Thomas Mann - Erster Tonfilm eines deutschen Autors (1929), 1. Teil
Da ich hier sprechen soll, ist es begreiflich, dass ich mir Gedanken mache über die Eigentümlichkeit und den Reiz einer Situation, in die ich ganz überraschend gekommen bin – und zwar durch die gütige Vermittlung der Berliner Lessing-Hochschule, die ich denn doch dankend erwähnen möchte. Ich erinnere mich dabei einer anderen Lebenslage, die nun schon eine ganze Reihe von Jahren zurückliegt, und der heutigen verwandt war, wenn sie ihr wohl auch noch nicht ganz gewachsen gewesen sein mag. Das war damals, als ich zum ersten Mal – es war vielleicht einige Monate nach dem Kriege – für den Rundfunk einen Vortrag hielt und zwar auf Einladung des Südwestdeutschen Rundfunks in Frankfurt am Main. Das Gefühl, das ich damals hatte, wiederholt sich heute in verstärktem Maße. Ich erlebte es damals zum ersten Mal, dass das Publikum, zu dem ich sprach, nicht in sinnlicher und gesellschaftlicher Gegenwart sich vor mir befand, nicht durch die vier Wände eines Saales zusammengefasst, sondern dass es unsichtbar, unhörbar, weit über die ganze Welt hin zerstreut, meinen Worten zuhörte, die mir beim Sprechen von Zeit zu Zeit einfielen. Heute nun aber ist dieses Publikum, zu dem ich spreche, nicht nur räumlich von mir getrennt, sondern es ist in der Zeit von mir entrückt. Und ich spreche zu einem zukünftigen Publikum in die Zeit hinein. Das ist das Phantastische und Exzentrische, fast möchte ich sagen, das ich in dieser Situation empfinde.