nachtmagazin 12.01.2022, 00:41 Uhr - Erstmals setzten US-Mediziner Schweineherz erfolgreich bei einem Menschen ein
Themen der Sendung:
Erstmals setzten US-Mediziner Schweineherz erfolgreich bei einem Menschen ein,
Minister Habeck stellt Sofortprogramme für Klimaschutz vor,
Corona-Pandemie: Wer legt im Bundestag einen Antrag für die Impfpflicht vor? Und wann?,
Fünf Jahre Elbphilharmonie: Vom Milliardengrab zum Hamburger Wahrzeichen,
Jodeln gehört jetzt an der Uni Luzern zum Lehrplan,
Wimmelbuch-Zeichner Ali Mitgutsch im Alter von 86 Jahren in München gestorben,
Das Wetter
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Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit dem nachtmagazin.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (12.01.2022)
Heute im Studio: Thorsten Schröder
Willkommen zum nachtmagazin.
Schön, dass sie dabei sind.
Wir sehen ein Ärzteteam bei der Arbeit vor wenigen Tagen.
Bei diesem Eingriff in den USA vollbringen sie
eine medizinische Sensation.
Sie retten auf noch nie dagewesene Art
einem unheilbar kranken Mann das Leben.
Seitdem schlägt zum ersten Mal in der Geschichte der Medizin
ein Schweineherz im Körper eines Menschen.
Das weckt Hoffnung bei Patienten in aller Welt,
die schwer krank sind.
Und die auf ein rares menschliches Spenderherz warten.
Diese Hoffnung dürfte umso größer werden,
je länger das Schweineherz schlägt.
David Bennett hatte die Wahl zu sterben -
oder ein Schweineherz zu bekommen.
Der 57-Jährige entschied sich für das Schweineherz.
Er lebt nach einer neunstündigen OP.
Er ist wach.
Er erholt sich und spricht mit den Pflegern.
Wir hoffen, dass die Genesung anhält.
Am letzten Freitag transplantieren die Ärzte
in den USA das Schweineherz.
Die einzige Hoffnung für den Patienten
mit einer Herzerkrankung im Endstadium.
Er ist zu krank,
um auf ein menschliches Spenderherz zu warten.
Das Schweineherz kommt genau rechtzeitig.
Es ist gentechnisch verändert.
Das muss so sein,
so Biotechnologe Eckhard Wolf aus München.
Für die Forschung verändert er Schweineherz genetisch.
Man hat vier Schweinegene inaktiviert
und sechs menschliche Gene hinzugeführt.
Das soll Abstoßreaktionen verhindern.
Und einer Störung der Blutgerinnung entgegenwirken.
Es soll verhindern,
dass das Schweineherz unkontrolliert im Patienten weiter wächst.
Erstmals schlägt ein tierisches Herz in der Brust eines Menschen.
Hoffnung auf ein längeres Leben für David Bennett
im Kreise seiner Familie.
Nicht nur er hofft.
Verpflanzt werden bereits Herzklappen von Schweinen
und Schweinehaut bei Verbrennungsopfern.
Schweine gelten wegen ihrer Größe, ihres Wachstums
und ihrer Züchtungseigenschaften als ideale Spendertiere.
Die Forschung setzt große Hoffnungen in das Verpflanzen
tierischer Organe, in die "Xenotransplantation".
Im Moment warten in Deutschland 700 Menschen auf ein Spenderherz.
Pro Jahr können wir 300 bis 350 Herzen transplantieren.
Alle die, für die wir kein Spenderherz haben,
sind mögliche Kandidaten für ein tierisches Herz.
Bisher wurden Schweineherzen bei Pavianen getestet.
Wie lange das Schweineherz im aktuellen Fall schlagen kann,
wissen die Ärzte noch nicht.
Immerhin hat David Bennetts Körper das Organ bisher nicht abgestoßen.
Der 57-jährige sagte vor der OP: "Ich will leben.
Und wenn ich sterbe, haben die Ärzte etwas gelernt."
Wir schalten nach Washington
zu meinem Kollegen Ulli Ueckerseifer.
Warum eignet sich ein Schweineherz für eine Transplantation?
Ein Schweineherz ist dem menschlichen Herzen
ähnlicher als das Herz anderer Tiere.
Bei beiden wird das Blut durch den Körper
auf eine bestimmte Art transportiert.
Man kann das aber nicht auf alle Organe übertragen.
Der Patient wird nicht mehr beatmet.
Wie gut stehen die Chancen, dass er länger damit leben kann?
Die stehen gut für die kommenden Monate.
Entscheidend ist, dass er die erste kritische Phase überlebt hat.
