heute journal vom 04.04.2021 - Frage der Freiheit - Was dürfen Geimpfte?
Diese Untertitel sind live produziert.
Guten Abend Ihnen allen.
Ostersonntag in einem Land, das nach der richtigen Strategie sucht.
Das gerade merkt,
wie sture Regelungen an ihre Grenzen stoßen im Kampf gegen ein Virus,
das sich an keine Regeln hält.
Wie wir nicht weiterkommen mit "das haben wir doch noch nie so gemacht",
und "wo kommen wir denn da hin",
mit der "Draußen-nur-Kännchen"- Mentalität.
Weil jetzt Flexibilität nötig wäre, Pragmatismus, Solidarität.
Und Vertrauen.
Der Bundesgesundheitsminister hat heute seine Zurückhaltung aufgegeben
und sich dafür stark gemacht,
allen Geimpften ihre alten Freiheiten zurückzugeben.
Er stützt sich dabei auf eine Einschätzung
des Robert Koch-Instituts.
Es soll so etwas sein wie die "Spahnsche Botschaft der Hoffnung".
Susanne Freitag und Dominik Lessmeister berichten.
Impfen, rund um die Uhr.
Seit heute geht das im saarländischen Lebach.
Im ersten 24-Stunden-Impfzentrum in Deutschland,
betrieben von der Bundeswehr.
Bis zu 1.000 Impfungen pro Tag können sie hier verabreichen.
Wir müssen im Schichtdienst arbeiten.
Das heißt, wir brauchen viel zusätzliches Personal,
das natürlich auch von woanders abgezogen werden muss.
Aber auch für die Bundeswehr gilt: Wir wollen zur Normalität zurück.
Und das geht am besten, wenn möglichst viele Menschen
möglichst schnell geimpft werden können.
Schnelles Impfen - das Ziel nicht nur im Saarland.
Geimpfte sollen nach Plänen des Bundesgesundheitsministers
bald Freiheiten zurückbekommen.
Spahn sagte der “Bild am Sonntag“:
Geimpfte könnten ohne Test z.B. ins Geschäft.
Nach Auslandsreisen bestünde keine Quarantänepflicht.
Grundsätzlich ist es richtig,
dass Geimpften mehr Freiheiten wieder eingeräumt werden müssen,
weil sich jetzt gezeigt hat,
dass die Impfung nicht nur vor schwerer Krankheit schützt,
sondern in der Regel auch vor Ansteckung.
Vor der Ansteckung, die so stark verläuft,
dass man andere infizieren kann.
Das ist nicht immer der Fall, aber meistens.
Somit sind bestimmte Freiheiten auf jeden Fall wieder möglich.
Grundlage ist eine neue Auswertung des Robert Koch-Instituts.
So ist das Risiko einer Virusübertragung
durch vollständig Geimpfte ab dem 15. Tag
geringer als bei einem Infizierten
mit falsch-negativem Schnelltest ohne Symptome.
Geimpfte würden zudem wahrscheinlich bei der Verbreitung
keine wesentliche Rolle mehr spielen, so das RKI.
Mehr Freiheiten für Geimpfte: Die Bundesländer müssten das umsetzen.
Selbstverständlich wird es irgendwann wichtig sein,
dass man Personen, die sich impfen lassen, auch zugesteht,
sich ihre Grundrechte, ihre Freiheiten zu nehmen.
Aber solange wir nicht allen ein Impfangebot gemacht haben,
halte ich es für schwierig, hier Menschen,
die geimpft sind, zu privilegieren.
Über 12 % der Deutschen sind bisher mindestens einmal geimpft -
mehr als zehn Millionen Menschen.
4,3 Mio. haben bereits die zweite Impfung erhalten.
Vollständig Geimpfte hätten ein Recht auf Freiheiten,
sagen Experten.
Letztere müssen dann auch von ihren Freiheiten
wieder Gebrauch machen können.
