nachtmagazin 21.01.2022, 00:30 Uhr - Schwere Vorwürfe in Missbrauchsgutachten gegen ehemaligen Papst Benedikt XVI
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit dem nachtmagazin.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (21.01.2022)
Heute im Studio: Kirsten Gerhard
Willkommen zum nachtmagazin, ich freu mich, dass Sie dabei sind.
wir fassen das Wichtigste des Tages für Sie zusammen.
Und wir beginnen die Sendung mit einem erschütternden Thema.
Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.
Verschleiern, vertuschen und verschweigen:
So sah es über Jahrzehnte in der katholischen Kirche aus.
Es geht um den Missbrauch
hunderter Kinder und Schutzbefohlener.
Diesmal im Erzbistum München und Freising.
Erstmals wird Joseph Ratzinger, späterer Papst Benedikt XVI.,
schwer belastet.
Er sei als früherer Erzbischof untätig geblieben,
als Missbrauchstäter weiter als Seelsorger arbeiteten.
Der ehemalige Papst selbst, will davon nichts gewusst haben.
Bilanz des Schreckens:
So nennt die Anwaltskanzlei Westphal-Spilker-Wastl ihr Gutachten
zu sexuellem Missbrauch durch Kleriker und Hauptamtliche
in der Erzdiözese München und Freising.
Mindestens 235 Täter haben die Anwälte identifiziert.
Sie stellten
ein massives Fehlverhalten der Verantwortungsträger fest.
Die Vorstellung des Gutachtens verfolgten auch Missbrauchsopfer.
Die heutigen Ergebnisse zeigen ihrer Meinung nach:
Der Missbrauchsskandal ist an der Spitze der Weltkirche angekommen.
Das Lügengebäude, das von der Weltkirche
um den Papst aufgebaut wurde, ist zusammengefallen.
In vier Fällen attestiert das Missbrauchsgutachten
dem ehemaligen Papst Benedikt XVI. schweres Fehlverhalten.
Wo aus Sicht der Anwälte kirchenrechtliche Sanktionen
nötig gewesen wären, seien diese unterblieben.
40 Täter arbeiteten weiter als Seelsorger.
Auch im Zentrum:
Die Versetzung des pädophilen Priesters Peter H.
von Essen nach München.
Heute bestreitet Benedikt XVI. von der Vorgeschichte gewusst zu haben.
Daran zweifeln die Gutachter - anhand eines Sitzungsprotokolls.
Wir halten die Aussage des Papstes, er sei in der Sitzung
abwesend gewesen, für wenig glaubwürdig.
Auch Kardinal Marx wird in zwei Missbrauchsfällen vorgeworfen,
nicht gehandelt zu haben.
Über das Gutachten äußerte er sich heute nur kurz.
Mein erster Gedanke gilt heute den Betroffenen sexuellen Missbrauchs,
die durch kirchliche Vertreter im Raum der Kirche
Unheil und Leid erfahren haben.
In einem erschreckenden Ausmaß.
Ich bin erschüttert und beschämt.
Kardinal Marx will das 2000-seitige Gutachten analysieren
und nächste Woche über Konsequenzen informieren.
Es ist die Woche der Diplomatie im Ukraine-Konflikt.
In einem Kraftakt versuchten Außenministerin Baerbock
und ihr US-Kollege, Russland davon abzuhalten,
in die Ukraine einzufallen.
Jede weitere Aggression werde Konsequenzen haben.
Das wurde noch einmal unmissverständlich betont,
auch wenn's wirtschaftliche Folgen auf der eigenen Seite bedeute.
Allerdings gibt es vor dem Krisentreffen morgen in Genf,
dann wenn Blinken sich mit seinem russischen Kollegen Lawrow trifft,
keine Anzeichen für Entspannung.
Russlands Militär veröffentlicht heute Bilder seiner Übungen.
Satellitenaufnahmen zeigen:
Moskau hat unweit der Grenze zur Ukraine
militärische Ausrüstung zusammengezogen.
Auf das Muskelspiel Moskaus
reagiert der Westen mit intensiver Reise-Diplomatie.
US-Außenminister Blinken heute zu Besuch
bei seiner deutschen Amtskollegin Baerbock.
Auch dabei: Briten und Franzosen.
Demonstration gemeinsamer Stärke der westlichen Verbündeten.
Außenministerin Baerbock setzt auf Dialog.
Aber auch sie schickt deutliche Warnungen Richtung Moskau.
Leider spricht das russische Verhalten eine andere Sprache.
Die besorgniserregenden Aktivitäten nehmen weiter zu.
Zuletzt durch die Truppenverlegung nach Belarus
und gemeinsame Militär-Manöver im Grenzgebiet zur Ukraine.