Der wichtige Punkt ist, dass nicht sofort die Immunabwehr
des Körpers reagiert hat und das Herz abgestoßen hat.
Man hat vorgetäuscht, dass ein menschliches Herz kommt.
Das hat funktioniert.
Damit das auch weiter so ist, werden Medikamente nötig sein.
Was würde es für die Medizin bedeuten,
wenn das Herz den Mann länger am Leben erhält?
Das wäre ein riesiger Schritt.
Alle Wissenschaftler sind sich da einig.
Sie vergleichen das mit der allerersten Herzverpflanzung.
Sehr viele Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderherz.
Auch in den USA sind es viele Tausend.
Wenn es zum Normalfall wird, dass man ein Schweineherz ...
Man hat Erbgut von einem Schwein genommen und das modifiziert,
damit der menschliche Körper glaubt, das Herz komme von einem Menschen.
Das war der Weg.
Wenn das die Regel wird, würde das vielen Menschen Hoffnung geben.
Es wird aber noch lange dauern.
Warum war die Zeit gekommen für diese OP
und nicht schon früher?
Man hat das schon in den 80er-Jahren mit einem Pavianherz versucht.
Da hat es nicht funktioniert.
Nun hat man riesige Fortschritte gemacht.
Überrascht ist man aber von der Geschwindigkeit.
In Deutschland stehen viele Windräder
und liefern uns Strom.
Wenn es nach Wirtschaftsminister Habeck von den Grünen geht,
muss bei der Windkraft, der Solarenergie
und beim Wasserstoff mehr passieren.
Und zwar sehr schnell, sonst klappt es nicht
mit den Klimaschutzzielen und mit der Energiewende,
hin zu den Erneuerbaren.
Robert Habeck hat Inventur gemacht.
Er hatte heute seinen ersten großen Auftritt
als verantwortlicher Grünen-Politiker.
Er will Deutschland umweltfreundlich machen
mit einem Sofortprogramm.
Der Minister ist ausgestattet: Kurven und Grafiken unterm Arm.
Los geht' mit den Treibhausgasemissionen -
den Klimaschutzzielen.
Schlechte Nachrichten gleich zu Beginn.
Der Trend gehe in die falsche Richtung,
der Rückstand - gehörig.
Wenn wir all das umsetzen, was politisch vereinbart ist,
landen wir hier.
Wir müssen hier sein, um hier hinzukommen.
Die Aufgabe ist groß.
Um die Klimaziele zu erreichen,
will Habeck Sofortmaßnahmen auf den Weg bringen:
Für private Dächer sollen sie die Regel werden.
Wir werden wieder Innovationsland sein,
Bürokratie und Planungsprozesse schlanker machen.
Wir werden also lernen, wie wir besser werden.
Was gibt es für eine bessere Aufgabe als zu lernen,
wie man besser werden kann.
Optimismus verbreiten, wo Widerstand droht.
Gerade beim Ausbau der Windkraft,
bei den Abstandregeln bei Ländern und Kommunen.
Das Entscheidende ist der Widerstand in der Bevölkerung.
Die Leute sind für alternative Energien,
sind für Windenergie.
Aber sie möchten die Anlagen nicht sehen und hören.
Das ist ausgesprochen schwierig.
Schwierig auch der Konflikt
zwischen Ausbau der Erneuerbaren und Naturschutz.
Wir brauchen ein Planungsrecht, wo die Abwägung so gemacht wird,
dass wertvolle Naturgüter im Einzelverfahren geschützt werden.
Und wir brauchen Artenhilfsprogramme für die Vögel und Fledermausarten,
die besonders betroffen sind.
Alle Grafiken gezeigt.
Im April will Habeck ein erstes Klimaschutzpaket auf den Weg bringen.
Wir machen weiter unter dem Stichwort "schwierig".
So ist es auch in der Corona-Krise mit der Impfpflicht.
Zu Beginn der Pandemie hieß es noch: Die wird es garantiert nicht geben.
Das hat sich geändert.
Spätestens mit der Omikron-Welle wurden die Stimmen lauter,
die eine Impfpflicht befürworten.
Je mehr darüber diskutiert wird, umso klarer wird:
Es stellen sich schwierige Fragen.
Es blinkt, es piept, es warnt: Corona-Risiko-Begegnungen allerorten.
Bei den PCR-Tests kommen die Labors kaum noch nach.
Mitten in der massiven Omikron-Welle.
In den Bundestags-Fraktionen heute die Debatte:
Soll eine Impfpflicht kommen und wenn ja, wie sieht sie aus?
Am Morgen Gerüchte, die Union wolle einen eigenen Antrag vorlegen.
