Indisches Studenten-Leben in Chemnitz: Von Tradition bis Integration
Dieses Mythos in Sachsen, dass es Ausländer-feindlichkeiten gibt und sowas, gibt es bestimmt,
aber ich hab die noch nie erfahren.
Eine der größten indischen Communities Ostdeutschlands lebt in Chemnitz.
77% davon studieren an der Technischen Universität.
Eine wirkliche Durchmischung mit den deutschen Studis gibt es aber nicht.
Also unsere Kurse sind alle auf Englisch, dement-sprechend sind nur sehr wenige da, ich glaube-
Vier. Vier davon. Vier Deutsche? Ja, nur vier.
Wenn ich jemanden finde oder meine Mutter jemanden für mich findet,
die auch nur 50% so ist wie meine Mutter, ich würde sie mit verbundenen Augen heiraten.
verbundenen Augen heiraten. Ein Wochenende lang tauche ich ein in eine Welt
Ein Wochenende lang tauche ich ein in eine Welt aus süßem Tee,
religiösen Minderheiten und unerwarteten Konflikten.
Wenn du mich fragst, sowas wie okay ich will das Essen von dieser Person nicht haben, nicht mit ihr teilen,
weil diese Person zu einer niedrigeren Kaste oder Gruppierung gehört.
Ich hab hier in Chemnitz die letzten 3,5 Jahre studiert und an der Uni auch selber verschiedene
Workshops für Internationals gegeben. Trotzdem habe ich irgendwie das Gefühl, dass mein
Studium so komplett an dem der indischen Studierenden vorbeigelaufen ist. Aber warum eigentlich?
Für diesen Film interessiert mich wer die indische Community in Chemnitz ist, warum
ich als deutsche Studentin so wenig Kontakt mit der Community hatte und vor allem aber
auch wie diese Menschen hier in Chemnitz leben.
Aus meiner Zeit in Chemnitz verbinde ich die indische Community vor allem mit dem Cricketspielen.
An schönen Sommerwochenenden waren die Rasenflächen vom Campus immer voll
mit Cricket spielenden Indern. Selbst einen Cricketverein gibt es.
Erster Stopp ist der indische Supermarkt in der Nähe vom Unicampus. Gleich hier um die
Ecke habe ich gewohnt, eingekauft habe ich im Bollywoodshop aber nicht. Der Laden ist
ein Treffpunkt der gesamten südasiatischen Community.
Meine Mission heute: Süßigkeiten kaufen,
weil ich gleich bei einem indischen Pärchen zum Teetrinken eingeladen bin.
Ich glaube es war ohne Füllung. Ich glaube dann war das, in der dunkleren Version war das das hier.
Amrit ist kein Student, er ist der Sohn vom Ladenbesitzer und soll den Supermarkt irgendwann übernehmen.
Das geht aufs Haus, das geht aufs Haus.
Ich weiß nicht wie die Mentalität bei Deutschen ist, aber ich kann doch keine Preise verlangen oder sowas.
Komm wir machen einen zahlen wir, einen- Achso, aber ich dachte wir wollen die mitnehmen-
zum Teetrinken. Jaja genau.
Also zahlen wir quasi die Hälfte. Genau. Wir machen Hälfte Hälfte.
Okay. Kommt gar nicht in Frage.
Wir einigen uns auf 50/50 und einen gemeinsamen Tee im Hinterzimmer.
Zack: Erste unverhoffte Begegnung mit der indischen Gastfreundschaft. Oha. Ist das alles Reis?
Genau, das ist alles Reis. Ah ist ganz schön hart. Okay.
Die klebriger Kugeln heißen Gulab Jamun. Zuckerschock pur.
Was ist das für ein Gesicht?
Wenn man es isst ist es nicht mehr so hart
und schmeckt ein bisschen wie Baklava, finde ich so ölig auch. Oder?
Ja ist wie Baklava.
Amrit werden wir morgen wiedertreffen.
Weiter zu unserem eigentlichen Tee-Date bei Ila und Aaditya. Hallo?
Hi, hier ist Mira. Ja, hi Mira.
Die beiden sind für ihren Master nach Chemnitz gekommen, sind seit knapp einem Jahr verheiratet
und wohnen gemeinsam in einer Zweier-WG im Wohnheim, wie fast alle Inder*innen.
Ich habe hier auch mal gewohnt. Aber wie alle meine deutschen Freund*innen bin ich nach einem Jahr
wieder ausgezogen. Insgesamt kommen ganze 8% der Studis in Chemnitz aus Indien,
viele sind für ihren Master hier. Die meisten von ihnen studieren Informatik.
Ila und Aaditya kenne ich schon länger. Wir haben an der Uni zusammen gearbeitet.
Viel miteinander zu tun hatten wir aber nicht; ich habe Workshops gegeben,
Ila und Aaditya haben die App fürs Projekt programmiert. Hi, wie geht es euch?
Herzlich willkommen. Das ist Toni.
Hast du Süßigkeiten mitgebracht? Ja, hab ich.