Wir fordern Russland dringend auf,
Schritte zur Deeskalation zu unternehmen.
Jede weitere aggressive Haltung, jede weitere Aggressivität
würde gravierende Konsequenzen nach sich ziehen.
Mögliche Konsequenzen zieht Blinken dabei auch
für die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 in Betracht.
Wir haben unsere Zusicherung bekräftigt,
bei der Energiesicherheit für die Ukraine zusammenzuarbeiten.
Wir müssen Russland davon abhalten, Energie als Waffe zu benutzen.
Das betrifft auch die Pipeline Nord Stream 2,
gegen die sich die USA seit längerem ausgesprochen haben.
Dort fließt noch kein Gas.
Das bedeutet, dass die Pipeline ein Druckmittel ist
für Deutschland, die USA und ihre Verbündeten.
Nicht aber für Russland.
Am Abend reiste Blinken nach Genf.
Dort trifft er morgen Russlands Außenminister Lawrow.
Ein Krisengespräch.
Begleitet von russischen Ankündigungen,
weitere Militärmanöver durchzuführen.
Im Atlantik, der Nordsee und dem Mittelmeer.
Sie sind ein wichtiger Schlüssel hin zur Energiewende.
Doch Deutschland tut sich schwer mit dem Ausbau.
So wurden vergangenes Jahr an Land Windkraftanlagen
mit einer Gesamtleistung von 1925 Megawatt gebaut.
2017 waren es noch mehr als 5000 Megawatt gewesen.
Klimaschutzminister Habeck geht das alles viel zu langsam.
Es könne nicht sein, dass der Ausbau erneuerbarer Energien
ins Stocken gerate,
weil jedes Bundesland versuche, der größte Verhinderer zu sein.
Um Widerstände in den Ländern auszuräumen,
war er heute in Bayern.
Was ist wichtiger:
Der Ausbau der Windenergie oder die Belange der Bürger vor Ort?
Diese Frage steht im Kern der Debatte zwischen Klimaschutzminister Habeck
und Bayerns Ministerpräsident Söder um die 10H-Regel.
Demnach muss in Bayern ein neues Windrad mit 200 Metern
einen Abstand von 2 km zur nächsten Wohnbebauung einhalten.
Der Abstand kann verringert werden,
wenn die Bürger zustimmen.
Ich meine begründen zu können, warum der Zusammenbruch
des Ausbaus der Windkraft mit der 10H-Regel zu tun hat.
Wenn es möglich ist, ihn trotzdem in Gang zu bringen,
soll mir das recht sein.
Auch Söder will die Energiewende,
plant, Bayern bis 2040 klimaneutral zu machen.
Er setzt auf Sonnenenergie.
Wind ist aus der Ferne sympathisch, aus der Nähe erdrückend.
Das ist das Problem vor Ort, das muss man versuchen aufzulösen.
Ich habe 2021 angekündigt, dass wir über Ausnahmen reden.
Wie beim Bau neuer Windräder im Staatswald
oder den Austausch alter Anlagen durch modernere - Repowering.
Bis März legt die Staatsregierung dem Bund ihre Pläne vor
für den Ausbau von Windkraft.
Habeck muss dann sagen, ob ihm das reicht.
Der Dialog mit Söder soll weitergehen.
"Wind ist aus der Ferne sympathisch, aus der Nähe ziemlich erdrückend."
So, wie Söder formuliert, sehen es viele Bürger.
Windenergie gerne, aber nicht vor meiner Haustür.
Der Bau neuer Windparks führt immer wieder zu Streit.
Auf viele Genehmigungen folgen Klagen der Anwohner.
Dass es auch anders geht, beweist Coesfeld in NRW.
Der Windpark dort ist nach Angaben der Betreiber
der drittgrößte in Deutschland, der vergangenes Jahr ans Netz ging.
Damit könne der Bedarf von mehr als 40.000 Haushalten
klimaneutral gedeckt werden.
Und die Bürgerinnen und Bürger verdienen über eine Beteiligung mit.
20 neue Windkraftanlagen allein im vergangenen Jahr.
Jedes vierte neue Windrad in NRW entstand in Coesfeld.
Etwa der Windpark Letter Bruch.
Besonderheit: Die Menschen hier konnten sich beteiligen.
Die Idee der Gründer:
Dass es 'n Benefit für alle Beteiligten geben kann.
Nicht, dass Einzelne Gewinne abziehen
und den Örtlichen sagen: "Ihr müsst es erdulden, kriegt aber nichts."
Es geht um Akzeptanz.
Denn Windkraftanlagen stören manche, oft wehren sich die Menschen.
Im Letter Bruch gab es das nicht.
Ohne Klagen und Proteste konnte gebaut werden.
Beteiligt sind die Bauern, auf deren Flächen die Anlagen stehen.
