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Funkkreis. Podcast der Bundeswehr, Podcast #27: Leben nach dem Afghanistan-Einsatz | Bundeswehr

Podcast #27: Leben nach dem Afghanistan-Einsatz | Bundeswehr

"Delta to all, Radiocheck, over Hier ist Bravo, kommen

This is Tango, over

Funkkreis, Podcast der Bundeswehr"

A: Herzlich Willkommen zum Podcast der Bundeswehr, heute geht es um Afghanistan genauer gesagt

um die erste Langzeitstudie zu Afghanistanrückkehrern.

Die beschäftigt sich mit dem Leben nach dem Einsatz und zwar gerade auch dem der Kameradinnen

und Kameraden, die im Gefechtsjahr 2010 in Afghanistan waren.

Das war das bisher verlustreichste und härteste in diesem Einsatz.

Am Telefon spreche ich mit Doktor Anja Seiffert vom Zentrum für Militärgeschichte

und Sozialwissenschaften.

Doktor Seiffert ist Sozialwissenschaftlerin und hat in Kunduz und in Mazar-i Sharif den

Einsatz damals hautnah miterlebt.

Guten Tag, Doktor Seiffert.

B: Schönen gute Morgen Frau Ganthenbein.

A: Ich freue mich, dass sie Zeit haben für uns, für diesen Podcast.

Als allererstes, wie kommt man denn als Sozialwissenschaftlerin nach Afghanistan?

B: Die Auslandseinsätze der Bundeswehr beschäftigen mich schon lange.

Natürlich haben viele meiner Freunde mich gefragt "Ist das nicht gefährlich?

Bist du denn nicht verrückt, dass du das tust?

Warum machst Du das?"

Mich interessierte aber, wie die Soldaten ihren Einsatz selber wahrnehmen.

Ich wollte wissen, wie die Soldaten diesen Einsatz selber sehen wie sie mit dem politischen

Auftrag in der Realität des Einsatzes umgehen und das war tatsächlich eine einmalige Möglichkeit

das als Forscherin auch miterleben zu dürfen.

A: Ja, das stelle ich mir unheimlich interessant vor.

Sie haben ja bei ihrer Feldforschung über 120 Tiefeninterviews geführt.

Wie läuft das denn ab?

Wie genau muss man sich das vorstellen?

B: Unsere Studie ist die erste Langzeitstudie überhaupt, ich würde sagen europaweit.

Ich kenne keine vergleichbaren Studien, die ein Kontingent über vier Jahre begleitet hat.

Das ist das 22. Kontingent ISAF gewesen.

Dieses Kontingent war überwiegend von März bis Oktober im Einsatz in Afghanistan und

dieses Kontingent haben wir sowohl vor dem Einsatz, im Einsatz, sechs Wochen danach und

dann nochmal drei Jahre später sozialwissenschaftlich begleitet mit Methoden nicht nur mit Interviews

und teilnehmender Beobachtung, sondern auch mit Fragebögen.

Die Erklärungen in den Interviews liefern nochmal ganz andere Einblicke in die Situation

und in die Bewertung aber auch in die Wahrnehmung der Soldaten und deshalb ist Feldforschung

auch so wichtig.

Weil man dann tatsächlich ganz andere Realitäten nochmal wahrnehmen kann und die quantitativen

Ergebnisse auch ganz anders interpretieren kann.

A: Das kann ich mir gut vorstellen.

Die Frage die sich mir so stellt ist auch:

Wie haben sie denn die Kameradinnen und Kameraden erlebt?

Haben die sich Ihnen sofort geöffnet oder war da erst mal so ein bisschen fremdeln.

Wer ist das jetzt?

Versteht die überhaupt was wir hier tun?

B: Das ist richtig.

Zunächst einmal sind wir im Einsatz natürlich auf Skepsis aber auch auf Interesse gestoßen.

Und am Anfang, also man muss sich das nicht so vorstellen Forschung ist, versucht irgendwie

zumindest sich nicht vorgeben zu lassen, wen man interviewt und das haben wir auch so getan

das hat auch niemand versucht sondern, wir sind durch das Feldlager, durch die Feldlager

gelaufen und haben die Soldaten selber angesprochen, erklärt was wir tun und die anfängliche

Skepsis ist relativ schnell einer großen Offenheit gewichen.

