GERMANIA | Sara Nuru
Für mich sind die Bayern eigentlich total aufgeschlossen.
Ich liebe das Bayerische, klar sagt man:
Spießertum, engstirnig...
Aber das empfinde ich gar nicht so.
*Titelmusik*
Ich bin Sara Nuru, ich komme ursprünglich aus München.
Meine Eltern stammen beide aus Äthiopien.
Und ich bin 27 Jahre alt.
1985 ist meine Mutter alleine mit meinen zwei älteren Geschwistern
über die DDR nach Bayern gekommen, in das kleine Dorf Erdingen.
Sie kannte die Sprache nicht, sie kannte die Kultur nicht
und es war am Anfang natürlich schon alles fremd.
Gott sei Dank wurden wir dann von einer Familie aufgenommen.
Ein Jahr später kam dann mein Vater hinzu.
Mitte der Achtziger Jahre bis in die Neunziger
gab es eine Diktatur in Äthiopien.
Das war der Grund, warum meine Eltern den Entschluss getroffen haben,
einfach zu gehen.
Damals gab es vielleicht 5 Familien, die aus Afrika kamen.
Ich war das erste schwarze Baby,
das im Erdinger Krankenhaus geboren wurde.
Was eine kleine Sensation war, sodass ich in der Zeitung war.
Klar, man ist aufgefallen - aber ich habe es immer als positiv empfunden.
Als wir dann nach München gezogen sind, war das was anderes,
da waren wir eine von vielen.
Was an mir typisch bayerisch ist?
Ja, ich finde es sehr schade, dass ich nicht bayerisch sprechen kann,
schon wenn ich will, aber es ist nicht gut.
Mein akuter Appetit auf Deftiges ist vielleicht bayerisch.
Ich würde immer Käsespätzle und etwas Deftiges
dem Salat vorziehen.
Ich bin auch eher mit Bier groß geworden als mit Wein.
Ich muss echt sagen, und dreimal auf Holz klopfen,
dass ich und auch meine Geschwister, nie angefeindet worden sind.
Es war eher was besonderes, wir waren die Exoten.
Wir waren die, die aus der Ferne kamen.
Man hat sich gefreut, dass wir es als selbstverständlich empfunden haben,
dass wir Kinder im Dirndl bei allen Festen dabei sind.
Es ist auf jeden Fall so, dass es gerade im Model-Business
in Deutschland als dunkelhäutige Frau schwieriger ist.
Beispielsweise für Make-up, da kommt eine dunkelhäutige Frau
an sich nicht infrage.
Ich muss sagen, dass ich durch meinen Sieg
bei Germanys Next Topmodel eine Sonderstellung habe.
Aber ich weiß von anderen Models, die auch dunkel sind,
dass es echt nicht einfach ist.
Das Witzige ist gerade, auch bei dem ganzen Prozess in der Sendung,
dass die Journalisten im Nachhinein mich immer gefragt haben:
"Wie war es denn?"
Sie wollten immer die Geschichte vom armen, kleinen, schwarzen Kind.
Und habe nur darauf gewartet, dass ich Storys erzähle,
wie schlecht es mir eigentlich geht.
Ich hab regelrecht gemerkt, dass die Journalisten enttäuscht waren,
als ich denen gesagt habe:
Tut mir leid, nein, ich hatte, Gott sei Dank, sehr viel Glück.
Ich hab immer daran gezweifelt zu gewinnen,
weil ich nicht schön genug bin. Aber nicht weil ich braun bin.
Und das hat sehr viele Menschen immer so ein bisschen verwundert,
weil sie dachten: Ist doch klar, dass du das denken musst.
Ich finde in Deutschland kann man noch mehr tun.
Es sollte nicht immer nur
die klassische blonde blauäugige Frau sein.
Sondern auch mal eine...
Es muss ja nicht immer nur die dunkle sein.
Aber es kann ja auch mal eine Rothaarige sein,
die werden ja genauso nicht repräsentiert.
Das würde ich mir wünschen.
Die ganze Branche sollte Weitsicht zeigen und die schöne Vielfalt,
die Deutschland hat, auch repräsentieren.
*Titelmelodie*
Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2017)