Albert Speer und der Traum von Hollywood (2)
Im Gegenteil.
* Er spricht Englisch. *
Er sieht sich schon als Hollywood-Star.
Vor dem Hintergrund der Gespräche
über das Grauen in den Konzentrationslagern
fragt er immer wieder:
"Wer wird meine Rolle übernehmen?
Wer spielt Hitler?"
(Sprecher) Die Gespräche sind anstrengend
für den über 70-Jährigen.
Neuman fragt jetzt auch nach Speers Ehefrau.
Denn in dessen Memoiren kommt sie kaum vor.
(Thompson) Jack spürte irgendwie,
dass er für den Film auch ein paar Infos zu Speers Frau brauchte.
Ein bisschen Gefühl, ein bisschen Weiblichkeit.
(Sprecher) Hat er mit ihr über Politik gesprochen?
(Speer) Es ist gute deutsche Tradition,
Ehefrau und Berufliches zu trennen.
(Sprecher) Er will seine Frau raushalten.
Dabei gehört sie zu Hitlers Hofstaat auf dem Berghof.
* Stumme Szenen *
(Sprecher) Margarete Speer genießt die Zeit.
Für ihre Kinder ist der Diktator ein netter Onkel.
Hitlers Geliebte Eva Braun ist ihre Freundin.
Verlässt der Hausherr den Berghof, dann verreisen die Frauen zusammen.
Gerne ins verbündete Italien.
Mit ihrer Rolle im Führerkreis
stützt Margarete Speer die Machtposition ihres Mannes.
"Wir waren glücklich damals",
sagt sie später.
Zurück in Los Angeles kümmert sich Neuman um Vertragliches.
Die amerikanische Produktionsfirma zögert noch,
mit einem Kriegsverbrecher Geschäfte zu machen.
Man fürchtet eine kritische Reaktion der Öffentlichkeit.
Und jetzt fordert Speer auch noch
für seine Informationen über die eigene Frau einen Zuschlag.
Er schreibt...
Ich verstehe, dass ich mit Rücksicht auf die Öffentlichkeit
nur einen symbolischen Betrag erhalten soll,
aber verstehen Sie mich.
Ich habe in Spandau bezahlt.
Jetzt will ich behandelt werden wie andere Promis auch.
(Brechtken) Viele werfen ihm vor:
Sie profitieren davon, dass Sie Ihre Vergangenheit nun vermarkten
und damit Geld verdienen.
Da sagt Speer: "Ich bin in Nürnberg verurteilt worden.
Alles, was man mir vorwerfen kann,
ist in Nürnberg zur Sprache gekommen.
Ich habe meine 20 Jahre abgesessen, ich bin jetzt frei davon."
Das ist das, was er meint mit dem "Cash bezahlt".
"Ich habe jetzt das Recht zu verdienen."
Und schließlich sagt er: "Ich muss ja irgendwo von leben."
Als Architekt kann ich jetzt mich nicht mehr selbstständig machen.
* Telefon klingelt. *
(Sprecher) Neuman ruft Speer an. Er will ihn beruhigen.
Die Verträge sind unterwegs. Hier der Telefonmitschnitt.
* Speer und Neuman auf Englisch *
(Speer) Ah, ja. Prima, prima.
* Speer lacht. *
(Speer) Wie läuft es mit dem Film? - (Neuman) Ich schreibe noch.
Mehr kann ich nicht machen. Ich arbeite daran.
(Sprecher) Das Haus in den Bergen im Allgäu.
Von seinem Geschäft mit der braunen Vergangenheit
kann sich Speer wieder einen großzügigen Feriensitz leisten.
Als Regisseur hat Neuman eine Hollywood-Größe gewonnen.
Einen Mann, der gerade dabei ist,
mit der TV-Serie "Holocaust" Geschichte zu schreiben.
Marvin Chomsky.
Das Schicksal der jüdischen Familie Weiß
wird auch die Fernsehzuschauer in Deutschland aufwühlen.
Und heftige Kontroversen auslösen.
Darf Hollywood den Deutschen bei diesem Thema den Spiegel vorhalten?
Deutschland hätte doch so einen Film nicht gemacht.
Es gab eine ganze Generation, die Hitler hörig war
und die sich doch nicht eingestehen wollte,
schuldig am Massenmord zu sein.
Wie kann man auch mit diesem Vorwurf leben?