Die Soldaten, das war zumindest mein Eindruck, waren dankbar auch für die Gespräche sie

haben uns versucht zu vermitteln, sie hatten auch ein Sendungsbewusstsein.

Sie haben versucht uns zu vermitteln, wie ihre Realität aussieht und wir sind nicht

nur in den Feldlagern gewesen.

Wir sind teilweise auch mit rausgefahren auch in Kunduz, weil Einsatz ist für die Soldaten

nicht gleich Einsatz.

Die Einsatzwelten in der Realität vor Ort unterscheiden sich

für die Soldaten sehr deutlich.

Also das waren die sogenannten "Drinnis" und die so genannten "Draußis".

Die Drinnis haben eine ganz andere Erfahrungwelt erlebt also eine ständige, soziale Kontrolle

während diejenigen die sich überwiegend außerhalb der Lager aufgehalten haben zumindest

in Kunduz und Baghlan mit einem regelrechten Kampfeinsatz konfrontiert waren und ganz andere

Erfahrungswelten hatten als diejenigen die sich ständig innerhalb der Lager aufgehalten haben.

A: Und bei denjenigen die in Gefechte verwickelt wurden, haben sie da auch Unterschiede gemerkt

im Umgang mit diesen Erlebnissen also Unterschiede in Bezug auf Alter vielleicht, auf Bildung, auf Rang?

Gab es da große Unterschiede oder war das Erleben für alle,

die in Gefechte verwickelt wurden, ähnlich?

B: Diese 25 Prozent, die tatsächlich in Gefechte gerieten, auch das konnten wir sehr deutlich

sehen, während natürlich Stabsoffiziere beispielsweise

eher mit Planungs- und Führungsaufgaben

konfrontiert waren und deshalb sich mehr in den z.B. in Kabul aber auch in Mazar-i-Sharif

in den Feldlagern aufhielten, dominierten in den Kampfeinheiten überwiegend Mannschaften

und die Feldwebel waren sozusagen über alle Aufgabenbereiche über Ausbildung, Schutz,

Kampfeinheiten, Unterstützungsaufgaben und Planungsführungsaufgaben betraut.

Das heißt es sind die jüngeren Soldaten die diese Erfahrungen gemacht haben und die

eher niedrigen Dienstgrade bis Ebene Kompaniechef, während die höheren Dienstgrade eine ganz

andere Erfahrungswelt hatten.

A: Haben die das in ihrem Ergebnis relativ gut verkraften können?

B: Das Bedrohungsgefühl zwischen denjenigen die innerhalb des Lagers waren und denjegen

die außerhalb des Lagers waren unterschied sich zwar, dennoch war es die dominate Wahrnehmung

des Einsatzes.

Also sozusagen, es ist eine Klammer.

Was verbindet diese unterschiedlichen Einsatzwelten eigentlich und das Bedrohungsgefühl, also

durch Angriffe und Gefechte, durch Anschläge

von Aufständischen, das verbindet die unterschiedlichen Erfahrungswelten.

Gerade in den Kampfeinheiten wird die eigene Gruppe

nicht nur zu einer militärischen Handlungsgemeinschaft

im üblichen Sinne, sondern zu einer tatsächlichen Überlebensgemeinschaft auf Zeit.

Die Gruppe ist unglaublich wichtig, um mit den Erfahrungen im Einsatz umgehen zu können,

um das auch durchzustehen die tiefgreifenden Erlebnisse die die Soldaten dort machen mit

Tod, Verwundung, mit Not und Leid der Bevölkerung in unterschiedlichsten Formen.

Um damit zurecht zu kommen ist gerade die Gruppe ein, ich würde sagen, der Markstein

auf den es ankommt.

A: Und trägt diese Überlebensgemeinschaft dann noch weiter, also ist es für die Kameradinnen

und Kameraden dann auch wichtig dass sie sich nach dem Einsatz wieder sehen, dass sie das

gemeinsam bewältigen können?

B: Das ist sogar entscheidend.

Wir konnten feststellen, dass der Wunsch auch noch drei Jahre danach, die Kameraden aus

dem Einsatz wiederzutreffen, eine enorme hohe Bedeutung für die Soldaten hat.

Das ist auch nachollziehbar, fast die Hälfte der Gefechtserfahrenen hat mit der eigenen

Partnerin, dem eigenen Partner noch nicht über das Erlebte im Einsatz gesprochen.

