Adbusting: Kunst, Protest oder gefährlicher Extremismus? | Y-Kollektiv
Unsere Y-Kollektiv-Reportagen kennt ihr ja schon, hört doch auch gerne mal in unseren Podcast rein,
den Link dazu findet ihr hier unten in der Infobox! Werbung kotzt mich halt an! Wenn
man einmal darauf achtet, sieht man sie überall: Werbeplakate. Ich begleite Menschen,
die sie einfach austauschen. Adbusting nennt man das. Das ist hier jetzt so ein Schlüssel,
wie man einfach die Werbekästen öffnen kann. Adbusting ist eine Mischung aus Protest und
Kunst. Und eine Straftat. Bist du aufgeregt? Ja, ist immer Aufregung dabei. Solche Aktionen sind sogar
schon im Verfassungsschutzbericht gelandet. In der Kategorie gewaltorientierter Linksextremismus. Dass
wir zwei Gruppen mit der Kamera begleiten können, ist etwas Besonderes! Diese Plakate sind Euch
vielleicht in den letzten Wochen aufgefallen. Der Unterschied zu dem Adbusting, was ich jetzt
aber begleitet habe, ist, dass das nicht einfach aufgehängt wurde ohne Erlaubnis, sondern es ist ne
bezahlte Kampagne, das läuft ganz normal über den Werbebetreiber. Die Leute, die wir treffen, machen
das ohne zu zahlen und ohne Erlaubnis. Und weil das nicht ganz legal ist, haben wir vereinbart, dass
wir sie jetzt erstmal ohne Kamera kurztreffen, uns besprechen und dann die Kamera wieder anmachen. Das
hier sind Klaus und Klaus. Sie gehören zu einer Gruppe, in der sich alle Klaus nennen.
Wie sie wirklich heißen, wie alt sie sind oder was sie so in ihrem Leben machen, sagen sie mir nicht.
Sie wollen anonym bleiben und dass wir ihre Stimmen nachsprechen. Denn was sie gleich tun werden, kann
eine Strafverfolgung nach sich ziehen. Und ihr habt euch jetzt gerade Westen angezogen – warum? Das ist
so der Unsichtbarkeitsmantel. Wenn man hier so mit Weste an den Vitrinen rumwerkelt, dann finden
Leute, dass das alles ganz normal ist und beachten das nicht weiter. Es ist wenig los heute, denn
die Lokführer streiken. Bist du aufgeregt? Ja, ist immer Aufregung dabei. Bisschen so Nervenkitzel? Ja,
schon. Der erste Schlüssel, den die beiden ausprobieren, greift nicht. Also das mit den
Schlüsseln ist alles so ein bisschen improvisiert, die kriegt man nicht so normal zukaufen. Die Kläuse
nutzen Schlüssel aus dem Baumarkt, die sie selber noch etwas angepasst haben. Krass. Also
niemand hat irgendwas gesagt. Hier stehen so ein paar Leute am Bahnsteig,
aber es ist auch recht ruhig, es ist ja auch Streik. Links
gibt es so eine kleine Leiste mit verschiedenen Knöpfen, wo sie hoch und runter fahren können.
Und dann ist das irgendwie schnell gemacht. Normalerweise springen die Kläuse danach direkt
in die S-Bahn, um schnell zu verschwinden. Weil die nächste erst in ein paar Minuten fährt, drehen wir
eine Runde im Park. Ich finde es bemerkenswert, mit welcher Ruhe die beiden da einfach so die Plakate
ausgetauscht haben. Ist das auch sozusagen Teil der, ich sag mal Performance, dass man so sich denkt,
ich bin berechtigt dazu, das zu machen? Ja. Ich find wir sind auch berechtigt, das zu
machen. Ich hab den Eindruck, dass die beiden sich gut überlegt haben, was sie vor der Kamera sagen.
