Luxus, Partys und sexueller Missbrauch: Arbeiten auf Superyachten | Y-Kollektiv
Diese Geschichte sollte einmal eine Geschichte
über Luxus werden,
Über exklusive Gesellschaft und Träume auf dem weiten Meer.
Aber die Geschichte wurde eine über Angst. Davor, alles zu verlieren.
Die Leute haben wahnsinnige Angst zu reden.
Und ich habe großen Respekt vor dir,
was du auf dich nimmst. Auch ich habe Angst, denn
sie haben die Macht, deine Karriere zu zerstören. Als ich beginne, über Yachten zu recherchieren
denk ich schnell: Was geht denn hier ab?
Noch nie bei einer Recherche waren mir so viele Türen verschlossen wie bei dieser.
Leute sagen mir Sachen wie „Jeffrey Epstein ist dagegen nur ein Tropfen im Ozean“.
Ich bin in Cannes, auf der Yachtmesse. Seit über einem Jahr recherchiere ich in
der Yacht-Industrie. Am Anfang wollten wir noch ganz naiv “Mal
auf einer Yacht mitfahren”. Ich selbst war noch nie auf einer drauf.
Wenn du überlegst, ob du dir eine Yacht leisten kannst, kannst du dir keine leisten. Den Spruch
lese ich in einer Zeitung. Eine Yacht zu chartern kostet ab 50.000 Euro pro Woche, im Schnitt
viel mehr. Doch der Glam wird immer gruseliger, je mehr
ich mit Leuten aus der Branche rede. Eine Frau sagt mir früh: Forscht doch mal
in Richtung sexuelle Übergriffe. Die seien ein riesen Problem auf Yachten. Kaum ein Tag würde vergehen,
ohne dass sie von einem neuen Fall hört.
Nach Monaten spricht sie vor der Kamera. Meine Recherche spricht sich rum und ich bekomme
Nachrichten wie diese hier: Da hast du dich auf was krasses eingelassen. Es ist eine riesen Herausforderung, in diese Branche einzutauchen. Und sie flößen uns
total viel Angst ein mit diesen Verschwiegenheitserklärungen. Ich denke nicht, dass sich dir gegenüber
viele Leute öffnen werden. Aus meiner Erfahrung: Wenn du da weiter dran bleibst, dann nenne
auf keinen Fall Bootsnamen, denn sie werden dich bis zum geht nicht mehr verklagen! Verschwiegenheitserklärungen
sind Verträge darüber, dass nichts von Bord nach außen
dringen darf. Was auf einer Yachtpassiert soll auf der Yachtbleiben. Sonst drohen heftige
Klagen. Ich merke: Das ist ein riesiges Problem für mich und meine Recherche.
Der Hotspot für Yachten in Europa ist die Côte d'Azur in Südfrankreich, zwischen
Monaco und Saint Tropez.
Hier will ich erleben, auf welche Welt wir uns einlassen. Und ich will Leute kennenlernen,
die auf Yachten anheuern. Warum machen sie das?
Ihre Jobs suchen sie oft in Facebook-Gruppen und lassen ihre Nummer da.
Wir fahren nach Antibes, einer Kleinstadt bei Cannes.
Sie schreibt:
Antibes ist die Hauptstadt der Yachties. So nennen sich die Leute, die auf Yachten arbeiten.
Hier liegen auch ein paar der größten und teuersten Yachten der Welt vor Anker.
Dieses Schiff soll einem russischen Oligarchen gehören. Der Kai der Milliardäre ist geschlossen
für die, die nicht hier leben oder arbeiten. Also für uns.
Über einen Kontakt treffen wir Maddie. Sie ist 19, kommt aus Frankreich und hat vor einem
halben Jahr angefangen, auf Yachten zu arbeiten.
Maddie ist fasziniert vom Leben an Bord. Am liebsten würde sie nach Amerika fahren
oder in die Karibik. Und mit der Crew habe sie bisher nur gute Erfahrungen gemacht.
Maddies Ziel ist jetzt ein längerer Job, also eine permanent position, wenn möglich
auf einer Segelyacht.
Die Bezahlung ist gut. Kost und Logie sind auch dabei. Und es lockt der Glamour.
Aus der Schule raus, statt Bafög echtes Geld
und dafür noch an der Riviera segeln, wenn`s gut läuft mit Rihanna: hätte ich das mal
gewusst, als ich aus der Schule raus bin. Mit den richtigen Leuten an Bord kann alles
gutgehen. Das sagen mir selbst die, die schlechte Erfahrungen gemacht haben.
Ich treffe eine Frau, die mir eine andere Seite der Branche zeigt: Sie war selbst lange
Yacht-Stewardess und meint, es fehle an Therapiegesprächen, gezielt für Menschen, die auf Yachten arbeiten.
Das ist ihr erstes Interview.
Wir sollen sie nicht zeigen, da sie ein anonymes Gesicht bleiben will für die Yachties, die
zu ihr kommen. Umgekehrt haben die selbst bei ihr Angst sich
zu öffnen. Dabei ist sie doch ihre Vertrauensperson.