A: Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass da ja auch abgesehen von der Scheu den anderen

damit zu belasten auch noch mitspielt, dieses "Du kannst es sowieso nicht verstehen.

Nur der, der da war kann begreifen wie es mir da gegangen ist."

Ich denke das ist ja auch der Kernpunkt warum sich das dann so dargestellt hat so als wirklich

zusammengeschweißte Gemeinschaft, weil die eben wussten wovon sie reden und ein Außenstehender

kann das ja nicht wirklich begreifen.

B: Zum einen das.

Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Also gerade die Frage nach der Belastung.

Die meisten wollen ihre Familien und Partner mit dem Erlebten nicht noch zusätzlich belasten,

weil sie wissen, dass der Einsatz für ihre Angehörigen eine extreme Belastungprobe ist.

Weil es einfach tiefgreifende Erfahrungen sind die sich eben nicht einfach abhaken lassen

für die meisten, sondern die auch langfristig prägen und eben auch verändern, zumal die

eigene Person und auch die Wertvorstellungen.

Das galt zumindest für viele die mit einschneidenen Erfahrungen konfrontiert waren.

Also in unserer Studie sagen nur 39 Prozent der Soldaten, dass der Einsatz ihr Leben nicht

verändert hat, also für ihr Leben folgenlos geblieben ist.

Daran kann man sich vorstellen, wie schwerwiegend diese Grenzerfahrungen sind und wie damit

umgegangen wird und das da die eigene Gruppe, die das Erlebte teilt, eine wichtige Rolle

spielt zeigt sich tatsächlich, dass die Mehrzahl

spricht über die Erlebnisse allerdings im Kameradenkreis.

A: Ich habe auch gelesen in der Studie, dass es für die Soldaten schwierig war oder ein

Knackpunkt wirklich die Rückkehr nach Deutschland.

Was haben die da so in der Tiefe gesagt?

Was war das größte Problem bei der Rückkehr?

B: Das kann ich vielleicht mit einem schönen Zitat eines Soldaten auf den Punkt bringen.

Er sagte "und auf einmal ging es wieder um die Parkplatzordnung".

A: Ah, ok.

B: Was die Soldaten am meisten als Belastung empfunden haben

waren nicht die zurückliegenden Beanspruchungen,

sondern die extreme Bürokratie im Dienstalltag am Heimatstandort.

Wieder zurück zu kommen und wieder in das Hamsterrad zu kommen, das ist auch nachvollziehbar.

Im Einsatz selbst sind sie in die Routinen des Einsatzes und in ihren Kameradenkreises integriert.

Kaum zu Hause werden sie mit ganz unterschiedlichen Anforderungen konfrontiert an unterschiedlichen Rollen.

Sie sind wieder Ehemann, Freund, Familienvater, Mutter ...

A: Ich habe aber auch gelesen in der Studie, dass die meisten oder sehr viele gesagt haben,

es hat eigentlich die Partnerschaft positiv beeinflusst und noch stärker gemacht.

Also das fand ich auch sehr spannend.

Wie erklären sie sich das?

B: Das ist in der Tat so.

Das hat uns auch überrascht . Zum einen muss man erstmal sagen, gerade in der unmittelbaren

Zeit nach der Rückkehr aus dem Einsatz treten die meisten partnerschaftlichen Probleme auf.

Dennoch kann gerade eine Zeit und das konnten wir in der langfristige Perspektive drei Jahre

später feststellen, in der langfristigen Perspektive, wenn ein Mensch, ein Paar sich

entschieden hat eine so schwerwiegende und gravierende Zeit gemeinsam zu bewältigen

und die auch zu überstehen, kann das auch zu einer Stärkung der Partnerschaften führen.

A: Ja, ich fand es auch sehr interessant, dass ja auch ganz viele gesagt haben sie empfinden

sich selbst jetzt als selbstbewusster und das es sie quasi selbst auch als Person gestärkt hat.

Das kann natürlich dann auch Auswirkungen auf den Beruf, auf die Entwicklung haben.

Wie sind denn da ihre Erkenntnisse?

B: Also weit mehr noch als die Auswirkungen für die Familie ist die eigene Person betroffen.

Und die Mehrzahl empfindet sich in der langfristigen Perspektive, nicht sechs Wochen danach , aber

drei Jahre später, berichtet eher von Wachstumspotential.