Ihre Agenda ist klar: Kritik an der Bundeswehr. Die Bundeswehr steckt ja ziemlich viel Kohle immer in
ihre Plakatkampagnen, um so öffentlich wirksam Krieg zu normalisieren. Und da finden wir
braucht es einfach ne Gegenstimme zu. Und dass sie wegen Störpropaganda ermitteln,
also das LKA ermittelt wegen Störpropaganda. Und diesen Eingriff auf die Meinungsfreiheit
wollen wir nicht gelten lassen. Die pauschale Kritik auf den Plakaten teile ich so nicht.
Grundsätzlich finde ich es aber wichtig, dass man die Bundeswehr kritisieren kann – auch wenn sie
gerade in Afghanistan Menschenleben rettet. Das findet Klaus auch.Ok. Also nochmal
langsam. Im Mai wurden unter dem Motto „Tag ohne Bundeswehr“ bereitsähnliche Plakate im
Umkreis des Verteidigungsministeriums aufgehängt. Das Landeskriminalamt hat daraufhin Ermittlungen
eingeleitet. Unter anderem wegen des Verdachts der „Störpropagandagegen die Bundeswehr“. Darauf droht
eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Die Kläuse nehmen das mit Humor und kleben
heute extra Sticker auf ihre Adbusts: „Achtung Störpropaganda“ steht da drauf. Komplett auf die
leichte Schulter nehmen sie es aber nicht. Sie tragen während der gesamten Aktion Handschuhe;
weil in der Vergangenheit bei Ermittlungen auch nach DNA-Spuren gesucht wurde. Was glaubt
ihr, wie lange das hängen bleibt? So einen Tag oder zwei ist der Schnitt. Ich komm morgen nochmal kurz
vorbei und gucke. Ja. Insgesamt sollen heute 30 Plakate gegen die Bundeswehr in ganz
Berlin gehängt werden. Wie viele Kläuse dafür unterwegs sind, verraten sie mir
nicht. Noch eine Vitrine, I know, aber achtet mal darauf, was Klaus da mit dem Gin-Plakat macht. Es
ist nämlich so: Die rechtlichen Vergehen beim Adbusting liegen meistens im Diebstahl oder
beider Sachbeschädigung. Wenn man allerdings nichts mitnimmt und auch nichts kaputt macht,
macht man sich auch nicht strafbar – so die Logik von Klaus. Kommst dran?
Ja. Super. Grundsätzlich könnte natürlich auch die Bundeswehr gegen
diese Adbusting-Aktion vorgehen. Auf Anfrage schreibt mir das Verteidigungsministerium,
dem die Bundeswehr unterstellt ist, dass es bisher keine Adbusting-Aktionen zur Anzeige gebracht
hat. Kritische Meinungsäußerungen gegen die Bundeswehr gehörten zur Meinungsfreiheit.
Die Bundeswehr wirbt sogar mit dem Slogan „Wir kämpfen auch dafür, dass Du gegen uns sein
kannst.“ Allerdings bedaure das Ministerium den Sachschaden, der beim Adbusting für den
Vermarkter entstehe. Stell dich mal so ein bisschen vors Plakat. Danke. Ich habe die Betreiber der
Werbevitrinen angeschrieben, um zu fragen, wie teuer der Schaden für sie eigentlich ist.
Leider wollten sie sich dazu nicht äußern. Ein Tag später, ich bin jetzt nochmal im Treptower Park,
um zu schauen, ob die Plakate nochhängen, die gestern aufgehängt wurden. Ah krass,
also es hängt noch. Zumindest an dieser Stelle. Es ist aber irgendwie ein bisschen verkruschelter als
gestern. Ja! Das zweite hängt auch noch. Hier ist so eine Ecke vom Sticker umgeklappt. Ich war
jetzt gerade nochmal ne gute Viertelstunde am Bahnsteig, hab so ein bisschen beobachtet, hab
auch einzelne Leute angesprochen, ob sie das Plakat gesehen haben, was sie davon halten. Es
hatte aber tatsächlich keiner von denen, die ich angesprochen habe, das überhaupt vorher bemerkt.
