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YouTube | Y-Kollektiv - kurze Videodokumentationen und Reportagen, Europas größter Schwarzmarkt und das multiethnische Miteinander

Europas größter Schwarzmarkt und das multiethnische Miteinander

Fake, fake, fake!

Nichts davon ist original.

Trotzdem legal.

Aber wenn du irgendwas brauchst, schreib 'ne Liste. Ich besorg's dir.

Das ist der Markt, manche sagen Schwarzmarkt.

Der größte Europas.

75 Hektar, 30 Nationen, alle kommen klar.

Warum hauen die sich nicht die Köpfe ein?

Wo wir in Europa genau daran gerade zu scheitern drohen.

Das will ich wissen.

Wir sind fast da, die Autofahrt von Odessa zum schwarzen Markt,

dem „Siebten Kilometer“, wie er auch hier genannt wird in Odessa,

stimmt uns schon so ein bisschen ein auf das Feeling.

Es läuft russische Musik im Radio.

Wir sind unterwegs in einem japanischen Auto.

Neben mir sitzt mein Übersetzer und meine rechte Hand sozusagen: Nazar aus Kiew.

Ja, hallo.

Ich möchte ja dort diesem Geheimnis auf die Schliche kommen: Warum funktioniert dieses

multiethnische, multikulturelle, mehrsprachige Miteinander dort auf diesem Markt.

Über dreißig Nationen arbeiten dort zusammen auf einer riesigen Fläche, die wir uns gleich angucken werden.

Eine Fläche, die so groß ist, dass sie aus dem Weltraum zu sehen ist.

Das sind quasi übereinander gestapelte Schiffscontainer, bunt bemalt.

Und die Menschen, die dort Handel treiben, kommen aus ganz Europa, aus ganz Asien.

Und es scheint dort zu funktionieren.

Der Siebte Kilometer. So heißt der Markt in Odessa, in der Ukraine.

Schichtbeginn 7:00 Uhr.

Als erstes stoße ich auf die Ukrainerin Jula und ihrer Mutter Valentina.

Die Ukrainerin bezieht ihre Schuhe, die sie hier verkauft,

direkt von den chinesischen Großhändlern ein paar Stände weiter.

Dieser kopierte Markenschuh kostet etwa zwanzig Euro.

Sie braucht also keine Sprachkenntnisse, um sich zu verständigen, interessant!

Jeden Tag handeln hier 70.000 Leute: Chinesen, Vietnamesen, Afghanen, Türken, Pakistani,

Menschen aus Zentral- und Nordafrika.

Für mich faszinierend, denn in Europa geht es im Moment ja eher um Abgrenzung und

Multikulti und Flüchtlinge, das hört man ja nicht mehr so gern.

Das Schöne ist, es ist wirklich ein bisschen wie in einer Kleinstadt, ich hab sofort das

Gefühl, dass sich alle schon irgendwie kennen.

Man sieht das hier hinter mir so ein bisschen, diese Containerstruktur.

Es sind immer zwei Schiffscontainer übereinander gestapelt.

Oben, in der oberen Abteilung kommt quasi der Warennachschub

und unten, was man hier hinter mir sieht, findet der Verkauf statt.

Das Ganze funktioniert so: Die Marktleitung vermietet die Container, die Shopbetreiber

stellen dann eigene Verkäufer an.

Was die dann genau handeln, ist ihr Ding.

Hier wird alles Mögliche gehandelt: Klamotten, Haushaltswaren, Spielzeug, Taschen, Schuhe.

Vieles davon natürlich gefälscht.

Das ist cool.

Ukrainer und Chinese beim Backgammon Spiel.

Ältestes Spiel der Welt.

Geht auch ohne Sprache.

Ich wühle mich tiefer rein und lerne den afghanischen Händler Hamayoun kennen.

Wie macht er das mit den Sprachen?

Okay, also sind doch alle irgendwie mehrsprachig.

Aber es muss doch auch mal Konflikte geben!

Keine Konflikte, aha.

Was ist denn dann das Geheimnis?