Also, dass sie selbstbewusster geworden sind, dass sie belastbarer, auch psychisch belastbarer

geworden sind.

A: Gab es denn eine Art Karriereschub auch für die Betroffenen?

B: Das ist bemerkenswert, dass es tatsächlich für die Mehrzahl der Soldaten keine positiven

Auswirkungen auf die Karriereentwicklung in der Bundeswehr gab.

A: Keine positiven?

B: Keine positiven Auswirkungen beziehungsweise, sagen wir es mal so, weder positive noch negative

Auswirkungen, sondern gar keine Auswirkungen.

A: Das ist wirklich sehr erstaunlich.

Da hätte ich jetzt nicht mit gerechnet.

B: Wir ehrlicherweise auch nicht.

Bemerkenswert ist allerdings, dass das für Gefechtserfahrene nicht ganz so zutrifft.

Allerdings ist das zweigeteilt.

Sie nehmen höhere Anerkennung von Kameraden wahr, allerdings keine, aber ebenso wie die

anderen nehmen nur wenige positive Auswirkungen auf die Karriereentwicklung in der Bundeswehr wahr.

A: Was wünschen sich denn die Einsatzsoldaten generell von Politik und Gesellschaft?

Also jetzt nicht nur von der Bundeswehr sondern generell von uns allen?

B: Das würde ich ein bisschen trennen.

Zum einen an die Politik.

Sie erwarten, dass das, was sie auch unter hohen Risiken für Leib und Leben geleistet haben

nicht umsonst gewesen ist.

Das ist die Maßgabe an die Politik.

Sie erwarten sich von der Gesellschaft, in deren Auftrag sie ja in die Einsätze geschickt

werden, mit Mandat des Bundestages und das war auch durchaus wichtig, eine höhere Anerkennung.

Anerkennung und Wirksamkeit sind die zwei zentralen Momente, die in der langfristigen

Perspektive einen wichtigen Aspekt spielen.

Das ist der Wunsch und die Forderung, dass das was man dort leistet auch wirksam ist,

eben nicht umsonst gewesen ist.

A: Ja, also wirklich eine sehr sehr spannende Studie die man ja auch nachlesen kann.

Frau Doktor Seiffert, wie ging es Ihnen selbst denn als Sie zurück kamen.

Hat Sie das auch verändert?

B: Ich weiß nicht, ob es mich verändert hat.

Es hat mir aber Einblicke in eine Lebenswelt gegeben, die ich mir so noch nicht vorstellen

konnte und die man, wenn man Dinge miterlebt hat, die einem eine andere Empathie, einen

anderen Eindruck, eine andere Nähe aber eben auch, die Soldaten haben mal zu mir gesagt

in den Interwiews "das darf nicht umsonst gewesen sein" und ich habe für mich da rausgezogen,

dass ich gesagt habe auch das, was wir hier machen als Studie, darf nicht umsonst gewesen

sein und wir würden gerne dazu beitragen die Lebensrealitäten und Lebenswelten von

Soldaten durch unsere Studie vielleicht etwas realistischer einschätzen zu können.

A: Wunderbar, ganz herzlichen Dank.

Das war ein sehr interessanter Einblick.

Ich würde mich jetzt erst einmal bedanken, für das Gespräch, dass sie sich die Zeit

genommen haben und wünsche Ihnen weiterhin so spannende Studien auch in der Zukunft und

ja, herzlichen Dank.

B: Ich danke ihnen ganz herzlich, Frau Ganthenbein.

A: Super, dann machen sie es gut, bleiben sie gesund und bis zur nächsten Studie.

Tschüss.

B: Tschüss Frau Ganthenbein.

A: So liebe Zuhörerinnen und Zuhörer.

Wenn sie sich für das Gefechtsjahr 2010 interessieren und wenn sie mehr wissen wollen, dann können

sie entweder auf zmsbw.de nachschauen unter "Leben nach Afghanistan", da ist ein Teil

der Studie oder sie beschaffen sich das Buch mit dem anderen Teil der Studie.

Das Buch heißt "Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan" und sie finden natürlich

auch immer weitere Informationen unter bundeswehr.de, das wissen sie sowieso.

Wenn Sie Kontakt mit uns aufnehmen wollen, dann können sie das auch tun.

Das geht unter podcast@bundeswehr.org und den nächsten Podcast den gibt es in einer

Woche auf den gewohnten Kanälen.