Einer meinte dann auch noch, dass er es für Otto Normalverbraucher nicht so verständlich findet,
was da steht. Selbsterklärend finde ich die Plakate gegen die Bundeswehr auch nicht. Mit dem,
was in Afghanistan gerade passiert ist, wirken die Sprüche sogar unpassend. Aber
die Kläuse schreiben mir nachher, sie hätten die Plakate auch trotz Afghanistan so aufgehängt,
vielleicht mit einem anderen Sticker. Sie wollen vor allem irritieren. Ob es angebracht ist, solche
Aktionen mit harten Mitteln wie Hausdurchsuchungen zu ahnden, darüber lässt sich streiten. Ich treffe
eine Person, die genau das macht, und zwar vor dem Bundesverfassungsgericht. Frida wurde selbst
beim Adbusting erwischt. Sie studiert Jura und möchte hier nicht unter ihrem Klarnamen
auftauchen. Sie hat einige Dokumente zu ihrem Fall mitgebracht: Ich habs auch dabei.
Hier. „Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe.“Und dann haben wir das halt aufgehängt
und sind dann von einer Zivilstreife glaub ich, also zwei Polizeibeamten in Zivil, entdeckt worden.
Und die haben uns dann angesprochen und Personalien aufgenommen. Dass ein paar
Monate später die Polizei mit einem Durchsuchungsbeschluss vor ihrer Tür
steht, damit habe sie nicht gerechnet. Da kamen mehrere Beamte, ich weiß nicht mehr genau,
wie viele, ich glaub so fünf oder so und haben halt diesen Durchsuchungsbeschluss gehabt und
ich hab denen dann ziemlich schnell die Plakate, die ich hatte, gegeben, weil ich hatte fünf
Werbeplakate zuhause. Du warst zuhause? Ich war zuhause. Und dann haben sie auch noch mein
Telefon beschlagnahmt, was ich auch ziemlich krass finde, weil, also weil es voll der krasse Eingriff
ist. Also das sind so alle meine Kontakte, meine Fotos, meine Nachrichten, meine privaten Chats mit
allen Menschen, mit denen ich so spreche, meine E-Mail, Kontakte über meine Arbeit. Also alle
Dinge sind in meinem Telefon. Das Handy hat Frida kurz darauf wiederbekommen. Mittlerweile wurde das
ganze Verfahren gegen sie eingestellt. Wegen Geringfügigkeit. Trotzdem hat sie mithilfe
von zwei Jura-Professoren eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Sie halten
die Hausdurchsuchung für unverhältnismäßig. Die Entscheidung darüber steht noch aus. Das
Bundesamt für Verfassungsschutz wiederum ordnete 2018 Adbusting gewaltorientiertem Linksextremismus
zu. Warum? Das hat die Fraktion der LINKEN sich auch gefragt und eine Kleine Anfrage an die
Bundesregierung gestellt. Frida hat das Dokument ausgedruckt und mitgebracht. Also ich kürze jetzt
ab, findet man alles im Internet. Und dann steht hier: „ja, ist jetzt nicht als solche Ausdruck
einer linksextremistischen Gewaltorientierung, aber „Die Aktionsform des ‚Adbusting‘ ist im
Teil ‚Gewaltorientierter Linksextremismus‘ angesiedelt.“ In diesem Teil des Berichts
geht es unter anderem um physische Angriffe auf Beamte und Brandstiftungen an Polizeiautos;
keine Bagatellen also! Würdest du dich denn dem Teilbereich gewaltvoller Linksextremismus zuordnen
selber? Nö. Und bist du linksextremistisch? Nö. Also ich lehne auch die Kategorie Linksextremismus aber
auch ab. Also ich würde mich schon so als linkspolitisch bezeichnen. Und ich würde
schon sagen, da teilweise vielleicht auch so radikale Einstellungen zu vertreten im Sinne