Deshalb wurde Vergessen vorgeschützt.
Oder Ausreden.
"Ich war bei den Gebirgsjägern." "Ich war Sanitäter."
"Ich war Maler."
(Sprecher) Und Speer will nur Architekt gewesen sein.
Er hat eine Strategie, mit der Frage nach der eigenen Schuld umzugehen.
Fürs Fernsehen befragt ihn der Journalist Joachim Fest.
...vielfach nicht verstanden werden.
Sie waren einer der einflussreichsten Minister
in der Zeit des Dritten Reiches.
(Sprecher) Joachim Fest hat Speers Memoiren redigiert
und kräftig mitgeholfen,
Speers Version der Geschichte in die Welt zu tragen.
(Fest) Viele wussten allerdings nicht,
dass Juden systematisch zusammengetrieben
und systematisch ausgerottet wurden.
Was wussten Sie persönlich davon?
Ähm ... Hitler hat es verstanden,
die Dinge, die er vorbereitete, geheim zu halten.
Es hätte mir nicht unbemerkt bleiben dürfen,
wenn ich nicht gedankenlos in den Tag gelebt hätte
und mich in meine Baupläne geflüchtet hätte.
(Sprecher) Gespielte Reue und Verharmlosung
sollen den Verkauf der Memoiren fördern.
Das beweist eine Notiz des Verlegers.
Es solle vermieden werden, dass durch Missverständnisse
oder schädliche Interview-Teile
ein abträgliches Bild vermittelt werde.
Siedler wollte ganz sichergehen,
dass es eine tatsächliche PR-Nummer wurde
und nicht irgendwie eine kritische Distanzierung
dabei herauskommen könnte.
Man spielt sich die Bälle zu.
Der ehemalige NDR-Journalist Fest
tritt für den NDR als Interviewer auf
und lässt Albert Speer seine Geschichten erzählen.
Als Unterstützung für den Verkauf der Erinnerungen,
die gleichzeitig auf dem Markt sind.
(Sprecher) Die einen Nerv treffen.
Viele wussten genug, um nicht mehr wissen zu wollen.
(Speer auf Englisch) Ganz ehrlich,
das war der größte Fehler in meinem Leben.
Dass ich gezögert habe, bei Hitler nachzufragen.
(Sprecher) Neuman ist verunsichert.
Wie weit kann er Speer trauen?
Ein halbes Jahr später.
Im Sommer 1977 reist Drehbuchautor Jack Neuman erneut an.
Es seien noch viele Fragen offen, sagt er.
Ich denke, die Interviews erlaubten meinem Onkel Jack,
Speer besser zu verstehen.
Wie er hineingezogen wurde in das Leben an der Seite Hitlers.
Was das bedeutet für einen jungen Mann mit großem Ehrgeiz.
(Sprecher) Diesmal soll es um Speers Zeit
als Hitlers Rüstungsminister gehen.
Schockiert sei er gewesen, erzählt Speer,
als Hitler ihn zum Nachfolger von Rüstungsminister Fritz Todt machte.
Für Hitler lag das auf der Hand.
(Brechtken) Albert Speer
hat zwischen 1939 und 1942 eigentlich schon genau das gemacht,
was Fritz Todt auch gemacht hatte.
Die Kriegführung unterstützen, Straßen bauen.
Die Wehrmacht im Osten mit Sprit versorgen,
Transportkapazitäten bereitstellen.
Albert Speer war ein Rüstungslogistiker.
Und als Fritz Todt dann bei dem Flugzeugabsturz ums Leben kam,
war es quasi logisch, dass man denjenigen nimmt,
der sich schon am besten damit auskennt und der gezeigt hat:
Wenn er eine Aufgabe übernimmt,
dann funktioniert das im Sinne Hitlers.
Das neue Amt war für mich ein großer Einschnitt.
Als Hitlers Minister war ich weisungsgebunden,
ihm untergeordnet.
(Neuman) Sie waren jetzt ein Bürokrat.
Hitler entschied jetzt. Und unsere Beziehung kühlte ab.
(Sprecher) Hitler, nicht er, war der Kriegsherr,
will Speer damit sagen.
Dabei hat er selbst jetzt mehr Macht als je zuvor.
Und nutzt sie, um sich immer weitere Befugnisse zu sichern.
Speer beeindruckt mit grandiosen Erfolgsstatistiken.