Das kann 'ne Blaupause sein für andere Kommunen und Regionen.
Das ist so ein einmaliges Projekt: Da müssen alle mitgenommen werden.
Doch auch in Coesfeld lief nicht alles rund.
Bürokratie kostete Zeit.
Es dauerte zehn Jahre, den Windpark ans Netz zu bringen.
Welche Maßnahmen sind vernünftig in der Pandemie und welche nicht?
Darüber wird nicht nur hierzulande gestritten.
Besonders über die Frage der allgemeinen Impfplicht.
Während die Zahl der Neuinfektionen dramatisch steigt,
gerät die Politik unter Zugzwang.
Wie lassen sich die Auswirkungen der Corona-Wellen verringern?
Wie können Lockdowns künftig verhindert werden?
Da sind wir dann wieder bei der allgemeinen Impfpflicht.
Während in Deutschland noch darüber diskutiert wird,
hat Österreich als erstes Land in Europa Fakten geschaffen.
Am Abend beschloss das Parlament in Wien mit großer Mehrheit
die allgemeine Impfpflicht für alle ab 18 Jahren.
Sonnenaufgang über der Wiener Hofburg.
Am Ende dieses Tages wird Österreich erschöpft sein,
aber eine Impfpflicht für Erwachsene beschlossen haben.
Als erstes Land in Europa.
Doch der Weg dahin kostet alle Beteiligten Nerven.
Während Impfgegner die Innenstadt lahmlegen wollen,
bangt sie innen, dass das Gesetz eine Mehrheit bekommt.
Pamela Rendi-Wagner ist Chefin der SPÖ.
Ihr Ziel:
Ich persönlich wünsche mir, dass alle zustimmen,
auch die Sozialdemokraten.
Als Anreiz soll es Geld geben.
Der Bundeskanzler präsentiert eine Impflotterie
mit 500-Euro-Gutscheinen.
Das heißt, jeder Zehnte hat eine Chance zu gewinnen.
Doch diese Versprechen
können 200 m weiter kaum jemanden motivieren.
I loss mich sicher net impfen.
Nehmen Sie die Strafen in Kauf? Wird wohl sein müssen.
Die Kontrolle ist Aufgabe der Polizei, stichprobenartig,
zum Beispiel bei Verkehrskontrollen.
Die Strafen bei Verstoß: bis zu 3600 Euro.
Jetzt muss aber erst mal ein unerlaubter Demo-Zug geräumt werden.
Österreich ist emotional aufgeladen wie selten.
SPÖ-Chefin und Epidemiologin Rendi-Wagner hatte massiven Gegenwind
aus der eigenen Partei, sogar Austritte.
Doch sie blieb auf Kurs.
Wir hatten einen vierten Lockdown, der drei Wochen gedauert hat.
Das war in anderen Ländern nicht der Fall.
Das hat in Österreich in der Politik zu der Erkenntnis geführt,
dass wir diese Impfpflicht brauchen.
Auch wenn wir sie uns nicht gewünscht haben.
Nach einer langen Debatte schließlich die geheime Abstimmung.
Ja-Stimmen: 137, Nein-Stimmen: 33. Der Gesetzentwurf ist angenommen.
Eine große Mehrheit der Abgeordneten dafür.
Trotz einiger Abweichler, sichtliche Erleichterung.
Wir hatten gute Diskussionen,
und das war mir wichtig, diese Zeit zu nehmen.
Und ich werde mal schlafen gehen, etwas früher.
Draußen zieht die Polizei ab.
Die Impfgegner sind, zumindest für heute, verschwunden.
Der Deutsche Handball-Bund
hätte das Spiel gegen Spanien gerne verschoben.
Europas Handballverband lehnte aber ab.
Elf Spieler von Bundestrainer Gislason
befinden sich in Corona-Quarantäne.
Deutschland ist damit
das am stärksten von Covid-19 betroffene Team bei dieser EM.
Die gute Nachricht:
Heute sind keine neuen Fälle dazugekommen.
Die schlechte: Spanien zeigte den Corona-geplagten
Deutschen ihre Grenzen auf.
Es war die erste Niederlage des deutschen Teams im Turnier.
So sehr die erste Turnier-Niederlage auch schmerzte, so erklärbar war sie
angesichts von elf Corona-bedingten Ausfällen im deutschen Team.
Der Start gegen Europameister Spanien konnte sich sehen lassen.
10:9-Führung nach 20 Minuten.
Erst, als sich die Flüchtigkeitsfehler häuften,
kam der Favorit zu einfachen Konter-Toren
und einer 14:12-Pausenführung.
Vor 2000 Zuschauern in Bratislava
zog Spanien nach einem 5:0-Lauf zu Beginn der zweiten Hälfte weg.