Typische Problemen sind Angst, Depression, Drogen, Einsamkeit und: sexuelle Gewalt.
Ich finde nur einen Fall, bei dem ein Mann für eine Vergewaltigung auf einer Yacht verurteilt wurde.
Das war 2018. Und sie scheint in Südfrankreich die einzige
zu sein, die sich gezielt um Yachties kümmert. Das hält sie sehr vertraulich - sie redet
nicht über einzelne Fälle und auch nicht darüber, wie viele das sind.
In Bremen suche ich nach Betroffenen. Auf
Instagram, in Facebook-Gruppen, am Telefon. Doch kaum jemand will mit mir sprechen.
Eine Informantin hat eine Idee.
Mein Tipp wäre: Mach doch eine Art Umfrage, damit du etwas schriftliches hast.
Denn die Leute haben Angst offen zu sprechen. Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich keine Angst hatte,
nachdem wir gesprochen haben.
Ich erstelle einen Fragebogen und poste ihn in Facebook-Gruppen:
“Hallo, ich bin Fabian Stark, mache diese Recherche… Du kannst mir auch eine anonyme
Nachricht schicken. Den Fragebogen verschicke ich weltweit. Vielleicht
ist ja irgendwo ein Faden, der auch ein Ende hat.
Endlich treffe ich Margarita, sie hat mir anfangs den Hinweis gegeben, in Richtung Missbrauch
zu recherchieren. Margarita hat bis vor sieben Jahren selbst auf Yachten gearbeitet und sich
dann selbstständig gemacht - nach wie vor in der Yacht-Branche. Und das, obwohl sie
wütend ist. Bis vor zwei Jahren, sage ich mal,
verging eigentlich kein Tag wo du nicht was mitgekriegt hast - Was mitgebracht heißt? - Da Bis vor zwei Jahren
sage ich mal verging eigentlich kein Tag, wo du nicht was mitgekriegt hast, mitgekriegt, dass der eine
Chief Officer betrunken, ähm, die second House Keeperin angebaggert hat. Und weil sie nicht wollte,
nicht wollte, also keinen Sex mit ihm haben wollte, wurde sie dann ständig gepiesackt
und drangsaliert und gesagt man ja schikaniert sozusagen, bis sie dann gegangen ist. Ich selber
habe das auch schon erlebt. Beim dritten Treffen sagt mir Margarita, was
genau vorgefallen ist. Aber auch hier: Ich kann es euch nicht erzählen. Margarita will
es nicht, ob mit oder ohne Namen. Trotz allem liebt sie die Branche. Sie will
sie nicht den windigen Leuten überlassen, sagt sie. Darum spricht sie mit mir.
Ich hab auch, es ist jetzt auch schon eine kleine Weile her, vielleicht ein halbes Jahr, mal eine Pole gemacht auf Instagram.
Und da hatte ich auch knapp über 200 Leute, die mir von Schikanen und sexuellen Übergriffen
berichtet haben. Wovon ich dir ganz ehrlich sagen muss, alle Fälle, so wie sie mir erzählt wurden, glaube ich.
Weil sie auch mit so viel Angst da hinterher gekommen sind.
Diese Angst spüre ich auch in meiner Recherche. Daran, wie wenige mit mir reden wollen. Oft
denke ich, das ist halt auch, weil ich ein Typ bin, was ich verstehen kann.
Ich habe ja sonst mit dieser Branche nichts zu tun. Wovor genau haben denn Leute Angst? Die glauben, dass du vielleicht von irgendeiner Management - Firma bist,
vielleicht bist du ja von Bourgeois oder von sonst wem geschickt worden, um da nochmal hinterherzugehen, um zu gucken
ob die ihre NDA, ihr non disclosure agreement, vielleicht doch berechnen...
Straftaten sind auch dann strafbar, wenn eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben wurde.
Ich denke mir aber, das sagt sich leicht: An Land, statt zwischen karibischen Inseln, und ohne reiche und mächtige Leute um einen herum.
Das Gespräch mit Margarita wirkt auf mich, als würden sich in der Branche alle misstrauen.
Und als könne es unter ihnen doch kaum noch Leute geben, die noch keine Übergriffe mitbekommen haben.
In der Zwischenzeit wird mir eine Studie zugeschickt.
Explizit zum Thema Sexuelle Belästigung in der Yachtindustrie. 870 Leute haben teilgenommen.
Also hast du je sexuelle Belästigung an Bord gesehen, körperlich oder verbal? Fast 70
Prozent sagen ja. In der Studie wird erzählt, wie Yachties
belästigt werden, zu sexuellen Handlungen gedrängt, bis hin zur Vergewaltigung. Nachzugeben
scheint oft der einzige Weg, den Job nicht zu verlieren und keine Probleme zu bekommen.
Die Studie ist von der Professional Yachting Association, einem Verband der Yachtbranche.