Diese Unterteilung ist misslich, sie kann auch für Unmut sorgen.
Nur verfassungsrechtlich ändert das nichts daran,
dass sich die Freiheitsbeschränkung bei den Geimpften
nicht mehr rechtfertigen lässt.
Bislang sind nur gut fünf Prozent der Deutschen vollständig geimpft.
Ihre Zahl dürfte in den kommenden Wochen und Monaten
aber deutlich steigen.
Und damit auch der Druck nach Rückgabe von Freiheitsrechten.
Der Papst wirkte heute bedrückt, auch wenn er Mut machen wollte.
Den Segen "Urbi et Orbi" muss er im Petersdom erteilen
vor wenigen Gläubigen statt vor zigtausenden auf dem Petersplatz.
Ein Fest der kleinen Gesten.
Zum zweiten Mal schon feiern die Christen Ostern in der Pandemie.
Und suchen Kraft in der Botschaft der Auferstehung.
Aus Hamburg berichtet Martin Niessen.
Der Glaube: stärker als die Angst.
In den Hamburger Michel kamen heute rund 150 Gläubige.
Trotz hoher Inzidenzzahlen
und Appellen aus Politik und Kirchenverbänden,
auf Präsenz-Gottesdienste zu verzichten.
Die haben hier ganz tolle Hygienemaßnahmen getroffen.
Es ist eine schwere Zeit, es gibt uns Trost und Zuversicht.
Eine gute Predigt zu hören am Ostersonntag ist immer schön.
Gott überwinde den Tod,
das sei die Osterbotschaft, so der Michel-Hauptpastor.
Und gerade jetzt eben wichtiger denn je.
Es sind wenige Leute, die kommen, aber es sind Menschen,
denen gerade der Präsenz- Gottesdienst so wichtig ist
wie ein Lebensmittel.
Und Menschen gehen auch einkaufen in dieser Zeit.
Sie setzen sich dem Markt aus, dem Lebensmittelladen,
dem Öffentlichen Nahverkehr und auch dem Verkehr auf den Straßen.
Die Auferstehungsgemeinde Hamburg-Lohbrügge
hat schon vor Tagen anders entschieden
und einen rein digitalen Gottesdienst vorbereitet.
Für uns ist das die einzig vernünftige Entscheidung
zum Wohle aller.
Wir wollen alle, dass die Pandemie so schnell wie möglich endet.
Und das ist unser Beitrag, unser Verzicht,
damit es schnell vorbeigeht.
Im Ringen der Kirchen um den richtigen Umgang
mit dem zweiten Ostern in der Pandemie
haben sie in Rostock einen Kompromiss gewählt:
Präsenz ja, aber unter freiem Himmel.
Ostern ist ein Fest, das in der Gemeinde stattfindet.
Gemeinde heißt eben auch, sich zusammenzufinden
und auch unter solchen Umständen gemeinsam zu feiern.
Das ist ja ganz gut geglückt.
Es war auch ein schönes Erlebnis, das so draußen zu erleben,
mit der Kirche so von außen.
Auch in katholischen Kirchen wie im Limburger Dom
wurden Gottesdienste mit Gläubigen gefeiert.
Damit das höchste Fest der Christenheit Kraft spende,
so der Bischof des Bistums Limburg
und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.
Die Nähe des auferstandenen Herrn, die wir in dieser Feier
spüren dürfen, trage Sie durch diese Krisenzeit hindurch,
wo wir uns nicht so treffen können, wie wir es wünschen,
wo wir aushalten müssen in den Beschränkungen,
die uns auferlegt sind,
damit kein noch größerer Schaden entsteht.
Schaden wollten sie auch im Hamburger Michel vermeiden.
Und so wurde das Abendmahl möglichst Corona-konform geteilt,
mit Maske und hinter Plexiglas.
Die Kirchen in Deutschland zu Ostern komplett dichtzumachen,
wie es die Kanzlerin wollte,
das hatten beide großen Konfessionen diesmal abgelehnt.
