Maria Popov: „Es wird Zeit, dass Queerness nicht der Joke ist.“ | GERMANIA (1)
Meine Eltern haben so krass dafür gehustlet, dass wir Kinder so deutsch
wie möglich werden mit den besten Absichten, mit der Hoffnung,
dass wir in Deutschland untergehen als Menschen mit Migrationshintergrund,
dass wir am besten einfach nur als deutsche Kinder wahrgenommen werden.
Ich heiße Maria Popov, ich bin Journalistin und Moderatorin. Ich bin
in Mönchengladbach aufgewachsen und in Plovdiv geboren. 1994, ich war also
nur ein kleines Jahr alt, sind wir von Bulgarien nach Deutschland gezogen.
Ich glaube es gab viele Beweggründe dafür, nach Deutschland migrieren zu wollen
und alles abzureißen, was sie sich schon in Bulgarien aufgebaut hatten.
Und besonders ging es, glaube ich, um Bildung. Ich durfte auch schon
Ich durfte auch schon als 13-Jährige alleine nach Bulgarien fliegen, weil ich glaube meine Mama hatte
noch so die Hoffnung, dass vielleicht so ein Fünkchen bulgarische Identität noch
in mir erhalten bleibt. Aber diese Identität, die gab es wirklich nur in 5
Wochen. Da war ich dann die Deutsche in Bulgarien. Bei meiner Verwandtschaft,
die ich sehr, sehr geliebt habe, die einen ganz großen Teil meiner Entwicklung,
meiner Identität ausgemacht haben. Und in Deutschland war ich aber die Deutsche,
die auch fast nie damit konfrontiert wurde, in einer negativen Art und Weise
einen Migrationshintergrund zu haben. Trans, inter, nicht-binär, genderqueer,
genderfluid, agender - nan weiß nicht genau, wie viele Geschlechter es gibt.
Ich darf für ein Format arbeiten, das heißt "Auf Klo". Und das existiert seit 5
Jahren, seit über 5 Jahren. Das bedeutet seit über 5 Jahren konnten so viele tolle
Menschen mitarbeiten daran, coole Inhalte für besonders junge Frauen zu entwickeln.
Wir sprechen gleich auch noch darüber, wie dir Psychotherapie tatsächlich auch beim
Liebeskummer bekämpfen, geholfen hat. Wenn mir dann jemand ins Gesicht
oder in meine Insta-DMs schreibt "Ihr habt mein Leben verändert", dann freue ich mich
mit für all diese Menschen, die daran gearbeitet haben. Ich habe angefangen,
Journalismus sehr viel mit Feminismus und mit queeren Feminismus zu verbinden.
Ich habe sehr viel angefangen, wenn ich Interviewpartner*innen suche für Filme
oder für Beiträge, die ich machen kann. Queere Menschen, Transpersonen dabei
mit einzubeziehen. Für mich ist es schwierig, wie viel ich immer wieder
wie so ein Alien ausgeklammert werde und nicht einfach nur eine Frau bin,
sondern wie oft ich immer wieder so- Ich bin pro Frauenquote, weil wir in unserer
Gesellschaft noch lange nicht so weit sind, dass die Geschlechter
gleichberechtigt sind und deswegen brauchen wir manche Werkzeuge,
meiner Meinung nach, die uns helfen, dahin zu kommen. Das ist aber einfach das große
Ziel. Wie genau wir dahin kommen, ist mir egal, solange wir alle anerkennen,
dass wir da noch nicht sind und da aber hinwollen. Ich kritisiere ganz viel
Ich kritisiere ganz viel Repräsentation in Medien, weil ganz viele Teile unserer Gesellschaft einfach noch
nicht in den Medien angekommen sind. Da spreche ich darüber, dass 25 %
von der deutschen Gesellschaft hat einen Migrationshintergrund. Wo sind
die im Fernsehen? Zahlen zeigen zum Beipsiel, dass 11 % oder so
ein Migrationshintergrund haben. Das ist mir zu wenig. Queere Personen! Da wurde
ich schon konfrontiert mit Sätzen wie: "Hä? Queere Personen sind überall. Das ist
uns fast ein bisschen zu viel." Ich bin so: "Ja, aber guck mal wo!" Also
wenn dein Algorithmus dir das sagt, dann wird sicherlich YouTube denken: Ja,
lass der mal ein bisschen mehr queere Inhalte zeigen.
