Missbraucht Bayern das Kreuz? | #mirkosmeinung
Es tut mir leid, aber zum 2. Mal innerhalb kurzer Zeit
müssen wir hier auf dem Kanal über Bayern sprechen.
Denn in Bayern soll ab Juni über allen Landesbehörden
sowas hier an der Wand hängen: ein Kreuz.
Per Gesetz soll das verortet werden.
Warum die CSU-Landesregierung das macht, liegt auf der Hand.
Im Herbst ist Wahlkampf.
Man will nicht, dass die AfD der Partei viele Stimmen wegnimmt.
Aber die Frage, die dahinter steht,
und die mir auch viele von euch stellen: Was ist mit diesem Gesetz?
Ist es gut oder ist es total bescheuert?
Ich würde sagen, es ist total bescheuert.
Und warum, das erfahrt ihr jetzt!
* Musik *
Bevor ich euch meine Meinung sage und diese Meinung auch begründe,
müssen wir uns erstmal anschauen,
warum das Kreuz in der westlichen Welt so eine große Bedeutung hat,
warum es eine so große Rolle spielt.
Die meisten von euch werden das wissen:
In der Bibel ist die Rede von Jesus, dem Sohn Gottes,
der an ein solches Kreuz genagelt wurde, dabei gestorben ist
und wieder auferstanden ist.
Und mit diesem Prozess wurde uns Menschen die Schuld genommen.
Tatsächlich war die Methode der Kreuzigung
damals eine beliebte Hinrichtungsmethode.
Und es gibt diese Methode in einigen islamisch geprägten Ländern
auch heute noch.
Und deshalb steht das Kreuz
zum einen für eine grausame Hinrichtungsmethode,
aber zum anderen vor allen Dingen
ist es das wichtigste Symbol des christlichen Glaubens.
Und die CSU in Bayern sagt, das Kreuz steht auch für unsere Kultur,
für unsere christlich geprägte Kultur in Deutschland.
Und deshalb muss es in allen Landesbehörden im Eingangsbereich
zu sehen sein.
Meine Meinung dazu ist, einerseits ist das völliger Quatsch,
andererseits haben die Kreuze aber auch ein gutes Recht da zu hängen.
Klingt widersprüchlich, ist es aber gar nicht.
Ich mein folgendes konkret:
Erstens geht es mir um Religionsfreiheit.
Schauen wir mal in das Grundgesetz Art. 4 Abs. 1:
So steht es da.
Und d.h. ganz klar, jeder Mensch in Deutschland hat das Recht,
religiöse Symbole offen zu tragen oder irgendwo anzubringen,
sofern das mit den Gesetzen vereinbar ist
und sofern die Freiheit anderer davon nicht beschnitten wird,
die Rechte anderer davon nicht beschnitten werden.
Man darf also eine Kette mit einem Kreuz in der Öffentlichkeit tragen.
Juden dürfen ihre Kippa auf dem Kopf in der Öffentlichkeit tragen.
Auch, wenn das in einigen Gegenden in Deutschland gefährlich ist,
was eine Schande ist!
Was so nicht sein kann
und was man immer wieder thematisieren und problematisieren sollte.
Und eine Muslima darf mit einem Kopftuch auf dem Kopf
durch die Fußgängerzone laufen.
Das ist alles erlaubt, das hat alles mit der Religionsfreiheit zu tun,
die durch unser Grundgesetz abgesichert ist.
Aber dabei gibt es auch Einschränkungen.
Und da sind wir auch schon beim 2. Punkt.
Nämlich bei den Grenzen der Religionsfreiheit.
Wenn genau diese Muslima Lehrerin ist, an einer Schule unterrichtet,
und ihr Kopftuch tragen will,
dann kann das unter Umständen nicht gestattet sein.
Das Bundesverfassungsgericht hat zwar 2003
in einem sehr viel beachteten Urteil entschieden,
eine Muslima darf grundsätzlich im Unterricht ein Kopftuch tragen,
hat aber gleichzeitig den Ländern gesagt,
wenn ihr Extra-Regelungen finden wollt für den Schulunterricht,
dann könnt ihr diese Regelung treffen
und dann könnt ihr auch Kopftücher verbieten.
Und das haben einige Bundesländer gemacht.
Dort sind religiöse Symbole grundsätzlich verboten im Unterricht.
Eine Nonne darf da auch nicht
im traditionellen christlichen Nonnengewand unterrichten z.B.
Und dann gibt es noch ein interessantes Urteil rund um dieses Thema.
