tagesthemen extra 26.09.2021, 21:15 Uhr - Laschet gegen Scholz: Zweikampf ums Kanzleramt, Hochrechnung und Zahlen
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (26.09.2021)
Wie die Berliner Runde sind auch die tagesthemen heute in der Hauptstadt.
Willkommen zu einer Extra-Ausgabe an einem Abend,
an dem politische Gewissheiten ins Wanken geraten.
Die Union erzielt ein verheerendes Ergebnis.
Die Sozialdemokraten erringen einen noch vor wenigen Wochen
undenkbar gehaltenen Wahlerfolg.
Wir wissen noch nicht,
wer eine Koalition bilden wird und wer Kanzler wird.
Zwei haben schon angekündigt, an der Spitze stehen zu wollen.
Wir werden alles daran setzen,
eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden.
Deutschland braucht jetzt eine Zukunftskoalition,
die unser Land modernisiert.
Viele Bürger haben ihr Kreuz bei der SPD gemacht,
weil sie wollen, dass es einen Wechsel in der Regierung gibt.
Und dass der nächste Kanzler Olaf Scholz heißt.
Darüber werden wir sprechen.
Aber zunächst gehen wir zu dem Mann,
der uns schon den ganzen Abend die Ergebnisse präsentiert.
Heute sind die Zahlen ganz spannend.
Sie sind so eng.
Sie verschieben sich auch noch ein bisschen.
Wir haben eine Stichprobe von 500 Wahllokalen ausgezählt.
Es kann noch Verschiebungen geben.
Die SPD wird wohl stärkste Kraft.
Die Linke muss um den Einzug bangen.
Wir blicken in den Bundestag, der wohl größer werden wird.
Wir rechnen mit 730 Sitzen durch Überhang- und Ausgleichsmandate.
Die Grünen sind deutlich angewachsen.
Was im Moment intensiv diskutiert wird, wer mit wem,
lässt sich rechnerisch so darstellen:
Bei der großen Koalition ist es rechnerisch möglich.
Nicht hingegen bei Rot-Grün-Rot.
Das ist die Lage jetzt. Vielen Dank.
Nach diesem Stand sind es zwei, die die Kanzlermacher sein werden.
Bündnis90/Die Grünen und die FDP:
Zwei Parteien, die sich in der Vergangenheit
nicht unbedingt grün waren und nun in einer Koalition regieren könnten.
Können sie das wirklich?
Oder tut das dann doch zu weh mit dem Zähne zusammenbeißen?
Das wollen wir nachfragen.
Zunächst bei Robert Habeck.
Der Klimawandel war eines der drängenden Probleme der Deutschen.
Sie sind aber auf dem dritten Platz.
Schmerz ist Sie das?
Wir haben große Zugewinne.
Wir sind nicht da, wo wir hin wollten.
Wir wollten mindestens 20 Prozent erreichen.
Sie hatten eine historische Chance.
Es gab ein paar Schlampereien im Wahlkampf.
Wir gucken nach vorne.
Wir müssen Deutschland eine Regierung geben.
Niemand hat sich darauf vorbereitet.
Eine Dreierkonstellation kennt das Land noch nicht.
Es muss eine präzise Regierung geben.
Sie muss die großen Aufgaben bewältigen.
Der Wahlkampf interessiert mich nicht mehr.
Die Union macht Avancen in Richtung Jamaika.
Er gibt für Sie das noch Sinn mit Armin Laschet?
Er ist sehr angeschlagen, die Union wohl auf Platz zwei .
Man muss sich klarmachen, was ansteht.
Auf diese Bündnisse hatte sich der Wahlkampf nicht vorbereitet.
Es gibt kein klares Votum, was die Regierung machen soll.
Es muss aber eine Identität, ein Projekt für eine Regierung geben.
Das Malen nach Zahlen hilft nichts.
Man muss inhaltlich einsteigen.
Wir hatten in Schleswig-Holstein die gleiche sind Situation.
Es wurde so gelöst:
Die Parteien, die weit auseinanderstehen, bauten Brücken.
Es gibt kein klares Wählervotum, sagen Sie.
Für die Ampel wären doppelt so viele Grünen-Wähler als für Jamaika.
