Vermessung der Erde: Von der Nebra-Scheibe bis zum GPS | Ganze Folge T... (1)
Unsere Erde: Eine faszinierende und verletzliche Welt.
Seit jeher versuchen wir, unseren Planeten zu vermessen.
Wir wollen uns auf ihm zurechtfinden.
Mit einfachsten Methoden erfassen die Gelehrten der Antike die Welt.
Und kommen zu bemerkenswerten Ergebnissen.
Seither wurde fast jeder Quadratmeter an Land kartiert.
Auch mit Hilfe modernster Satellitentechnik.
Wer exakte Daten über die Erde besitzt, hat große Vorteile.
Weltweit schreiben Wissenschaftler
diese abenteuerliche Forschungsreise der Menschheit fort.
Wir werfen einen Blick in die Vergangenheit, die Gegenwart
und die Zukunft der Vermessung unserer Erde.
Kaum eine Linie ist so berühmt wie diese.
Der Nullmeridian in Greenwich.
Er gibt weltweit Zeit und Datum an.
Er ist die Bezugsachse für alle Längengrade der Erde.
Und ein Weltzeittag beginnt, wenn hier in Greenwich Mitternacht ist.
1884 wurde das festgelegt, dass diese Linie hier durchgeht.
London war über Jahrhunderte die Hauptstadt eines Weltreichs.
Die Geschichte der Vermessung der Erde
wäre ohne London nicht denkbar.
Die Weltstadt an der Themse ist zu Zeiten des Empires
der Ausgangspunkt für unzählige Forschungsexpeditionen
auf alle Kontinente.
Wissenschaftliche Beobachtungen und Erkenntnisse
werden über die Jahrhunderte hier gesammelt, gesichtet und geordnet.
Bis in die kleinsten Gassen der Metropole
ist dieser Entdeckergeist bis heute zu spüren.
Kein Zufall, dass eine der exklusivsten Globus-Manufakturen
der Welt hier in London zu finden ist.
Eine faszinierende Manufaktur, die die Begeisterung der Menschen hier
für Weltkugeln widerspiegelt.
Das sind handgemachte Unikate. Wunderschön.
Ich muss ja bei dem Anblick von einem Globus
immer an Weihnachten 1968 denken.
Da war ich acht Jahre alt.
Und im Fernsehen liefen unglaubliche Bilder von der Erde
vom Weltraum aus gesehen.
Die hatten uns die Apollo 8-Astronauten geschickt.
Und eine biblische Botschaft dazu.
Für mich gehören die Fotos von Apollo 8
zu den wichtigsten der Menschheitsgeschichte.
Die haben mich damals so fasziniert,
dass ich mich bei der NASA beworben habe als Astronaut.
Und die Absage habe ich heute noch hier.
Die Bilder von 1968 zeigen uns eine Erde, die in weiten Teilen
den Denkern der Antike schon bekannt war.
Klar, die kannten noch keinen amerikanischen Kontinent.
Die kannten auch Australien nicht.
Aber sie wussten von Europa, von Afrika und Asien.
Wie haben die das damals gemacht?
Und wer hat als Erster angefangen, die Erde zu vermessen?
Die Anfänge der Vermessung reichen zurück bis in die Frühzeit.
Als Jäger und Sammler brauchen unsere Vorfahren Orientierung,
um sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden.
Sehr wahrscheinlich machen sie sich Landmarken
und Beobachtungen der Natur zunutze.
Ein Blick zu den immer wiederkehrenden Formationen
der Gestirne verschafft den Menschen zudem Orientierung und Sicherheit.
Die weltweit älteste konkrete Darstellung astronomischer Phänomene
ist die Himmelsscheibe von Nebra.
Bereits vor mehr als 3600 Jahren stellten kundige Astronomen
ihr Wissen in einer Mondsichel, einem Vollmond oder der Sonne dar.
Und in insgesamt 32 Sternen.
Der als Plejaden gedeutete Sternhaufen
hat große Bedeutung für den bäuerlichen Kalender.
Zeitpunkt für Aussaat und Ernte lassen sich
aus bestimmten Konstellationen der Gestirne ableiten.
So gilt die bronzezeitliche Himmelsscheibe von Nebra
als erstes astronomisches Werk.
In dem Vorgänge der Himmelsmechanik analysiert
und festgehalten werden.
