tagesthemen 05.01.2022, 22:25 Uhr - Debatte um Quarantäneregeln und Schulen, Außenministerin Baerbock in Washington
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (05.01.2022)
Heute im Studio: Ingo Zamperoni
Guten Abend.
Mit Voraussagen sollte man grundsätzlich vorsichtig sein.
Dass allerdings die Omikron-Variante auch Deutschland nicht verschont,
das war wohl keine waghalsige Voraussage.
Die scheint sich nun täglich mehr zu bestätigen.
Die Zahl von 59.000 Neu-Ansteckungen ist nicht der Tagesrekord.
Doch im Vergleich zu gestern hat sich der Wert fast verdoppelt.
Geht das in dem Tempo so weiter,
würde es die kritische Infrastruktur belasten:
Polizei, Feuerwehr, Pflegeheime - aber auch Wasserwerke.
Denn immer mehr Menschen müssten in Quarantäne.
Die Gesundheitsminister haben sich Gedanken gemacht -
auch über neue Maßnahmen bei der Quarantäne.
Die fünfte Corona-Welle ist im Berliner Testzentrum angekommen.
Von früh bis spät wird getestet.
Die Nachfrage ist riesig.
Was wir leider feststellen,
dass die Positivraten nach Silvester exponentiell steigen.
Das hatten wir noch nie.
Jede vierte Neuinfektionen geht auf die Omikron-Variante zurück.
In einigen Testlabors liegt die Quote höher.
Einigkeit herrscht,
dass kommende Woche Omikron die dominierende Variante sein wird.
Experten warnen vorm Kollaps des Gesundheitssystems
Man kann quantitativ abschätzen, dass man bei Inzidenzen über 1000
Intensiveinweisungszahlen sieht, die der der vierte Welle gleichen.
Damit Personal in Krankenhäusern vorhanden ist,
schlagen die Gesundheitsminister eine Verkürzung der Quarantäne vor.
Wir gehen in die Richtung, dass man eine sichere Lösung hat,
gleichzeitig aber die Infrastruktur lebensfähig hält.
Das wird erreicht,
indem man die Quarantänedauer verkürzt.
Aber mit einem PCR-Test.
Der Entwurf sieht vor:
Die Regeln könnten an Schulen wie der in Rheinland-Pfalz gelten,
wo die Abiturprüfungen begonnen haben.
Auch Lehrer sollen als Teil der kritischen Infrastruktur gelten.
Das schlägt die Kultusministerkonferenz vor.
Die Ministerpräsidenten und der Kanzler
müssen über die Regeln entscheiden.
In den kommenden Tagen stehen Gespräche und Treffen
zwischen westlichen Regierungschefs und russischen Amtskollegen an.
Das Ziel ist eine Lösung im Konflikt an der russisch-ukrainischen Grenze.
Zumindest soll die Lage deeskaliert werden.
Damit das Ziel erreicht werden kann, ist vor allem eines zentral:
Eine gemeinsame Haltung gegenüber Präsident Putin -
vor allem eine geschlossene Front von USA und Deutschland.
Außenministerin Baerbock reiste zum Antrittsbesuch nach Washington.
Dort traf sie Tony Blinken, ihren Amtskollegen.
Washington empfängt Außenministerin Baerbock mit eisigen Temperaturen.
Doch der Empfang im US-Außenministerium
dürfte warm und herzlich gewesen sein.
Bilder gibt es nicht –
wegen Corona waren keine Kameras zugelassen.
Beim Pressestatement demonstrative transatlantische Freundschaft.
Danke, Annalena,
dass du die Reise in das winterliche Washington unternommen hast.
Lieber Tony, zu allererst freue ich mich wirklich sehr,
dass wir uns so schnell wiedersehen nach dem G7-Treffen in Liverpool.
Und einigen Telefonaten über Weihnachten und Neujahr.
Doch jenseits aller Freundlichkeiten:
Die Sorge wegen des russischen Truppenaufmarschs
an der ukrainischen Grenze dominierte das Treffen.