Ich melde mich ab aus dem Funkkreis, tschüss.


Podcast #27: Leben nach dem Afghanistan-Einsatz | Bundeswehr Podcast #27: Life after the Afghanistan mission | Bundeswehr

"Delta to all, Radiocheck, over Hier ist Bravo, kommen

This is Tango, over

Funkkreis, Podcast der Bundeswehr"

A: Herzlich Willkommen zum Podcast der Bundeswehr, heute geht es um Afghanistan genauer gesagt

um die erste Langzeitstudie zu Afghanistanrückkehrern.

Die beschäftigt sich mit dem Leben nach dem Einsatz und zwar gerade auch dem der Kameradinnen

und Kameraden, die im Gefechtsjahr 2010 in Afghanistan waren.

Das war das bisher verlustreichste und härteste in diesem Einsatz.

Am Telefon spreche ich mit Doktor Anja Seiffert vom Zentrum für Militärgeschichte

und Sozialwissenschaften.

Doktor Seiffert ist Sozialwissenschaftlerin und hat in Kunduz und in Mazar-i Sharif den

Einsatz damals hautnah miterlebt.

Guten Tag, Doktor Seiffert.

B: Schönen gute Morgen Frau Ganthenbein.

A: Ich freue mich, dass sie Zeit haben für uns, für diesen Podcast.

Als allererstes, wie kommt man denn als Sozialwissenschaftlerin nach Afghanistan?

B: Die Auslandseinsätze der Bundeswehr beschäftigen mich schon lange.

Natürlich haben viele meiner Freunde mich gefragt "Ist das nicht gefährlich?

Bist du denn nicht verrückt, dass du das tust?

Warum machst Du das?"

Mich interessierte aber, wie die Soldaten ihren Einsatz selber wahrnehmen.

Ich wollte wissen, wie die Soldaten diesen Einsatz selber sehen wie sie mit dem politischen

Auftrag in der Realität des Einsatzes umgehen und das war tatsächlich eine einmalige Möglichkeit

das als Forscherin auch miterleben zu dürfen.

A: Ja, das stelle ich mir unheimlich interessant vor.

Sie haben ja bei ihrer Feldforschung über 120 Tiefeninterviews geführt.

Wie läuft das denn ab?

Wie genau muss man sich das vorstellen?

B: Unsere Studie ist die erste Langzeitstudie überhaupt, ich würde sagen europaweit.

Ich kenne keine vergleichbaren Studien, die ein Kontingent über vier Jahre begleitet hat.

Das ist das 22. Kontingent ISAF gewesen.

Dieses Kontingent war überwiegend von März bis Oktober im Einsatz in Afghanistan und

dieses Kontingent haben wir sowohl vor dem Einsatz, im Einsatz, sechs Wochen danach und

dann nochmal drei Jahre später sozialwissenschaftlich begleitet mit Methoden nicht nur mit Interviews

und teilnehmender Beobachtung, sondern auch mit Fragebögen.

Die Erklärungen in den Interviews liefern nochmal ganz andere Einblicke in die Situation

und in die Bewertung aber auch in die Wahrnehmung der Soldaten und deshalb ist Feldforschung

auch so wichtig.

Weil man dann tatsächlich ganz andere Realitäten nochmal wahrnehmen kann und die quantitativen

Ergebnisse auch ganz anders interpretieren kann.

A: Das kann ich mir gut vorstellen.

Die Frage die sich mir so stellt ist auch:

Wie haben sie denn die Kameradinnen und Kameraden erlebt?

Haben die sich Ihnen sofort geöffnet oder war da erst mal so ein bisschen fremdeln.

Wer ist das jetzt?

Versteht die überhaupt was wir hier tun?

B: Das ist richtig.

Zunächst einmal sind wir im Einsatz natürlich auf Skepsis aber auch auf Interesse gestoßen.

Und am Anfang, also man muss sich das nicht so vorstellen Forschung ist, versucht irgendwie

zumindest sich nicht vorgeben zu lassen, wen man interviewt und das haben wir auch so getan

das hat auch niemand versucht sondern, wir sind durch das Feldlager, durch die Feldlager

gelaufen und haben die Soldaten selber angesprochen, erklärt was wir tun und die anfängliche

Skepsis ist relativ schnell einer großen Offenheit gewichen.