Das ist lustig, jetzt schwärmt er mir von Europa vor, wo ich doch hier bin, um von ihm zu lernen.

Mein Bild von Europa ist ja gerade eher AfD, Abspaltung, Grenzen dicht machen.

Er vermittelt mir ganz klar: Man muss auch schon Bock aufeinander haben.

Für negative Menschen ist dieser Ort hier nichts.

Mach lieber deinen Abschluss, sonst musst du auch Kisten werfen wie ich, sagt sie zu mir.

Es ist so witzig, wenn man hier durchläuft und sich fragt, wie funktioniert eigentlich

das Multi-Kulti hier, noch bevor man irgendeine gute Antwort darauf bekommt, kriegt man eigentlich

so ein Gefühl dafür, was es noch sein könnte. Nämlich: Humor.

Odessa ist nämlich in der Ukraine auch bekannt als die Hauptstadt des Humors.

Und dass das hilft, das ist so offensichtlich.

Weil die Leute hier alle so gute Laune haben.

Ich meine, es regnet, es ist kalt.

Okay.

Gut, der war jetzt ein bisschen aggressiv.

Und: Humor ist länder- und kulturübergreifend, das ist überall zu spüren.

Es sind zwar alle echt locker hier, aber Kameras mögen sie nicht so.

Ich entschuldige mich schon immer, weil ich es natürlich trotzdem versuche.

Du musst doch jetzt echt nicht meine Hackfresse filmen, sagt er jetzt zu mir.

Was echt ein bisschen schade ist, ist dass die meisten Shop-Besitzer das nicht so gerne

sehen, wenn man sie filmt.

Wenn man die Kamera aber ausmacht, kommt man wirklich super leicht mit den Leuten ins Gespräch.

Ich hab grad mit jemandem gesprochen aus Uganda.

Und das coole ist, wenn man fragt, wo kommst Du her, dann sagt er: Na, aus Odessa natürlich.

Also man versteht sich hier sehr als Local und nicht unbedingt als Migrant.

Und dieses Feeling, dass sich hier alle wahnsinnig identifizieren mit dem Markt und mit Odessa,

das find ich schon echt beeindruckend.

Das hör' ich nämlich auch immer wieder: Es liegt auch an Odessa und den Menschen hier,

dass Multikulti hier funktioniert.

Klar, das macht auch Sinn.

Die Leute sind es gewohnt, in einer Handelstadt zu leben.

Hier her hat es schon immer Menschen aus allen möglichen Teilen der Welt gezogen.

Die Stadt gilt als super international, liberal.

Und auch verrucht. Hafenstadt halt.

Man kann hier eigentlich auch als Journalist einfach losziehen und drehen.

Das geht nur in Begleitung mit dieser Dame.

Das ist die Kollegin von der Presseabteilung, die uns hier begleitet und sie sagt, es ist

besser, wenn sie mitkommt, weil diese Polizisten, die hier rumstehen, sonst alle fünf Minuten

in der Zentrale anrufen würden und sagen: Hey, wer ist das, der hier rumfilmt, hat die

überhaupt eine Genehmigung?

Ja, hat sie.

Die Pressefrau will natürlich auch nicht vor die Kamera, bringt uns aber zumindest

zu ihrer Chefin in die Marktverwaltung.

Ja, dieser Markt hat eine Presseabteilung.

Das war jetzt wirklich spannend, weil die hat mir auf die Frage, warum funktioniert

das eigentlich hier mit den dreißig verschiedenen Sprachen, Kulturen, Nationen, ne ziemlich

gute Antwort gegeben.

Die hat gesagt: Naja, schau mal.

In dem Moment, wo es ums Überleben geht oder um ein gemeinsames Interesse, also Business,

klar kommen, irgendwie überleben, in dem Moment muss man sich ja auf den anderen einlassen.

Und auf dessen Sprache, auf dessen Kultur, um sich näher zu kommen, um sich zu verstehen.

Und das weitet automatisch den Blick.