Eine Meisterleistung früher Astronomen.
Für einen einfachen Bauern war diese Scheibe sicher nicht bestimmt.
Der orientierte sich eher am Wachstum der Weidenkätzchen,
als an der Konstellation von Sternen.
Diese fünf Pfund schwere Kostbarkeit aus Gold, Kupfer und Zinn
gehörte wahrscheinlich einer einflussreichen Persönlichkeit.
Der Adel schätzte die Kenntnisse der Astronomen außerordentlich.
Bei wichtigen Entscheidungen wurden die Sternenkundigen
nach ihrer Meinung gefragt.
Vor allem, wenn es um den Erhalt der Macht ging.
Damals war es der Blick von unten in den Himmel,
der Sicherheit geben sollte.
Heute kontrollieren wir den ganzen Planeten von oben herab.
Hinaus ins Universum. Dieser Schritt revolutionierte unser Leben.
Es sind die Datensammler aus dem All, die unseren Alltag prägen.
Über 1000 Satelliten kreisen um die Erde und vermessen unsere Welt.
Bis auf den Zentimeter genau.
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt haben ein neues Kapitel
in der Vermessung der Welt aufgeschlagen.
Im Oktober 2018 wurde eine dreidimensionale Karte
unseres Planeten von unglaublicher Genauigkeit veröffentlicht.
Stefan Dech ist verantwortlich für die Aufbereitung der Daten
aus dem All.
TanDEM-X heißt die Mission.
Wir können nur mit zwei Augen dreidimensional sehen.
So ist ein Tandem von zwei Satelliten notwendig,
um eine 3D-Karte der Erdoberfläche zu erstellen.
Die Satelliten müssen im exakt selben Moment
denselben Punkt mit ihren Radarwellen treffen.
Die Bilder wie hier die Kitzbühler Alpen
entstehen im Erdbeobachtungszentrum in Oberpfaffenhofen.
Mit einer Höhengenauigkeit von weniger als einem Meter.
Grundsätzlich haben Erdbeobachtungssatteliten
einen unschätzbaren Vorteil.
Sie machen wirklich die gesamte Erde sichtbar.
Während die früheren Vermesser
sehr stark auch punktuell unterwegs waren.
Und da sehr genau die Erdoberfläche beschrieben haben, vermessen haben.
Machen die Satelliten kontinuierliche Messungen
über die ganze Erde.
Und gestatten uns, dieses Bild zu bekommen und dann die Veränderungen,
die auf der Erde stattfinden, zu kartieren.
Die Datensammlung dient nicht nur rein wissenschaftlichen Zwecken.
Das internationale Konsortium "Airbus Defence and Space"
finanzierte das Projekt mit.
Es hat das Recht, die Datensätze an Flughafenplaner, Straßenbauer
und Vermessungsämter zu verkaufen.
Auch Militärstrategen haben Interesse.
Dem Bundesverteidigungsministerium
waren die Daten stolze 360 Millionen Euro wert.
Sie dienen als Grundlage für militärische Aktivitäten.
Und sollen gemeinsam mit befreundeten Staaten genutzt werden.
So wie hier das Viertel um den Berliner Hauptbahnhof
können ganze Städte, unwegsame Bergregionen und einsame Schluchten
mit dieser Technik erschlossen werden.
Die Wissenschaftler hingegen legen den Fokus auf Prozesse
und Veränderungen.
Etwa von Gletschern, Waldgebieten und Meeresspiegeln.
Oft verursacht durch uns Menschen.
Wir müssen auf dem Planeten Erde mit den Ressourcen, die wir haben,
nachhaltig umgehen.
Wir Menschen tun das momentan nicht. Wir verbrauchen drei Erden pro Jahr.
Das kann man sich leicht vorstellen, wenn wir das weiter tun,
dann werden die Lebensgrundlagen
für viele Menschen nach uns nicht mehr so sein.
Deswegen müssen wir durch gute Informationen dafür sorgen,
dass die Politik Entscheidungsgrundlagen bekommt,
auf deren Basis man die Entscheidung treffen kann,
die nachhaltiges Handeln ermöglichen.
Da leistet die Erdbeobachtung eine Schlüsselrolle.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt
entwickelt bereits die nächste Satelliten-Generation.
Die Forscher nutzen
eine der modernsten Antennen-Messanlagen Europas.