Die Soldaten, das war zumindest mein Eindruck, waren dankbar auch für die Gespräche sie

haben uns versucht zu vermitteln, sie hatten auch ein Sendungsbewusstsein.

Sie haben versucht uns zu vermitteln, wie ihre Realität aussieht und wir sind nicht

nur in den Feldlagern gewesen.

Wir sind teilweise auch mit rausgefahren auch in Kunduz, weil Einsatz ist für die Soldaten

nicht gleich Einsatz.

Die Einsatzwelten in der Realität vor Ort unterscheiden sich

für die Soldaten sehr deutlich.

Also das waren die sogenannten "Drinnis" und die so genannten "Draußis".

Die Drinnis haben eine ganz andere Erfahrungwelt erlebt also eine ständige, soziale Kontrolle

während diejenigen die sich überwiegend außerhalb der Lager aufgehalten haben zumindest

in Kunduz und Baghlan mit einem regelrechten Kampfeinsatz konfrontiert waren und ganz andere

Erfahrungswelten hatten als diejenigen die sich ständig innerhalb der Lager aufgehalten haben.

A: Und bei denjenigen die in Gefechte verwickelt wurden, haben sie da auch Unterschiede gemerkt

im Umgang mit diesen Erlebnissen also Unterschiede in Bezug auf Alter vielleicht, auf Bildung, auf Rang?

Gab es da große Unterschiede oder war das Erleben für alle,

die in Gefechte verwickelt wurden, ähnlich?

B: Diese 25 Prozent, die tatsächlich in Gefechte gerieten, auch das konnten wir sehr deutlich

sehen, während natürlich Stabsoffiziere beispielsweise

eher mit Planungs- und Führungsaufgaben

konfrontiert waren und deshalb sich mehr in den z.B. in Kabul aber auch in Mazar-i-Sharif

in den Feldlagern aufhielten, dominierten in den Kampfeinheiten überwiegend Mannschaften

und die Feldwebel waren sozusagen über alle Aufgabenbereiche über Ausbildung, Schutz,

Kampfeinheiten, Unterstützungsaufgaben und Planungsführungsaufgaben betraut.

Das heißt es sind die jüngeren Soldaten die diese Erfahrungen gemacht haben und die

eher niedrigen Dienstgrade bis Ebene Kompaniechef, während die höheren Dienstgrade eine ganz

andere Erfahrungswelt hatten.

A: Haben die das in ihrem Ergebnis relativ gut verkraften können?

B: Das Bedrohungsgefühl zwischen denjenigen die innerhalb des Lagers waren und denjegen

die außerhalb des Lagers waren unterschied sich zwar, dennoch war es die dominate Wahrnehmung

des Einsatzes.

Also sozusagen, es ist eine Klammer.

Was verbindet diese unterschiedlichen Einsatzwelten eigentlich und das Bedrohungsgefühl, also

durch Angriffe und Gefechte, durch Anschläge

von Aufständischen, das verbindet die unterschiedlichen Erfahrungswelten.

Gerade in den Kampfeinheiten wird die eigene Gruppe

nicht nur zu einer militärischen Handlungsgemeinschaft

im üblichen Sinne, sondern zu einer tatsächlichen Überlebensgemeinschaft auf Zeit.

Die Gruppe ist unglaublich wichtig, um mit den Erfahrungen im Einsatz umgehen zu können,

um das auch durchzustehen die tiefgreifenden Erlebnisse die die Soldaten dort machen mit

Tod, Verwundung, mit Not und Leid der Bevölkerung in unterschiedlichsten Formen.

Um damit zurecht zu kommen ist gerade die Gruppe ein, ich würde sagen, der Markstein

auf den es ankommt.

A: Und trägt diese Überlebensgemeinschaft dann noch weiter, also ist es für die Kameradinnen

und Kameraden dann auch wichtig dass sie sich nach dem Einsatz wieder sehen, dass sie das

gemeinsam bewältigen können?

B: Das ist sogar entscheidend.

Wir konnten feststellen, dass der Wunsch auch noch drei Jahre danach, die Kameraden aus

dem Einsatz wiederzutreffen, eine enorme hohe Bedeutung für die Soldaten hat.

Das ist auch nachollziehbar, fast die Hälfte der Gefechtserfahrenen hat mit der eigenen

Partnerin, dem eigenen Partner noch nicht über das Erlebte im Einsatz gesprochen.