Nein, so die Fraktionsspitze, das sei eine Einzelmeinung gewesen.
Lieber wirft der Fraktionschef der Regierung Drückebergerei vor.
Die müsse einen Gesetzentwurf vorlegen.
Eine Impfpflicht ist eine Sache,
die einen breiten demokratischen Konsens braucht.
Nicht eine Situation, wo man vier Gruppenanträge hat
und ein Gruppenantrag sich knapp durchsetzt.
Die Regierung hat auch Ablehnung in den eigenen Reihen.
Eine Gruppe in der FDP
legte einen eigenen Antrag gegen die Impfpflicht vor.
Ein bisschen Hoffnung ist, dass die möglicherweise mildere
Omikron-Variante für mehr Immunität in der Bevölkerung sorgt.
Sollte es so sein, dass Omikron der Einstieg
in die endemische Situation ist, dann wäre viel gewonnen.
Aber genau das müssen wir uns mit Experten noch genau anschauen.
Man könne noch nicht abschätzen, betont der Virologe Thomas Schulz:
Ob eine Infektion mit Omikron
genauso vor Ansteckungen und Varianten schütze wie eine Impfung.
Omikron kann vielleicht dazu beitragen.
Es kann es allein nicht übernehmen, die Bevölkerung immun zu machen.
Das wird immer eine Kombination aus beiden sein.
Je mehr geimpft sind,
desto sicherer gehen wir in den nächsten Winter.
Die virologische Perspektive würde immer sagen:
Lieber eine allgemeine Impfpflicht und 90 Prozent der Leute geimpft.
Ja zur Impfpflicht, aber nicht hektisch werden,
sagen die Grünen im Bund.
Jetzt aber hurtig, heißt es aus Baden-Württemberg.
Bereits am 21. Dezember hat die MPK
die Bundesregierung aufgefordert, einen Zeitplan vorzulegen.
Das ist nicht erfolgt.
Die SPD verteidigt das Verfahren, dass die Abgeordneten
über die Parteigrenzen hinweg Anträge erarbeiten.
Sagt aber zu, dass es möglichst schnell gehen soll.
Wir werden das im März abgeschlossen haben.
Und eine Mehrheit meiner Fraktion
wird der Einführung einer Impfpflicht zugeneigt sein.
Und auch zustimmen.
Ende Januar soll der Bundestag über die Impfpflicht debattieren.
Seit fünf Jahren hat Hamburg ein strahlendes Wahrzeichen:
Die Elbphilharmonie, liebevoll Elphi genannt.
Liebe war es für viele Hamburger erst auf den zweiten Blick.
Als an der Elphi gearbeitet wurde, waren viele wütend.
Der Bau geriet ins Stocken und die Kosten schossen in die Höhe.
Daran erinnert sich heute kaum jemand.
Die Elphi steht zu ihrem fünften Geburtstag als Erfolgsgeschichte da.
* Rhythmisches Quietschen *
Hier wird selbst das Putzen zum kulturellen Ereignis:
Hamburgs Elbphilharmonie.
Ich hatte überlegt, eine Sinfonie für Reinigungskräfte
in Auftrag zu geben - hab ich noch nicht gemacht.
Aber die Menschen kommen mehr für die Musik als für das Gebäude.
Die Massen strömen seit der Eröffnung des Bauwerks 2016
und schon lange vor dem musikalischen Auftakt.
Sie bestaunen das architektonische Wunderwerk.
Dessen Baukosten kletterten
von veranschlagten 77 auf 866 Millionen Euro.
Ein Fantasiegebilde auf hanseatischer Backsteinbasis -
nicht nur geliebt.
Die Eröffnung heute vor fünf Jahren wird zum Spektakel.
Zur Gala der puren Freude.
Freude.
♪ Freude ♪
Die Schöne, sie ist erwacht.
Elphi wird das Hamburger Konzerthaus zärtlich genannt,
mit Lakonie schätzen es einstige Gegner.
Die Einstürzenden Neubauten oder Taktstockderwisch Teodor Currentzis:
Als Klangraum bis in die Dachspitzen hinein
ertönt das Konzerthaus.
Vor der Eröffnung der Elbphilharmonie
waren internationale Berichte bebildert mit dem Brandenburger Tor.
Jetzt ist auch die Elbphilharmonie
ein Teil des Bildervorrats für Deutschland geworden.
Sie repräsentiert ein modernes Deutschland.
Zeitgenössische Klänge zum fünfjährigen Jubiläum heute Abend:
Das NDR Elbphilharmonie Orchester mit seinem Chef Alan Gilbert.
