Was tun gegen bewaffnete Rechtsextreme?
- In Deutschland befinden sich legale Waffen in den Händen von fast 800 Rechtsextremisten.
Am 19. Februar 2020 erschießt ein rassistischer Attentäter in Hanau
zehn Menschen und sich selbst.
Der Mann war Sportschütze, besaß legal Waffen.
Vor der Tat verfasste er ein Manifest, in dem er gegen Migranten hetzte.
2018 gab es laut dem Bundeskriminalamt 41 politisch motivierte Straftaten von rechts,
bei denen Schusswaffen eingesetzt wurden oder werden sollten.
Von links gab es genau eine.
Und die Situation scheint sich zu verschlimmern.
- Wir lesen ständig neue Medienberichte zu rechtem Terror oder zu Anschlagsplanungen.
Der Mord an Walter Lübcke, der Mordversuch an Bilal M., Nordkreuz, Südkreuz, Westkreuz, Ostkreuz.
Man liest von Leichensäcken und Löschkalk; Waffendepots werden ausgehoben;
Netzwerke bilden sich heraus.
Im Dezember 2019 hat der Bundestag deswegen eine Verschärfung des Waffenrechts beschlossen.
Also, auch deswegen.
Vor allem musste Deutschland endlich die EU-Feuerwaffenrichtlinie von 2017 umsetzen,
mit der es Terroristen schwerer gemacht werden soll, an Waffen zu kommen.
Komisch, dass das so lange gedauert hat.
Wenn man sich anguckt, was allein in den letzten zwei Jahren passiert ist.
Im Oktober 2019 erschießt ein Rechtsextremer in Halle zwei Menschen.
Ursprünglich hatte er einen Anschlag auf eine Synagoge geplant.
Die Schusswaffen hatte er selbst gebaut.
Im Juni 2019 ermorden Neonazis den CDU-Politiker Walter Lübcke.
Die Polizei findet bei den Verdächtigen 46 Schusswaffen.
- Ein mutmaßlicher Helfer des Lübcke-Mörders ist ein verurteilter Rechtsextremist und legaler Waffenbesitzer.
2018 berichtete die taz über das rechtsextreme Netzwerk Nordkreuz,
das Todeslisten von politischen Gegnern erstellt haben soll.
Mitglieder der Gruppe haben Verbindungen zu Bundeswehr und Polizei
und sollen unter anderem Munition gehortet haben.
Im gleichen Jahr stellte die Polizei knapp 1.000 Waffen bei Rechtsextremen sicher.
Darunter auch Pistolen, Gewehre und Kriegswaffen.
Die Quellen dazu und alle anderen Quellen findet ihr unter dem Video in der Infobox.
- Wollen wir, dass in unserer Nachbarschaft Prepper, Reichsbürger, Selbstverwalter, Extremisten
und sonstige ziemlich verfassungsfeindliche Menschen Waffen horten und sammeln?
Natürlich nicht.
5,4 Millionen genehmigungspflichtige Schusswaffen und Waffenteile befinden sich in Deutschland in Privatbesitz.
Wer einen Waffenschein oder eine Waffenbesitzkarte beantragt, muss das nicht nur begründen.
Er muss auch beweisen, dass er zuverlässig und dafür persönlich geeignet ist.
Das bedeutet zum Beispiel: Wer aktuelle Vorstrafen hat, darf keine Waffen besitzen.
Der Großteil der legalen Waffenbesitzenden besteht aus Jägerinnen oder Sportschützen.
Menschen, für die Schießen Sport, Beruf oder Hobby ist.
Thilo von Hagen ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Schützenbund und sagt:
– Den Sportschützen ist es auch wichtig, dem Verband, den Landesverbänden,
den Vereinen, dass eben ganz klar ist:
Waffen haben in den Händen von Radikalen und Rechtsextremisten nichts zu suchen.
Aber 490 der Personen, die legal Waffen besitzen,
zählen zur sogenannten Reichsbürger- oder Prepper-Szene.
792 sind rechtsextrem.
Die Zahlen schwanken.
Denn die Behörden versuchen, bekannte Extremisten so schnell wie möglich zu entwaffnen.
- Wir müssen viel stärker an jene heran, die Waffenbesitzkarten haben
und gleichzeitig in rechtsextremen Vereinigungen sind.
Und wir müssen bei der Ausstellung von neuen Waffenscheinen oder Waffenbesitzkarten
sehr viel stärker hinschauen, ob diese Personen in Verbindung
mit rechtsextremistischen oder terroristischen Vereinigungen stehen.
Bisher hat das anscheinend nicht so gut funktioniert. Was ändert sich also im Waffenrecht?
Wer eine gelbe Waffenbesitzkarte hat, darf in Zukunft nicht mehr als zehn Schusswaffen besitzen.
Das soll es Leuten schwerer machen, so viele Waffen zu horten,
dass sie eine ganze Kompanie ausstatten könnten.
Personen, die bereits eine Waffenbesitzkarte haben, müssen jetzt alle fünf Jahre beweisen,
dass sie immer noch ein Bedürfnis haben, Waffen zu besitzen.
Auch die erlaubte Magazingröße wird reduziert.
Die Überlegung dahinter klingt erst mal zynisch:
Wer bei einem Terroranschlag öfter nachladen muss, kann weniger Menschen töten.
Aber:
- Wenn einer es darauf anlegt und das Ganze trainiert,
dann kann er einen Magazinwechsel in unter einer Sekunde durchführen.
Bisher durften Mitglieder von verbotenen Vereinigungen keine Schusswaffen besitzen.
Neu ist jetzt, dass jeder, der in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung ist,
keine Waffen besitzen darf – egal ob sie verboten ist oder nicht.