A: Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass da ja auch abgesehen von der Scheu den anderen

damit zu belasten auch noch mitspielt, dieses "Du kannst es sowieso nicht verstehen.

Nur der, der da war kann begreifen wie es mir da gegangen ist."

Ich denke das ist ja auch der Kernpunkt warum sich das dann so dargestellt hat so als wirklich

zusammengeschweißte Gemeinschaft, weil die eben wussten wovon sie reden und ein Außenstehender

kann das ja nicht wirklich begreifen.

B: Zum einen das.

Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Also gerade die Frage nach der Belastung.

Die meisten wollen ihre Familien und Partner mit dem Erlebten nicht noch zusätzlich belasten,

weil sie wissen, dass der Einsatz für ihre Angehörigen eine extreme Belastungprobe ist.

Weil es einfach tiefgreifende Erfahrungen sind die sich eben nicht einfach abhaken lassen

für die meisten, sondern die auch langfristig prägen und eben auch verändern, zumal die

eigene Person und auch die Wertvorstellungen.

Das galt zumindest für viele die mit einschneidenen Erfahrungen konfrontiert waren.

Also in unserer Studie sagen nur 39 Prozent der Soldaten, dass der Einsatz ihr Leben nicht

verändert hat, also für ihr Leben folgenlos geblieben ist.

Daran kann man sich vorstellen, wie schwerwiegend diese Grenzerfahrungen sind und wie damit

umgegangen wird und das da die eigene Gruppe, die das Erlebte teilt, eine wichtige Rolle

spielt zeigt sich tatsächlich, dass die Mehrzahl

spricht über die Erlebnisse allerdings im Kameradenkreis.

A: Ich habe auch gelesen in der Studie, dass es für die Soldaten schwierig war oder ein

Knackpunkt wirklich die Rückkehr nach Deutschland.

Was haben die da so in der Tiefe gesagt?

Was war das größte Problem bei der Rückkehr?

B: Das kann ich vielleicht mit einem schönen Zitat eines Soldaten auf den Punkt bringen.

Er sagte "und auf einmal ging es wieder um die Parkplatzordnung".

A: Ah, ok.

B: Was die Soldaten am meisten als Belastung empfunden haben

waren nicht die zurückliegenden Beanspruchungen,

sondern die extreme Bürokratie im Dienstalltag am Heimatstandort.

Wieder zurück zu kommen und wieder in das Hamsterrad zu kommen, das ist auch nachvollziehbar.

Im Einsatz selbst sind sie in die Routinen des Einsatzes und in ihren Kameradenkreises integriert.

Kaum zu Hause werden sie mit ganz unterschiedlichen Anforderungen konfrontiert an unterschiedlichen Rollen.

Sie sind wieder Ehemann, Freund, Familienvater, Mutter ...

A: Ich habe aber auch gelesen in der Studie, dass die meisten oder sehr viele gesagt haben,

es hat eigentlich die Partnerschaft positiv beeinflusst und noch stärker gemacht.

Also das fand ich auch sehr spannend.

Wie erklären sie sich das?

B: Das ist in der Tat so.

Das hat uns auch überrascht . Zum einen muss man erstmal sagen, gerade in der unmittelbaren

Zeit nach der Rückkehr aus dem Einsatz treten die meisten partnerschaftlichen Probleme auf.

Dennoch kann gerade eine Zeit und das konnten wir in der langfristige Perspektive drei Jahre

später feststellen, in der langfristigen Perspektive, wenn ein Mensch, ein Paar sich

entschieden hat eine so schwerwiegende und gravierende Zeit gemeinsam zu bewältigen

und die auch zu überstehen, kann das auch zu einer Stärkung der Partnerschaften führen.

A: Ja, ich fand es auch sehr interessant, dass ja auch ganz viele gesagt haben sie empfinden

sich selbst jetzt als selbstbewusster und das es sie quasi selbst auch als Person gestärkt hat.

Das kann natürlich dann auch Auswirkungen auf den Beruf, auf die Entwicklung haben.

Wie sind denn da ihre Erkenntnisse?

B: Also weit mehr noch als die Auswirkungen für die Familie ist die eigene Person betroffen.

Und die Mehrzahl empfindet sich in der langfristigen Perspektive, nicht sechs Wochen danach , aber

drei Jahre später, berichtet eher von Wachstumspotential.

Also, dass sie selbstbewusster geworden sind, dass sie belastbarer, auch psychisch belastbarer

geworden sind.

