Bevor Zuna berühmt wurde… | KMN GANG - KURZBIOGRAPHIE
Wir befinden uns in Baalbek, einer Stadt im Libanon, im Jahr 2001.
Genau wie in anderen Teilen des Landes
ist auch hier nach dem jahrzehntelang herrschenden Bürgerkrieg
noch kein absoluter Frieden eingekehrt.
An diesem Ort lebt zu der Zeit auch Zunas Familie.
Doch die alleinerziehende Mutter Radja
sieht hier keine Perspektive mehr.
Ihr Mann war bereits im Krieg gestorben,
zu groß die Gefahr, dass auch einer ihrer Söhne bald erschossen wird
oder sogar selbst jemanden erschießt, erinnert sich Zuna.
Und so liegt der Entschluss nahe:
Sie werden das Land verlassen und nach Amerika auswandern.
"Wow, wie cool, Amerika,
klar machen wir das", denken sich Zuna und seine Brüder.
Anfangs voll begeistert können sie allerdings noch nicht ahnen,
welch eine Tortur ihnen bevorsteht.
(Ploppen)
Der Traum vom Leben in den USA ist schnell geplatzt.
Zu hohe Einreisebeschränkungen
nach den Terroranschlägen vom 11. September
zwingen die Familie, ihren Plan zu überarbeiten.
Europa ist - nach einer Zwischenstation in Westafrika -
nun das Ziel ihrer Reise.
Angekommen in einer Pariser Asylunterkunft
setzt bei Zuna jedoch schnell die Ernüchterung ein.
"Europa soll ein Paradies sein?" fragt er sich.
Beim Anblick dessen,
was er hier in den ersten Wochen nach der Ankunft zu sehen bekommt,
fängt er schnell an zu zweifeln.
Schlimm sei aber vor allem das unangenehme Gefühl,
an jedem zweiten Tag in diesem merkwürdigen Büro vorsprechen
und sich kleinmachen zu müssen.
Zuna ist als Siebenjährigem zwar schon klar,
dass sie als eine Art Bittsteller ins Land gekommen sind,
doch fühlen sich die Regeln für ihn trotzdem
wie eine unangemessene Demütigung an.
Entsprechend geschockt ist er auch,
als die Familie nach sechs Wochen, aus seiner Sicht plötzlich,
aus der Erstunterkunft geworfen wird.
Zuna habe sich in dem Moment nicht mehr wie ein Mensch gefühlt,
eher wie der Anfangsbuchstabe auf einem Ordner, gibt er an.
Einzelschicksal und persönliche Geschichten
seien an diesen Orten nichts mehr wert gewesen.
Als sie sich dann auf die Suche nach einer neuen Bleibe machen müssen,
bestätigt sich der bisherige Eindruck.
Kaum jemand will ihnen helfen, die Leute weichen größtenteils aus.
Zuna fühlt sich wertlos,
als wären sie Menschen zweiter Klasse, schreibt er.
Tagein, tagaus geht das so,
stets unterbrochen durch einen immer gleichen Telefonanruf,
um sich nach dem Asylstatus zu erkundigen.
Natürlich vergebens.
Auch wenn sie übergangsweise für ein halbes Jahr
bei Verwandten unterkommen können,
geht es für die Familie bald weiter nach Deutschland.
Im Hinterkopf die Hoffnung,
hier leichter Asyl zu bekommen als in Frankreich.
Aber kaum kommen sie am Münchener Bahnhof an,
muss Zuna mit ansehen, wie Polizisten seine Mutter und seinen Onkel
schonungslos festnehmen und sie von ihm und seinen Brüdern trennen.
"Die Frau ist nicht eure Mutter", sagt man ihnen.
Sie und Zunas Onkel seien nämlich Terroristen,
die angeblich einen Anschlag geplant hätten.
"Wow, was ist hier eigentlich los?" denkt sich Zuna.
Die Kinder kommen daraufhin sechs Monate in eine Pflegefamilie,
doch die Ersatzeltern können natürlich nicht
über Zunas empfundene Leere hinweghelfen.
Zu groß ist der Verlust.
"Ich hatte kaum noch Gefühle,
auch wenn ich jeden Tag an Mama und Onkel Zaad dachte,
ich empfand keine wirkliche Traurigkeit mehr",
schreibt er in seiner Biographie.
Das spiegelt sich auch
in seinem Verhalten in der deutschen Schule wider,
auf die man ihn schickt.