Ich würde sagen, ich war schon immer ein queeres Kind, nur ich konnte das vielleicht nicht selbst so
benennen. Ich habe ganz viel nach Vorbildern gesucht und sie nicht gefunden
und mich trotzdem wie so vorbereitet mithilfe des Internets, um für den Moment
vorbereitet zu sein, sich zu trauen, diese Worte im Kopf auszusprechen: "Okay,
du bist nicht hetero." Mein Zimmer war komplett volltapeziert mit den Olsen
Twins. Komischster Teenie-Crush ever. Und checke ich halt jetzt
erst, dass es ein Teenie-Crush ist. Naja. Der andere Teil meiner Familie,
der in Bulgarien lebt - und zwar ist meine komplette Familie eigentlich in Bulgarien,
außer eine Oma, die ich noch in Deutschland habe - die haben nicht
die Bildung genossen zu lernen, dass die LGBTQ-Community ein Teil unserer
Gesellschaft ist und nicht diskriminiert werden sollte. Meine Eltern hatten
diese Bildung also auch nicht und trotzdem haben sie eine natürliche Liebe
für ihr Kind und das Wissen, dass sich nichts verändert ab dem Tag, wo sie mal
eine Freundin nach Hause bringt. Ich hatte schon immer eine queere Identität, aber ab
dem Zeitpunkt, wo ich wusste "Krass, dieses LGBTQIA+, das bist du und du
gehörst dazu." Für mich war das nicht so wichtig, mich selbst darin zu verorten.
Für mich und meine Arbeit, die ich als sehr sinnhaft empfinde, war
es sehr wichtig, weil ich damit meine Stimme finden konnte
und die auch für andere Menschen, die weniger Gehör finden, erheben konnte.
Ich glaube ich hab so vor einem halben Jahr als "Loving Her" beim ZDF
in der Mediathek online war, alles ziemlich schnell geguckt und auch in einem
durchgesuchtet. Ich fand das super berührend, super schön, eine Realität
in der Mediathek zu sehen, die meiner gleicht. Trotzdem muss man einfach sagen,
diese Formate sind für mich und für meine Freund*innen vielleicht groß, aber
in der großen ganzen Gesellschaft sind wir noch nicht da angekommen, wo die Leute
viele Preise bekommen, wo die Menschen, die da mitspielen hammerviel Geld
verdienen, so wie andere Schauspielende oder Menschen die Medien machen hammerviel
Geld verdienen. Auch wenn Menschen das Gefühl haben, die sind doch überall,
wie ich gerade schon erzählt habe, dann muss man einfach sagen, wenn sie irgendwo
sind, dann noch lange nicht wertgeschätzt. Noch lange nicht so, wie andere Menschen
erfolgreich sein dürfen in ihrem Job.
Mehrheitlich findet Queerness dann in den Medien statt, wenn es um weiße, schwule Männer geht.
Und auch für die schwule Community um Männer geht, die das schwule Klischee
darstellen. Am besten sind das Männer, die total feminin sind. Am besten sind
das Männer, die eigentlich nur für den Joke herhalten. Ich wünschte mir, das wäre
anders. Und vor allen Dingen wird es dringend Zeit, dass Queerness nicht der Joke,
die Pointe ist, sondern auch mal nebenbei gezeigt werden kann, auch mal
die Hauptperson ist, auch mal die Person ist ganz vielschichtig und kompliziert
und auch mal scheiße ist. Aber bitte nicht der Joke und die Pointe. Das war einfach zu lange schon so!
Das ist ein riesen Privileg, mir hören einfach fast 30.000
Menschen zu. Und das ist ein riesiges Glück und eine riesige Verantwortung.
An manchen Tagen ist es auch einfach der größte Scheiß. An manchen Tagen bedeutet
das, dass man morgens aufwacht und wenn man kurz vergessen hat,
in was für einer Phase ich gerade wieder bin, nämlich in einer Phase, wo junge
Männer, die noch nie von Feminismus gehört haben, sich bedroht fühlen von meiner
alleinigen Existenz. Dann wache ich gerade auf und nehme mein Handy in die Hand,
wie man das so macht und werde durch einen Dick-Pic erinnert daran, dass ich mich
verpissen soll. Werde durch eine Morddrohung, die vielleicht nur 5 Wörter
aneinandergereiht sind, erinnert, dass die Person, die dich an der Supermarktkasse
lange angestarrt hat, dich vielleicht doch nicht so toll findet. Und ich als Person
mit Migrationshintergrund, als queere Person, die über Menschen spricht,
die noch viel mehr Shit erleben, als ich es je erleben musste, einfach
den geballten Hass in die Fresse geballert zu kriegen. Niemand kann mir so viel
Stundenlohn zahlen, wie mich das die ganze Nacht noch beschäftigt. Und die meiste
Liebe, die ich bekomme, ist eben die Liebe, die noch nicht mal mich persönlich
betrifft. Denn die kann auch überfordernd sein, auf einmal von 100 Leuten gesagt
zu bekommen "Du bist so toll" und man denkt "Fühle ich heute gar nicht, irgendwie. Fühl ich wirklich heute gar nicht!"
