ELIF | GERMANIA
Ich wollte immer dazugehören.
Ich wollte immer das Gefühl haben, ein Teil von etwas zu sein.
Da ich hier in diesem Land bin und hier geboren bin
und Leute dann sagen: "Ja, geh doch zurück oder mach das",
denk ich mir: Hä, wohin zurück? Es gibt nur das für mich.
* Musik *
Mein Name ist Elif, ich komm aus Berlin-Moabit
und mache deutschsprachige Popmusik.
Meine Eltern sind in der Türkei geboren, ich halt hier.
Sie sind damals 1985 hergekommen, Mitter der 80er.
Und ja, seitdem sind wir hier.
Ich bin hier in Moabit aufgewachsen.
Und zwar in einem Haus, wo's unfassbar laut war.
Es waren, glaub ich, nur Leute mit Migrationshintergrund drin.
Auch ich. Und ich erinnere mich an eine sehr laute Kindheit,
aber auch an 'ne sehr verspielte Kindheit hier.
Früher, als ich klein war, hab ich zu Hause Türkisch gesprochen.
Es gab immer türkisches Essen, türkische Musik.
Das war irgendwie so, dass man zu Hause die türkische Welt hatte
und draußen diese deutsche Welt.
Irgendwann, als ich älter wurde,
hab ich mich von dieser türkischen Welt etwas abgegrenzt,
weil ich irgendwie auf der Suche war nach mir selber.
Ich wollte hier dazugehören und bin ja auch ein Teil davon.
Aber jetzt merk ich, mit Mitte 20, dass ich doch versuche,
den Spagat hinzubekommen.
Ich muss Türkisch sprechen,
um meinen Charakter komplett auszuleben.
Es reicht mir aktuell nicht, nur Deutsch zu sprechen,
sondern ich muss wirklich beide Sprachen sprechen.
Und ich fühle mich in der Sprache wohl, wo ich mich am besten ausdrücken kann.
Durch das Türkische in meinen Texten, dass ich mich von türkischen Songs
oder von der türkischen Sprache inspirieren lasse,
diese dann übersetze auf Deutsch ...
Dann kommen da ganz schöne Sätze raus,
die man in deutschsprachigen Songs verwenden kann.
Man bedient sich sozusagen an der türkischen Sprache fürs Texten.
Ich hab ja die ersten Jahre meines Lebens so türkische Musik gehört.
Und in der türkischen Musik gibt's viel Tragik und Drama.
Ich glaube, dass ich das verinnerlicht habe in den ersten Jahren
und das irgendwie in mir steckt.
Dann ist es auch 'ne kulturelle Sache. Wir Türken sind sehr temperamentvoll.
Diese Zerrissenheit und so, das ist immer in uns.
Dass immer alles aufgebauscht wird.
Und das widerspiegele ich halt auch in meiner Musik.
Es gibt sogar einen Song, der ist ziemlich krass geschrieben.
* Sie spricht Türkisch. *
Das bedeutet übersetzt:
Heute Abend werde ich sterben und niemand wird mich halten.
Du wirst mich nicht halten und die Sterne werden mich nicht halten.
Ich glaub, mehr Drama geht nicht.
Ich finde, dass meine Eltern sehr gut integriert sind.
Sie haben ihre Kultur nicht aufgegeben
und sie kommen am Ende von dort.
Und sie werden sich immer zur Türkei verbunden fühlen.
Weil es einfach ihr Platz ist dort.
Aber wenn ich jetzt meine Geschwister angucke,
wir haben einen anderen Background.
Weil wir den Migrationshintergrund haben, aber hier geboren sind.
Wir sind alle einfach Deutschland verbunden,
haben aber auch nicht vergessen, wo wir herkommen.
Die Leute in der Türkei begrüßen sich anders.
Man gibt nicht jedem die Hand. Als Frau gehst du anders mit Dingen um.
Früher fand ich das respektlos und wusste nicht, wie ich damit umgehen soll.
Mittlerweile hab ich verstanden, dass das einfach dort anders läuft.
Wenn jemand dir nicht sofort die Hand gibt
oder dir nicht die ganze Zeit in die Augen guckt,
dann ist das 'ne Respektsache.
Ich hab früher wirklich sehr schlimm Deutsch gesprochen,
find ich zumindest, wenn ich alte Videos von mir sehe.
Also irgendwie so total prollig.
Ich hab die ganze Zeit versucht, gut Deutsch zu sprechen,
weil ich immer "Isch geh so" gesprochen hab, mit 13.
Aber auf der Bühne muss ich auch die Aussprache gut können
und nicht "isch" sagen sondern "ich".
Und das Training war auf jeden Fall gut für jetzt.
Aber es wär auch lustig, wenn ich in Songs immer "isch" singen würde,
wie so 'n Rapper.
Ich hab für mich herausgefunden,
dass Heimat nicht mit dem Ort zusammenhängt, wo man ist.
Sondern eher dort, wo meine Freunde sind,
wo meine Liebsten sind, dort ist meine Heimat.
Diese Grenzen sind nicht so wichtig.
Aber wenn ich hier in Moabit bin, geh ich durch die Straßen
und sehe meine Vergangenheit und wie ich als Kind gespielt hab.
Und irgendwie kommen so alte Erinnerungen hoch.
Das ist schön, dass man sich daran zurückerinnern kann.
* Musik *
Untertitel für funk im Auftrag des ZDF, 2017