tagesthemen 22.04.2022, 21:45 Uhr - Gefechte im Osten
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den tagesthemen.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (22.04.2022)
Heute im Studio: Caren Miosga
Guten Abend.
Erstmals seit Kriegsbeginn sprechen russische Generäle das aus,
was viele längst befürchtet hatten:
Russland wird nicht halt machen im Donbass.
Es will den gesamten Osten und Süden der Ukraine einnehmen,
bis hinüber zur Republik Moldau:
Um einen Korridor nach Transnistrien zu schaffen,
was von prorussischen Separatisten kontrolliert wird.
Der Kreml wird nicht aufhören, jene Gebiete erobern zu wollen,
von denen Putin glaubt, dass sie in seine Hände gehören.
Davon zeugt die Brutalität der vorrückenden russischen Armee
und die Spur der Verwüstung, die sie hinterlässt.
Janina Werner.
Eine Stadt nördlich von Kiew:
Häuser sind komplett zerstört.
Bis Anfang April war die Stadt
von russischen Streitkräften belagert.
Einige Anwohner kehren zurück.
Sie versuchen zu retten, was sie können.
800 Kilometer entfernt im Süden:
Satellitenaufnahmen von der US-Firma Maxar
nahe der Stadt Mariupol.
Die Bilder sollen ein Massengrab zeigen.
Tausende Zivilisten sind dort laut behördlicher Angaben begraben.
Eine Flucht aus Mariupol
schaffen die Menschen derzeit nur auf eigenes Risiko.
Laut der ukrainischen Regierung gibt es keine Fluchtkorridore.
Diese Menschen kamen gestern aus Mariupol.
Die russischen Soldaten haben freundlich gesagt:
"Möge in eurem Haus Frieden sein."
Ich wünschte, er würde verrecken wie ein Vieh.
Er wünscht mir Frieden in meinem Zuhause.
Ich habe kein Zuhause mehr.
Auf dem Gelände des Asow-Stahlwerks in Mariupol
harren Tausende ukrainische Soldaten und Zivilisten aus.
Ohne Lebensmittel und Wasser.
Das russische Verteidigungsministerium betonte:
Fluchtkorridore seien jederzeit möglich.
Wir erklären erneut, dass Russland bereit ist,
in jedem Moment eine Feuerpause einzulegen.
Und eine humanitäre Pause für die Evakuierung der Zivilisten.
Wenn sie wirklich im Untergrund des Stahlwerks sind.
Mariupol hat eine strategische Bedeutung.
Mit ihrer Einnahme will Russland eine durchgehende Landverbindung
zur annektierten Krim schaffen.
Der Gouverneur der Region Donezk kritisiert,
dass Russland die Vereinbarung für Fluchtkorridore nicht einhalte.
Die von der Russischen Föderation erklärten Fluchtkorridore
stehen nur auf dem Papier.
In Mariupol bangen die Menschen um ihr Leben.
Präsident Selenskyj wendet sich mit einer Osterbotschaft
an die Kämpfer im Krieg.
Sie müssen arbeiten, weil Sie heilige Dinge schützen.
Wie unser Land, unser Volk, unseren Staat.
Das orthodoxe Osterfest beginnt am Wochenende.
In Kiew bemalen Kinderostereier.
Wenigstens für diesen kleinen Moment gibt es einen Hauch Normalität.
Die Antworten, die der Kanzler auf den Krieg in diesen Tagen gibt,
bleiben in den Augen vieler verschwommen.
Die Ukraine bittet auch Deutschland um schwere Waffen.
Doch während andere NATO-Staaten das liefern oder liefern wollen
wie die USA, Großbritannien, die Niederlande oder Frankreich,
hört man aus Berlin wenig Glasklares.
Mal sind die Waffen nicht einsatzbereit,
mal sind die Ukrainer dafür nicht gut genug ausgebildet.
Oder die Bundeswehr kann nichts mehr entbehren.
Was ist los in Berlin?
Das wird auch die Außenministerin gefragt auf ihrer Reise
durchs Baltikum.