Dieser speziell abgeschirmte Raum
ermöglicht Messungen mit allerhöchster Genauigkeit.
Der gebürtige Brasilianer Alberto Moreira leitet das Projekt.
Seine Vision heißt TandDEM-L.
Das Satelliten-Duo soll wesentlich schneller als TanDEM-X arbeiten.
Und tief in Vegetation, Eis, Schnee und den Erdboden eindringen.
Die Vermessung der Welt wird nie aufhören.
Mit TanDEM-L können wir Deformationen auf der Erdoberfläche
mit Millimetergenauigkeit vermessen.
Das brauchen wir, um Erdbeben besser verstehen zu können.
Und auch für Infrastrukturplanung.
Wenn der Mensch viel Grundwasser nutzt,
dann sinkt die Erdoberfläche sogar mehrere Zentimeter.
Das werden wir mit TanDEM-L in einer Qualität vermessen können,
was heute nicht möglich ist.
Zu allen Zeiten hat die Vermessung der Erde die Menschen angetrieben.
Schon im alten Ägypten gab es dafür gute Gründe.
Wie im Wadi Hammamat,
einem Trockental am östlichen Rand der Sahara.
Um 1155 v. Chr. entsteht hier
eine der ältesten erhaltenen Karten der Welt.
Der Hintergrund:
Im Wadi Hammamat lagern wertvolle Gesteine und Bodenschätze.
Den Auftrag für die Karte gibt Ramses IV.
Der Pharao stützt seine Macht
auch auf die hier verzeichneten Informationen.
Goldvorkommen werden verortet.
Aber auch eine spezielle Sandsteinart, die Grauwacke.
Grauwacke eignet sich besonders gut
als Baustein für die prunkvollen Tempel und Paläste
im etwa 70 km entfernten Theben, dem heutigen Luxor.
Transportiert werden Steinquader und Bodenschätze
auf einer wichtigen Handelsroute, die durch dieses Wadi führt.
Sie verbindet das Rote Meer mit dem Nil-Tal.
Angefertigt auf Papyrus gleicht die älteste geologische Karte der Welt
einem schematischen Lageplan.
Der hell eingezeichnete Hauptweg
entspricht dem topographischen Verlauf des Wadi Hammamat.
Dunkle Flächen symbolisieren Berge
und zeigen das Vorkommen von Grauwacke an.
Rötlich eingezeichnet: Granit.
Auch Goldlagerstätten und Steinbrüche sind lokalisiert.
Mehr als 3000 Jahre hat der "Turiner Papyrus" überdauert.
Es ging damals im alten Ägypten, so wie heute, um Orientierung.
Landkarten, wie man sie hier im kleinen, aber feinen
"Map House" findet, entstanden allerdings viel später.
Erstaunlich, von den Griechen sind keine Karten erhalten geblieben.
Dabei haben sie uns ihren Blick auf die Welt ganz genau beschrieben.
Es ging ihnen dabei weniger um eine zweckorientierte,
als vielmehr um eine ganzheitliche Betrachtung der Welt.
Sie suchten nach Erklärungen.
Aber jetzt nicht mehr bei den Göttern, sondern in der Natur.
Letztlich waren es Aristoteles und Eratosthenes,
die das Bild von der Erde revolutionierten.
Ein ganz entscheidender Schritt fand im wissenschaftlichen Zentrum
der damals bekannten Welt statt: in Alexandria.
Die Hafenstadt an der Küste Ägyptens war in den Jahrhunderten
vor Christi Geburt das intellektuelle Zentrum der antiken Welt.
Durch die Eroberungen Alexanders des Großen
ist die Welt größer geworden.
Er brachte Berichte von bis dahin unbekannten Regionen mit.
Und erstaunlich exakte Entfernungsangaben
durch seine Schrittzähler.
In der Bibliothek von Alexandria wird dieses Wissen gesammelt.
Der griechische Universal-Gelehrte Eratosthenes leitet diese Bibliothek
rund 50 Jahre lang.
Er will das Wissen der Zeit in einer Weltbeschreibung
und einer Karte zusammenfassen.
Um die Größe und die Lage der bekannten Welt
korrekt in eine Karte einzutragen,
bedient er sich eines Koordinatennetzes.
Einem Vorläufer des heutigen Gradnetzes.
Auch als Lehrer ist er tätig.