Die Menschen bräuchten Licht in der Dunkelheit.
Und damit sind wir auch schon in der Politik, Kay-Sölve.
Bis Pfingsten will die Union ja über die Kanzlerkandidatur entscheiden.
Nun drängt Bundesinnenminister Seehofer auf eine rasche Klärung.
Dass die wichtigsten Fragen noch offen sind, bekomme der Union
ganz offensichtlich nicht, sagte er der "Welt am Sonntag".
Die schlechten Umfragewerte seien ein Alarmzeichen.
Als aussichtsreichste Kandidaten
gelten CSU-Chef Söder und NRW-Ministerpräsident Laschet.
Mit Blick auf die Corona-Pandemie plädierte Seehofer
für ein stärkeres Eingreifen des Bundes.
Ein entsprechendes Gesetz
könne binnen kürzester Zeit verabschiedet werden.
Ähnlich äußerte sich Bayerns Ministerpräsident Söder
in der "Bild am Sonntag":
Es brauche einen einheitlichen bundesweiten Pandemieplan.
Außerdem sei zu überlegen, ob ein erneuter kurzer,
aber dafür konsequenterer Lockdown nicht ein besserer Weg wäre,
als ein "halbherziges und dafür endloses Corona-Konzept".
Die Bundesregierung hat nun auch die Niederlande
zum Hochinzidenzgebiet erklärt.
Das bedeutet schärfere Regeln für Einreisende: Ab Dienstag
dürfen sie nur mit einem negativen Corona-Test die Grenze passieren.
Die Niederlande sind bereits das vierte Nachbarland,
das als Hochinzidenzgebiet gilt.
Zuvor waren schon Polen, Tschechien und Frankreich hochgestuft worden.
Der französische Bezirk Moselle gilt außerdem als Virusvarianten-Gebiet.
Nach den "Querdenken"-Demonstrationen in Stuttgart
gibt es heute viel Kritik, nicht nur an den Teilnehmern,
sondern auch an Politikern und Polizei.
Obwohl die meisten der 15.000 Demonstranten weder Masken trugen
noch Abstand hielten, waren die Beamten kaum eingeschritten.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft wirft der Stadtverwaltung vor,
die Kundgebungen erlaubt und damit der Polizei
"den Mist vor die Füße gekippt" zu haben.
"Mafia raus", haben sie gerufen im letzten Sommer.
Zehntausende Menschen, monatelang, auf den Straßen von Bulgarien.
Gegen Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft, Korruption.
Laut Transparency International gibt es kein Land
in der Europäischen Union, das korrupter wäre als Bulgarien.
Heute ist dort Parlamentswahl.
Es wäre die Chance, etwas zu ändern
am Herrschaftssystem des Bojko Borrisow,
mit dem der Ministerpräsident
seit gut einem Jahrzehnt sein Land steuert - das ärmste der EU,
mit hohen Infektionszahlen und niedriger Impfquote.
Britta Hilpert berichtet.
Für seine schöne Lage kennt man Weliko Tarnowo in Bulgarien,
für die alten Gassen und die Stadtgalerie.
Doch die steht für den Oppositionskandidaten Kaloyan Jankow
eher für Korruption.
Dreimal mehr als den Marktpreis
zahlte die öffentliche Hand für die Fenster.
Die Ausschreibung war gezinkt, die Justiz schaut weg,
das hat System, meint er.
Der Fisch stinkt vom Kopf her.
Die Regierung ist verantwortlich für all das,
wie Ausschreibungen gemacht werden und wie auf Betrug untersucht wird.
Sie tun es nicht.
Zu Tausenden protestierten im letzten Jahr Bulgaren
gegen schwache Justiz, gegen die Regierung und ihre Skandale.
