Wie Zuckerverzicht bei Depression hilft | Die Ernährungs-Docs | NDR
Seit sie denken kann,
findet sie ihr Leben anstrengend und ist oft traurig.
Lange hielt sie das für normal.
Doch seit drei Jahren
gibt es für diesen Zustand eine Diagnose.
Ich bin Anna Katharina Knabe, 40 Jahre alt,
und leide an Depressionen und Übergewicht.
Depression ist eine schwere, seelische Erkrankung.
... sind die bestimmenden Symptome.
Es gibt auch Zeiten, da weine ich ganz viel,
ohne irgendwelche Gründe.
Das ist oft schwer auszuhalten.
Anna Katharina Knabe liebt ihren Beruf.
Die Lehrerin möchte den Kindern möglichst viel fürs Leben mitgeben.
Deshalb steckt sie ihre ganze Energie in den Job.
Meine Arbeit macht mir viel Spaß und gibt mir viel Stabilität.
Ich fühle mich ganz wohl und kompetent und so,
dass ich das Gefühl habe, da bin ich richtig.
Doch ihr Job fordert sie zu 100 Prozent.
Zeit für Frühstück nimmt sie sich nicht.
Stattdessen: Kekse, Schoki oder Croissant zwischendurch.
Schlimm sind für Sie Ferien und Wochenenden.
Dann, allein zu Hause, kommt die tiefe Traurigkeit.
Ein Stück weit fühlt sich das an,
als ob man gelähmt und nicht mehr mit der Welt verbunden ist.
Wie beim Essen.
Dann ist es egal, was da ist,
es kommt nicht auf den Geschmack an oder ob das gesund ist.
Was als Nächstes greifbar ist, ist das, was ich irgendwie nehme.
Und oft auch ohne richtig zu fühlen, was ich da tue.
Andere bekommen selten mit, wie schlecht es ihr geht.
Für ihre Schwester ist das belastend.
Schon die Mutter litt unter Depressionen,
über die sie nicht gesprochen hat.
Meine Mutter nahm sich das Leben, als ich 23 war.
Das war sehr, sehr schwierig für mich, meine ganze Familie.
Ich möchte nicht, dass das jemand erleben muss,
dass ein so naher Mensch freiwillig das Leben verlässt.
Ernährungstherapie spielt in der Behandlung der Depression
bisher kaum eine Rolle.
Essen ist für Anna Katharina Knabe ein Problem.
Für die Ernährungs-Docs ist ihr Fall Neuland.
Übergewicht und Depressionen
scheinen sich bei ihr wechselseitig zu bedingen.
Wenn sie sich schlecht fühlt, isst sie schlechter, nimmt zu,
fühlt sich noch schlechter - das ist ein Teufelskreis.
Da setzen wir an:
Struktur im Tag, antientzündliche Ernährung.
Das Übergewicht bekämpfen und den Druck rausnehmen,
den die Ernährung für sie bedeutet.
Allen ist klar:
Ernährungstherapie kann bei schwerer Depression nur ergänzend wirken.
Darum soll Anna Katharina Knabe
weiterhin zur Psychotherapie gehen und ihre Antidepressiva einnehmen.
Frau Knabe,
der Blick auf die Welt sieht bei der Depression manchmal so aus?
Als würden Sie durch dieses schwarze Tuch blicken?
Ja, das kann man so sagen.
Alles farbloser und wie eine Mauer. Ja.
Die Schwere einer Depression ist messbar.
Ich habe mir den Fragebogen zur Bewertung Ihrer Stimmung
für die letzten 14 Tage angeschaut.
Sie haben nur fünf von 25 Punkten erreicht.
Das ist ein sehr niedriger Wert für Stimmung und Lebensfreude.
Ist das immer so?
Beim Ausfüllen hab ich gedacht:
"Oh, das ist besser, als es lange Zeit gewesen ist."
Die Ernährungs-Docs haben im Blut bei ihr Entzündungs-Parameter gemessen.
Die sind stark erhöht.
Solch erhöhte Entzündungswerte
finden wir nur bei Menschen, die einen Infekt haben.
