Folge 152: Pioneer und Voyager – Auf dem Weg aus dem Sonnensystem
Folge 152: Pioneer und Voyager – Auf dem Weg aus dem Sonnensystem.
In der letzten Folge der Sternengeschichten habe ich erklärt, welche Geschwindigkeit notwendig ist, wenn man von der Erde in den Weltraum gelangen will. Die sogenannte erste kosmische Geschwindigkeit reicht aus, um die Erde zu umkreisen und nicht mehr auf den Boden zurück zu fallen. Mit der zweiten kosmischen Geschwindigkeit kann man dem Einflussbereich unseres Planeten ganz entkommen. Will man aber das Sonnensystem komplett verlassen und der Gravitationskraft der Sonne und all ihrer Planeten entkommen, dann ist dafür die dritte kosmische Geschwindigkeit notwendig. Von der Erde aus muss ein Raumfahrzeug dafür mit mindestens 16,7 Kilometern pro Sekunde in den Weltraum starten.
Diese Geschwindigkeit haben die meisten der Raumsonden die wir ins All gebracht haben, nicht erreicht. Aber ein paar davon schon und sie sind tatsächlich mittlerweile auf dem Weg aus dem Sonnensystem hinaus. In den 1960er Jahren war das Sonnensystem allgemein noch ziemlich unerforscht. Die meisten der großen Himmelskörper hatte noch keine Raumsonde aus der Nähe gesehen und vor allem die Planeten des äußeren Bereichs waren noch nie besucht worden. Um endlich einen detaillierten Blick auf die Gasriesen Jupiter und Saturn werfen zu können, schickte die NASA also nach einiger Vorbereitung am 3. März 1972 die Raumsonde Pioneer 10 ins All. Am 6. April 1973 folgte Pioneer 11. Die nur jeweils 260 Kilogramm schweren Sonden sollten an Jupiter und Saturn vorbei fliegen und die ersten Bilder aus der Nähe machen.
Nur 11 Stunden nach dem Start hatte Pioneer 10 schon den Mond passiert und war damit das schnellste menschengemachte Objekt der damaligen Zeit. Im Juni 1972 flog die Sonde am Mars vorbei und im Juli war sie das erste Raumfahrzeug, das den Asteroidengürtel durchquerte, der zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter liegt. Am 4. Dezember 1973 erreichte Pioneer 10 schließlich mit knapp 200.000 Kilometern den geringsten Abstand zu Jupiter. Die Daten dort gesammelt wurden waren revolutionär und die Astronomen hatten das erste Mal die Gelegenheit, den größten Planeten unseres Systems im Detail zu studieren. Die Sonde blieb aber nicht dort, sondern flog weiter, immer tiefer hinaus in die äußeren Bereiche des Sonnensystems. 1983 kreuzte sie die Umlaufbahnen von Pluto und Neptun. 1997 wurde die Mission von Pioneer 10 offiziell beendet; Signale schickte die Sonde allerdings trotzdem noch zurück zur Erde. Die wurden aber immer schwächer. Am 27. April 2002 konnte auf der Erde das letzte Mal eine klare Botschaft von Pioneer 10 empfangen werden – die Raumsonde war damals schon 80 Astronomische Einheiten entfernt; also 80 Mal weiter von der Sonne weg als die Erde und weit außerhalb der Umlaufbahnen der bekannten Planeten. Ein letztes, aber unverständliches Signal der Sonde kam am 23. Januar 2003 auf der Erde an. Die Battieren von Pioneer 10 waren schon zu schwach, um noch klare Daten senden zu können. Aber auch wenn wir nicht mehr mit Pioneer 10 kommunizieren können, fliegt sie doch immer weiter.
Bis sie das Sonnensystem komplett verlassen hat, wird es aber noch ein paar tausend Jahre dauern. Und dann geht es weiter; in Richtung des Sterns Aldebaran im Sternbild Stier – an dem sie aber erst in etwa 2 Millionen Jahren vorbei kommen wird. Auch Pioneer 11 ist auf dem Weg hinaus zu den Sternen. Die eigentliche Mission dieser Sonde war die Erforschung des Saturn, den sie am 1. September 1979 in einer Entfernung von 21.000 Kilometern passierte. Im September 1995 fand die erfolgreiche Mission dann ihr offizielles Ende aber so wie Pioneer 10 flog auch Pioneer 11 immer weiter. 1990 kreuzte sie die Umlaufbahn von Pluto und im Juli 2015 war sie schon 90 Astronomische Einheiten weit entfernt. Ihr letztes Signal schickte die Sonde aber schon am 30. November 1995 zur Erde; von ihrem weiteren Weg in den interstellaren Raum kann sie uns also nichts mehr erzählen.
Pioneer 10 und 11 waren extrem erfolgreich, aber eigentlich nur zur Vorbereitung einer noch ambitionierteren Mission gedacht: Der großen Tour der beiden Voyager-Raumsonden zu den Planeten des äußeren Sonnensystems. Am 20. August und am 5. September 1977 flogen Voyager 1 und 2 ins Weltall um nicht nur Jupiter und Saturn sondern auch Uranus und Neptun aus der Nähe zu betrachten. Das taten sie und noch besser als ihre Vorgänger. Und sie waren schneller! Am 17. Februar 1998, bei einem Abstand von fast 70 Astronomischen Einheiten überholte Voyager 1 Pioneer 10 und wurde zum am weitesten von der Erde entfernten menschengemachten Objekt. Und ist es heute immer noch!