Hi Toni. Kommt rein.
Der geschäftige Typ im Hintergrund ist Karan, ein Freund von den beiden.
Während Ila denTee kocht, erzählen sie mir, dass sie über soziale Medien schon aus der Heimat Kontakt
zu anderen indischen Studis hier hatten. Wir haben auch mit Alumnis gesprochen. Wir
haben in Facebookgruppen oder über LinkedIn nach Leuten gesucht, die hier studiert haben
und haben mit denen gesprochen. So haben wir die Uni am Ende festgelegt.
Und mit deutschen Studis, ist es leicht mit denen in Kontakt zu kommen?
Also unsere Kurse sind alle auf Englisch, dementsprechend sind nur sehr wenige da, sehr
wenige, ich glaube Vier. Vier davon.
Vier Deutsche? Ja, nur vier.
In einem Kurs von ca. 80 Studierenden sind es nur vier.
Warum glaubt ihr, dass ich nie sonderlich viel Kontakt zu indischen Studierenden hatte?
Lass mich dir eine Frage stellen: Wie viele indische Studierende waren in deinem Kurs?
Keine. Keine. Das ist einer der Gründe.
Dann hattest du den Hiwi-Job, wo wir uns getroffen haben.
Also hast du zwei indische Freunde kennengelernt.
Und dann dein nächster Job, den du hattest, wie viele indische Leute gab es da?
Keine. Siehst du, es gibt keinen gemeinsamen Ort.
Gemeinsame Orte, wie das Wohnheim oder die Mensa gab es ja aber trotzdem. Aber klar,
ich bin selten in die Mensa gegangen, um neue Leute kennenzulernen. Die meisten meiner Freund*innen
haben tatsächlich mit mir zusammen studiert. Zum süßen Chai präsentieren die beiden
mir dann ein bisschen Real-Life-Bollywood-Romantik und zeigen mir ihr Hochzeitsvideo.
Sie sieht so wunderschön aus. Aus Liebe zu heiraten, so wie Ila und Aaditya
ist in Indien noch immer eher die Ausnahme, arrangierte Hochzeiten sind die Regel. Bisschen
ein Indien-Klischee und für mich ehrlich gesagt komplett unvorstellbar. Deshalb nutze
ich die Chance, Karan zu fragen, wie er dazu steht.
Ich hoffe auf eine Ehe, die funktioniert. Es spielt keine Rolle, ob es eine Liebeshochzeit
ist oder eine arrangierte Ehe. Wenn meine Mutter mich jemandem vorstellt, dann braucht
es ein bisschen Zeit, um Vertrauen aufzubauen. Was sind die Aspekte, nach denen deine Mutter
die perfekte Partnerin für dich aussucht? Kurz gesagt: Meine Mutter wird ein Mädchen
suchen, die exakt so ist, wie sie selbst. Und das ist etwas Gutes?
Das ist etwas sehr Gutes. Er liebt seine Mutter.
Für mich ist meine Mutter das Ideal aller Frauen. Ich habe so eine Verbindung, dass
wenn ich jemanden finde oder meine Mutter jemanden für mich findet, die auch nur 50%
so ist wie meine Mutter, ich würde sie mit verbundenen Augen heiraten.
Würde für dich den auch ein deutsches Mädchen infrage kommen? Und was würden deine Eltern
dazu sagen? Ich glaube es wäre ein sehr langer Prozess,
wenn ich ein deutsches Mädchen heiraten wollte. Da sind so viele Dinge, die die Kompatibilität
beeinflussen. Also ich denke, dass es schon passieren könnte, aber ich denke die Wahrscheinlichkeit
liegt so bei 25%. Wo ich schonmal bei indischen Klischees bin.
Wie ist das eigentlich mit dem Kastensystem? Offiziell wurde es in den 50er Jahren abgeschafft,
trotzdem spielt es im sozialen Leben in Indien noch immer eine Rolle. Ich frage ihn, wie
wichtig Kasten bei der Partnerwahl sind. Es sind Grenzen. Wenn es nach den Eltern geht,
dann liegen die Grenzen innerhalb der eigenen Sektion oder Kaste. Also wenn meine Eltern
jemanden für mich suchen, dann liegt deren Suchradius innerhalb der gleichen Kaste.
Hier in Chemnitz spielt das Kastensytem keine Rolle, sagen die drei. Nur was das Heiraten
angeht sei es für die Eltern noch wichtig. Trotzdem tauchen während meiner Recherche
immer wieder Andeutungen auf. Ein ehemaliger Sozialberater aus Chemnitz bestätigt, dass
auch er mit Konflikten mit dem Kastensystem zu tun hatte. Ich suche nach jemandem, der
vor der Kamera mit mir darüber spricht. Nach unzähligen Telefonaten, finde ich dann Vikarna,
so nenne ich ihn, weil er anonym bleiben will. Hi.
