Folge 159: Die Kardaschow-Skala
Folge 159: Die Kardaschow-Skala.
Energie ist wichtig. Energie gibt uns die Möglichkeit, Dinge zu tun. Ganz früher war das nur die Energie, die wir durch unsere Nahrung aufgenommen haben und dann in Form von reiner Muskelkraft in Arbeit umgesetzt haben. Heute nutzen wir die Energie, die uns Sonne, Wasser, Wind, fossile Brennstoffe und Atomkraft zur Verfügung stellen und wandeln sie in elektrischen Strom um. Dieser Strom treibt unsere Zivilisation an und wir können eigentlich nicht genug Energie haben.
Und diese Energie ist eigentlich auch ausreichend vorhanden. Wir haben uns zwar dummerweise vor einiger Zeit darauf beschränkt, fossile Brennstoffe wie Kohle und Erdöl zu nutzen und diese Ressourcen sind mittlerweile wirklich bald aufgebraucht. Das wäre aber eigentlich kein Problem. Kohle und Öl sind ja nichts anderes als gespeicherte Sonnenenergie. Und von der gibt es mehr als genug auch “frisch” direkt von unserem Stern. Wir müssten nur damit anfangen, sie auch wirklich zu nutzen.
Es wäre auf jeden Fall viel mehr Energie da, als wir derzeit nutzen. Sollte es irgendwo anders im Universum andere intelligente Lebewesen geben, sind die vielleicht schon weiter und haben es geschafft, über mehr Energie zu verfügen. Wie man Zivilisationen anhand ihres Energieverbrauchs klassifizieren kann, hat sich in den 1960er Jahren der russische Astrophysiker Nikolai Semjonowitsch Kardaschow überlegt. Kardaschow war einer der Pioniere in der Sowjetunion bei den Programmen zur Suche nach außerirdischen Intelligenzen. In der westlichen Welt startete man zur gleichen Zeit Projekte die sich zu den modernen SETI-Programmen entwickelten. Im Osten war man nicht ganz so intensiv bei der Sache, Kardaschows Überlegungen haben aber bis heute überdauert und werden immer noch verwendet.
Kardaschow legte damals drei grundlegende Kategorien fest. Eine Zivilisation vom Typ I sollte in der Lage sein, die gesamte Energie zu nutzen, die auf einem Planeten zur Verfügung steht. Das sind bei der Erde ungefähr 100 Petawatt; eine 1 gefolgt von 17 Nullen. Das ist schon deutlich mehr, als wir Menschen in der Lage sind zu nutzen. Auf Kardaschows Skala der Zivilisationen schaffen wir also nicht mal die erste Stufe! Man schätzt, dass wir 2012 weltweit circa 553 Exajoule bzw, 154 Terawattstunden verbraucht haben. Damit landen wir auf der Kardaschow-Skale bei einem Zwischenwert von etwa 0,72. Das ist nicht wenig, aber wir sind noch weit davon entfernt, alle Energie zu nutzen, die uns die Erde zur Verfügung stellt. Mit der aktuellen Technik kriegen wir das auch nicht hin. Würden wir tatsächlich die gesamte auf die Erde fallende Sonnenergie mit derzeitigen Methoden nutzen wollen, müssten wir auch die gesamte Erdoberfläche mit Sonnenkollektoren zupflastern. Das wäre nicht nur sehr aufwendig sondern auch unpraktisch für uns Menschen, denn wir müssten dann irgendwo unterirdisch wohnen. Wir könnten die entsprechende Energie aber anders gewinnen. Zum Beispiel durch den Bau großer Solarkraftwerke im Weltall. Oder durch die Entwicklung von Fusionskraftwerken, die wir dann in großem Maßstab einsetzen müssen. Um als Typ-I-Zivilisation durchzugehen, müssten wir pro Sekunde ungefähr 280 Kilogramm Wasserstoff in Helium umwandeln und die dabei freiwerdende Energie sammeln. Das wären knapp 9 Milliarden Kilogramm Wasserstoff pro Jahr. Klingt viel, ist aber 100 hundert Mal weniger als man in einem Kubikkilometer Meerwasser finden kann. Und da die Ozeane der Erde sehr, sehr viele Kubikkilometer Wasser enthalten könnten wir so auch sehr, sehr lange Energie im Rahmen einer Typ-I-Zivilisation produzieren; mindestens eine Milliarde Jahre lang.
Und selbst wenn wir das irgendwann mal hinkriegen sollte: Es wäre noch deutlich Luft nach oben! Die Sonne strahlt ihre Energie in ALLE Richtungen ab. Wir auf der Erde nutzen aber nur das kleine bisschen, dass in unsere Richtung gelangt und auf unseren Planeten fällt. Die gesamte Leistung der Sonne beträgt etwa 10 hoch 26 Watt – also eine Milliarde mal mehr als das, was wir hier auf der Erde mitkriegen.
Wären wir in der Lage, die GESAMTE Energie der Sonne zu nutzen, dann wären wir laut Kardaschow eine Zivilisation vom Typ II. Die bekannteste Methode das zu erreichen ist die sogenannte Dyson-Sphäre. Das Konzept dazu stammt vom Astronom Freeman Dyson und wurde ebenfalls schon in den 1960er Jahren entwickelt. Ganz vereinfacht gesagt schlug Dyson vor, eine Hülle um einen Stern zu bauen. Die würde dann dessen gesamte Energie auffangen und bereit stellen. Würde man eine Kugelschale um die Sonne bauen, deren Durchmesser dem Durchmesser der Erdumlaufbahn entspricht, dann würde man auf deren Innenseite überall die gleiche Energie abbekommen, die wir jetzt auch auf der Erde kriegen. Insgesamt könnten wir aber die ganzen 10 hoch 26 Watt nutzen. Wir hätten auf der Innenseite dieser Dyson-Sphäre auch wesentlich mehr Platz zur Verfügung: Ihre Oberfläche beträgt das 550 Millionenfache der Erdoberfläche!