Im Gegensatz zu den Pioneer-Sonden sind beide Voyager-Sonden noch aktiv und schicken Daten zur Erde. Sie sind weiter von der Erde entfernt als alles andere, was wir bis jetzt ins All geschickt haben und sie entfernen sich immer weiter. Das Sonnensystem verlassen haben sie allerdings immer noch nicht. Zumindest hängt das davon ab, was man unter “Sonnensystem” versteht. Im August 2012 wurde in vielen Medien zum Beispiel behauptet, Voyager 1 hätte das Sonnensystem verlassen und den interstellaren Raum erreicht. Sogar Wissenschaftler des Voyager-Projekts bestätigten das. Aber das ist dennoch eine Definitionsfrage. Damals war Voyager 1 knapp 121 Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt. Und das ist zwar enorm weit und viel weiter weg als die Region, in der sich die Planeten befinden. Die Umlaufbahn des sonnenfernsten Planeten Neptun befindet sich beispielsweise bei etwa 30 Astronomischen Einheiten. Aber trotzdem hört das Sonnensystem dahinter nicht einfach auf. Man findet dort jede Menge Asteroiden; zum Beispiel die des Kuiper-Gürtels, der sich bis zu einem Abstand von etwa 50 Astronomischen Einheiten erstreckt. Aber auch dahinter geht es noch weiter. Verstreute Asteroiden findet man auch noch hinter dem Ende des Kuiper-Gürtels. Zum Beispiel der im Jahr 2004 entdeckte Asteroid Sedna; immerhin 1000 Kilometer groß. Wenn der auf seiner Bahn seinen sonnenfernsten Punkt erreicht, ist er 1000 Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt. Also mehr als 8 Mal weiter weg von der Sonne als die Raumsonde Voyager 1 zu dem Zeitpunkt, an dem sie angeblich das Sonnensystem verlassen haben soll.
Sedna gehört aber definitiv noch zum Sonnensystem; genau so wie die vielen Asteroiden und Kometen die noch weiter entfernt in der sogenannten Oortschen Wolke die Sonne umkreisen. Diese Region erstreckt sich bis in eine Entfernung von einigen hunderttausend Astronomischen Einheiten; fast bis zur halben Strecke auf dem Weg zu Alpha Centauri, dem sonnennächsten Stern. Sedna und all die Asteroiden und Kometen sind, wenn auch schwach aber trotzdem immer noch durch die Gravitationskraft der Sonne an unser Sonnensystem gebunden. Aber die Sonne beeinflusst ihre Umgebung nicht nur durch ihre Gravitation sondern auch durch ihre Strahlung. Und durch ihren Sonnenwind. Der besteht aus Teilchen der Sonnenatmosphäre, aus Atomen die von der Sonne ständig ins All hinaus geschleudert werden (ich habe in Folge 10 der Sternengeschichten schon ein bisschen mehr dazu erzählt). Je weiter man sich von der Sonne entfernt, desto mehr verteilen sich die Teilchen des Sonnenwinds. Auch andere Sterne erzeugen Sternenwind der in deren Nähe stärker ist als weiter entfernt. Zwischen den Sterne findet man dann nur noch vereinzelte Teilchen, die aus verschiedenen Quellen dorthin gelangt ist, wie ich in Folge 79 ausführlicher erklärt habe.
Irgendwann und weit entfernt von der Sonne ist der Sonnenwind dann so verdünnt, dass er im Vergleich zu den Teilchen der interstellaren Materie kaum mehr auffällt. Die Grenze, an der das passiert, nennt man “Heliopause” und sie hat Voyager 1 am 25. August 2012 überquert. Die Raumsonde hat also den Einflussbereichs des Sonnenwindes verlassen. Das Sonnensystem selbst ist aber noch ein Stück größer und bis die Voyager-Sonden sein Ende erreicht haben, wird es noch viele tausend Jahre dauern. In knapp 30.000 Jahren wird sie das Ende der Oortschen Wolke und die äußersten Regionen des Sonnensystems erreicht haben. Auch Voyager 2 ist auf den Weg hinaus zu den Sterne und gemeinsam mit den Pioneer-Sonden werden die beiden diese Reise vermutlich noch für sehr lange Zeit fortsetzen. Es wäre extrem unwahrscheinlich, wenn sie im leeren All zufällig mit einem Stern oder gar einem Planeten zusammenstoßen und zerstört würden. Die wenigen Teilchen im interstellaren Raum und die kosmische Strahlung werden wohl irgendwann in ferner Zukunft dafür sorgen, dass auch die Raumsonden ihr Ende finden. Aber bis dahin haben sie noch jede Menge Zeit. Weniger Zeit bleibt für die Kommunikation mit der Erde; hier ist nur noch für einige Jahre bis höchstens Jahrzehnte genug Energie vorhanden. Wenn die Sonden also in den nächsten Jahrtausenden oder gar Jahrmillionen die Milstraße erforschen, werden wir leider nichts mehr von dem erfahren, was sie erleben…