Von dort berichtet Kerstin Palzer.
Geschichtsstunde für die deutsche Außenministerin.
Annalena Baerbock am Denkmal für die Opfer des Kommunismus
gestern in Tallinn.
Gemeinsam mit ihrer estnischen Amtskollegin.
Deren Urgroßvater wurde von den Sowjets erschossen.
Die Angst vor Russland ist im Baltikum fest verwurzelt.
Eine wichtige Reise, so Baerbock, gerade jetzt.
Meinen Kollegen und den Menschen hier im Baltikum möchte ich sagen:
Wir hören euch und sehen euch. Deutschland steht an eurer Seite.
Kurz vorher sagt sie noch,
dass Deutschland wohl nicht genau hingehört hätte,
als die baltischen Staaten 2014 vor Russlands Politik warnten.
Am Nachmittag in Litauen. Besuch einer Kaserne.
Hier stehen 1000 deutsche Soldaten im Dienst der NATO
an der nahen russischen Grenze.
Es sind 350 mehr als letztes Jahr.
Aber immer noch zu wenig, finden viele hier.
Baerbock auch.
Für mich ist nach dieser Reise mehr als klar:
Es braucht nicht nur Lippenbekenntnisse.
Luftverteidigung für die baltischen Staaten spricht sie an.
Und eine Verstärkung der Truppe auf Brigadestärke.
Das wären etwa 5000 deutsche Soldaten.
Ich habe verstanden, dass das nötig ist.
Deutschland wird dort vorangehen.
Nach Vorangehen sieht Deutschlands Politik
aus Sicht des Baltikums nicht aus.
Litauens Außenminister nennt Baerbock eine Gleichgesinnte.
Scholz dagegen wird als zögerlich wahrgenommen.
Der Kanzler äußert sich heute so:
Baerbock betont dagegen,
dass schwere Waffen für die Ukraine aus Deutschland nicht tabu seien.
Im Gespräch ist ein Panzer-Ringtausch.
Andere Staaten liefern schwere Waffen an die Ukraine.
Deutschland ersetzt diese dann.
Bei dem Thema schwere Waffen liegen Scholz zum Baerbock
nicht völlig auseinander.
Aber bei der Außenministerin klingt das anders.
Zum NATO-Gebiet sagt sie:
Ich sehe es als Verantwortung für die Bundesrepublik.
Wir müssen Sicherheit in jedem Winkel unseres Europas garantieren.
Dazu müssen wir einen Beitrag leisten.
Im Gespräch mit Jugendlichen wird sie gefragt,
warum Deutschland nicht mehr tue, um die Ukraine zu unterstützen.
Die kleinen baltischen Staaten helfen doch viel mehr.
Baerbock wird in dem Moment,
als wünschte sie Kanzler Scholz würde hier Rede und Antwort stehen.
Wie steht es um die deutsche Bundesregierung
und ihre Bereitschaft, schwere Waffen zu liefern?
Und steht Deutschland zu Recht
in der Kritik der baltischen Staaten und anderer?
Das zu verstehen,
hilft uns der Militärhistoriker Sönke Neitzel von der Uni Potsdam.
Guten Abend. Guten Abend.
Die Außenministerin sagt,
die Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland sei kein Tabu.
Nur, wir haben keine über. Stimmt das so?
Es ist die Frage, welcher politische Wille da ist,
solche Waffen zu liefern.
Es ist nicht falsch.
Die deutsche Materialausstattung ist nicht sehr groß.
Würden wir schwere Waffen liefern, würde das bei der Bundeswehr fehlen.
Aber die Frage ist:
Sind wir bereit, den Fehlbestand zu akzeptieren
für eine größere Sicherheit der Ukraine?
Wir wollen, dass die Ukraine den Krieg nicht verliert.
Der Kanzler hat gesagt,
Deutschland täte so viel wie andere NATO-Staaten auch.
Inzwischen wissen wir doch:
Diverse NATO-Staaten liefern Panzerhaubitzen
und anderes schweres Gerät oder wollen liefern.
