Larissa Rieß über Klischees, Ellenbogengesellschaft und Heidelberg
.
Sobald ich in den Zug steige,
ab dem Moment geht bei mir ein Schalter los
und dann bin ich plötzlich
in diesem Larissa Rieß, die Radiomoderatorin-Leben.
Dann bin ich fokussiert auf die Arbeit und power durch
und kann mich da komplett ausleben.
* Titelmusik *
Ich bin Larissa Rieß, ich bin DJ, Radiomoderatorin,
im Neomagazin Royal im Ensemble. Ich hab drei Staatsangehörigkeiten:
die deutsche, die ecuadorianische und die argentinische.
Ich bin in Ecuador geboren, meine Mutter ist Argentinierin.
Ich hab mit meiner Mutter immer Spanisch gesprochen,
mit meinem Vater Deutsch.
Dieser Kulturen-Clash hat schon bei mir zu Hause angefangen.
Ich bin kein Fan von Klischees,
aber meine Eltern bedienen beide die Klischees hervorragend.
Ich hab auf der einen Seite meinen Vater, der sehr pünktlich ist,
der zuverlässig ist, sehr arbeitstüchtig.
Und auf der anderen Seite meine Mutter,
Freigeist, wenn irgendwo Musik läuft, danct die durch die Gegend.
Sie ist so nach dem Motto: Live your dreams,
eine sehr starke, selbstbewusste Frau.
Wie man einfach eine Argentinierin beschreiben würde.
Ich merke daran, dass ich eine Latina bin,
indem ich, glaub ich, sehr selbstbewusst bin.
Ich rede wahnsinnig laut, wahnsinnig viel,
ich schmink mich super gerne.
Z.B.meine argentinische Oma ist morgens um 4 aufgestanden,
mit 90 Jahren, und hat sich Lockenwickler in die Haare gemacht.
Die hat sich immer mit ihren Oma-Freundinnen getroffen,
die haben sich aufgebrezelt, als ob sie in die Disco gehen,
und haben sich mit ihren Stühlen vor die Haustür gesetzt
und saßen da den ganzen Tag, aufgestylt bis zum Get-no.
Das ist meine Zukunft, das find ich geil und das ist richtig Latino.
Mein Vater ist Wirtschaftsingenieur und musste beruflich viel reisen.
Die ganze Family hat er quasi in den Koffer gepackt und mitgenommen.
Dann sind wir nach Portugal gezogen
und dann hab ich ein paar Jahre in Portugal gelebt.
Ich hatte in Portugal 'ne super gute Kindheit.
Dann bin ich in Heidelberg gelandet, da war ich 10.
Und hab hier meine Zeit verbracht, bis ich 19 war.
Für mich war's traumatisch, nach Deutschland zu ziehen.
Ich wollte nicht weg aus Portugal, Portugal war meine Heimat.
Ich konnte zwar schon Deutsch, als ich nach Deutschland gekommen bin,
aber ich kannte natürlich nicht so richtig die deutsche Kultur.
Alleine deutsche Kinderserien oder Sprüche, die man sagt, Witze.
Das war schon etwas schwierig.
Das führt aber auch dazu,
dass ich 'ne sehr enge Bindung zu meiner Familie hab.
Weil die waren meine Heimat und gar nicht so die Stadt.
Irgendwas in mir drin hat mich ständig umziehen lassen.
Ich hatte nie diesen Moment,
ach, ich könnt jetzt eigentlich den Job annehmen,
aber dann verlier ich meine Freunde und muss wegziehen.
Für mich war das selbstverständlich, überall hingehen zu können.
Irgendwann hab ich gemerkt, dass es wie 'ne Sucht war.
Ich konnte gar nicht settlen.
Mittlerweile bin ich wieder in Heidelberg gelandet.
Hier hab ich jetzt wieder meine Ruhe gefunden.
Irgendwie hat mein Herz mich wieder hierher gebracht.
Jetzt, wenn ich ständig unterwegs bin,
jedes Wochenende in 'nem anderen Club in 'ner anderen Stadt
und dann aber nach Hause komme, dann bin ich richtig zu Hause.
Ich verbinde Heidelberg mit Familie, mit Freunden, mit Ruhe.
Jeder kennt jeden. Es ist wie 'ne Blubberblase.
Da drin kann dir nichts passieren.
Ich finde, Leute, die diesen Heidelberger Dialekt haben,
die sind mir alle sympathisch, auf Anhieb.
Das ist so 'ne Mitte-50-jährige Brigitte an der Kasse.
Die ist die netteste Frau der Welt.
Und die sagt, komm, nimm die Milch einfach so mit,
komm, ist egal, dir fehlen 2 Cent? Kein Problem, nimms grad mit.
Ich wollte eigentlich immer Radiomoderatorin sein,
ich wollte was mit Musik machen und wusste schon früh,
dass ich irgendwas machen möchte, wo ich im Mittelpunkt stehe,
wo ich die Leute entertainen kann.
Da hab ich zum ersten Mal gemerkt, wie das ist,
wenn andere Leute die Ellenbogen einsetzen gegen mich.
Aber ich hab nie gedacht,
ich muss die berühmteste Radiomoderatorin der Welt sein.
Ich muss der größte DJ sein, möchte auf dem roten Teppich laufen.
Ich glaube, deswegen funktioniert das auch so gut.
Da hat mir meine Mutter einen Spruch immer gesagt,
den die Argentinier sagen. Übersetzt ist es quasi:
Setz dich vor deine Haustür und warte,
bis der Kadaver deines Feindes an deinem Haus vorbeizieht.
Sehr harter Spruch, aber es ist so.
Warte einfach ab, es wird sich schon alles regeln.
* Titelmusik *
Untertitel: ARD Text im Auftrag von funk (2019)
Das war Germania mit Larissa Rieß.
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