Denn Zuna lernt schnell,
die anderen Kids nicht zu nah an sich heranzulassen.
Freundschaften versucht er zu vermeiden -
klar, wenn man nicht absehen kann, wann der nächste Umzug ansteht.
"Ich war kalt geworden, um nicht verletzt zu werden",
beschreibt es Zuna.
Mutter und Onkel werden derweil nach einem halben Jahr
aus der U-Haft entlassen.
Denn natürlich waren sie keine Terroristen.
Für Zuna und seine Brüder umso krasser,
dass es wegen eines solch dämlichen Verdachts möglich war,
eine ganze Familie zu zerreißen.
Andererseits können sie sich fortan
endlich wieder gemeinsam um Asyl bemühen.
Nach diversen Stationen in Deutschland
wollen sie ihr Glück jetzt in der Schweiz versuchen,
wieder in der Hoffnung, sich hier leichter einbürgern zu können.
Die Chancen in diesem Land wollen sie erhöhen,
indem sie - übrigens nicht zum ersten Mal -
einen falschen Nachnamen angeben,
und ihre tatsächliche Staatsangehörigkeit geheim halten.
Als Libanesen in Europa Asyl zu bekommen,
sei für sie damals nämlich nicht möglich gewesen.
"Mama hatte uns seit Jahren eingeimpft,
dass wir niemandem, wirklich niemandem
unsere echte Identität verraten sollten."
"Nur ein Fehler, sagte sie, und unser Traum von Europa wäre vorbei."
Zuna begreift das, er ist inzwischen 15 Jahre alt.
Doch wird er in dieser Zeit auch zunehmend neidisch
auf bessergestellte Mitschüler und beginnt das Klauen.
Er ist berauscht von dem Gefühl,
zum ersten Mal etwas Geld in der Tasche zu haben,
verdrängt die Enttäuschung seiner Mutter
und hat in dieser Phase seines Lebens noch kein schlechtes Gewissen.
Stattdessen fühlt er sich langsam immer wohler in der Schweiz,
schließlich rückt der letztmögliche Tag,
an dem eine Abschiebung gesetzlich noch ohne Weiteres machbar ist,
immer näher.
Bis es genau an jenem Abend an der Tür klopft,
denn tatsächlich wird die Familie
auf den letzten Drücker noch abgeschoben.
Was daran besonders schmerzt:
dass sie von dem Vater seines besten Freundes,
also der einzigen Person, der Zuna seine wahre Identität genannt hatte,
verraten wurden. Autsch.
Und so geht es für alle Mann nach sieben Jahren Flucht
zurück in den Libanon.
Manch einer hätte jetzt bestimmt aufgegeben,
doch nicht die Familie Saitah.
Sie wollen es noch einmal versuchen.
Wieder machen sie sich,
nach denselben Zwischenstationen in Togo und Frankreich,
auf den Weg nach Deutschland.
Vieles scheint bekannt,
der Nachname und die falsche Nationalität,
die sich abermals ändern,
die aus seiner Sicht verweichlichten Mitschüler,
mit denen Zuna nichts anfangen kann,
die Kleinkriminalität, in die er sich erneut begibt.
Eine Sache sticht jedoch erstmalig heraus.
Zuna beginnt allmählich,
sich in eigenen Rap-Texten eine schönere Umgebung zu erschaffen.
"Durch die Musik konnte ich mich in eine Traumwelt flüchten,
in der ich genau der Mensch war, der ich immer sein wollte", sagt er.
Die deutschen Richter scheinen derweil den guten Willen
nicht nur bei Zuna, sondern in seiner gesamten Familie zu erkennen,
und sehen schlussendlich über die Tatsache hinweg,
dass die Saitahs keinen Nachweis
über ihre angebliche Staatsangehörigkeit vorlegen können.
2011, zehn Jahre, nachdem sie sich erstmals
im Libanon auf den Weg gemacht hatten,
erhalten sie also endlich Asyl in Deutschland.
"Ich war jetzt ganz bei mir selbst,
ich hatte meinen Weg gefunden", dachte ich.
"Nicht die kriminelle Schiene, nicht diese Assi-Nummern."
"Die Musik war der Schlüssel."
So beschreibt es Zuna in seiner Autobiographie,
aber auch in weitaus kürzeren Beiträgen,
wie in diesem Video von GERMANIA.
Und eine weitere interessante Biographie
ist hier ebenfalls verlinkt.
Bis zur nächsten Inspiration! Der Biograph.