Geheimnisvollstes Land der Welt? Der Vatikan
Wenn ihr an eine absolutistische Monarchie denkt, wer fällt euch da ein? Ja, klar, er hier Ludvig XIV., quasi der Urvater aller absolutistischer Monarchen. Der Sonnenkönig, dem Sätze zugeschrieben werden, wie: "Der Staat bin ich." Auch wenn er das vielleicht gar nicht gesagt hat. Absolutistische Herrscher sind eine Sache aus vergangenen Jahrhunderten, aus einer Zeit, in der die meisten Menschen in einem Land Untertanen ohne Rechte waren. Heute ist das anders. Die Demokratie hat sich fast überall durchgesetzt, Sonnenkönige gibt es nicht mehr. Absolutismus kennen wir aus dem Geschichtsunterricht. Wirklich? Na ja. Es gibt ein Land in Europa, in dem das noch 'n bisschen anders ist, in dem es keine freien Wahlen gibt, kein Parlament und keine unabhängigen Gerichte. Trotzdem haben alle großen Staaten der Welt diplomatische Beziehungen zu dem Land und arbeiten eng mit seine Führung. Seine Regierung gehört zu den einflussreichsten der Welt, sein Anführer steht in der Forbes-Liste der mächtigsten Personen auf Platz sechs, hinter Jeff Bezos, dem Amazon-Chef, Angela Merkel und Donald Trump. Es geht um den Vatikan, genauer gesagt: den Staat Vatikanstadt. Was ist das für ein Land und wie mächtig ist es wirklich? Genau darum geht's jetzt. (Dynamische Musik) Zuerst mal ist eine Sache ganz wichtig: Ja, der Vatikan ist der Sitz des sogenannten Heiligen Stuhls, und der wiederum ist das Oberhaupt der katholischen Kirche. Und ja, über die katholische Kirche oder auch den Glauben könnte man sehr viele Videos machen. Das hab ich auch schon mal gemacht, zum Beispiel hier, und hier und unten in der Infobox ist was verlinkt. In diesem Video geht's aber um was anderes, um das Land, in dem der Heilige Stuhl und dessen Chef, der Papst, seinen Sitz hat. Was ist das für ein Land? Schauen wir zuerst mal auf die Geschichte. Keine Angst, hier kommt kein kirchenhistorischer Aufsatz, wir machen das kurz und prägnant. Der Vatikan, das war bis Ende des 19. Jahrhunderts der Kirchenstaat. Ein Land, das viele Jahrhunderte lang extrem mächtig war. So wie die Kirche an sich auch. Im Vatikan hatte der Papst meistens seinen Sitz, oder einer der Päpste, es gab mal mehrere. Flächenmäßig war der Kirchenstaat ziemlich groß und hat sich über weite Teile des jetzigen Italiens erstreckt. Außerdem haben Gebiete außerhalb Italiens dazugehört. Ohne den Kirchenstaat ging lange Zeit gar nichts. Sein Einfluss war riesig, Herrscher in ganz Europa haben auf den Papst gehört. Dann kam die Zeit der Aufklärung und der bürgerlichen Revolutionen. Vor allem in Frankreich. 1789 gab's dort die Mutter aller Revolutionen, in deren Folge später Napoleon an die Macht gekommen ist und Europa verweltlicht hat. Die Kirche hat einen großen Teil ihres Besitzes verloren und immer mehr Gebiete. 1870 war dann schließlich klar, mit dem Kirchenstaat ist es vorbei. 50 Jahre lang gab's danach eine Art Vakuum, bis 1929 'ne neue Lösung da war: Ein neuer Kirchenstaat. Wieder in Italien aber im Vergleich zu vorher winzig klein. Nicht einmal mehr einen halben Quadratkilometer groß auf der Fläche des Stadtgebietes von Rom. Der neue Staat, meistens genannt Staat Vatikanstadt, wurde damit über Nacht zum kleinsten Land der Welt. Selbst Lichtenstein ist ungefähr 300 Mal größer. Apropos Lichtenstein: Zumindest ganz kurz wurde überlegt, ob der Papst nicht künftig dort seinen Sitz haben könnten. Hat man dann aber wieder verworfen. Festgehalten wurde das alles in den sogenannten Lateranverträgen, die der Heilige Stuhl mit dem damaligen italienischen Diktator Benito Mussolini abgeschlossen hat. Heiliger Stuhl, das ist der Bischofssitz in Rom, inklusive der Verwaltung. Wer dort der Chef ist, der ist automatisch auch Papst und Herrscher über Vatikanstadt. Das kann man bisschen vergleichen mit dem Deutschen Kaiserreich damals. Der König von Preußen war automatisch auch Kaiser von Deutschland. Und so ist der Bischof von Rom automatisch das Oberhaupt der katholischen Kirche, also Papst und Chef