Großbritannien, USA, Niederlande und auch Frankreich sagt heute,
man schicke Artilleriegeschütz.
Scholz hat nicht unrecht.
Italien ist in einer ähnlichen Situation wie Deutschland.
Nächste Woche wird entschieden, ob schwere Waffen geliefert werden.
Deutschland ist schon im hinteren Mittelfeld.
Man erwartet aber von Deutschland, dass mehr kommt.
Scholz hatte in seiner Rede eine Zeitenwende angekündigt.
Danach sieht es im Moment nicht aus.
Würden wir die Rede wegnehmen, würden wir denken,
in der deutschen Sicherheitspolitik hat sich wenig geändert.
Wenn man Zeitenwende ernst nimmt, muss aber mehr kommen.
Da darf Deutschlands Beitrag nicht hinter den anderen zurückstehen.
Warum ist Deutschland nicht transparenter in dem,
was es liefert und nicht liefert?
Das fragen wir uns alle.
Ich würde es mit der traditionellen Zerrissenheit der SPD
in sicherheitspolitischen Fragen erklären.
Die SPD hat einen eher pazifistischen Flügel.
Der andere steht für die Realpolitik.
Wir sehen eine gespaltene Fraktion.
Etwa 50 Prozent der Mitglieder sind für die Zeitenwende.
Der andere Teil ist dagegen.
Die haben mehr pazifistische Gedanken.
Das muss der Kanzler ausgleichen.
Da kommt dieses Zaudern raus.
Und keine klare Führungsposition.
Die erwarten die kleinen Nationen von Deutschland.
Der Kanzler fürchtet, mit der Lieferung schwerer Waffen
in den Krieg hineingezogen zu werden.
Es dürfe keinen Atomkrieg geben.
Hat er da nicht recht?
Ich habe nicht die Information, die der Kanzler hat.
Aber ich rede auch mit Menschen vom BND und der Bundeswehr.
Ich halte das für maßlos überzogen.
Andere Staaten liefern auch Waffen.
Nehmen wir den Ringtausch mit Slowenien.
Slowenien liefert jetzt Panzer.
Droht jetzt Slowenien der Atomkrieg?
Oder auch Estland?
Was ist der Unterschied, wenn man einen Panzer nach Slowenien liefert
und die dann weiter in die Ukraine liefern?
Die NATO steht geschlossen da.
Sie haben gemeinsam die Eskalationsgefahr zu tragen.
Man muss fragen, was will man?
Putin hat Grenzen überschritten.
Wir haben die Bilder der Verbrechen gesehen.
Will man warten, bis 100.000 Zivilisten tot sind?
Wo sind die roten Linien?
Natürlich muss man mit Bedacht vorgehen.
Aber mit der Lieferung von Panzern
muss man nicht von einem globalen Atomkrieg ausgehen.
Einige Militärexperten sagen, es bringe nichts mehr,
schweres Gerät loszuschicken.
Es bräuchte viel zu lange, bis es einsatzbereit sei.
Das ist nicht ganz falsch,
wenn wir an die Gefechte im Donbass denken.
Wenn jetzt Schützenpanzer geliefert würden,
dann kämen die nicht mehr rechtzeitig zum Einsatz.
Das ist aber nur eine kurzfristige Perspektive.
Wir brauchen auch eine mittelfristige Perspektive.
Der Krieg wird nicht in zwei Wochen vorbei sein.
Wir haben gehört, was die Ziele der russischen Streitkräfte sind.
Ein späterer Stoß Richtung Odessa.
Die Ukraine muss vorbereitet sein, dass abzuwehren.
Ist sie auch noch in drei Monaten oder in fünf Monaten einsatzbereit?
Für diese mittelfristige Perspektive
sind westliche Waffensysteme nützlich.
Rechnen Sie mit einem langfristigen eingefrorenen Konflikt,
wenn diese heiße Phase des Krieges vorbei sein sollte?