Mir schnell klar, dass das Problem noch viel komplexer ist, als das Kastensystem mit seinen
vier Kategorien, wie ich es aus dem Geografieunterricht kenne. Vikarna erklärt mir, dass dahinter
ein kompliziertes Zusammenspiel aus regionalen Zugehörigkeiten, Religion, Sprache und den
klassischen Kasten steckt. Mich interessiert, was er hierin Chemnitz erlebt hat.
Wenn du mich fragst sowas wie okay ich will das Essen von dieser Person nicht haben, nicht
mit ihr teilen, weil diese Person zu einer niedrigeren Kaste oder Gruppierung gehört.
Und die zweite Situation ist, dass ich bald in eine andere Stadt ziehe und wenn ich mich
auf ein Zimmer bewerbe, dann sehen die Leute meinen Nachnamen und fragen, ob ich aus dieser
Region bin oder zu dieser Kaste gehöre und dass sie mir das Zimmer gerne anbieten würden.
Wenn du mit Leuten zusammen bist und da jemand dabei ist, der nicht gewollt ist, was passiert
dann? Wie verhalten sich die anderen? Wie reagiert die Person, die diskriminiert wird?
Stell es dir wie diese Teenage Hollywood Filme vor. Es gibt einen Tisch, der einer bestimmten
Clique vorbehalten ist, so wie in Girls Club, hast du das gesehen?
Ja, ja. Genau. Es gibt dann böse Blicke und dieses
unangenehme Gefühl, aber niemand würde direkt sagen „Wir wollen dich hier nicht.“
Ich hab dir ja erzählt, dass ich mit vielen anderen indischen Menschen gesprochen habe
und ich habe die auch gefragt, ob es Diskriminierungen aufgrund der Kaste oder des sozialen Status
in der indischen Community gibt. Die haben das alle verneint, weil sie meinten, dass
Menschen, die hierherkommen alle sehr offen sind. Glaubst du die bekommen das einfach
nicht mit? Oder wollen sie nicht darüber reden? Warum sagen sie, dass es das nicht
gibt? Es zu akzeptieren ist hier ein Problem. Meine
Freunde sagen, dass sie verstehen, dass es existiert, aber es nach draußen zu tragen
oder mit den Deutschen darüber zu reden, das ist etwas, das man vermeiden sollte.
Okay. Tschüss. Also ich hatte ja echt ein bisschen Schiss,
dass er nicht kommt, weil irgendwie kam er ja zu spät und es kam so ein Bus nach dem
nächsten und er ist nicht ausgestiegen. Ich hatte Angst, dass er mir am Ende doch noch
spontan abspringt, weil irgendwie scheint das gar nicht so normal zu sein da so offen
drüber zu reden. Und ich hätte auch als Außenstehende gar nicht gedacht, dass die
indische Community nicht so eine Community ist, wie man sie wahrnimmt, sondern dass es
da so extrem viele Gruppierungen gibt, die sich auch untereinander so ein bisschen diskriminieren.
Am nächsten Morgen geht es für mich dann weiter zum Gurdwara.
Das ist ein Gotteshaus der Sikh People, das ist eine Glaubensrichtung in Indien und es
gibt so bestimmte Regeln, die man befolgen muss und deswegen werden wir jetzt erstmal
eine Kopfbedeckung suchen und unsere Füße waschen. Die Schuhe und Socken ausgezogen
haben wir schon. Die Sikhs sind eine Glaubensminderheit in
Indien, das ansonsten stark hinduistisch geprägt ist. Eigentlich streben die Sikhs ein eigenes
Land an. Man erkennt sie meist an ihrem langen Bart und dem Turban. Wichtig ist im Tempel
vor allem, dass der Oberkopf bedeckt ist. Nach ganzen drei Stunden Mantras und Musik
gibt es dann - natürlich - Tee und Essen. Aufgrund von Corona tu ich mich hier gerade
etwas schwer. Normalerweise kommen für das gemeinsame Essen auch hinduistische Studis
in den Tempel. Aber weil wir mit der Kamera da sind, entschieden sich einige davon heute
nicht zu kommen. Ich merke, dass ein Dreh im Sikh Tempel für eine Reportage über die
indische Community hier und da gemischte Gefühle auslöst. In Indien kam es in den 80er Jahren
zu gewalttätigen Konflikten zwischen der indischen Regierung und der Sikhs. Offen darüber
reden, will hier in Chemnitz aber niemand. Wir treffen Amrit wieder. Er zeigt uns noch
einmal den Gebetsraum. Weil für die Sikh ihr heiliges Buch selbst als der 10. Prophet
gilt, wird es wie ein König behandelt. Also hier wäre das zum Beispiel, man könnte
quasi sagen das wäre ein Thron von unserem heiligen Buch. Hier beispielsweise wäre,
also wie man das damals bei den Königen gemacht hat, man tut ihm so respektvoll mit dem Fächer
quasi, man kann auch nicht sagen Respekt zollen, aber dass es symbolisch einfach eine hohe
Präsenz hat für uns. Also rituell wird zum Beispiel auch das Buch auf dem Kopf dann getragen,
ne Runde gelaufen und dann also mit Runde meine ich bis hierhin und dann in den Raum