Menschen, die einen Infekt haben, haben ein Krankheitsgefühl,
ziehen sich zurück und schonen sich.
Das ist wie bei mir, bei der Depression.
Genau.
Ihr Körper ist durch diese chronische Entzündung
auf Dauerschonung und Rückzug programmiert.
Das ist dann wie eine Spirale, aus der Sie allein nicht rauskommen.
Matthias Riedl vermutet, dass Anna Katharina Knabes Übergewicht
die Entzündungen und die Depression mitverursacht.
Er misst 133 cm Bauchumfang und 132 kg Gesamtgewicht.
Bei Ihnen besteht mit ganzen 64 Kilo Fettgewebe
fast der halbe Körper aus Fett.
Das ist viel.
Das erklärt die Entzündungswerte zum Teil.
Denn das Fettgewebe im Bauch, das viszerale Fett,
liegt vor allem rund um die Organe.
Es ist viel aktiver als das Fett in anderen Regionen.
Denn die Fettzellen im Bauch schütten Signalstoffe aus,
die zu entzündlichen Prozessen im Körper führen.
Und vielleicht auch Depressionen auslösen.
Wenn ich mir ihr Ernährungsprotokoll so angucke, bin ich mir sehr sicher,
dass wir viel erreichen können.
Sie haben so gut wie alles falsch gemacht. Ja.
Das ist selten so falsch.
Okay. Das kann ich mir vorstellen.
Zucker ist einer der schlimmsten Entzündungsförderer.
Das hier haben Sie in einer Woche zu sich genommen.
Ja, das ist viel Zucker.
Das ist ein Horror für den Körper. Ich glaube es.
Das muss drastisch runter, von mir aus auf null.
Das Zweite:
Sie essen unregelmäßig, ohne richtige Hauptmahlzeiten.
Und Sie trinken zu wenig. Das stimmt, eindeutig, ja.
Um ihre Depression zu bekämpfen,
soll sie sich antientzündlich ernähren und ihr Gewicht reduzieren.
So sieht antientzündliches, gesundes Essen zum Abnehmen aus.
Hier: Blaubeer-Kokos-Bowl mit zuckerarmen Beeren
und Eiweiß im Joghurt.
Mhm. Macht satt.
Hier: der orientalische Linseneintopf.
Linsen liefern wertvolles Eiweiß.
Das macht satt und vermindert die Blutzuckerspitzen.
Und antientzündliche Wirkung ist mitten drin.
Wollen Sie den mal probieren? Ja.
Viel Eiweiß, wenig Kohlehydrate.
Ganz anders, als sie bisher gegessen hat.
Schmeckt gut.
Könnten Sie das zum Mittag essen?
Ich bin sehr motiviert und will das schaffen.
In so depressiven Phasen wird das schwierig sein.
Auch daran hat Matthias Riedl gedacht und ihr einen Notfallkoffer gepackt.
Darin ein Eiweißshake, dunkle Schokolade,
getrocknete Früchte und ein Mandel-Bananen-Brot.
Alles sättigende und stimmungsaufhellende Lebensmittel,
die schnell greifbar sind.
Okay.
Gute Idee mit so einem Notfallkoffer.
Schafft sie es, ihr Essverhalten auch in schwierigen Phasen zu ändern,
das Bauchfett zu reduzieren und sogar die Depression zu mildern?
Das war sehr interessant und informativ.
Ich freu mich darauf, das jetzt umzusetzen.
Und auf die Herausforderung, die sicher auf mich zukommt.
Anna Katharina Knabe
startet gleich am Tag nach ihrem Besuch auf dem Boot durch:
Das hier ist meine Süßigkeiten-Schublade gewesen.
Das Einzige, was es noch gibt, ist Schokolade mit 99 Prozent Kakao.
Hier die Datteln, die ich manchmal esse.
Die Ansage der Ernährungs-Docs hilft ihr,
ihr Essverhalten grundlegend neu zu gestalten.
Womit ich sehr konsequent bin, ist mein Frühstück.
Das mache ich vor der Schule fertig.
Und nehme es dann mit.
Sich nach der Arbeit was zu kochen, schafft sie selten.