Nämlich den sog. Kruzifix-Beschluss aus dem Jahr 1995.
Es ist ganz interessant,
denn da gibt es einige Parallelen zu dem Fall aktuell.
Die bayerische Landesregierung hatte 1989 per Gesetz verordnet,
dass in allen Schulen im Klassenzim- mer in Bayern ein Kreuz hängen muss.
Das war auch einige Jahre so.
Aber dann haben einige Schüler mit ihren Eltern dagegen geklagt.
Sie haben gesagt,
wir fühlen uns in unserer negativen Religionsfreiheit verletzt.
Negative Religionsfreiheit bedeutet, dass man auch das Recht hat,
mit Religionen nichts am Hut haben zu wollen.
Und die haben gesagt, wenn dort die ganze Zeit ein Kreuz hängt,
dann fühle ich mich manipuliert, fühle mich provoziert,
und das verletzt mich in meiner negativen Religionsfreiheit.
Interessanterweise hat das Bundesverfassungsgericht
diesen Schülern und ihren Eltern Recht gegeben und hat gesagt,
das geht nicht, die Kreuze dürfen nicht im Gesetz stehen.
Und ich finde, wenn es damals so entschieden wurde,
dann ist es sehr ähnlich, dann ist es auch heute bestimmt noch aktuell.
Und deshalb ist es Gesetz, das in Bayern geplant ist, Blödsinn.
Wenn wir uns diesen Fall von damals noch genauer anschauen,
dann sind wir bei einem 3. Punkt,
der mir in diesem Zusammenhang wichtig ist.
Nämlich der Punkt: Der Staat ist neutral.
In der Begründung zum Urteil 1995
hat das Bundesverfassungsgericht u.a. folgendes gesagt: " Aus der Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs, 1 CC folgt ... der Grundsatz staatlicher Neutralität gegenüber den unterschiedlichen Religionen und Bekenntnissen. Der Staat, in dem Anhänger unterschiedlicher oder gar gegensätzlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zusamenleben, kann die friedliche Koexistienz nur gewährleisten, wenn er selber in Glaubensfragen Neutralität bewahrt. Er darf daher den religiösen Frieden in einer Gesellschaft nicht von sich aus gefahrden. " D.h. ganz klar, wenn Organe des deutschen Staates,
z.B. die bayerische Landesregierung, anordnen,
dass Symbole einer bestimmten Religion
irgendwo öffentlich angebracht werden sollen,
dann verletzen sie damit das Neutralitätsgebot,
das ihnen durch das Grundgesetz auferlegt wurde.
Und da ist es auch unerheblich,
ob diese eine Religion prägend für das Land ist.
Bezogen auf den aktuellen Fall in Bayern würde das bedeuten,
das geplante Gesetz ist nicht verfassungsgemäß.
Selbst wenn die bayerische Landesverfassung so etwas erlauben würde:
Bundesrecht schlägt immer Landesrecht.
Also steht das Grundgesetz über der bayerischen Landesverfassung.
Ich bin aber natürlich überhaupt kein Verfassungsrechtler,
kein Verfassungsexperte.
Es gibt auch Verfassungsrechtler, die das anders sehen. Udo di Fabio z.B.
Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht sagt,
das Gesetz ist okay.
Aber meine persönliche Meinung ist, es ist Blödsinn, es ist überflüssig.
Natürlich kann man Kreuze in Behörden aufhängen,
aber man kann es nicht per Gesetz vorschreiben.
Dahinter steckt noch eine ganz andere Diskussion.
Nämlich, haben religiöse Symbole
überhaupt etwas in der Öffentlichkeit zu suchen?
Immerhin leben wir in einer Zeit, in der rund 36% aller Deutschen
gar keiner Religion mehr angehören.
Ich würde sagen, solange wir
dieses Grundgesetz haben mit dem Art. 4 Abs. 1 ist das nach wie vor ok.
So lange sind Kreuze in Behörden ok.,
sind Kippas bei Juden ok. in der Öffentlichkeit
und sind auch Minarette an Moscheen ok.
Aber was meint ihr?
Schreibt es gerne unten in die Kommentare.
Ich bin gespannt, was ihr dazu zu sagen habt.
Und für euch geht es weiter mit einem Thema,
bei dem Religion auch eine große Rolle spielt:
Der Nahostkonflikt.
Hier ist das Video.
Großes Thema, wichtiges Thema! Damit sollte man sich befassen!
Ich sage an dieser Stelle:
Vielen Dank fürs Zuschauen und bis zum nächsten Mal!
Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2018)