Aber trotzdem: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es überhaupt keine Konflikte gibt.

Ich mein, allein wenn ich mir die Präsenz der vielen Polizisten und Sicherheitskräfte

reinziehe.

Die beäugen mich die ganze Zeit und finden's auch nicht so geil, gefilmt zu werden.

Ich verabrede mich einfach mal mit dem Sicherheitschef des Marktes.

Das ist ganz interessant, der Typ leitet fünfhundert Sicherheitbeamte, die hier auf dem Markt für

Ordnung sorgen.

Und man muss sich das nicht vorstellen, wie so eine Miliz, die hier bewaffnet bis unter

die Zähne rumläuft, sondern es ist eher anders.

Die sind in zivil unterwegs.

Und was die machen, ist: Die nehmen sich die Community-Leiter, die Community-Manager und

besprechen alles mit denen.

Die treffen sich ungefähr ein Mal am Tag mit den Leuten und merken eben sofort, wenn

es ein Problem gibt.

Es geht also überhaupt nicht darum, dass sich alle jetzt der ukrainischen Kultur anpassen

müssen, sondern eher darum die Unterschiede von vornherein einzubeziehen.

Daher die Community-Manager.

Er hier ist einer davon, er leitet die größte, nämlich die Chinesische Community.

Auch er sagt mir, es gebe keine Probleme.

Im Gegenteil, es laufe sogar so gut, dass sie die Geschäfte ausweiten wollen.

Die Rede ist von einer neuen Seitenstraße zwischen China und Westeuropa.

Ich hab immer noch das Gefühl, dass ich nur ein Bruchteil dieses Marktes gesehen hab.

Graue Container.

Achtung.

Ehrlich gesagt, habe ich mich schon wieder ein bisschen verirrt.

Eine Querstraße entfernt… Ehrlich gesagt, zurechtfinden, naja, davon

bin ich echt Meilen weit entfernt.

Das ist so geil, die Marken hier sind alle fake.

Hier, diese Modelle gibt's überhaupt nicht von den Original-Herstellern.

Und so viel billiger als die Originale sind die meisten hier auch nicht.

Kaufen würd ich hier nichts unbedingt, um ehrlich zu sein.

Ich hab son bisschen Gefühl wie auf nem Wochenmarkt.

Nur in gigantisch.

Das ist so offensichtlich ein Schwarzmarkt.

Jeder weiß das, nur die Marktleitung dementiert das offiziell, aber wenn man die Kamera aushat

und fragt: Jetzt mal Hand aufs Herz.

Wie ist das denn hier mit der Produktpiraterie?

Dann hab ich jetzt die Antwort bekommen: Nee, also das ist kein Schwarzmarkt.

Mmm-mmm.

Aber wenn du irgendwas brauchst, schreib mir eine Liste, ich besorg es dir.

Ich muss sagen: Obwohl der Markt doch ganz anders ist, als ich das erwartet hatte, nicht

so wild, nicht so rau - hab ich doch diese Magie aufgesogen.

Und vielleicht auch ein bisschen verstanden.

Nach drei Tagen auf dem faszinierenden Mikrokosmos habe ich drei Dinge gelernt.

Das erste ist: um mit Multi-Kulti klarzukommen, braucht es Humor.

Und den haben die Leute in Odessa auf jeden Fall.

Das zweite ist: Ein gemeinsames Interesse.

Egal, wie unterschiedlich die Leute hier sind, es gibt ein gemeinsames Interesse, es gibt

einen gemeinsamen Nenner.

Hier ist da natürlich der Profit.

Das dritte, was ich gelernt habe, ist: Radikale Akzeptanz.

Es bringt ja nichts, die Tatsache auszublenden, dass wir nun mal alle sehr unterschiedlich sind.

Unterschiedliche Herkunft, unterschiedliche Sprachen, unterschiedliche Kulturen, unterschiedliche Meinungen.

Wir müssen uns damit auseinandersetzen, weil uns auch gar nichts anderes übrig bleibt.

Und, wie es einer meiner Interviewpartner gesagt hat: Alles andere ist auch ziemlich langweilig.