Er erfindet die Legende vom Rüstungswunder,
als sei der Krieg noch zu gewinnen.
Der Minister unterhält eine eigene Propagandatruppe.
Sie zeigt ihn jovial und nahbar.
Er sei beliebt gewesen, sagt Speer.
Auch, weil er anders war als die anderen Nazis.
Viele hätten in ihm einen Nachfolger Hitlers gesehen.
Seine dunkle Seite kennt die Öffentlichkeit nicht.
Im September 1942
genehmigt Speer die Vergrößerung von Auschwitz.
Die Häftlinge sollen dort vor ihrer Ermordung
für die deutsche Rüstungsindustrie arbeiten, deren Chef er jetzt ist.
13,7 Millionen Reichsmark für den Ausbau der Todesfabrik
stellt Speer bereit.
Vom Elend seiner Opfer will er nichts gewusst haben.
Wie auch nicht vom Leid der Zwangsarbeiter.
Eine Frage zu den ausländischen Arbeitern, den Zwangsarbeitern.
Sie erhielten kein Geld.
Doch, sie wurden bezahlt.
Sie waren mehr oder weniger frei.
Sie konnten sogar ins Kino gehen.
Sie waren nicht hinter Stacheldraht.
(Sprecher) Die Realität sieht ganz anders aus.
In der Industrie und auf dem Land, auf Baustellen und unter Tage
schuften Millionen Zwangsarbeiter
unter unmenschlichen Bedingungen für das Großdeutsche Reich.
Fritz Sauckel hat sie besorgt, in Speers Auftrag.
Als Generalbevollmächtigter des Arbeitseinsatzes.
Arbeitskräfte, die er braucht.
Speers Engagement in der Rüstungsindustrie
verlängert den Krieg um viele Monate.
Im letzten Kriegsjahr sterben mehr Menschen als in allen Jahren zuvor.
Zwei Wochen nach der deutschen Kapitulation
wird Speer verhaftet.
Zusammen mit Hitlers Nachfolger Dönitz und General Jodl.
Dass ihm wie anderen NS-Führern der Prozess gemacht werden soll,
trifft Speer schwer.
Er will keine Schuld bei sich sehen.
Nürnberg.
Im ehemaligen Justizpalast beginnt im November 1945
der Prozess der alliierten Siegermächte
gegen die Hauptkriegsverbrecher.
Auf der Anklagebank: Hitlers Helfer.
Die meisten hier sehen darin Siegerjustiz.
Speer kooperiert und leugnet.
Zwangsarbeit, das war Sauckel.
Und Sauckel ließ sich dazu den Auftrag geben,
drei Millionen... dreieinhalb Millionen Arbeitskräfte
aus den besetzten Gebieten zu holen.
Dabei gab Hitler schärfste Weisung
an die Militärbefehlshaber,
den Forderungen Sauckels mit allen Mitteln nachzukommen.
(Mann) Waren Sie mit dieser Entscheidung einverstanden?
Nein, keineswegs.
Sauckel hatte seine Aussage schon getätigt,
als Speer in den Zeugenstand kam.
Und er hat dann bemerkt, wie Albert Speer
die Verantwortung für diese ganze Zwangsarbeitergeschichte
auf den Generalbevollmächtigten Sauckel übergeschoben hat.
Wie Speer immer weiter sozusagen ihm einen Strick um den Hals legt
und das immer weiter zuzieht.
Und Sauckel hat dann kleine Zettel geschrieben an seinen Rechtsanwalt.
(Sprecher) Darauf steht:
Speer hat mich heimtückisch hinters Licht geführt.
Etwas Gemeineres gibt es gar nicht,
denn er hat Arbeitskräfte gefordert.
(Brechtken) An diesen Zetteln kann man erkennen,
wie die Panik bei Fritz Sauckel sich in Lebensangst ausdrückt
und wie er merkt, dass der Nationalsozialist Speer
den Nationalsozialisten Sauckel gerade ans Messer liefert.
(Sprecher) Die alliierten Richter verurteilen Sauckel zum Tode.
Speer kommt mit 20 Jahren Haft davon,
auch weil er sich von Hitler distanziert.
Entbehrungen und Elend sind über das deutsche Volk gekommen.
Es wird nach diesem Prozess
Hitler als den erwiesenen Urheber seines Unglücks
verachten und verdammen.