Am Ende siegt Spanien mit 29:23.
Für das deutsche Team, das oft am starken spanischen Keeper scheiterte,
geht es morgen weiter mit dem zweiten Hauptrundenspiel gegen Norwegen.
Ihre Augen werden Ohren machen, versprechen die Macher.
In der Tat lassen sich Musikvideos viel schöner anschauen
auf einer Großbildleinwand in einer besonderen Umgebung.
Die Ausstellung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte
würdigt damit Musikvideos als eigene Kunstform.
Als Spiegelbild zeitgenössischer Kultur
und Kreativplattform für Künstler.
Von Queen, über Psy, bis zu den Scorpions:
Über 80 Musikvideos laufen nonstop
auf über 60 Großleinwänden zwischen monumentalen Maschinen.
Kultur in Industriekulisse - eine einmalige Kombination.
Zu sehen ab dem kommenden Wochenende.
Die Gebläsehalle des Weltkulturerbes Völklinger Hütte.
Sie ist voller bunter flackernder Bilder -
Musikvideos.
Aber zunächst hört man nichts.
Ein Multimedia-Guide, den die Besucher erhalten,
aktiviert über Kopfhörer die Musik zum Video
und bietet Zusatzinformationen an.
Dann öffnet sich die ganze Welt der Musik im Video.
'The World of Music Video', heißt die Ausstellung.
Sie widmet sich diesem erfolgreichen Genre der Popkultur
zwischen Kunst und Kommerz.
Musikvideos sind ein symptomatisch Medium unserer Zeit.
Sie sind weltweit abrufbar, werden weltweit produziert.
Gleichzeitig sind sie eine Welt für sich.
Sie verbinden in ihrer Hybridität
Film, Musik, Tanz, Kunst und Zeitfragen miteinander.
Also etwas Besonderes.
Eine spektakuläre Rarität:
Schon 1936 experimentierte der amerikanische Künstler Len Lye
mit der Kombination von Musik und Film.
Aber erst in den 80er-Jahren
trat das Musikvideo auf MTV und Viva seinen weltweiten Siegeszug an.
Mal rotzfrech, mal poetisch, mal provokant
ist es heute nicht mehr aus der Pop-Musik wegzudenken.
Und es entwickelte sich zu einer eigenständigen Kunstform.
In den meisten Fällen ist es so,
dass es die Musik auf eine andere Stufe hebt.
Wenn es die richtigen Akteure sind,
die im Kreativ-Plattform-Pool zusammenkommen.
Dann wird das etwas Erhebendes.
Musikvideos interpretieren Filmgenres wie Spielfilm oder Sozialdramen um.
Sie experimentieren mit stilbildenden Bildformen.
Und sie haben
Sehgewohnheiten und Lebensgefühl ganzer Generationen geprägt.
Das ist vielleicht ihre größte Leistung.
Wann haben Sie sich zuletzt so gefreut,
weil Ihnen etwas Wagemutiges gelungen ist?
Zara Rutherford (19) hatte heute genau deshalb Grund zum Jubeln.
Rund fünf Monate war sie mit einem Ultraleichtflugzeug unterwegs,
52.000 Kilometer.
Von Belgien aus, über Grönland in die USA,
danach Südamerika, Russland und der Nahe Osten.
Einmal um den Globus.
Am Mittag kehrte die belgisch-britische Pilotin
von ihrem Weltumrundungsflug nach Belgien zurück.
Im Gepäck zwei Rekorde:
Sie ist die jüngste Frau,
die je alleine um den Planeten geflogen ist.
Und die erste, die es in einem Ultraleichtflugzeug tat.
Ihre Botschaft:
Wenn du die Möglichkeit zu einem Abenteuer hast, nutze sie.
V.a. Frauen und Mädchen will sie ermutigen,
nach den Sternen zu greifen.
Das ist auch ihr nächstes großes Ziel:
Sie will Astronautin werden.
Dann muss sie sich nicht mit schlechtem Wetter rumärgern,
wie heute im Allgäu.
Für den Alpenraum ist auch für morgen Schnee angesagt.
Im restlichen Land könnte es eher regnen.
Die Aussichten:
In der Nacht einzelne Schneeschauer, im Nordwesten eher Regen.
An den Alpen länger Schnee.
Am Tag gebietsweise Schnee, in tiefe Lagen teils Regen.
Im Nordosten verbreitet Sonne.
Im Südwesten freundliche Abschnitte, im Nordwesten öfter Regen.
Das war das nachtmagazin.
Hier folgt Nord bei Nordwest.
Die nächste tagesschau hat Julia-Niharika Sen gegen 2.20 Uhr.
Kommen Sie gut durch die Nacht, oder schlafen Sie gut.
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