Ich rechne bestenfalls damit, dass es in einigen Wochen
in der Ukraine zu einer Art Waffenstillstand kommt.
Dann wird der Konflikt aber überhaupt nicht gelöst sein.
Im besten Fall gibt es einen eingefrorenen Konflikt.
Es sind aber auch andere Szenarien vorstellbar.
Das nach einigen Monaten Pausen wieder eine Großoffensive
der russischen Streitkräfte beginnen.
Ein Übergehen zur Tagesordnung ist nicht in Sicht.
Vielen Dank, Sönke Neitzel.
Es ist nicht nur der Krieg in der Ukraine,
der die Weltwirtschaft zurzeit in Turbulenzen bringt.
Es sind auch die Auswirkungen der Pandemie.
In Shanghai, der Wirtschaftsmetropole in China,
geht seit fast einem Monat wegen Corona nichts mehr.
Niemand darf in der größten Stadt Chinas
seine Wohnung oder seine Wohnanlage verlassen.
So sieht es die No-Covid-Strategie in China vor.
Das ist für die Bewohner Shanghais beschwerlich
und wird für Menschen in aller Welt Folgen haben.
Sandra Ratzow.
Das Fotografieren ist Howards kleiner Fluchtmoment.
Einmal am Tag spaziert der Innendesigner aus Taiwan
durch seine Wohnanlage in Shanghai.
Er hält den Lockdown in Bildern fest.
Es ist seine Art, nicht durchzudrehen.
Wir wollen alle,
dass diese Lockdown-Politik ein Ende hat.
Sie haben Shanghai zum Stillstand gebracht,
die Wirtschaft und das Leben.
Die Menschen wollen Normalität zurück.
Testen, sprühen - die Nächste bitte.
Hier ist Howards Frau dran. Alltag in Shanghai.
Immer, wenn jemand positiv ist, verlängert sich der Lockdown
für alle um weitere zwei Wochen.
Null-Covid ist immer noch das Ziel.
Shanghai sieht von Howards Fenster aus wie eine Geisterstadt.
Die Regierung muss sich umstellen, das mehr wie eine Grippe behandeln.
Wir müssen damit leben lernen und andere Impfstoffe einsetzen,
nicht nur die chinesischen.
Howard und seine Frau kommen noch vergleichsweise gut zurecht.
Auch wenn es teuer und zeitaufwendig geworden ist,
selbst Grundnahrungsmittel zu bestellen.
Doch in den sozialen Medien zeigen Videos immer wieder,
wie andere an ihre Grenzen kommen.
Dieser Mann rüttelt am Tor und ruft: "Lasst mich hier raus."
Eine Seniorin wird schreiend in ein Quarantäne-Zentrum geschleppt.
Auch von dort gibt es Videos.
Bett an Bett, keine Privatsphäre und manchmal nicht mal Duschen.
Die Deutsche Monika Weibert, lebt seit Jahren in Shanghai.
Sie war wegen Covid in Quarantäne.
Sie hatte Glück und sogar ein kleines Hotelzimmer.
Doch sie berichtet von viel Chaos.
Mein erster Test in der Quarantäne war um 4.09 Uhr nachts.
So was Verrücktes muss man sich mal vorstellen.
Die sind hier außer Kontrolle meines Erachtens.
Die haben das nicht im Griff.
Auch im größten Containerhafen der Welt.
Es stehen nicht genügend Lkw-Fahrer bereit.
Hunderte Schiffe warten warten, entladen zu werden.
Der Lockdown hat massive Folgen für die weltweiten Lieferketten.
Und kein Ende in Sicht.
In Howards Wohnanlage nehmen sich manche inzwischen kleine Freiheiten.
Fahrradfahren ist hier eigentlich gerade verboten.
Doch im Dauer-Lockdown von Shanghai kommt Chinas Überwachungsapparat
an seine Grenzen.
Wenn in China ein Sack Reis umfällt,
ist das keineswegs ein Ereignis, dass den Rest der Welt nicht kratzt.
Aufgrund der durch die Pandemie aus dem Tritt geratene Lieferketten
stapeln sich auch in Hamburg die Container.
