzt tun alle so,
als ob es jetzt ganz plötzlich eine Riesennotwendigkeit gäbe.
Für Betroffene von Rassismus und Gewalt bei der Polizei
ist diese Notwendigkeit klar.
Auch für Sven.
In Köln fällt im Februar 2020 das finale Urteil zu seinem Fall.
Wie geht es Ihnen?
Ja also, ich bin auf jeden Fall erleichtert,
dass es jetzt endlich zum Freispruch gekommen ist
mit einem Teilschuldspruch.
Ähm, ich hätte gerne einen kompletten Freispruch gehabt.
Eingeschränkt war der Freispruch, weil Sven die Polizisten beleidigte.
Sie ihn aber auch, deshalb gab es keine Bestrafung.
Und was ist nun mit den Polizisten?
Die Verfahren gegen die Polizeibeamten
sind noch nicht vor Gericht.
Das Gericht hat seiner Erwartung Ausdruck verliehen,
dass diesbezüglich zügig weiterermittelt wird.
Zügig?
Bis heute hat die Staatsanwaltschaft die Polizisten nicht angeklagt.
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