Zweimal haben der russische und der amerikanische Präsident telefoniert.
Eine Annäherung, eine Deeskalation: Fehlanzeige.
Heute in Washington deutliche Worte.
Wir verurteilen Russlands Truppenaufmarsch.
Genauso wie Russlands scharfe Rhetorik und die falsche Erzählung,
die Ukraine handle provokativ.
Als sage der Fuchs, er habe das Hühnerhaus angreifen müssen,
weil die Hühner gefährlich waren.
Russisches Handeln ist mit einem klaren Preisschild gekennzeichnet.
Eine erneute Verletzung ukrainischer Souveränität
hätte schwerwiegende Konsequenzen.
Beide machten klar:
Eine Entscheidung über Europa gebe es nur in Absprache mit Europa.
Auch das ein Signal:
Deutschland und die USA lassen sich nicht auseinanderdividieren.
Darüber hatte ich Gelegenheit,
mit Annalena Baerbock am Rande ihres Besuchs in Washington zu sprechen.
Guten Abend, Frau Baerbock.
Schönen guten Abend, Herr Zamperoni.
Nach dem Treffen mit Ihrem Amtskollegen
wirkten Sie in der Pressekonferenz sehr vertraut.
Wollen Sie ein neues Kapitel der transatlantischen Freundschaft
aufschlagen?
Wir haben eine absolute Anspannung weltweit.
Gerade die Situation an der ukrainischen Grenze,
in anderen Regionen der Welt.
Es ist wichtig,
dass wir mit unseren amerikanischen Freunden zusammenarbeiten.
Auch als Zeichen dafür,
dass liberale Demokratien ein Mehrwert in Kooperation sind.
Mit einem starken Miteinander, dass Krisen nicht eskalieren.
Die Hauptkrise war die Situation an der ukrainisch-russischen Grenze.
Wie groß sind die Sorgen,
dass der Aufmarsch der Russen kein Säbelrasseln ist?
Die Sorgen sind groß.
Wir versuchen auf allen Kanälen dafür zu sorgen,
dass wir mit Russland wieder in einen Dialog eintreten:
Im Rahmen der NATO und der OSZE
und einer starken Rolle von uns Europäern im Normandie-Format.
Es darf zu keiner weiteren Eskalation kommen.
Gespräche müssen aufgenommen werden.
Wenn die Gespräche zu nichts führen,
sei das russische Handeln mit einem Preisschild gekennzeichnet.
Womit drohen Sie?
Es geht nicht um Drohungen.
Es geht um Grundwerte der internationalen Zusammenarbeit.
Dass die Souveränität von Staaten nicht eingeschränkt werden darf.
Deswegen haben wir in den letzten Wochen deutlich gemacht,
mit vielen anderen Staaten:
Wenn es zu einer Eskalation kommt,
werden wir mit diplomatischen und wirtschaftlichen Mitteln reagieren.
Wir wollen aber nicht reagieren.
Wir wollen dafür sorgen, dass abgerüstet wird.
Und wir wieder zu einem friedlichen Miteinander kommen.
Wenn sich die russische Seite davon nicht beeindrucken lässt:
Ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Projekt
liegt näher bei den Amerikanern als bei Bundeskanzler Scholz.
Als neue deutsche Regierung haben wir deutlich gemacht:
Für Energieprojekte aller Art, dazu gehört auch die Gaspipeline,
gilt europäisches Energierecht.
Deshalb ist das Zertifizierungsverfahren ausgesetzt.
Schon die alte Bundesregierung hat das deutlich gemacht.
Das gilt genauso für die neue Bundesregierung.
Sollte Energie als Waffe eingesetzt werden,
hätte das Konsequenzen für diese Pipeline.
Aber das wollen wir verhindern.
Wir wollen dafür sorgen, dass deeskaliert wird.
Es hat den Anschein,
als verhandele Präsident Putin lieber direkt mit Präsident Biden.