des Katholikenlandes Vatikanstadt, vereinfacht gesagt. Detailliert findet ihr das in der Infobox. So viel zur Geschichte und zur Organisation. Wie gesagt, seit 1929 gibt es diesen Staat Vatikanstadt in seinen heutigen Grenzen. Die Verfassung des Landes ist aber noch gar nicht so alt. 2001 wurde sie zuletzt erneuert und sie endet mit den Worten: "Unseres Pontifikates?" Gibt's also mehrere Päpste? Nee, natürlich nicht, es gibt nur einen amtierenden Papst. Aber dass der Papst von sich selbst im Plural spricht, das deutet schon etwas an. So was hat man bei Königen und anderen hohen Adeligen gemacht. Genau diese Stellung hat auch der Papst. Damit sind wir auch schon mittendrin in unserer kleinen Analyse des Vatikan. Erstens: Die Sache ist ganz klar geregelt. In Artikel eins der Verfassung des Staates heißt es: Den Satz wünscht sich wahrscheinlich jeder Autokrat der Welt genau so für seine Verfassung. Denn das heißt konkret: eine Person hat die komplette Macht im Staat. "Der Staat bin ich." Und diese Person, der Papst, kann Gesetzte schreiben, sie einführen und auch anwenden. Nur mal so 'n unrealistisches Beispiel. Der Papst könnte theoretisch sagen: "Jeder Einwohner meines Staates muss grüne Unterhosen tragen." Er könnte das in ein Gesetz schreiben und jeden zu lebenslanger Haft verurteilen, der das nicht macht. Wie gesagt, ist 'n ziemlich abstraktes Beispiel, aber ich denk, es ist klar, der Papst kann in seinem Land machen, was er will, niemand kann ihm reinreden. Dass er das nicht immer allein durchzieht, liegt vor allem an dem Aufwand, der dahintersteckt. Und als Kirchenchef hat er auch andere Dinge zu tun. Im Vatikan gibt es Institutionen, die den Papst unterstützen. Die Päpstliche Kommission, das ist so eine Art Regierung mit dem Präsidenten, quasi dem Regierungschef, natürlich ernannt vom Papst. Das Staatssekretariat, verschiedene Behörden, die Dikasterien genannt werden, und eine Handvoll besonderer Einrichtungen, die sich um Spezialaufgaben kümmern, zum Beispiel um das Archiv im Vatikan. Die Chefs dieser Einrichtungen und alle Besetzungen werden zentral von oben bestimmt. Demokratische Elemente wie Wahlen gibt es im Vatikan keine. Das heißt, die Einwohner haben überhaupt keinen Einfluss darauf, wer wo in welche Position kommt. Und ihren Herrscher können sie auch nicht wählen. Ins Amt kommt ein Papst, das wisst ihr wahrscheinlich, durch das Konklave. In dem treffen sich die wahlberechtigten Kardinäle, um einen neuen Papst zu bestimmen. Dieser muss männlich und katholisch und zum Zeitpunkt der Wahl unverheiratet sein. Mehr Vorgaben gibt's nicht. Zu einer Wahl kommt es, wenn der Papst stirbt oder zurücktritt. Das heißt, wir haben im Vatikan einen Mann an der Spitze, der weder von seinen Einwohnern gewählt wurde noch sonst in irgendeiner Form demokratisch legitimiert ist. Die Macht ist komplett auf ihn vereint. Im Zweifelsfall hat das letzte Wort immer der Papst. Ganz einfach. Und jetzt zweitens: die Untertanen. Wer lebt denn eigentlich im Vatikan? Und wie geht's den Menschen dort? Da musst man zunächst mal sagen, im Staat Vatikanstadt lebt fast niemand. Insgesamt gibt's im gesamten Staatsgebiet nur circa 500 Einwohner, die dauerhaft dort wohnen. Staatsbürger des Vatikans gibt's insgesamt ein bisschen mehr als 600. Dass es so wenige Leute sind, hat zwei einfache Gründe: erstens es gibt nur wenig Platz und zweitens man kann nicht einfach in den Vatikan ziehen und dort leben, man muss auch dort arbeiten. Alle Einwohner des Vatikan sind auch dort angestellt und zu 100 Prozent katholisch. Ist aber eigentlich keine Voraussetzung. Kinder von vatikanischen Staatsbürgern verlieren automatisch mit 25 ihre Staatsbürgerschaft bei Männern, mit der Hochzeit bei Frauen, die werden italienische Staatsbürger*innen. Generell gibt es gar nicht so viele Geburten im Vatikan, denn viele der Leute dort dürfen gar keine Kinder bekommen. Außer vor allem die Angehörigen der päpstlichen Schweizer Garde, quasi die Armee im Vatikan. Früher hat der Kirchenstaat