Die Welt des Fahrrads
Fahrradfahren macht nicht nur Spaß, es hält auch fit. Das zweirädrige Vehikel entwickelte sich in den letzten Jahrhunderten vom eher gemütlichen Hochrad zu einem technisch hochwertigen Gefährt.
„Es ist einfach schön, mit dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren. Man bekommt mit, was links und rechts von einem los ist, man nimmt also die Umwelt ganz anders wahr, als wenn man in so 'nem Auto sitzt. Es ist 'nen schönes Erlebnis, insbesondere bei schönem Wetter, mit dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren. Es ist einfach schön, Rad zu fahren.“
Das Fahrrad: Ausflugsvehikel und Rennmaschine, verantwortlich für schöne Wochenendstunden im Kreis der Familie genauso wie für Höllenqualen. Wie kaum ein anderes Sportgerät hat das Fahrrad Einzug in viele Bereiche des Alltags gehalten. Schon um das Jahr 1500 soll Leonardo da Vinci die Skizze eines zweirädrigen Fortbewegungsmittels mit Kettenantrieb gezeichnet haben. Es dauerte jedoch noch rund 300 Jahre, bis das Fahrrad verstärkt in das Alltagsleben der Menschen vordrang. 1817 konstruierte der badische Forstmeister und spätere Professor der Mechanik, Carl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn, das erste lenkbare Laufrad: die nach ihm benannte „Draisine“. In den kommenden Jahrzehnten trat das Laufrad seinen Triumphzug um die Welt an. In England, Frankreich, Deutschland und den USA arbeiteten fahrradbegeisterte Konstrukteure ständig an Verbesserungen. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts verließen dann die ersten pedalgetriebenen Zweiräder die Werkstätten Europas. Der Fahrer beschleunigte das Gefährt mittels einer Tretkurbel am Vorderrad. Diese Vorderräder wurden in der Folgezeit immer größer, denn so konnte die Frau beziehungsweise der Mann auf dem Sattel mit einer Pedalumdrehung eine längere Strecke zurücklegen.
Ein Fachmann auf dem Gebiet der Hoch- und Laufräder ist Alfred Baltus aus Solingen. Zu seiner Sammlung antiker Zweiräder gehören diverse alte Draisinen, die nicht nur schön anzuschauen sind, sondern mit einem geübten Fahrer auch ein ansehnliches Tempo erreichen können. An ein schönes Erlebnis erinnert sich Alfred Baltus:
„Da kam so 'n Mopedfahrer, überholte mich an der Seite links vorbei da, und lachte sich kaputt. Ja, und dann kam er auf gleiche Höhe, und da erzähl ich mit ihm da. Und ich sage: ‚Junge, ich kann dich auch mit 'nem Hochrad abhängen.‘ Und auf einer gewissen Strecke, da ging es gerade so schön flach. Da hab ich den Mopedfahrer abgehängt, so richtig mal einen draufgestocht. Und nach ein paar hundert Metern, wie ich dann gewartet hatte, guckt der, hat der sich auch wieder kaputtgelacht, da war der platt gewesen, dass ich mit dem alten Hochrad den Mopedfahrer abgehängt hab.“
Als Alfred Baltus dem Mopedfahrer davonradelte, hat er, wie er sagt, so richtig einen draufgestocht. „Gestocht“ heißt hier nichts anderes als „schnell fahren“. In der ursprünglichen Bedeutung meint „stochen“ „das Feuer schüren“. Nur wenn beispielsweise bei einer Dampfmaschine das Feuer richtig gestocht ist, kann der Kessel genug Druck und die Maschine ausreichend Kraft produzieren. Als Alfred Baltus dann den Mopedfahrer abgehängt, ihm davongefahren war, war der platt. Er war von der Schnelligkeit des antiken Zweirades überrascht. Damit hatte er nicht gerechnet. Auf langen Strecken konnten gut trainierte Draisinenfahrer früher sogar einen Reiter abhängen. Doch spätestens mit der Entwicklung des Autos als Fortbewegungsmittel für breite Massen der Bevölkerung nahm die Bedeutung des Fahrrads als Verkehrsmittel ab. Erst im Zuge der Diskussion um die starke Umweltverschmutzung durch Autoabgase gewann es seit den 1980er Jahren als Fortbewegungsmittel wieder an Bedeutung.
Heutzutage stellen zahlreiche Unternehmen sogenannte Diensträder zur Verfügung, in immer mehr Städten finden sich „Radstationen“, wo man Räder gegen ein Entgelt ausleihen kann. Aber das Fahrrad hat noch einen weiteren Vorteil in Städten: Man kommt schneller vorwärts. Diesen Vorteil nutzen beispielsweise auch Fahrradkuriere, die mittlerweile zum gewohnten Stadtbild in Deutschland gehören. Die per Muskelkraft transportierten Briefe oder Dokumente, aber auch Speisen, die in Restaurants bestellt wurden, sind in der Regel schneller bei ihren Empfängern, als wenn sie mit dem Wagen befördert worden wären. Doch wie in jedem Transportgewerbe gilt auch hier für Fahrradkuriere der Spruch: Zeit ist Geld. Da nimmt es der eine oder andere mit den Verkehrsregeln manchmal nicht ganz so genau. Das hat meist einen bestimmten Grund, erzählt Kester:
„Es ergibt sich einfach aus der Situation, dass wir im Prinzip Subunternehmer sind und selbständig arbeiten. Das heißt, es gibt kein festes Gehalt, sondern je mehr ich schaffe in der Zeit, desto mehr verdiene ich auch. Und dadurch ergibt sich auch irgendwo das Problem, dass Verkehrsregeln missachtet werden und dass man natürlich auch irgendwo 'n kleines Risiko eingeht. Obwohl man in dem Moment sicherlich nicht darüber nachdenkt. Es gibt oft Punkte, wo man dann anschließend sagt: ‚Oh, das war aber knapp jetzt!‘ Bloß, dann ist die Situation im Prinzip schon vorbei.“
Kester arbeitet als Subunternehmer. Die aus dem Lateinischen stammende Vorsilbe „sub“ verweist auf den beruflichen Status von Kester, denn sie bedeutet soviel wie „unter“ – „unter“ dem eigentlichen Unternehmer. Der eigentliche Fahrradkurier-Unternehmer erhält die Aufträge und verteilt diese an seine Subunternehmer. Der Vorteil für den Besitzer des Kurierdienstes ist, dass die Subunternehmer für alles selbst verantwortlich sind, sich zum Beispiel selbst versichern, oder aber auch selbst für die ordnungsgemäße Versteuerung ihres Einkommens sorgen müssen. Wird ein Subunternehmer krank, so ist das sein Problem. Da er juristisch gesehen selbstständig ist, kann er nur Geld verdienen, wenn er auch wirklich arbeitet. Der eigentliche Unternehmer selbst spart Geld, denn er muss nicht wie für eine Angestellte beziehungsweise einen Angestellten den Lohn bei Krankheit weiterzahlen.
Ob als Leistungssport oder als Freizeitvergnügen, ob als Broterwerb oder als Hobby: Fahrradfahren ist außerordentlich vielseitig. Es schont die Umwelt gleichermaßen wie es den Körper fit hält. Doch der wichtigste Grund, sich aufs muskelbetriebene Zweirad zu schwingen, ist: Es macht ganz einfach Spaß!