A: Gab es denn eine Art Karriereschub auch für die Betroffenen?

B: Das ist bemerkenswert, dass es tatsächlich für die Mehrzahl der Soldaten keine positiven

Auswirkungen auf die Karriereentwicklung in der Bundeswehr gab.

A: Keine positiven?

B: Keine positiven Auswirkungen beziehungsweise, sagen wir es mal so, weder positive noch negative

Auswirkungen, sondern gar keine Auswirkungen.

A: Das ist wirklich sehr erstaunlich.

Da hätte ich jetzt nicht mit gerechnet.

B: Wir ehrlicherweise auch nicht.

Bemerkenswert ist allerdings, dass das für Gefechtserfahrene nicht ganz so zutrifft.

Allerdings ist das zweigeteilt.

Sie nehmen höhere Anerkennung von Kameraden wahr, allerdings keine, aber ebenso wie die

anderen nehmen nur wenige positive Auswirkungen auf die Karriereentwicklung in der Bundeswehr wahr.

A: Was wünschen sich denn die Einsatzsoldaten generell von Politik und Gesellschaft?

Also jetzt nicht nur von der Bundeswehr sondern generell von uns allen?

B: Das würde ich ein bisschen trennen.

Zum einen an die Politik.

Sie erwarten, dass das, was sie auch unter hohen Risiken für Leib und Leben geleistet haben

nicht umsonst gewesen ist.

Das ist die Maßgabe an die Politik.

Sie erwarten sich von der Gesellschaft, in deren Auftrag sie ja in die Einsätze geschickt

werden, mit Mandat des Bundestages und das war auch durchaus wichtig, eine höhere Anerkennung.

Anerkennung und Wirksamkeit sind die zwei zentralen Momente, die in der langfristigen

Perspektive einen wichtigen Aspekt spielen.

Das ist der Wunsch und die Forderung, dass das was man dort leistet auch wirksam ist,

eben nicht umsonst gewesen ist.

A: Ja, also wirklich eine sehr sehr spannende Studie die man ja auch nachlesen kann.

Frau Doktor Seiffert, wie ging es Ihnen selbst denn als Sie zurück kamen.

Hat Sie das auch verändert?

B: Ich weiß nicht, ob es mich verändert hat.

Es hat mir aber Einblicke in eine Lebenswelt gegeben, die ich mir so noch nicht vorstellen

konnte und die man, wenn man Dinge miterlebt hat, die einem eine andere Empathie, einen

anderen Eindruck, eine andere Nähe aber eben auch, die Soldaten haben mal zu mir gesagt

in den Interwiews "das darf nicht umsonst gewesen sein" und ich habe für mich da rausgezogen,

dass ich gesagt habe auch das, was wir hier machen als Studie, darf nicht umsonst gewesen

sein und wir würden gerne dazu beitragen die Lebensrealitäten und Lebenswelten von

Soldaten durch unsere Studie vielleicht etwas realistischer einschätzen zu können.

A: Wunderbar, ganz herzlichen Dank.

Das war ein sehr interessanter Einblick.

Ich würde mich jetzt erst einmal bedanken, für das Gespräch, dass sie sich die Zeit

genommen haben und wünsche Ihnen weiterhin so spannende Studien auch in der Zukunft und

ja, herzlichen Dank.

B: Ich danke ihnen ganz herzlich, Frau Ganthenbein.

A: Super, dann machen sie es gut, bleiben sie gesund und bis zur nächsten Studie.

Tschüss.

B: Tschüss Frau Ganthenbein.

A: So liebe Zuhörerinnen und Zuhörer.

Wenn sie sich für das Gefechtsjahr 2010 interessieren und wenn sie mehr wissen wollen, dann können

sie entweder auf zmsbw.de nachschauen unter "Leben nach Afghanistan", da ist ein Teil

der Studie oder sie beschaffen sich das Buch mit dem anderen Teil der Studie.

Das Buch heißt "Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan" und sie finden natürlich

auch immer weitere Informationen unter bundeswehr.de, das wissen sie sowieso.

Wenn Sie Kontakt mit uns aufnehmen wollen, dann können sie das auch tun.

Das geht unter podcast@bundeswehr.org und den nächsten Podcast den gibt es in einer

Woche auf den gewohnten Kanälen.

Ich melde mich ab aus dem Funkkreis, tschüss.