Tausende bewaffnete Kämpfer gehabt, heute ist es nur noch ein symbolisches Heer, das ausschließlich aus ein paar Dutzend Männern aus der Schweiz besteht. Daher auch der Name: die Schweizer Garde. Deren Mitglieder sind vatikanische Staatsbürger, bleiben aber auch weiterhin Schweizer, haben die doppelte Staatsbürgerschaft, wie fast alle im Vatikan. So viel zur Sache mit den Einwohnern. Wie lebt es sich im Vatikan? Abgesehen davon, dass man auf sämtliche Grundrechte verzichten muss, wie Meinungs- oder Pressefreiheit, lebt es sich ganz ordentlich. Es gibt keine Umsatzsteuer, Strom und Telefonieren sind kostenlos und es gibt eigene Tankstellen, an denen das Benzin um bis zu einem Drittel günstiger ist als in Italien. Auch einen eigenen Supermarkt hat der Vatikan, dank fehlender Umsatzsteuer mit niedrigen Preisen. Dazu gibt's eine eigene Apotheke, eine Post und einen Bahnhof, der allerdings fast nie in Betrieb ist. Die Gehälter, die der Vatikan bezahlt, sind auch okay. Für den normalen Angestellten nicht übermäßig hoch, dafür aber komplett ohne Steuern. Die Miete, auch das ist interessant, beträgt maximal vier Prozent des Einkommens. Also, wenig Ausgaben. Aber es gibt Kriminalität. In keinem anderen Land der Welt werden im Verhältnis zur Zahl der Einwohner so viele Straftaten begangen wie im Vatikan. Man muss sagen: fast nur von Ausländern. Jedes Jahr kommen bis zu 19 Millionen Touristen ins Land, darunter gibt's auch Taschendiebe und andere Verbrecher. Wenn so 'ne Straftat im Vatikan begangen wird und man erwischt wird, greift die landeseigene Polizei ein, und liefert die Straftäter fast immer an die italienische Polizei aus. Italien unterstützt den Vatikan sehr, auch bei der Verteidigung des Landes, sollte der Vatikan angegriffen werden. Der Vatikan ist winzig, und dementsprechend überschaubar ist auch die Organisation des Staates. Man kann sagen: Immer dann, wenn's komplizierter wird, gibt es Unterstützung von außerhalb, vor allem von Italien. Das gilt auch für die Arbeiten, die täglich in dem Land erledigt werden müssen. Rund 2.500 der 3.000 Angestellten des Vatikan arbeiten zwar dort, leben aber außerhalb. Dazu gehören zum Beispiel auch Apothekerinnen, Handwerker oder Bankerinnen, denn der Vatikan hat auch eine eigene Bank. Und damit sind wir beim dritten Punkt: Der Staat in der Welt. Der Vatikan ist ja nicht nur ein Land, das irgendwie allein vor sich hin wurstelt, sondern es ist ein anerkannter Staat mit Grenzen. Wenn ihr aber schon mal dort gewesen seid, werdet ihr festgestellt haben, es gibt keine Kontrollen. Man kann einfach so von Italien rübergehen und wieder zurück. Man sieht nicht mal richtig, wo die Grenze genau ist. Interessanterweise verläuft diese Grenze sogar quer durch den Audienzsaal, sodass der Papst im Vatikan steht, die meisten Besucher aber in Italien. Das zu kontrollieren wäre viel zu aufwendig, deshalb kann man ohne Visa ein- und ausreisen. Auch Waren, die man gekauft hat im Vatikan, darf man zollfrei rausbringen oder Waren zollfrei reinbringen. Gleichzeitig hat der Vatikan aber zwar den Euro, ist jedoch nicht Mitglied der Europäischen Union. Selbst im Europarat hat der Heilige Stuhl, wir erinnern uns, da gibt's paar Unterschiede, nur einen Beobachterstatus. Das Gleiche gilt für die Vereinten Nationen. Der Vatikan ist bewusst nicht Teil der UN, um neutral zu bleiben. Gleichzeitig gehört der Vatikan weder dem Internationalen Strafgerichtshof an, noch hat er ein internationales Abkommen zu Geldwäsche unterzeichnet. Auch bei anderen internationalen Vereinbarungen hält er sich zurück. International anerkannt ist er aber, das hat einen wichtigen Grund. Der Vatikan ist zwar winzig, diplomatisch aber ein Riese. Auf dem Gelände des Vatikans gibt's eine Schule für angehende Diplomaten. Die Leute, die dort ausgebildet werden, schickt der Vatikan anschließend in die ganze Welt. Dort werden die Diplomaten sehr geschätzt. Seitdem der Vatikan Ende des 19. Jahrhunderts in einem Streit zwischen Deutschland und Spanien vermittelt