Abends isst sie oft rohes Gemüse mit Kräuterquark oder Mozzarella.
Nach sechs Wochen wiegt sie schon zehn Kilo weniger.
Ich habe das Gefühl, dass es mir emotional besser geht.
Ich habe zum ersten Mal in den Ferien viele Sachen gemacht
und war viel aktiver als sonst.
Sie hat sich ein neues Rad gekauft und in den Ferien Radtouren gemacht.
Ein Riesenerfolg,
denn gerade die Ferien waren sonst geprägt von depressiven Phasen.
Schlechte Phasen gibt es aber immer noch.
* Piepen *
Hallo allerseits, ich wollte mich mal wieder melden.
Mir geht es im Moment nicht so gut, schon seit zwei, drei Wochen nicht.
Sowohl emotional als auch körperlich seit einer Woche.
In diesen Tagen fällt es mir schwer,
mich an die Ernährungsvorgaben zu halten.
Aber beim Einkaufen habe ich gemerkt,
dass sich was verändert hat.
Ich hab gedacht, ich kaufe alles, was ich gerne essen möchte,
weil es mir so scheiße geht.
Das Einzige an Süßigkeiten, was ich gekauft hab,
sind meine Lieblings-Schoko-Kekse.
Eigentlich hab ich keinen Appetit auf diese Kekse.
Ich tu die wieder weg.
Das war ein tolles Erlebnis und sehr deutlich zu spüren,
dass ich zum ersten Mal seit Langem gemerkt hab, das nützt nichts.
Das macht die Situation nicht besser.
Ernährungs-Doc Matthias Riedl möchte,
dass Anna Katharina Knabe was für ihre Entspannung tut.
Er meldet sich per SMS.
Er schickt Dörte Kuhn vorbei.
Sie unterrichtet seit 20 Jahren Yoga.
Und hat sich auf Menschen mit Übergewicht spezialisiert.
Yoga ist für alle.
Man muss es nur passend machen für die Person.
Atemübungen und Dehnungen für Nacken und Wirbelsäule.
Anna Katharina Knabe soll abends zehn Minuten Yoga machen.
Und so Körper und Geist leichter zur Ruhe bringen.
Sechs Monate nach ihrem ersten Besuch
kommt Anna Katharina Knabe wieder aufs Boot.
Ihre Ernährung damals: katastrophal.
Sie haben so gut wie alles falsch gemacht.
Hat sie die radikale Ernährungsumstellung durchgehalten?
Sie hatten eine Riesenaufgabe in den letzten Monaten:
Abnehmen ist schwierig für alle.
Wenn man eine psychische Erkrankung hat, ist es umso schwerer.
Wie viel haben Sie geschafft?
Ungefähr 14 Kilo sind weg.
Klasse!
Auch das entzündungsfördernde Bauchfett hat sie stark reduziert.
Da hatten wir vorher 5,1 Liter.
Und das sind jetzt 3,78 Liter.
Also ein Viertel weniger.
Schön!
Das schlägt sich auch bei den Entzündungswerten im Blut nieder:
Die sind noch erhöht, aber drastisch nach unten gegangen,
deutlich besser.
Ich freu mich.
Doch die wichtigste Frage:
Hat sich dadurch auch ihre Depression verbessert?
Noch einmal füllt sie den Fragebogen aus, wie vor einem halben Jahr.
Das sind vier, zehn ...
... zwölf Punkte.
Vorher hatten wir fünf.
Da hat sich was getan bei Ihnen. Ja, ganz eindeutig.
Das merke ich jeden Tag.
Das ist einfach schön.
Es geht mir noch nicht immer gut, aber ein Unterschied ist zu merken:
In der Tiefe der depressiven Phasen.
Das ist eine große Erleichterung für mich.
Leichtere Depression, mehr Lebensqualität -
durch eine andere Ernährung.
Es ist mir nicht so schwergefallen, wie ich dachte.
Für mich ist klar, dass ich das weitermache,
weil es mir viel besser geht damit.
Dieser Erfolg von ihr macht deutlich:
Es ist an der Zeit ist,
Ernährungstherapie in der Behandlung der Depression zu ergänzen.