Ich bin die Yasemin und ich bin gebürtige Mönchengladbacherin. Und ja, Maria kenne
ich jetzt seit 10/11 Jahren. Ja, schon ziemlich lange. Genau. Trotzdem,
auch wenn sich 11 Jahre wenig anfühlen für unser Leben, dass wir in dieser Stadt
verbracht haben, bist du meine langjährige engste Freundin. Und das ist für mich voll
wichtig. Für mich auch, ja.
Ich mag das voll gerne, wie wir total oft Gemeinsamkeiten finden, wie du mit Jugendlichen umgehst. Du natürlich noch
mal im Bildungssystem, aber wir beide junge Menschen erreichen und damit
auch Themen setzen können oder so, dass hat so viele Parallelen. Genau die Themen
sind oft ähnlich. Ich finde aber auch die Art und Weise, also dass wir lernen
müssen, Gespräche zu führen oder überzuleiten und solche Dinge. Wenn du
von irgendeinem Struggle berichtest, verstehe ich das irgendwie so direkt,
weil ich weiß, das ist mir auch schon mal so passiert. Nur halt dir vielleicht
vor der Kamera und mir im Klassenraum. Und das finde ich echt- Hätte ich gar nicht
gedacht, dass die Berufe so ähnlich sind.
Erinnerst du dich, also überhaupt, an Momente, wie habe ich das mit dir zusammen verarbeitet, wenn ich Hass
erlebe? Also du hast mir nicht so viel davon erzählt. Du versuchst es glaube
ich sehr rational zu halten und manchmal erzählst du so ein bisschen davon,
aber dann ist es schon wieder ein bisschen länger her. Ich habe dann immer so einen
Moment, wo ich erst mal geschockt bin und du dann "Ja, aber alles gut
und die Redaktion hat das geprüft" und dies und das. Das war oft, dass du selber nicht
so ein Riesending draus machen wolltest. Ne und ich glaube, sonst hätte
ich den Beruf auch nicht. Deswegen halte ich das auch so gut aus, weil die Dinge,
die wir dann wirklich besprechen, sind ganz andere Probleme meines Lebens
und nicht der Hass von anderen.
Maria ist eine Heldin, weil sie in den dunkelsten Momenten immer alles auf eine rationale Ebene bringen kann. Also sie zeigt mir,
es ist nicht dunkel, da sind immer irgendwelche Wege, Lösungen. Also das ist
immer irgendwie machbar ist und man fühlt sich einfach sicher. Und ich weiß, wenn du
da bist, dann wird einfach alles gut.
Ja, an manchen Tagen wünsche ich mir, dass mein Job etwas wäre, was ich mit den Händen machen kann. Wo man am Ende des
Tages immer sagen kann Boom-Zack, fertig. Ich kann es sehen. Ich kann mich fühlen.
Ich kann es riechen. Ich verfluche das ganz, ganz selten. Ich verfluche
auch nur ganz selten, dass ich als öffentliche Person arbeite, weil ich mir
zur Aufgabe gemacht habe, es einfach zu nutzen, das als Instrument zu sehen.
Und ich habe zum Glück sehr doll gelernt, wie das geht, sich zu distanzieren
von zum Beispiel einer öffentlichen Meinung, von dem Druck, den das Internet,
Soziale Medien auf einen ausüben können. Wäre ich mit Instagram aufgewachsen,
Hallelujah. Also ich weiß nicht, ob ich damit klar gekommen wäre, weil das ist einfach ein hartes Pflaster.
Ich würde richtig gerne mein ganzes Leben lang noch
online arbeiten, wenn Ressourcen dafür mal freigemacht werden, dass Medien,
die im Internet stattfinden, genauso honoriert werden müssen wie Medien
im linearen Fernsehen. Das ist einfach nur eine viel zu große Schere. Also ganz viele
Online-Journalist*innen, die zum Beispiel gerade frisch in ihren Beruf einsteigen,
können nicht davon leben. Das ist nicht in Ordnung, das ist irgendwie
ein Ungleichgewicht zu Menschen, die sich nicht Online-Journalist*innen schimpfen,
sondern Print, Fernsehen, Radio. Das kritisiere ich mega doll.
Auch, wenn wir noch ganz weit davon entfernt sind, dass in den nächsten vier Jahren
politisch Dinge umgesetzt werden, sodass marginalisierten Menschen mehr Zugänge
verschafft werden, dass Gesetze sich so ändern oder sagen wir mal schon-
Ich erwarte gar nicht viel, kommt schon, Leute. Ich erwarte nur, dass Menschen
mit in die eigenen Reihen geholt werden, denen zugehört wird,wenn
es um Diskriminierung in Deutschland geht. Kommt schon, ist doch net so schwer.
Die größten Veränderungen in unserer Gesellschaft, die größten Revolutionen
sind nicht durch die Mächtigen passiert, sondern durch Bürger*innen, die sich
zusammengetan haben. Und das wünsche ich mir durch die Zukunft, dass es dafür noch
viel mehr Türöffner gibt, dass es Menschen gibt, die es schaffen, große,