Frachtschiffe stecken in der Nordsee warten darauf,
dass sie im Hamburger Hafen abgefertigt werden.
Der Transport der Waren wird teurer und so werden die Preise steigen.
Und wegen des Abfertigungsstaus in Shanghai
steht der deutschen Wirtschaft und uns das Schlimmste noch bevor.
Stefan Buchen und Jennifer Johnston.
Eigentlich müssten im Hamburger Hafen mehr Schiffe anlegen,
aber es gibt Verzögerungen.
Wirtschaftswissenschaftler Jan Ninnemann weiß,
wo die Frachter hängengeblieben sind.
Man kann unschwer erkennen, wo der Schuh drückt.
Viele Schiffe mit Kurs Hamburg warten in der Nordsee.
Jeder grüne Kreis markiert ein stillliegendes Schiff.
Containerschiffe, die in den Hafen kommen sollen,
sind massiv verspätet.
Wir haben eine Pünktlichkeit von unter 50 %.
Folglich gibt es Rückwirkungen
auf die betrieblichen Abläufe an den Terminals.
Die Ursache:
Die Container können nicht entladen werden,
weil die Stellplätze überfüllt sind.
Am Hamburger Burchardkai ist die Situation angespannt.
So heißt es in einem Brief der Geschäftsführung des Terminals
an die Belegschaft, der dem NDR vorliegt.
Die Hafenarbeiter werden zu Überstunden aufgefordert.
Die schwierige Lage in Hamburg hat vor allem mit Shanghai zu tun,
dem größten Hafen der Welt.
Rund 300 Containerschiffe warten auf Abfertigung.
Der Lockdown bringt die Abläufe durcheinander.
Aber irgendwann werden sich die Waren auf den Weg nach Europa machen.
Das dauert 30, 40 Tage,
bis die Operationen in Shanghai wieder laufen.
Dann wird sich die Situation hier deutlich verschärfen.
In der deutschen Industrie spürt man die Folgen bereits jetzt.
Dieser Großhändler für Schrauben kauft in Asien ein.
Jetzt muss der Abteilungsleiter den Einkauf umdisponieren.
Auf dem Seeweg habe sich die Lieferzeit
um bis zu sechs Wochen verlängert.
Wir lassen die Teile teils aus Asien fliegen zu hohen Kosten,
fahren mit Kurierdiensten, um die Produktion am Laufen zu lassen.
Die Transportkosten steigen,
weiß auch Wirtschaftswissenschaftler Ninnemann.
Jeder Tag kostet Geld,
den Frachter in der Deutschen Bucht warten müssen.
Bei 50.000 Dollar je Tag an Betriebskosten:
Man sieht, wie die Dollarscheine aus den Schornsteinen fliegen.
Den Schaden haben nicht die Reeder,
sondern Verbraucher und Volkswirtschaft.
Die gestiegenen Transportkosten heizen die Inflation an.
Die Weltwirtschaft und was sich ändern muss:
Holger Ohmstedt, Leiter der NDR Wirtschaftsredaktion,
hat diese Meinung.
Europas Wirtschaft gerät aus dem Takt.
Ob Corona-Pandemie mit Lockdowns, Blockade des Suezkanals
oder der Krieg gegen die Ukraine:
Die Auswirkungen sind massiv.
Es wird Zeit, unsere Wirtschaft und Lieferketten anders auszurichten.
Auf stärkere europäische Souveränität zu setzen
und ökonomische Abhängigkeiten zu lösen.
Deutschland profitierte wie kaum ein anderes Land
von der Globalisierung.
Wir verdanken unseren Wohlstand der weltweiten Arbeitsteilung.
Doch strategisch geht es auf Dauer nicht gut,
wenn es dabei nur um Kostenoptimierung geht.
Wenn man sich in monopolartige Abhängigkeiten von Staaten begibt,
die unsere Werte nicht teilen.
Eine Industriepolitik, die sich nicht auch an Autarkie orientiert,
stellt ein Sicherheitsrisiko dar.