Ja, Rot-Grün wäre eine klare Sache. Das hab ich immer gesagt.
Aber es ist eben nicht rot-Grün.
Aber da kommt keine gelbe Spachtelmasse dazu.
Es funktioniert jetzt anders, es sind drei Parteien.
Mit der Union wären es sogar vier Parteien.
Das bedeutet ein bisschen Hirnschmalz.
Der Wahlkampf hat nicht ausreichend geleistet, zu zeigen,
wie die Verhältnisse sind.
Dann holen wir einen potenziellen Koalitionspartner dazu.
Stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP, Johannes Vogl.
Sie können die Geschichte selbst klären und sagen,
wer Kanzler werden soll unter Ihnen.
Ich freue uns über das tolle Ergebnis.
Wir sind mit Inhalten wieder zweistellig geworden.
Nur mit Eigenständigkeit. Nur mit Inhalten.
Wir haben nicht mehr in Jahrzehnten gedacht im Wahlkampf.
Wir konnten nicht mehr im Regierungshandeln sehen,
was gemacht werden soll.
Dekarbonisierung, Demografie, Digitalisierung anzugehen.
Es braucht hetzt eine Modernisierungsregierung!
Schmieden Sie die schon? Er sagt, in Schleswig-Holstein lief das gut.
Christian Lindner hat gesagt, das würde Sinn machen,
wenn Grüne und FDP zuerst miteinander reden.
Wir müssen in den nächsten Tagen damit beginnen.
Die jungen Erstwähler, die habe ich mir angeguckt.
Da sind die stärkste Partei bei den unter 30-jährigen
die zweitstärkste Partei.
Das könnte eine Basis sein, trotz inhaltlicher Distanz.
Gibt es inhaltliche Möglichkeiten, sich anzunähern?
Anhörung der Steuern und Aufhebung der Schuldenbremse
waren für Sie ein Problem.
Probleme seien dornige Chancen, hat Christian Lindner gesagt.
An einer anderen Stelle hat er das mal gesagt.
Für uns gilt, dass wir nach der Wahl das tun,
was wir vor der Wahl gesagt haben.
Die Ära Merkel endet in einem neuen Parteiensystem.
Es gibt vier mittelgroße Parteien.
Was lernen Sie aus dem gescheiterten Jamaika-Verhandlungen?
Man muss es in jeder Hinsicht anders machen.
Es hieß Sondierungen, aber es waren Koalitionsgespräche.
Es gab keine politische Idee am Anfang.
Wir haben Spiegelstrichlisten gesammelt.
Dann haben wir gesagt, wir hatten viel Arbeit.
So kann es nicht gehen.
Es braucht eine tragende Idee.
Eine Identität eines Bündnisses.
Und eine gewisse Prokura der verhandelnden.
Und nicht mit Angst, Fehler zu machen.
Was ist Ihre wichtigste Forderung?
Nicht auf den Balkon gehen.
Inhaltlich haben wir das deutlich gemacht.
Ich habe das damals auch so erlebt, es wurde sich in Details verloren.
Wir sprachen einmal über Rentenpolitik.
Ich war für das schwedische Rentensystem.
Eine prominente Verhandlungspartnerin der Union
sagte, das können wir nicht verhandeln.
So geht es nicht.
Ein angeschlagener CDU-Vorsitzender, hat der für Sie ein starkes Mandat?
Wir haben ein verändertes Parteiensystem.
Es gibt vier mittelgroße Parteien.
Wir müssen ein Bündnis bilden.
Wir müssen der Verantwortung gerecht werden.
Das gilt auch für die Union.
Doof ist, dass Sie beide das Finanzministerium wollen.
Eine substantielle Frage muss beantwortet werden.
Wer bezahlt die Veränderung?
Mieter oder Unternehmer?
Oder nutzt der Staat Solidaritätskraft?
Man sollte das nicht an den Anfang stellen.
Klingt, als wolle er das wollen.
Wir sind für die Investitionskraft von privaten Unternehmen.
Danke für das Gespräch.
Grüne und FDP:
Zwei, die diese Wahl nicht gewonnen haben
und doch über den endgültigen Sieger wohl entscheiden könnten.
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