Was können Sie einbringen?
Es gibt unterschiedliche Kanäle.
Es geht nicht darum, wer schneller redet.
Wir müssen alle Kanäle nutzen.
Es ist gut,
dass es Gespräche zwischen Putin und Biden gibt.
Es ist gut, dass eine Einladung zum NATO-Russland-Rat gibt.
Es ist gut, dass wir das OSZE-Format stärker nutzen.
Wir wollen ins Normandie-Format zurückkehren.
Wenn wir auch über europäische Sicherheit reden,
müssen wir am Tisch sitzen.
Lassen die Amerikaner Sie gestalten?
Ja.
Woran machen Sie das fest?
Weil wir uns ständig abstimmen.
Weil ich heute hier bin.
Weil wir mit unseren Partnern immer wieder im Austausch sind.
Es geht um unsere gemeinsame Sicherheit.
Es geht um unsere transatlantische Partnerschaft.
Sie haben gefragt, ob das ein neuer Schritt ist.
Ja, wir stehen an einem Moment, wo gemeinsam dafür sorgen,
durch Dialog zu mehr Sicherheit zu kommen.
Wir können die transatlantische Partnerschaft erneuern.
Sagte die deutsche Außenministerin.
Nach dem Blick auf die Ukraine schauen wir weiter nach Osten:
In Kasachstan
ist es nach Erhöhung der Gaspreise zu Ausschreitungen gekommen.
Nach Ausschreitungen erklärte die Regierung ihren Rücktritt.
Landesweit wurde der Ausnahmezustand verhängt.
In Almaty stürmten Demonstranten die Stadtverwaltung.
Die Behörden sprachen von hunderten Verletzten.
Acht Polizisten und Soldaten sollen ums Leben gekommen sein.
Bundespräsident Steinmeier kann für seine Wiederwahl im Februar
auf eine parteiübergreifende Mehrheit zählen.
Wie SPD, FDP und Grüne
haben sich heute CDU und CSU für eine zweite Amtszeit ausgesprochen.
Eine Empfehlung wurde von den Präsidien beschlossen.
Die Unionsparteien hatten Steinmeier bereits 2017 unterstützt,
als er angetreten war.
In einigen Internet-Foren von Gegnern der Corona-Politik
wird der Ton zunehmend radikaler.
Das Jugend-Online-Angebot "funk" hat für tagesschau.de recherchiert:
Seit November hat es in Chaträumen von Telegram
mindestens 250 Tötungsaufrufe gegeben.
Diese richteten sich gegen Politiker, Wissenschaftler und Ärzte.
Betroffen seien etwa Kanzler Scholz und Ministerpräsident Kretschmer.
Das dritte Springen der Vierschanzentournee
hat Ryoyu Kobayashi in Bischofshofen gewonnen.
Der Japaner führt auch in der Gesamtwertung.
Als bester Deutscher landete Karl Geiger auf Rang vier.
Nach dem Abbruch in Innsbruck war das Springen nachgeholt worden.
Morgen jährt sich ein Ereignis,
das die Vereinigten Staaten zutiefst erschütterte.
Auch ein Jahr danach ist es längst nicht aufgearbeitet -
weder politisch noch strafrechtlich.
Die Wahl von Joe Biden zum neuen US-Präsidenten
sollte im Kapitol offiziell bestätigt werden.
Ein vom unterlegenen Donald Trump zumindest aufgewiegelter Mob
machte sich auf den Weg und stürmte den Sitz des Kongresses.
Die Bilder gingen um die Welt.
Noch immer tauchen bislang ungesehene Fotos und Videos auf.
Einiges von diesem Material zeigt eine aufwendige Dokumentation,
die vom Südwestrundfunk mitproduziert wurde.
Das Erste sendet sie morgen Abend.
Der 6. Januar 2021:
Donald Trump hält eine Rede unweit des Kapitols in Washington.