hat, gilt er als ehrlicher Makler. Zum Beispiel haben vatikanische Diplomaten zwischen Kuba und den USA vermittelt und sogar in muslimisch geprägten Ländern passiert das immer wieder. Der Hauptgrund: Der Vatikan hat international keine großen geschäftlichen Interessen, und kann einigermaßen glaubhaft neutral unterwegs sein. Ähnlich wie zum Beispiel die Schweiz. Aber ähnlich wie die Schweiz spielt beim Vatikan das Thema "Geld" eine sehr große Rolle und sorgt auch für Kritik. Viele Jahrzehnte lang waren die Finanzen des Staates ein großes Geheimnis. Inzwischen weiß man, der Haushalt des Vatikan liegt bei ungefähr 400 Millionen Euro im Jahr. So viel gibt der Staat Vatikanstadt aus, vor allem für Personalkosten. Die Frage ist aber natürlich: Woher kommt das Geld? Auch dazu weiß man inzwischen ein bisschen mehr. Einen Großteil seiner Haushaltsausgaben holt der Vatikan rein durch die Eintrittsgelder seiner Museen, Einnahmen aus Verkäufen in Restaurants und Shops, die weltweiten Kollekte an Ostern und Erlöse aus Immobilien und Anlagen. Und genau das ist ein großer Knackpunkt. Ab hier wird's geheimnisvoll. Experten vermuten, dass der Vatikan über Vermögenswerte von insgesamt 13 Milliarden Euro verfügt. Vor allem durch Immobilien und Grundstücke außerhalb des Landes. Niemand besitzt so viele Immobilien wie der Vatikan. Nur McDonald's kommt da annähernd ran. Kein Witz. Ob diese 13 Milliarden aber stimmen, weiß niemand. Es könnte auch noch sehr viel mehr Geld sein. Unter Umständen das Zehnfache, Hundertfache, Tausendfache. Auch deshalb, weil die Vatikanbank in der Vergangenheit immer wieder im Anlagengeschäft unterwegs war. Da lässt sich viel Geld machen. Dabei geht's wohl nicht immer legal zu. Das zumindest legen Enthüllungen aus den "Vatileaks-Skandalen" nahe. Mehr dazu hab ich euch unten in der Infobox verlinkt. Ist noch mal 'n eigenes Thema aber definitiv sehr spannend. Klar ist: Der Vatikan ist ein sehr reiches Land. Auch wegen der Kirchensteuer. Die geht offiziell nur an die einzelnen Bistümer, kommt aber über verschlungene Pfade immer wieder teilweise zum Vatikan. Auch hier weiß man nur wenig Genaues. Das Vermögen, die Finanzen, die innere Machtverteilung, alles das sind Dinge, über die aus dem Vatikan so gut wie nichts nach außen dringt. Das Land ist zwar offen für Besucher, es muss niemand dort Angst haben, weggesperrt zu werden, aber wenn's um interne Strukturen geht, wird gemauert. Vieles lagert in Archiven, die geschlossen sind, niemand von außerhalb kommt ran. Große Geheimnisse, und das nährt immer wieder Gerüchte. Wenn ihr mehr dazu wissen wollt, findet ihr auch hier mehr in der Infobox. Was man weiß, sind einige kuriose Dinge. Zum Beispiel gab es 1970 im Vatikan mal einen Streik einer Musikkapelle, die gedroht hat, künftig anstelle der Vatikanhymne die internationale zu spielen. Oder der Vatikan hat zwar eigene Fußballmannschaften, ist aber nicht Teil der FIFA, weil die Rasenplätze nicht den internationalen Vorgaben entsprechen. Und der Vatikan ist offiziell kein Gottesstaat. In seiner Verfassung gibt es keinen einzigen Bezug zu Gott. Gott taucht nicht mal auf, es gibt auch keinen Bezug zu den Gesetzen aus der Bibel. Inoffiziell sieht's anders aus. Sollte international mehr auf den Vatikan geschaut werden und was dort passiert? Oder ist es in Ordnung so? Schreibt's gerne unten in die Kommentare und berichtet von euren Besuchen im Vatikan. Der Petersdom, andere Gebäude sind kunsthistorisch spannend. Ich war selbst schon einige Male dort. Kann empfehlen, sich das genauer anzugucken. Tatsächlich zählt der gesamte Vatikan als UNESCO-Weltkulturerbe, als einziger Staat der Welt. Neben mir findet ihr ein Video auf dem Kanal "MrWissen2go Geschichte", da geht es um Absolutismus. Direkt darunter findet ihr was zum Thema Priesterkinder. Die gibt's tatsächlich, Priester dürfen ja in der katholischen Kirche offiziell keine Kinder zeugen, das passiert aber immer mal wieder. Was es damit auch sich hat, erfahrt ihr in diesem Video. Bis zum nächsten Mal.