Es ist ein erstaunlicher Ort, um Musik zu erleben,
ein Ort für Möglichkeiten ohne alle Grenzen.
Es gibt so etwas nur einmal auf dieser Welt.
Internationale Spitzenmusiker
huldigen der Elbphilharmonie zum Fünften.
Sir Simon Rattle bringt mit dem London Symphony Orchestra
ein angemessenes Ständchen.
Daniel Barenboim kommt mit seiner Berliner Staatskapelle
zum ausverkauften Gastspiel.
Es ist ein absolutes Muss, hier zu spielen.
die Elbphilharmonie wurde eine Säule der internationalen Musikszene.
Fünf Jahre Elbphilharmonie –
fünf Jahre Musik für alle, für Gegenwart und Zukunft.
Manchmal zum Backsteinerweichen schön.
Nicht nur philharmonische Orchester spielen hier groß auf.
Es erklingen sogar Töne, die hier zu Hause sind:
Zwischen hohen Bergwänden und auf grünen Almen.
Ja, auch gejodelt wurde schon in der Elphi.
Jodeln ist hohe Stimmkunst.
An der Uni in Luzern in der Schweiz gehört sie fest zum Lehrplan.
Das ist kein Witz wie im Loriot-Sketch.
Man macht auch kein Jodel-Diplom,
um wie Frau Hoppenstedt auf eigenen Füßen zu stehen.
Sondern den Master of Arts. Und wie geht Jodeln nun?
Das singen wir meistens auf dem Vokal "u",
Bruststimme "o".
Und typisch für das Jodeln ist, wenn wir hin- und hier wechseln.
♪ Jodeln ♪
Seit drei Jahren kann man in Luzern Jodeln studieren.
Sie ist die erste Dozenten, die Jodeln im Hauptfach unterrichtet.
Corona-bedingt darf sie ihre Studentinnen
derzeit nur einzeln unterrichten.
Daria studiert seit dem Herbst an der Hochschule.
Sie jodeln von Klein auf.
Es ist mega-cool, mit den Schweizer Wurzeln
und der Kultur in Verbindung zu kommen.
In dieser Zeit ist das Zuhause sehr wichtig geworden.
Andrea studiert im fünften Semester.
Für sie ist völlig klar,
warum junge Leute das Jodeln wiederentdeckt haben.
Pop und Jazz machen so viele.
Jodeln ist von dem Aspekt attraktiv,
dass es eine andere Klangfarbe in das Ganze bringt.
Früher war man im Bauchtanzen oder einer Ayurveda-Kur.
Heute setzt man sich mehr mit eigenen Wurzeln auseinander.
Als Gegenstück zur Globalisierung.
Die Absolventinnen das Bachelor-Studiengangs
müssen sich keine Sorgen um ihre Zukunft machen.
Sie werden für den Musikunterricht an den Schulen gebraucht.
Und dort unterrichten sie auch Jodeln.
Auf diesem Bild ist mächtig was los.
Man muss genau hinschauen, um alle Geschichten zu entdecken,
die hier liebevoll gezeichnet sind:
Von dem Erfinder der Wimmelbilder Ali Mitgutsch.
Mit 86 Jahren starb der Illustrator und Kinderbuchautor in München.
1968 veröffentlichte er sein erstes Buch.
In dem wimmelte es von Details, es war bunt und kam ohne Worte aus.
Damit schuf er ein neues Genre und machte Kindern ein großes Geschenk.
Mitgutsch sagte mal von sich, er sei als Kind ein Träumer gewesen.
Die Erinnerung an die Wünsche und Träume meiner Kindheit -
die sind ganz stark gewesen und sind es bis heute noch.
Ich kann genau feststellen, wenn ich etwas sehe,
ob ich damit Kinder berühren kann oder nicht.
Das ist ein sehr sicheres Wissen.
Zum Beispiel Baumhäuser oder Höhlen mit einem Feuer drin.
Die Vorliebe und Träume der Kinder, die sind gleich geblieben.
Ob das Wetter morgen nur dazu einlädt,
sich ein Wimmelbuch zu schnappen?
Das sehen Sie jetzt in den Aussichten.
In der Nacht regnet es im Nordwesten ab und an leicht,
örtlich kann der Regen gefrieren, Richtung Vorpommern Flocken.
Sonst breitet sich Nebel aus.
Am Tag in weiten Teilen bedeckt oder neblig-trüb, örtlich Niesel.
Im Nordwesten und an der See zeitweise freundlich,
auch im Süden in den Höhenlagen Sonne.
So viel vom nachtmagazin.
Ralph Baudach hat gegen 2.35 Uhr die neueste tagesschau für Sie.
Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht. Tschüss.
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