Sein Thema ist die verlorene Wahl.
Wer betrogen wird, akzeptiert keine Niederlage.
Es folgt ein Angriff auf die Demokratie,
der bis zu diesem Tag unvorstellbar war.
Der US-Präsident sagt:
"Du musst die Demokratie beschützen.
Du musst zum Kapitol ziehen und kämpfen."
Was machst du da?
"Sturm auf das Kapitol" erzählt die Stunden dieses Angriffes.
Minute für Minute ...
Wir hatten Zehntausende an Stunden an Material.
Die Hauptarbeit war,
dieses Material zu sammeln und auszuwerten.
Es gab bis dahin kein anderes historisches Ereignis,
das so ausführlich vor Ort gefilmt worden war.
Die Unmittelbarkeit der Bilder von Bodycams und privaten Videos
machen diese Dokumentation zum Zeugnis der Zeitgeschichte.
Während innen der Kongress tagt, um die Wahl zu bestätigen,
formiert sich draußen ein gewalttätiger Mob.
Fickt euch, ihr Verräter!
Mütter und Kriegsveteranen und Trump-Fans:
Die Angreifer kommen in der Dokumentation zu Wort.
Das war Amerika.
Ich musste unserem Präsidenten beistehen.
Alle waren begeistert.
In dieser Welt sind die Menschen nicht offen für unsere Ideen.
Hier waren endlich nur Gleichgesinnte.
Die scheinen bis heute ohne Reue zum Angriff zu stehen -
und ohne Einsicht.
Ihre Offenheit ist eine Stärke des Films -
und seine größte Herausforderung.
Da waren viele Menschen, die Mainstream-Medien nicht mögen.
Die wollten nicht mit uns sprechen.
Wir haben erklärt:
Wir versuchen zu verstehen, was passiert ist.
"Sturm auf das Kapitol" ist ein Film, der den Zuschauer mitnimmt.
Er nimmt ihn mit,
als die Demonstranten ins Kapitol eindringen.
Er nimmt ihn mit,
als der Kongress-Saal von Angreifern eingenommen wird.
Vier Stunden dauert der Kampf.
Vier Stunden ist der Ausgang ungewiss.
Die Angreifer ziehen ab.
Die Grundpfeiler der amerikanischen Demokratie
sind an diesem Tag erschüttert worden.
Der ganze Dokumentarfilm "Sturm auf das Kapitol"
läuft morgen Abend direkt nach uns um 22.15 Uhr im Ersten.
In der Mediathek ist er morgen schon tagsüber zu sehen.
Und jetzt sehen wir Claudia mit den weiteren Aussichten.
Es wird sich etwas beruhigen, das Wetter.
In den Hochlagen kommt Schnee zu uns.
Vor allem am Alpenrand.
Dort gibt es am wenigsten Sonne.
Das ist ein Zwischenhoch, was uns die Sonne beschert.
Danach wird es trüber.
Das ist die Niederschlagsvorschau.
Es gibt neuen Regen, der in Schnee übergeht.
Samstag ein neues Schneefallgebiet.
Es passiert immer wieder was.
Aber diese großen Regenmengen gibt es nicht mehr.
In der Nacht Schneefall am Alpenrand.
Von Norden her lockert es auf.
Es wird kalt und glatt.
Morgen ein paar dichtere Wolken.
Am Alpenrand schneit es.
In der Nacht Glättegefahr.
Die nächsten Tage bringen dichte Wolken.
Schneefall geht in Regen über.
Er geht nach Osten.
Dahinter lockert es auf.
Samstag über der Mitte Sonne.
Im Süden dichte Wolken.
Das waren die tagesthemen.
Hier geht es weiter mit dem oscarnominierten Spielfilm
"Three Billboards outside Ebbing, Missouri".
Wir sehen uns morgen Abend wieder, dann um 21.45 Uhr.
Tschüss - und bleiben Sie zuversichtlich.
Copyright Untertitel: NDR 2022