(Sprecher) Verantwortung, ja.
Aber keine persönliche Schuld.
Damit trifft Speer einen Nerv
in der deutschen Nachkriegsgesellschaft.
(Brechtken) Die Leute waren begierig,
mit sich selbst ins Reine zu kommen.
Und Albert Speer war das ideale Angebot.
Weil Speer mit seinen Lügen,
er habe von den Verbrechen nichts gewusst,
all den vielen anderen Millionen die Entschuldigung gab:
"Ja, wenn schon Albert Speer nichts wusste,
dann kann auch niemand erwarten, dass ich irgendetwas gewusst habe."
Und insofern war das eine perfekte Koinzidenz
zwischen den Erwartungen der deutschen Öffentlichkeit
und den Lügengeschichten von Albert Speer.
(Sprecher) Auch Jack Neuman glaubt Speers Märchen.
Ich werde Sie als Technokraten darstellen,
der sehr früh in die Partei kam,
mitgerissen wurde, von Hitler dominiert.
Der Film wird nicht mehr und nicht weniger als genau das sein.
Okay? - I'm very okay with that.
(Sprecher) Da ist er: der gute Nazi.
Neuman ist überzeugt:
Speer ist da irgendwie reingerutscht.
Die beiden mochten sich wirklich.
Nie hat mein Mann gesagt, Speer sei schuldig.
Und Speer natürlich auch nicht.
(Sprecher) Die Dreharbeiten
finden in den Bavaria-Studios in München statt.
Drei Monate, acht Millionen Dollar Drehkosten.
Regisseur Chomsky erinnert sich gerne.
Es war perfekt. Alles war da.
In Hollywood hätten viele Kulissen hergestellt werden müssen
und die Santa-Monica-Berge in Alpen verwandelt werden müssen.
Es war einfacher, Kameras nach Bayern zu bringen,
als die Berge zur Kamera.
(Sprecher) Im Film spielt Rutger Hauer Albert Speer.
Derek Jacobi gibt Adolf Hitler.
Elke Sommer glänzt als glamouröse Magda Goebbels.
Und Weltstar Maria Schell ist Speers Mutter.
Ich erinnere mich an die Dreharbeiten.
Wenn Maria Schell da war, war ich auch da.
Ich war Bedienung in einer Bar und trug so Armreifen.
Das war's eigentlich.
(Sprecher) Die US-Programmzeitschrift
macht Speer zum Opfer Hitlers.
Ein rechtschaffener Mann, der zum Werkzeug des Nazi-Terrors wurde,
so die Filmwerbung.
Der Mehrteiler wird bei ABC im Mai 1982 ausgestrahlt.
Unter dem englischen Titel von Speers Memoiren.
* Lauter Jubel *
(Mann) "Sieg heil.
Sieg heil. Sieg heil."
In einer Szene erfindet Neuman
einen Wutausbruch Hitlers gegen Speer bei Kriegsbeginn.
(auf Englisch) Er hat es aufgeschrieben, da steht es doch.
Mir ist es klar. Es sollte Ihnen auch klar sein.
In meinem Namen werden Sie nicht für die Wehrmacht arbeiten,
oder für wen auch sonst.
(Speer) Ich dachte, Sie würden mein Vorgehen schätzen.
(Hitler) Sie können sicher sein, dass ich nichts akzeptiere,
was dem Wiederaufbau dieser Stadt zuwiderläuft.
Kümmern Sie sich ums Bauen, Speer, lassen Sie mir den Krieg.
(Brechtken) Der Film tut so, von Anfang an,
als ob Speer irgendein Fremdling sei,
der da unter ganz komische Figuren geraten sei
und eigentlich mit denen nichts zu tun gehabt habe.
Das ist die Geschichte, die Speer erzählen wollte.
Albert Speer war ein Nationalsozialist,
so wie Goebbels, so wie Himmler, so wie Hitler.
Und eine von sehr zentralen Figuren,
die das Regime insbesondere während des Krieges
ganz intensiv am Laufen gehalten haben.
Das kommt im Film in keiner Weise rüber.
(Sprecher) Regisseur Chomsky will seinen Speer verstanden,
aber nicht entschuldigt haben.
Ich habe ihn nicht verherrlicht.
Für mich war Speer ein Nazi von Anfang bis Ende.
Oder zumindest, bis er ins Gefängnis kam.
Und danach, das ist Legende.