Europas größter Schwarzmarkt und das multiethnische Miteinander Europe's largest black market and multiethnic coexistence

Fake, fake, fake!

Nichts davon ist original.

Trotzdem legal.

Aber wenn du irgendwas brauchst, schreib 'ne Liste. Ich besorg's dir.

Das ist der Markt, manche sagen Schwarzmarkt.

Der größte Europas.

75 Hektar, 30 Nationen, alle kommen klar.

Warum hauen die sich nicht die Köpfe ein?

Wo wir in Europa genau daran gerade zu scheitern drohen.

Das will ich wissen.

Wir sind fast da, die Autofahrt von Odessa zum schwarzen Markt,

dem „Siebten Kilometer“, wie er auch hier genannt wird in Odessa,

stimmt uns schon so ein bisschen ein auf das Feeling.

Es läuft russische Musik im Radio.

Wir sind unterwegs in einem japanischen Auto.

Neben mir sitzt mein Übersetzer und meine rechte Hand sozusagen: Nazar aus Kiew.

Ja, hallo.

Ich möchte ja dort diesem Geheimnis auf die Schliche kommen: Warum funktioniert dieses

multiethnische, multikulturelle, mehrsprachige Miteinander dort auf diesem Markt.

Über dreißig Nationen arbeiten dort zusammen auf einer riesigen Fläche, die wir uns gleich angucken werden.

Eine Fläche, die so groß ist, dass sie aus dem Weltraum zu sehen ist.

Das sind quasi übereinander gestapelte Schiffscontainer, bunt bemalt.

Und die Menschen, die dort Handel treiben, kommen aus ganz Europa, aus ganz Asien.

Und es scheint dort zu funktionieren.

Der Siebte Kilometer. So heißt der Markt in Odessa, in der Ukraine.

Schichtbeginn 7:00 Uhr.

Als erstes stoße ich auf die Ukrainerin Jula und ihrer Mutter Valentina.

Die Ukrainerin bezieht ihre Schuhe, die sie hier verkauft,

direkt von den chinesischen Großhändlern ein paar Stände weiter.

Dieser kopierte Markenschuh kostet etwa zwanzig Euro.

Sie braucht also keine Sprachkenntnisse, um sich zu verständigen, interessant!

Jeden Tag handeln hier 70.000 Leute: Chinesen, Vietnamesen, Afghanen, Türken, Pakistani,

Menschen aus Zentral- und Nordafrika.

Für mich faszinierend, denn in Europa geht es im Moment ja eher um Abgrenzung und

Multikulti und Flüchtlinge, das hört man ja nicht mehr so gern.

Das Schöne ist, es ist wirklich ein bisschen wie in einer Kleinstadt, ich hab sofort das

Gefühl, dass sich alle schon irgendwie kennen.

Man sieht das hier hinter mir so ein bisschen, diese Containerstruktur.

Es sind immer zwei Schiffscontainer übereinander gestapelt.

Oben, in der oberen Abteilung kommt quasi der Warennachschub

und unten, was man hier hinter mir sieht, findet der Verkauf statt.

Das Ganze funktioniert so: Die Marktleitung vermietet die Container, die Shopbetreiber

stellen dann eigene Verkäufer an.

Was die dann genau handeln, ist ihr Ding.

Hier wird alles Mögliche gehandelt: Klamotten, Haushaltswaren, Spielzeug, Taschen, Schuhe.

Vieles davon natürlich gefälscht.

Das ist cool.

Ukrainer und Chinese beim Backgammon Spiel.

Ältestes Spiel der Welt.

Geht auch ohne Sprache.

Ich wühle mich tiefer rein und lerne den afghanischen Händler Hamayoun kennen.

Wie macht er das mit den Sprachen?

Okay, also sind doch alle irgendwie mehrsprachig.

Aber es muss doch auch mal Konflikte geben!

Keine Konflikte, aha.

Was ist denn dann das Geheimnis?