Ein Minister saniert sich sein Ferienhaus mit EU-Fonds,
eine andere empfiehlt, über Betrug mit EU-Mitteln zu schweigen,
sonst, so sagt sie, “streicht uns die EU womöglich noch das Geld“.
Und Regierungschef Borissow wird schlafend so fotografiert –
die Geldbündel seien untergeschoben, sagt er.
Bei den oft regierungsabhängigen Medien kommt er damit durch.
Bulgarien ist Schlusslicht
im Korruptions- und Pressefreiheitsranking.
Doch Borissow sagt:
Medien sind bei uns so frei,
dass man es kaum mit anderen Ländern vergleichen kann.
Es wurde schlimmer in Borissows Amtszeit,
meint die Anti-Korruptionsexpertin,
mangelnde Pressefreiheit sei nur ein Anzeichen dafür.
Die Pandemie drängt das in den Hintergrund.
Die Bulgaren durchleben eine harte dritte Welle,
haben eine der höchsten Todesraten der EU.
Trotzdem hat die Regierung zuletzt die Maßnahmen sogar gelockert.
Angst vor Ansteckung verschrecke Wähler, meinen Analysten –
vielleicht sogar gewollt.
Die Zahl der Infektionen stieg und trotzdem hat die Regierung
Restaurants und Cafes geöffnet, das war leichtsinnig.
Sie hat es zugelassen, dass deshalb die Zahl der Wähler sinkt.
Dank ihrer treuen Stammwählerschaft können sie deshalb gewinnen.
Das ärmste Land der EU wählt mitten in der Pandemie.
Armut und Ungerechtigkeit treten da in den Hintergrund.
Es ist keine Zeit der Wechselstimmung.
Speziell in der Hauptstadt Sofia kann man
viele junge und gut gebildete Bulgarinnen und Bulgaren treffen,
die ihr Land ändern wollen, von Grund auf.
Und von einer liberalen, weltoffenen Demokratie träumen,
die ohne Schmiergeld funktioniert.
Nach den ersten Prognosen heute Abend
liegt die Partei des amtierenden Premiers wieder vorn.
Aber offenbar mit Verlusten, die Regierungsbildung wird kompliziert.
Kay-Sölve mit dem Blick auf einen nicht immer sportlichen Fußball-Tag.
Denn in der Bundesliga begann das Berliner Derby mit einem Feuer,
ausgelöst durch Pyrotechnik.
Es konnte aber schnell gelöscht werden.
Das Spiel ergab ein Unentschieden:
Gastgeber Union kam gegen die Hertha nicht über ein 1:1 hinaus.
Zuvor hatte der VfB Stuttgart gegen Bremen gewonnen, mit 1:0.
Der Treffer war ein Eigentor.
Beim DFB-Pokal der Frauen hat der VfL Wolfsburg das Finale erreicht.
Sie gewannen gegen den FC Bayern mit 2:0
und beendeten damit die Siegesserie der Münchnerinnen.
Alexandra Popp brachte Wolfsburg in der 13. Minute in Führung.
In der Nachspielzeit der ersten Hälfte
folgte das 2:0 durch Ewa Pajor.
Im Finale treffen die Wolfsburgerinnen
am 30. Mai auf Eintracht Frankfurt.
Das Osterfinale wird ungemütlich, hier ist das Wetter.
Nur im Süden bleibt es morgen länger freundlich.
Ansonsten kommt von Norden her Regen auf.
Später gibt es bei wechselnder Bewölkung
Schnee- und Graupelschauer sowie kurze Gewitter.
Es weht ein starker westlicher Wind mit schweren Sturmböen.
Danach bleibt es dann sehr wechselhaft
mit etwas Sonne und vielen Schnee-, Schneeregen- und Graupelschauern
sowie kräftigem Wind - dabei wird es deutlich kälter.
Morgen an dieser Stelle Gundula Gause und Claus Kleber.
Vom gesamten heute-journal-Team ein frohes Osterfest.
Und noch einen schönen Abend.