Eine Neuausrichtung von Beschaffungs- und Wertschöpfungsketten
zielt nicht darauf ab, eine Festung Europa zu bauen.
Es geht nicht um Protektionismus oder Nationalismus.
Es geht um strategisch wichtige Sektoren und um freien Welthandel,
der diesen Namen verdient.
Die Meinung von Holger Ohmstedt.
Waldbrände und Hitze in Europa, Flutkatastrophe in Deutschland:
Der EU-Klimawandeldienst bezeichnet 2021 als "Jahr der Extreme".
Weitere Nachrichten:
Der Sommer 2021 war in Europa der wärmste
seit Beginn der Aufzeichnungen.
Daten des EU-Erdbeobachtungsprogramms Copernikus zeigen:
Die Temperatur war durchschnittlich ein Grad höher als in den Vorjahren.
Die Autoren des Berichts warnen:
Durch die Erwärmung sind mehr Extremwetter-Ereignisse zu erwarten,
als sie bereits 2021 europaweit aufgetreten sind.
Sachsens Innenminister Wöller ist entlassen worden.
Ministerpräsident Kretschmer sagte,
es sei ein personeller Neuanfang nötig.
Rücktrittsforderungen gegen Wöller
kamen zuletzt auch von den Polizeigewerkschaften.
Hintergrund waren umstrittene Personalentscheidungen.
Außerdem soll ein Dresdener Einsatzkommando
einen Skiurlaub als Fortbildung deklariert haben.
Nachfolger soll CDU-Innenpolitiker Schuster werden.
Er leitet derzeit das Bundesamt
für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.
In Afghanistans Provinz Kundus wurden bei einem Anschlag
auf eine Moschee laut der Taliban mindestens 33 Menschen getötet.
Viele Opfer seien Kinder,
da zu der Moschee eine Religionsschule gehörte.
Bislang bekannte sich niemand zu der Tat.
Es ist der zweite Anschlag auf eine Moschee in zwei Tagen.
Im Halbfinal-Hinspiel der Fußball Champions League
haben die Frauen des VfL Wolfsburg eine deutliche Niederlage kassiert.
Vor ausverkaufter Kulisse beim FC Barcelona
verlor das deutsche Spitzenteam 1:5.
Ein denkwürdiges Spiel in vielerlei Hinsicht.
Die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg müssen sich wohl nach dem Hinspiel
des Halbfinals aus der Königsklasse verabschieden.
Nach drei Minuten steht es 0:1. Wolfsburgs Unheil nimmt seinen Lauf.
Der FC Barcelona ist in dieser Saison ein übermächtiger Gegner.
In der zehnten Minute 0:2.
Der VfL erwischt einen schwarzen Abend.
In der 33. Minute das 0:3.
Die Rekordkulisse von über 91.000 Zuschauern
wirkt er einschüchternd auf die Gäste.
Vor der Pause fällt das 0:4.
Erst im zweiten Durchgang fängt sich der VfL.
Es gibt den Anschlusstreffer.
Doch am Ende steht es 1:5 aus Sicht der Wolfsburgerinnen.
Dieses Spiel werden sie nicht so schnell vergessen.
Dass Menschen Wasser zum Leben brauchen, weiß jedes Kind.
Wie wichtig es wirklich ist, kann nur erfahren,
wer es plötzlich nicht mehr hat.
Menschen aus Mariupol berichten,
dass sie Eiszapfen schmelzen ließen und Wasser aus Pfützen tranken.
Dieses Kunstwerk mit dem Titel "Brunnen der Erschöpfung",
sagt der Künstler Pawlo Makow, war vor dem Ukraine-Krieg eine Warnung.
Jetzt sei es ein Statement.
Ab morgen ist es zu sehen auf der Kunstausstellung in Venedig.
Die 59. Biennale beginnt am 59. Tag des Krieges in der Ukraine.
Es sind Momentaufnahmen aus dem Krieg.