Klingt gut, aber es gibt ein paar Probleme. Auf der Innenseite der Kugelschale würden wir keine Gravitationskraft spüren. Man müsste die gigantische Kugelschale irgendwie in Rotation versetzen, um eine künstliche Schwerkraft zu erzeugen. Wir müssten außerdem in der Lage sein, die Position der Schale im Vergleich zur Sonne zu verändern und korrigieren um zu verhindern, dass sie im Laufe der Zeit zur Seite driftet. Und das ist bei weitem noch nicht alles: Das Material aus dem so eine Sphäre besteht müsste unvorstellbar stark sein, um die wirkenden Kräfte auszuhalten. Und dann ist vermutlich nicht mal genug Material vorhanden! Man schätzt, dass ungefähr 10 hoch 26 Kilogramm an brauchbaren Baumaterial im Sonnensystem vorhanden sind. Das entspricht der 17fachen Masse der Erde. Wir müssten all das überall im Sonnensystem einzusammeln; dabei ganze Planeten wie Mars, Merkur oder Venus auseinander nehmen und die massiven Kerne aus dem Inneren der Gasplaneten holen. Selbst wenn wir das schaffen würden, würden wir damit gerade mal eine Kugelhülle von circa 15 Zentimeter Dicke bauen können. Sie wäre ein leichtes Ziel für Kollisionen mit Kometen und Asteroiden und anderem Kram, das von außen auf die Sphäre trifft.
Aber natürlich gäbe es Alternativen. Statt einer Dyson-Sphäre könnte man einen Dyson-Schwarm bauen. Also viele kleine Strukturen, die um die Sonne kreisen und dabei möglichst viel von dessen Energie einsammeln. Man könnte dann entweder gleich direkt dort wohnen oder die Energie irgendwie zur Erde transportieren. Man könnte auch anstatt einer kompletten Schale nur einen Ring bauen.
Oder aber man sucht sich andere Methoden, um auf die für eine Typ-II nötige Energiemenge zu kommen. Die Methoden von Stufe I könnte man auf verschiedenen Planeten anwenden und so die Ausbeute erhöhen. Vielleicht kann man sich auch einfach ein bisschen Wasserstoff direkt vom Stern klauen und damit die Fusionskraftwerke antreiben. Wer schon die Stufe I erreicht hat, weiß vielleicht auch schon wie man Antimaterie in großen Mengen produziert und kann damit Energie erzeugen.
Aber selbst wenn man sich die gesamte Energie eines Sterns nutzbar gemacht hat, kann es noch weiter gehen. Denn der Himmel ist ja voll mit Sternen – warum also diese ganze Energie ungenutzt lassen! Kardaschow hat deswegen auch noch eine dritte Klasse geschaffen. Eine Zivilisation vom Typ-III wäre in der Lage, die Energie ALLER Sterne zu nutzen, die sich in ihrer Galaxie befinden. In unserer Milchstraße gibt es ein paar hundert Milliarden Sterne und damit auch ein paar hundert Milliarden mal mehr Energie zu sammeln. Dazu könnte man natürlich “einfach” alle Sterne mit entsprechenden Dyson-Strukturen umgeben. Aber wer weiß, was solchen Zivilisationen noch alles einfällt. Vielleicht kriegen sie es irgendwie hin, die Energie anzuzapfen die in der Nähe des supermassereichen schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße freigesetzt wird? Oder sie können die Energie nutzen, die bei Supernova-Explosionen entsteht? Man kann hier wirklich nur mehr spekulieren.
Theoretisch bestünde auch die Möglichkeit, nach solchen Superzivilisationen zu suchen. Ein Stern, der sich hinter einer Dyson-Sphäre versteckt ist zwar nicht mehr sichtbar. Aber die Sphäre selbst heizt sich auf und gibt die Wärme wieder ins All ab. Man würde dann anstatt eines Sterns eine schwach im Wärme- also Infrarotlicht leuchtende Kugel sehen deren Strahlung sich deutlich von der natürlichen Infrarotstrahlung unterscheidet die man von Sternen oder Planeten messen kann. Es gab sogar schon Versuche, solche Signaturen in Beobachtungsdaten zu entdecken, aber die blieben erfolglos. Mit der gleichen Methode könnte man auf die Suche nach Typ-III-Zivilisationen bei anderen Galaxien gehen. Wenn jeder der oder zumindest ein Großteil aller Sterne einer Galaxie entsprechend modifiziert wurde, dann würde man das am Licht bemerken, das uns von dieser Galaxie erreicht. Auch danach hat man in den katalogisierten Daten schon gesucht und blieb ebenfalls erfolglos.
Aber spekulieren kann man natürlich weiterhin! Man hat die ursprüngliche dreistufige Klassifikation von Kardaschow sogar erweitert. Eine Zivilisation vom Typ IV wäre demnach in der Lage, die im gesamten Universum verfügbare Energie zu nutzen. Und – vorausgesetzt es gibt mehr als nur ein Universum – könnte man sich sogar noch eine Typ-V-Zivilisation denken, die es geschafft hat sich die Energie dieses Multiversums nutzbar zu machen. Wie man sich das oder die Wesen die so etwas geschafft haben aber konkret vorstellen soll, weiß niemand. Das ist nun wirklich der Stoff der Science-Fiction und nicht mehr der Wissenschaft…