Das ist lustig, jetzt schwärmt er mir von Europa vor, wo ich doch hier bin, um von ihm zu lernen.

Mein Bild von Europa ist ja gerade eher AfD, Abspaltung, Grenzen dicht machen.

Er vermittelt mir ganz klar: Man muss auch schon Bock aufeinander haben.

Für negative Menschen ist dieser Ort hier nichts.

Mach lieber deinen Abschluss, sonst musst du auch Kisten werfen wie ich, sagt sie zu mir.

Es ist so witzig, wenn man hier durchläuft und sich fragt, wie funktioniert eigentlich

das Multi-Kulti hier, noch bevor man irgendeine gute Antwort darauf bekommt, kriegt man eigentlich

so ein Gefühl dafür, was es noch sein könnte. Nämlich: Humor.

Odessa ist nämlich in der Ukraine auch bekannt als die Hauptstadt des Humors.

Und dass das hilft, das ist so offensichtlich.

Weil die Leute hier alle so gute Laune haben.

Ich meine, es regnet, es ist kalt.

Okay.

Gut, der war jetzt ein bisschen aggressiv.

Und: Humor ist länder- und kulturübergreifend, das ist überall zu spüren.

Es sind zwar alle echt locker hier, aber Kameras mögen sie nicht so.

Ich entschuldige mich schon immer, weil ich es natürlich trotzdem versuche.

Du musst doch jetzt echt nicht meine Hackfresse filmen, sagt er jetzt zu mir.

Was echt ein bisschen schade ist, ist dass die meisten Shop-Besitzer das nicht so gerne

sehen, wenn man sie filmt.

Wenn man die Kamera aber ausmacht, kommt man wirklich super leicht mit den Leuten ins Gespräch.

Ich hab grad mit jemandem gesprochen aus Uganda.

Und das coole ist, wenn man fragt, wo kommst Du her, dann sagt er: Na, aus Odessa natürlich.

Also man versteht sich hier sehr als Local und nicht unbedingt als Migrant.

Und dieses Feeling, dass sich hier alle wahnsinnig identifizieren mit dem Markt und mit Odessa,

das find ich schon echt beeindruckend.

Das hör' ich nämlich auch immer wieder: Es liegt auch an Odessa und den Menschen hier,

dass Multikulti hier funktioniert.

Klar, das macht auch Sinn.

Die Leute sind es gewohnt, in einer Handelstadt zu leben.

Hier her hat es schon immer Menschen aus allen möglichen Teilen der Welt gezogen.

Die Stadt gilt als super international, liberal.

Und auch verrucht. Hafenstadt halt.

Man kann hier eigentlich auch als Journalist einfach losziehen und drehen.

Das geht nur in Begleitung mit dieser Dame.

Das ist die Kollegin von der Presseabteilung, die uns hier begleitet und sie sagt, es ist

besser, wenn sie mitkommt, weil diese Polizisten, die hier rumstehen, sonst alle fünf Minuten

in der Zentrale anrufen würden und sagen: Hey, wer ist das, der hier rumfilmt, hat die

überhaupt eine Genehmigung?

Ja, hat sie.

Die Pressefrau will natürlich auch nicht vor die Kamera, bringt uns aber zumindest

zu ihrer Chefin in die Marktverwaltung.

Ja, dieser Markt hat eine Presseabteilung.

Das war jetzt wirklich spannend, weil die hat mir auf die Frage, warum funktioniert

das eigentlich hier mit den dreißig verschiedenen Sprachen, Kulturen, Nationen, ne ziemlich

gute Antwort gegeben.

Die hat gesagt: Naja, schau mal.

In dem Moment, wo es ums Überleben geht oder um ein gemeinsames Interesse, also Business,

klar kommen, irgendwie überleben, in dem Moment muss man sich ja auf den anderen einlassen.

Und auf dessen Sprache, auf dessen Kultur, um sich näher zu kommen, um sich zu verstehen.

Und das weitet automatisch den Blick.

Aber trotzdem: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es überhaupt keine Konflikte gibt.

