SALWA HOUMSI | GERMANIA
Das ist krass, wenn da ein Mensch vor dir steht
und sagt: "Hey, ich komme aus Syrien."
Dann erzählt er dir, dass er seinen besten Freund neben sich hat sterben sehen.
Und du sitzt hier in Berlin und dir geht's gut.
* Titelmelodie *
Mein Name ist Salwa Houmsi.
Ich bin 21 Jahre alt, arbeite als Moderatorin,
wohne in Berlin
und mein Papa kommt aus Syrien.
* Musik *
Mein Papa ist 1980 nach Berlin gekommen,
aus dem Libanon.
Er ist vor seinem Papa geflüchtet, beziehungsweise vor seiner Familie.
Er wurde mit 17 zwangsverheiratet, zu Hause, bei seiner Familie.
Er hat dort mit dieser Frau ein Kind bekommen.
Das war nicht das Leben, das er leben wollte.
Er ist dann in den Libanon geflüchtet, zu seinem Onkel,
hat dort ein Jahr lang eine Ausbildung als Krankenpfleger gemacht.
Im Libanon war aber zu der Zeit Bürgerkrieg.
Das war für so einen jungen Teenie auf jeden Fall eine krasse Erfahrung.
Deswegen ist er dann nach Deutschland gekommen.
Ich konnte leider nie nach Syrien.
Mein Papa hat mir immer erzählt,
dass Aleppo die schönste Stadt der Welt ist.
Aleppo ist die Stadt, in der er aufgewachsen ist.
Dass es eine sehr alte Stadt ist, eine der ältesten Städte der Welt
und dass ich mir so eine schöne Stadt gar nicht vorstellen kann.
Als Kind war das für mich immer ein Ort wie aus einem Traum.
So hat er mir das beschrieben.
So, als wäre das gar nicht echt, weil dort alles so schön ist.
Wenn ich jetzt Bilder sehe aus Syrien und wie es aktuell aussieht in Aleppo
und wenn ich mich genau damit befasse, dann ist das ein sehr komisches Gefühl.
Manchmal kann ich das ganz gut von außen betrachten,
wie wenn ich mich mit irgendeinem anderen Kriegsgebiet beschäftige.
Aber manchmal macht es mich echt ...
Das ist so ein beklemmendes Gefühl.
Es macht einen auch ein bisschen traurig.
Und es überfordert mich, weil ich weiß,
das ist so ein Ort, der mir eventuell voll viel bringen würde,
so für mich und für meine Person.
Aber ich werde den niemals mehr so erleben können,
wie mein Papa mir davon erzählt.
Und das ist total abgefahren.
Und das ist auch ein Gefühl,
bei dem ich noch nicht weiß, was ich damit anfangen soll.
Ich hab diese Jahre eigentlich nur in Erinnerung
mit so arabischen News die ganze Zeit im Hinterkopf,
die im Wohnzimmer laufen.
Und mit Bildern aus dem Krieg, die ich im Fernseher sehe.
Und ich weiß auch, wie ich mich häufig danebengesetzt habe
und mir diese Bilder angeschaut habe,
bis ich gemerkt habe, das ist mir zu krass, das kann ich mir nicht weiter angucken.
Anfangs war es natürlich eher ein schönes Gefühl.
Da war eher so 'ne Aufbruchsstimmung, so 'n: Ja, jetzt wird's endlich cool!
Und vielleicht können wir irgendwann dahin.
Und das Land wird gerettet und alles wird neu und es wird eine Demokratie.
Ich kann mich gar nicht mehr genau an den Moment erinnern,
wo es umgeschwungen ist.
Vielleicht auch einfach, weil es so lang ging,
viel länger, als man gedacht hätte.
Es gab auf jeden Fall einige Auf-und-Abs in all diesen Jahren.
Was ich spannend finde, ist ...
Früher, als ich ein Kind war,
wenn ich da irgendwelchen Leuten erzählt habe:
"Hey, mein Papa kommt aus Syrien",
dann konnte niemand was mit dem Land anfangen.
Die Leute haben gesagt: "Nennt man dich dann Syrianerin, oder was?"
Also, niemand wusste, wo Syrien ist, was das ist.
Krass an dieser Flüchtlingswelle war, für mein persönliches Empfinden,
dass auf einmal alle wussten, wo Syrien ist, was das ist.
Überall waren Syrer.
Selbst für meinen Papa ist das so, er sagt:
"Ey, ich bin aus Syrien abgehauen
und auf einmal ist Syrien zu mir gekommen."
Und dann hat er angefangen,
in Flüchtlingsheimen zu arbeiten und zu helfen und Projekte mit denen zu machen.
Dadurch bin ich dort mit anderen Leuten aus Syrien in Kontakt gekommen,
auch durch eigene journalistische Arbeit.
Ich erinnere mich an ein Interview,
das ich für "Jäger & Sammler" geführt habe,
wo ich mit dem Sänger einer Band gesprochen habe.
Und der hat mir erzählt,
wie er den Krieg in Aleppo wahrgenommen hat.
Ich weiß noch, wie ich ihn angeguckt hab, vor der Kamera,
selbst fast heulen musste und die Kamera aber auf mich gerichtet war,
während er mir davon erzählt hat.
Ich dachte: "Das geht nicht, die Kamera ist auf dich gerichtet,
du musst professionell sein."
Das ist einfach ganz verrückt und unangenehm.
Ich glaube, Heimat hat immer ein bisschen was damit zu tun,
dass einem der Ort, an dem man sich befindet, vertraut ist.
Zumindest für mich ist das so ein vertrautes Gefühl.
Berlin ist mein Zuhause, ist demnach meine Lieblingsstadt.
Ich fühl mich hier sehr wohl.
Ich kann hier alles machen, was mich glücklich macht.
Zusätzlich mag ich,
dass viele verschiedene Kulturen zusammenkommen.
Wie gesagt, ich bin hier aufgewachsen und hier sozialisiert.
Ich fühle mich hier sehr wohl.
Untertitel für funk im Auftrag des ZDF, 2018