von so grundsätzliche Fragen zu stellen. Aber ich finde das nicht extrem. Die Aktionen, auf die sich
der Verfassungsschutz bezieht, richten sich gegen die Bundeswehr oder die Polizei. Es gibt
aber auch noch ganz andere Formen des Adbustings: Hat schon was so. Kunst statt Werbung. Könnt ich
mich dran gewöhnen. Da ist zum Beispiel auch ein LKW, der hat Werbung drauf. Wenn man mal drauf
achtet, ist einfach überall Werbung, ne?Also es gibt so Zahlen, dass angeblich auf jeden
Menschen so 3.000 Werbebotschaften pro Tag prasseln. Auf der Straße, in der Bahn, im
Radio oder im Browser – wie viele Werbebotschaften wirtatsächlich täglich sehen, ist gar nicht so
einfach zu erheben. Es kursieren Einschätzungen von 300 bis 13.000. Alle ohne Quellenangabe für
die Zahlen. Aber so oder so: Wir sind einer ganzen Menge Werbung ausgesetzt! Hajo und Uwe gehören zum
Hamburger Adbusting-Kollektiv Fck Ads. Wie ihr euch denken könnt, nicht ihre echten Namen. Auch
sie wollen unerkannt bleiben. Ihre Aktion kritisiert allerdings nicht die Bundeswehr,
sondern Außenwerbung im Allgemeinen. Kunst statt Werbung heißt die Aktion. Dafür haben sie Werke
verschiedener Künstler:innen eingesammelt. Und die sind natürlich auch ganz interessiert daran, dass
sie sozusagen jetzt mal so ne Ausstellungsfläche bekommen, ne, so eine Art Open Air Galerie. Den
beiden geht es um die Frage, wer eigentlich den öffentlichen Raum gestalten darf. Ja es ist halt ne
Ermächtigung auch, ne, man ist dieser Werbung, dieser Manipulation so ausgesetzt und indem man
adbustet, tut man was dagegen. Und erlaubt sich einfach, was zu verändern, was man möchte und hat
der Machtlosigkeit dann einen Moment lang etwas
entgegengesetzt. Also hier, genau, das ist so ein Schlüssel, wie man einfach die Werbekästen öffnen
kann. Das ist jetzt selber gebastelt. Wir haben auch für verschiedene Städte eine Sammlung öffentlich
gemacht, wo man bisschen weiß, welche Schlüssel es gibt, so rum gesprochen. Wir verschicken die
sogar auch umsonst an Leute, die Interesse haben. Auch in Hamburg fällt es keinem auf,
dass Uwe und Hajo da gerade Kunst in die Vitrine hängen. Sie fotografieren die Aktion
zusätzlich für Instagram. Und was wäre so die Reaktion, die ihr euch auf der Straße
erhofft? Ach ich glaub, mir würde das auch reichen, wenn jemand vorbeigeht und sagt,
ach das ist ja schön, was da hängt, und vielleicht ein Foto macht, und muss ja gar nicht den
Kontext und so kennen. Aber das man irgendwie, ich glaub unterbewusst hoffe ich,
dass dann auch so ein kleiner Keim in einem gesät wird, wo man sich mal fragt, warum hängt denn
überall immer Werbung? Warum hängt danicht mal so was? Werbung kotzt mich halt an. Weil ganz wenige
Kapitalgesellschaften erkaufen sich das Recht, den öffentlichen Raum zu dominieren und überall
hängt Werbung für dieselben Sachen. Für Parship, Dating-Plattformen, für Nikotinprodukte. Was wäre
so eure Traumvorstellung von der Stadt? Ohne Werbung. Und was stattdessen? Da sollte ne
Sitzbank sein, da sollte ein Baum sein, da sollte ein Wasserspender sein, ne öffentliche Toilette,
da sollte aber auch Platz für Kunst sein und für Kommunikation. Aber halt von den
Menschen und nicht von den Kapitalgesellschaften und nicht von den Werbefutzis, die sich
da irgendwelche Scheiß-Kampagnen ausdenken. Gibt es Werbung, die ihr gut findet? Ist natürlich immer ne