So vermittelt er seinen Schülern unter anderem,
dass die Erde eine Kugel ist.
Eine Erkenntnis,
zu der bereits Aristoteles rund 150 Jahre zuvor gekommen ist.
An der Küste lässt Eratosthenes
seine Schüler eine alltägliche Situation beobachten.
Ein Schiff wird mit Handelsgütern beladen.
Gleich wird es den Hafen verlassen und aufs offene Meer hinausfahren.
Jetzt wird es spannend.
Zu Beginn sehen die Studenten das ganze Schiff.
Je weiter sich das Boot entfernt,
umso mehr verschwindet der Rumpf in den Wellen.
Bis am Horizont nur noch der Mast zu erkennen ist.
Nur wenn die Erdoberfläche gekrümmt ist,
verschwindet ein Boot auf diese Weise aus dem Blickfeld des Beobachters.
Bei einem einzigen Beweis will es der Gelehrte jedoch nicht belassen.
Eratosthenes demonstriert seinen Schülern
das Phänomen einer totalen Mondfinsternis.
Wenn sich die Erde genau zwischen Sonne und Mond befindet.
Auch hier führt genaue Beobachtung zur Erkenntnis.
Bei dieser Konstellation der Gestirne schiebt sich der Erdschatten
zunächst in einem Kreissegment über den Mond.
Bis er schließlich den Trabanten ganz abdeckt.
Doch wie groß ist dieser Erdball?
Viele Jahre denkt der Grieche über diese Frage nach.
Er ist häufig unterwegs
und beobachtet Himmel und Erde ganz genau.
Das führt ihn schließlich auf den richtigen Weg.
Am Tag der Sommersonnenwende besucht Eratosthenes Syene,
das heutige Assuan.
Dass die Sonne am 21. Juni genau senkrecht über Syene steht
zeigt der Blick in einen tiefen Brunnen.
Das Spiegelbild der kompletten Sonne ist zu sehen.
Nicht angeschnitten, wie er es so oft beobachtet hatte.
Aus der Kombination dieser Beobachtung
und exakten Winkel- und Entfernungsmessungen
errechnet der Gelehrte den Umfang der Erde erstaunlich exakt.
Statt 40.075 Kilometern kommt er auf 39.325.
So richtig Eratosthenes lag bei der Berechnung des Erdumfangs,
eine unglaubliche Leistung,
so schief lagen die Griechen mit ihrer Vorstellung,
dass die Erde im Mittelpunkt des Universums stand.
Das war verständlich.
Sie nutzten ja die Beobachtung vom Nachthimmel,
dass nämlich die Sterne am Firmament ihre Bahnen ziehen.
Der Übergang zum heliozentrischen, dem heutigen Weltbild,
der vollzog sich mit Galileo Galilei im 17. Jahrhundert.
Galilei war einer der Ersten,
der den Himmel mit einem Fernrohr beobachtet hat.
Und er stellte fest: Die Sonne steht im Mittelpunkt.
Und die Erde ist nur ein kleiner Planet. Aber ein besonders schöner.
Es sind diese Bilder aus dem All,
die uns heute eine globale Orientierung ermöglichen.
Über die Verteilung der Kontinente und der Ozeane besteht kein Zweifel.
Während die Vermessung der Landmassen weitgehend abgeschlossen ist,
sind die Meere überwiegend unbekannte Regionen.
Nur ca. 15 % des Meeresbodens sind bisher exakt kartiert.
Satellitentechnik allein hilft in der Tiefsee nicht weiter.
Sie liefert zu ungenaue Ergebnisse.
Von Expeditionsschiffen aus tauchen spezielle U-Boote
und ferngesteuerte Roboter in die Tiefe
und geben per Sonar Einblicke in die Topographie der Ozeanböden.
Die Wissenschaftler vom "Geomar-Institut" in Kiel
sind federführend in der europäischen Tiefseeforschung.
Das internationale Interesse an der dunklen Welt ist groß.
Riesige Erdöl- und Erdgasfelder werden vermutet.
Als Voraussetzung für ihren Abbau verlangt
die Internationale Meeresbodenbehörde
eine exakte 3D-Kartierung des Meeresbodens.
Die in der Nähe der schwarzen Raucher abgelagerten Erzvorkommen
wie Gold und seltene Buntmetalle versprechen hohe Gewinne.