Ich mein, allein wenn ich mir die Präsenz der vielen Polizisten und Sicherheitskräfte

reinziehe.

Die beäugen mich die ganze Zeit und finden's auch nicht so geil, gefilmt zu werden.

Ich verabrede mich einfach mal mit dem Sicherheitschef des Marktes.

Das ist ganz interessant, der Typ leitet fünfhundert Sicherheitbeamte, die hier auf dem Markt für

Ordnung sorgen.

Und man muss sich das nicht vorstellen, wie so eine Miliz, die hier bewaffnet bis unter

die Zähne rumläuft, sondern es ist eher anders.

Die sind in zivil unterwegs.

Und was die machen, ist: Die nehmen sich die Community-Leiter, die Community-Manager und

besprechen alles mit denen.

Die treffen sich ungefähr ein Mal am Tag mit den Leuten und merken eben sofort, wenn

es ein Problem gibt.

Es geht also überhaupt nicht darum, dass sich alle jetzt der ukrainischen Kultur anpassen

müssen, sondern eher darum die Unterschiede von vornherein einzubeziehen.

Daher die Community-Manager.

Er hier ist einer davon, er leitet die größte, nämlich die Chinesische Community.

Auch er sagt mir, es gebe keine Probleme.

Im Gegenteil, es laufe sogar so gut, dass sie die Geschäfte ausweiten wollen.

Die Rede ist von einer neuen Seitenstraße zwischen China und Westeuropa.

Ich hab immer noch das Gefühl, dass ich nur ein Bruchteil dieses Marktes gesehen hab.

Graue Container.

Achtung.

Ehrlich gesagt, habe ich mich schon wieder ein bisschen verirrt.

Eine Querstraße entfernt… Ehrlich gesagt, zurechtfinden, naja, davon

bin ich echt Meilen weit entfernt.

Das ist so geil, die Marken hier sind alle fake.

Hier, diese Modelle gibt's überhaupt nicht von den Original-Herstellern.

Und so viel billiger als die Originale sind die meisten hier auch nicht.

Kaufen würd ich hier nichts unbedingt, um ehrlich zu sein.

Ich hab son bisschen Gefühl wie auf nem Wochenmarkt.

Nur in gigantisch.

Das ist so offensichtlich ein Schwarzmarkt.

Jeder weiß das, nur die Marktleitung dementiert das offiziell, aber wenn man die Kamera aushat

und fragt: Jetzt mal Hand aufs Herz.

Wie ist das denn hier mit der Produktpiraterie?

Dann hab ich jetzt die Antwort bekommen: Nee, also das ist kein Schwarzmarkt.

Mmm-mmm.

Aber wenn du irgendwas brauchst, schreib mir eine Liste, ich besorg es dir.

Ich muss sagen: Obwohl der Markt doch ganz anders ist, als ich das erwartet hatte, nicht

so wild, nicht so rau - hab ich doch diese Magie aufgesogen.

Und vielleicht auch ein bisschen verstanden.

Nach drei Tagen auf dem faszinierenden Mikrokosmos habe ich drei Dinge gelernt.

Das erste ist: um mit Multi-Kulti klarzukommen, braucht es Humor.

Und den haben die Leute in Odessa auf jeden Fall.

Das zweite ist: Ein gemeinsames Interesse.

Egal, wie unterschiedlich die Leute hier sind, es gibt ein gemeinsames Interesse, es gibt

einen gemeinsamen Nenner.

Hier ist da natürlich der Profit.

Das dritte, was ich gelernt habe, ist: Radikale Akzeptanz.

Es bringt ja nichts, die Tatsache auszublenden, dass wir nun mal alle sehr unterschiedlich sind.

Unterschiedliche Herkunft, unterschiedliche Sprachen, unterschiedliche Kulturen, unterschiedliche Meinungen.

Wir müssen uns damit auseinandersetzen, weil uns auch gar nichts anderes übrig bleibt.

Und, wie es einer meiner Interviewpartner gesagt hat: Alles andere ist auch ziemlich langweilig.