Pati Valpati über Vorurteile, Kindheit und litauische Wurzeln
Mit Vorurteilen kann ich relativ gut umgehen.
Vorurteil heißt ja nur,
dass ich dich an irgendeinem Punkt überrascht hab.
Das heißt nur, da war mehr da, als du dachtest.
* Titelmusik *
Ich bin Pati Valpati, bin 23, ich komme aus Hamburg
und bin angehende Journalistin und Moderatorin
und auf YouTube und Instagram aktiv.
Meine Mutter kommt aus Litauen und mein Vater aus dem Iran.
Meine Eltern haben sich getrennt, bevor ich geboren wurde.
Meine Mutter hat mich und meine Schwester großgezogen.
Ich hab alles zusammen mit meiner Schwester gemacht.
Wir sind nur ein Jahr auseinander. Es war, als wären wir gleich alt.
Wir sind in Hamburg geboren, aber danach waren wir sehr lange
immer wieder in Litauen und haben Litauisch gelernt von meiner Mutter.
Weil sie uns kein falsches Deutsch beibringen wollte.
Die Leute erkennen mich schnell als Iranerin,
dann fragen sie, ob man Farsi spricht.
Man muss die Enttäuschung in den Gesichtern sehen,
wenn ich sage, ich spreche kein Farsi und dann dranhänge:
Aber Litauisch! Aber es interessiert keinen.
Fakt ist, dass ich leider zu der iranischen Seite
keinen großen Bezug hab.
Ich hab die Sprache nicht gelernt, ich hab auch keine Freunde,
die aus dem Iran kommen.
Ich hab nicht wirklich was von der Kultur mitbekommen.
Ich müsste mich aktiv mit der persischen Kultur beschäftigen,
damit ich irgendwann sagen könnte, OK, da kann ich relaten,
da kann ich einen Bezug zu finden.
Dann gibt's die andere Seite, ich war letzte Woche in Litauen.
Da sind die Leute immer noch z.T.verwirrt,
wenn man sich untereinander im Restaurant auf Deutsch unterhält
und in relativ gutem Litauisch Essen bestellt oder antwortet.
Die finden das total toll, dass man diese Kultur beibehalten hat,
dass man so viel Litauisch spricht und in Litauen ist und so.
Die litauische Küche wird in der Tat total unterschätzt.
Das Essen ist deftig, es gibt viele Suppen,
viele Kartoffeln, viel Fleisch.
Ganz wichtig ist Schaltibarschtschiai,
das ist kalte Rote-Bete-Suppe.
Das isst man mit Kartoffeln, als Vorspeise.
Sehr traditionell ist auch Cepelinai,
das ist Teig und drinnen ist eine Fleischfüllung.
Dann Virtiniai, die kriegst du nur an Weihnachten,
wenn du zu irgendwem gehst oder wenn du das selber machst.
Es ist nicht nur das Essen und wie es schmeckt,
sondern es ist, wie du es zubereitest,
dass du es mit der Familie zusammen zubereitest
und wann du das isst. Essen ist mehr als nur Essen.
Es ist Kultur und die Verbindung zur Heimat.
Meine Mutter war Galeristin
und hat viel Wert auf Musik und Kunst gelegt.
Dazu muss man anmerken, sie ist in der Sowjetunion aufgewachsen.
Da gab es viele Sachen, die sie nicht machen konnte,
z.B. Klavierunterricht nehmen.
Dadurch war es ihr super wichtig, uns alle Möglichkeiten zu geben,
die sie uns geben konnte.
Meine Mutter hat uns von Kindesalter auf
in Konzerte geschleppt und in Museen.
Dann kamen so Sachen wie Chor dazu, Stimmbildung, Instrumente.
Ab da haben wir alles auf der ganzen Welt gemacht.
Geige spielen ist eine von den wenigen Sachen,
die in dem Sinne noch geblieben ist, dass ich das aktiv noch mache.
Ich spiel Geige und dann denk ich mir so: Ich mach das gerade.
Das klingt so schön und das bin ich!
Das bin ich und dieses Instrument!
Du erschaffst Kunst, was einfach krass ist.
Wenn ich sage, dass ich Geige spiele, sind die Leute überrascht.
In den Köpfen der Leute gehen manche Sachen nicht zusammen,
die verstehen nicht, wie so Sachen nebeneinander existieren können.
OK, sie schminkt sich total
und vielleicht postet sie ein Bild im Bikini auf Instragram,
aber sie spielt auch Geige und liebt klassische Musik
und hat einen Abschluss in Journalismus gemacht.
Aber es macht Spaß, die Leute zu überraschen.
Ich kann's nicht anders sagen.
* Titelmusik *
Untertitel: ARD Text im Auftrag von funk (2019)