Und Waffenbehörden – bei denen zum Beispiel Waffenbesitzkarten beantragt werden –
und der Verfassungsschutz sollen enger zusammenarbeiten.
- Bis dato war es nach der Antragstellung so,
dass der Verfassungsschutz die Waffenbesitzerdateien überprüft und geguckt hat, ob Extremisten dabei sind.
Wir gehen jetzt einen Schritt nach vorne:
Mit Antragstellung wird die Waffenbehörde beim Verfassungsschutz anfragen.
Natürlich müssen auch die Schützenvereine ein Auge darauf haben, wen sie da eigentlich aufnehmen.
- Wenn natürlich jemand auffällig wird, der sich nicht an die Regeln hält
und sich vielleicht nicht auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit befindet,
dann sind natürlich die Vereine aufgefordert, und das machen sie auch,
sich bei den Behörden zu melden,
damit diese Menschen keinen Umgang und keinen Zugang zu den Waffen haben.
Das sogenannte dritte Waffenrechtsänderungsgesetz wurde kontrovers aufgenommen.
Bei Waffenexperten und im Bundestag.
- Die geplante Regelabfrage beim Verfassungsschutz stellt Sportschützen und Jäger unter Generalverdacht
und das ohne jede Not.
- Es besteht allerdings auch noch eine relativ große Überwachungslücke:
Es findet beispielsweise überhaupt keine Überprüfung von Mitarbeitern im Waffenhandel statt.
- Bei den Magazinen, gerade bei den Röhrenmagazinen oder den Dual-Use-Magazinen, ist es weiterhin so,
dass der Einzelne überhaupt nicht erkennen kann, ob er nun einen verbotenen Gegenstand hat oder nicht.
- Viele sagen, wir hätten in Deutschland eines der strengsten Waffengesetze der Welt.
Mein Eindruck ist: Wir haben vor allem eines der kompliziertesten.
Für das Gesetz stimmten im Bundestag nur CDU/CSU und SPD.
FDP und AfD stimmten dagegen. Linke und Grüne enthielten sich.
Wer in Deutschland Schusswaffen besitzen darf, war schon vorher streng geregelt.
Wie kommen Rechtsextreme also überhaupt an Schusswaffen?
Ein Problem ist: Nicht allen Rechtsextremen sieht man ihre politische Gesinnung direkt an.
- Man kann in die Köpfe der Leute eben nicht reingucken.
Das macht es für die Behörden schwierig, sagt Rechtsextremismus-Expertin Kira Ayyadi
von der Amadeu Antonio Stiftung.
- Gewalttäter sind den Behörden ja bekannt, aber Leute, die sich online radikalisieren,
die fallen in der Regel vorher nicht durch Gewalttaten auf der Straße oder Demonstrationen auf.
Außerdem gibt es da noch ein anderes Problem: Viele Rechtsextreme besorgen sich illegal Waffen.
Und das lässt sich schwer nachvollziehen.
- Die Optionen für die rechtsextreme Szene, sich illegale Waffen zu besorgen,
sind einmal eben über kriminelle Wege, durch illegale Waffenkäufe.
Dann indem man Waffen klaut oder Waffen als gestohlen oder verloren meldet.
Und eben über's Darkweb, indem man sich dort illegale Waffen kauft.
Über 3D-Drucker, indem man sich selber Waffen druckt.
Und als letzte, oder als eine der letzten Optionen, übers Ausland,
weil dort die Waffenrechtsbestimmungen geringer sind als in Deutschland.
In den letzten zehn Jahren sollen außerdem über 100 Schusswaffen
bei Polizei und Bundeswehr verschwunden sein.
Wo die Waffen sind, weiß keiner.
Damit so etwas nicht mehr so einfach passieren kann,
soll im Nationalen Waffenregister ab jetzt ganz genau festgehalten werden,
was mit einer Waffe und den zugehörigen Waffenteilen passiert.
Wann und wo sie hergestellt wurde, wer sie kauft und verkauft, wann sie vernichtet wurde.
Bewaffnete Rechtsextremisten sind ein wachsendes Problem.
Auch für den Deutschen Schützenbund.
- Deswegen ist es, glaube ich, sehr wichtig, zu zeigen,
dass man sich abgrenzen will von diesem Extremismus, diesem Rechtsextremismus.
Wenn man gerade die aktuelle politische Lage sieht und die Geschichte Deutschlands,
dann macht es sicherlich Sinn, noch mal explizit darauf hinzuweisen.
Und die aktuelle politische Lage spitzt sich zu:
Im Februar 2020 wurden 12 Rechtsextreme verhaftet.
Sie sollen Anschläge auf Muslime, Geflüchtete und Politiker geplant haben.
Einer der Verdächtigen arbeitet bei der Polizei.
Ein anderer gilt als sogenannter Gefährder.
53 Rechtsextreme werden laut dem Bundeskriminalamt aktuell als “Gefährder” eingestuft.
Das heißt, sie werden verdächtigt, schwere, politisch motivierte Straftaten zu planen.
2018 waren es noch 29.
- Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, wie diese radikalisierten Menschen an Waffen kommen.
Und wenn sie sie besitzen, dann werden sie sie auch irgendwie einsetzen.
Wenn wir Glück haben nur irgendwie im Wald,
wo sie auf irgendwelche ausgeschnittenen Pappgesichter von Angela Merkel schießen.
Im schlimmsten Fall werden sie sie einsetzen gegen Menschen.
Ist das Waffengesetz in Deutschland streng genug?
Und macht ihr euch Sorgen wegen der aktuellen Entwicklungen?
Schreibt es uns in die Kommentare.
Das Y-Kollektiv hat sich angeguckt, wie einfach man in Deutschland an illegale Waffen kommt.
Schaut doch mal rein.