Social-Media-Posts, abgesetzt entweder in der Ukraine
oder einem anderen Land, in das die Künstler flüchteten.
Hier werden die Bilder gesammelt.
Nicolai Karabinovych ist selbst ukrainischer Künstler
und kennt viele von ihnen.
Es verhilft den Künstlern zu mehr Aufmerksamkeit.
Sie sind sichtbar, bekommen eine Stimme,
das ist, was sie eigentlich immer wollten.
Die Spannungen durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine
sind deutlich spürbar auf der Biennale.
Die Aggression hinterlässt tiefe Wunden.
Stellen Sie sich vor, Sie haben alles verloren:
Ihr Haus, Ihre Liebsten.
Und dann fragt Sie jemand,
ob Sie die Situation eines anderen verstehen.
Das ist nicht der Moment.
Ursprünglich wollte sich die Biennale
mit den Folgen der Pandemie und des Klimawandels beschäftigen.
Dann der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine.
Man fragt sich, was bedeutet Kunst in so einem Moment?
Die Biennale hat schon einige Kriege gesehen.
Sie war immer Seismograph und hat die Geschichte erzählt.
Damit der ukrainische Künstler Pawlo Makow
sein Projekt realisieren konnte, unterstützten ihn die Veranstalter.
"Brunnen der Schöpfung" heißt das Werk.
Wochenlang bauten sie die Installation
mit Pumpen und Hydraulik auf.
Am schwierigsten war, das Exponat aus Kiew zu holen.
Wir mussten die Stadt verlassen.
In der Westukraine bekam ich einen Anruf meiner Kuratorin.
Wir beschlossen, unser Projekt in Venedig durchzuführen.
Es ist wichtig,
dass die Ukraine während des Krieges hier repräsentiert ist.
Kultur ist für Nationen enorm wichtig.
Der russische Pavillon steht leer.
Die beiden Künstler zogen sich freiwillig zurück.
Wenig Andrang am deutschen Pavillon.
Maria Eichhorn ist nicht die erste Künstlerin,
die sich an der Architektur des Nazibaus abarbeitet.
Erklärungen zur Geschichte liegen aus,
die Künstlerin selbst erscheint nicht.
Es gibt mehr Höhen als Tiefen.
Zwei Jahre lag die Kunstszene lahm.
Jetzt ist sie so vielfältig und bunt wie lange nicht.
Bleibt der Blick aufs Wetter.
Sven, wie wird es?
Es kommen mir Tiefdruckgebiete.
Da gibt es mehr Wolken und später auch etwas Regen.
Die Übersicht zeigt dieses Tief.
Es bewegt sich langsam in unsere Richtung.
Hoher Luftdruck ist in Island zu finden.
Wir schauen auf die Wetterentwicklung.
In der Mitte Deutschlands gibt es viele Wolken.
Einige Tropfen sind dabei.
Morgen kommt aus Südwesten das eingangs gezeigte Tief.
Es bringt Schauer und einzelne Gewitter.
Morgen ist das Wetter freundlicher.
Am Sonntag gibt es in der Mitte und im Süden Schauer und Gewitter.
Im Norden ist es freundlicher.
Insgesamt wird es wechselhaft:
Der europäische Klimadienst hat seinen Bericht für 2021 abgegeben.
In Europa hatten wir den heißesten Sommer überhaupt.
Hier sieht man die Entwicklung deutlich.
Sie zeigt den Temperaturanstieg von 1970 bis jetzt..
Seit der vorindustriellen Zeit
ist die Temperatur folgendermaßen angestiegen.
In Europa war der Anstieg höher als global.
Der Grund: In Europa wurden nur die Landmassen betrachtet.
Der Anstieg an Land ist höher als der im Wasser.
Das Wasser kann die Wärme speichern.
Die Arktis erwärmte sich durch den Eisrückzug noch stärker.
Das war's von uns.
Hier folgt ein Tatort aus Köln.
Morgen begrüßt Sie an dieser Stelle Aline Abboud.
Einen schönen Abend.
Copyright Untertitel: NDR 2022