Der Verband hat die Studie nicht veröffentlicht und ich habe den Eindruck, dass die Branche
lieber verheimlicht. Seit einem Jahr gibt es eine Hotline, bei der sich
Yachties melden können, wenn sie Probleme haben: Die Yacht Crew Helpline. Sie wird
unter anderem von der Professional Yachting Association finanziert. Wenn mir jemand mehr
erzählen kann über das Ausmaß von sexuellem Missbrauch, dann doch wohl die. Ich spreche
mit Georgia.
Georgia sagt nicht, dass sexuelle Gewalt für die Helpline kein Thema sei. Aber sie bleibt vage.
Für mich passt das nicht zu dem, was Margarita mir sagt oder was in der Studie steht.
Ich schaue also weiter nach Betroffenen. Ich erfahre einzelne Geschichten, aber kaum Details.
Dafür kommen Ergebnisse aus meinem Fragebogen: 26 Einträge, die meisten von Frauen, zwei
von Männern. Sie berichten von sexistischen Sprüchen, Grapschereien und Vergewaltigungen.
Auch sie wollen nicht vor die Kamera. Eines Abends, nachdem ich schon mehrmals nein
gesagt habe, wurde ich gegen meinen Willen festgehalten und von einem Crew-Mitglied vergewaltigt.
Von der Tat war das Bettlaken voller Blut. Ich habe mit dem Crew-Mitglied gesprochen,
aber entschieden weiterzumachen. Ich wollte meinen Job nicht verlieren. Ich hab sogar noch
mehrere Monate an Bord weiter gearbeitet. In dieser Zeit hat mein Kollege sogar einige
Male Witze über diesen Vorfall gemacht. Meine bisherigen Erfahrungen mit Belästigung
und Missbrauch waren vor allem mit Charter-Gästen. Die Vorfälle waren sehr unterschiedlich:
Mir wurde Geld angeboten oder sogar hingeworfen, damit ich mein Top ausziehe, ich wurde mehrmals
begrapscht, körperlich angegangen. Das passiert vor allem, wenn ich die Gäste alleine betreuen
muss. Es ist für mich schwierig die Grenze zu ziehen,
weil es in meinem Job vor allem auch darum geht, dass die Gäste eine gute Zeit an Bord
haben. Wenn ich zu früh die Grenze ziehe, dann fühlt es sich an, als wenn sie einen
schlechten Start hier auf der Yacht haben. Wenn ich es zu spät mache, dann nehmen sie
mich nicht mehr ernst. Mein Kapitän hat Treffen abgehalten, bei
denen wir für Fehler bestraft werden sollten. Die Strafe war ein Whiskey-Shot, den wir nicht
ablehnen durften - oder wir wurden gefeuert. Nach dem ersten dieser Treffen bin ich nackt
aufgewacht, der Kapitän kam rein und hat gesagt, dass wir Sex hatten. Ich kann mich
an nichts erinnern. Ich war wohl bis zur Bewusstlosigkeit betrunken, als mich der Kapitän vergewaltigt hat.
Niemand aus dem Fragebogen hat rechtliche Hilfe in Anspruch genommen.
Mehr noch, und das schockt mich am meisten:
Es fehlen Leute, denen sich die Yachties anvertrauen können. An Bord wäre das eigentlich der Kapitän.
Ich höre zwar auch von guten Captains, die übergriffige Crewmitglieder gefeuert haben.
Daneben aber von vielen anderen, die ihre Crew nach Attraktivität auswählen, Frauen
als überdramatisch darstellen oder selbst Täter*innen sind. Doch es gibt nicht die
eine Tätergruppe: Neben Captains sind es Eigentümer:innen, Leute auf Charter und einfache
Kolleg:innen. Ich telefoniere und chatte weiter, um Namen
zu bekommen. Die Geschichten, die ich höre, geben mir den Eindruck: Viele sehen die hohe
See als rechtsfreien Raum.
Ich höre auch von Bewerbungsgesprächen im Badeanzug. Dazu bekomme ich Screenshots.
Der Interviewer sagt, er wolle checken, ob sich die Bewerberinnen auch auf Poolpartys
in ihrem Körper wohlfühlen. Ich konnte selbst nicht herausfinden wer dahintersteckte.
Ich bin übers Profilbild gegangen von diesen Leuten. hab versucht ne ähnliche Nummer zu finden
Ich hatte nicht die ganze Nummer, sondern nur ein Teil der Nummer. Ist im Nichts verlaufen
So geht es mir oft. Die Geschichten sind krass,
aber ich erfahre kaum Namen von Leuten oder Booten.
Sobald ich nachhake, machen Leute zu. Wenn ich doch mal einen Namen höre, dann
finde ich keine Leute, die von ähnlichen Geschehnissen mit diesem Menschen oder an
Bord dieser Yacht erzählen wollen. Zu klein ist der Kreis an Leuten, die von
einem Vorfall berichten können. Und so leicht verfolgbar, wer da geplaudert hat.
Vor mir liegt ein Wust einzelner Fäden. Es ist ziemlich frustrierend.
Am offensten redet Marién. Wie Margarita hat sie selbst lange auf Yachten gearbeitet.
Marién hat einen Podcast, mit dem sie Missstände in der Yacht-Industrie beleuchtet.