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Youtube-Lektionen - April 2020, Die Minox: Geniestreich und Schicksal (HD 1080p) - Dokumentation von NZZ Format

Die Minox: Geniestreich und Schicksal (HD 1080p) - Dokumentation von NZZ Format

Nie ohne Krawatte, immer

mit Weste und Sakko an, anders ist er nie raus gegangen. Er ist keinen Schritt aus dem

Haus gegangen ohne Mantel, ohne Hut; das hat ihm eben dann auch

den Spitznamen Rabbiner eingebracht.“

„Es war ja nicht nur die Minox; ich finde es immer ein bisschen schade, wenn mein Vater

nur auf Minox reduziert wird, denn er hat ja so unendlich viele Erfindungen gemacht.

Ich kann mich erinnern an eines seiner letzten Gespräche, da sagte er: „Wenn ich das alles

verwirklichen will, was ich halbfertig in der Schublade habe, muss ich noch mal 100

Jahre leben.““

Wie die Lettische Presse 1938 schrieb, war die Minox eine Revolution in der Fotoindustrie, nicht nur in Lettland

sondern auf der ganzen Welt. Keine andere Kamera hatte mit einem solchen Konzept gearbeitet."

„Man muss dann schon in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts zurückgehen. Es war so gewesen,

dass weit gehend noch mit Plattenkameras gearbeitet wurde, das heisst ein Photograph hatte Riesenkameras

dabei, mit Platten und Riesenstativ, er musste aufbauen, das Entwickeln war schwierig usw.

Und dann kam ja die Leica auf den Markt, eine Kleinbildkamera mit dem Format 24x36

„Die Formatverkleinerung war also doch nicht so ganz abwegig. Ja, aber das ist ja noch

längst das was mir vorschwebte.Wenn überhaupt, dann musste solch eine Kamera ganz unabhängig

von aller Tradition, die sich für grössere Formate bewährt hatte, rein aus der Sache

entwickelt werden. Wie wusste ich nicht. Aber ich machte ein kleines schwarzes Holzklötzchen,

das in der Hand verschwinden konnte und das man leicht und bequem halten konnte.“

Er wollte eine

Kamera haben, die so klein ist, dass man sie auch in der Hosentasche unterbringen kann.

Das heisst, eine Kamera, die man immer dabei haben kann für alle Gelegenheiten, ohne dass

sie auffällig war.“

„Zapp hat sich ja nicht immer als technischer Ingenieur gesehen, sondern in erster Linie

auch als Designer. Und das Grundprinzip der Minox ist ja, dass sie sehr klein ist, aber

sich auch vernünftig bedienen lässt. Und da gibt es wenig vergleichbare Produkte am

Markt, wo das der Fall ist.“

„Wie ich aus Kurzberichten meiner Mutter weiss, begann mein Erdenleben problematisch.

Als ich endlich anschaulich da lag, war das ärztliche Gutachten: na ja, krank gerade

nicht, aber sehr zart. Und dabei blieb es bis heute. Aber jetzt kann ich wenigstens

mich mit der Ausrede Altersschwächelei verstecken.“

Die Mutter von Walter Zapp stammte aus der wohlhabenden Fabrikantenfamilie Burchard.

Der Hintergrund des Vaters ist weniger klar.

„Das muss ein spezieller Vogel gewesen sein, mir sehr sympathisch. In Deutschland geboren,

irgendwie in England aufgewachsen, auch mal die englische Staatsbürgerschaft gehabt.

So wie man früher in den Wilden Westen nach Amerika ging, ging er in den wilden Osten

ins Baltikum, hat sich da in allem Möglichen und Unmöglichen versucht, mehr oder weniger

erfolglos leider. Und dem entsprechend war Schmalhans Kellermeister, wie man sagt. Also,

die Familie musste eng durch. Was aber nicht dazu hinderte, dass man ein Kindermädchen,

Hausmädchen usw. selbstverständlich hatte.“

Als Teil der besseren Gesellschaft gehörte es zum guten Ton, den Sommer in einer gemieteten

Datscha, einem Holzhaus, in Jurmala am Meer zu verbringen.

„Die Väter fuhren mit der Bahn nach Riga, oder wo immer sie arbeiteten, und die Familie

blieb in Jurmala, wie man in die Ferien geht. Und das wurde selbstverständlich durchgezogen.“

Im 1. Weltkrieg wurde die Familie nach Ufa deportiert, eine damals russische Stadt am Ural.

„Ich bemerkte, dass ich wesensmässig gar kein Kind war. Ich erinnere mich nicht, jemals

mit Gleichaltrigen gespielt zu haben. Es erwies sich, ich war ungeschickt im Schreiben.

Keine sichere Hand. Der meiste Lehrstoff interessierte mich nicht, mit einer einzigen Ausnahme: Geometrie,

das verstand ich sofort. Ich war den normalen Anforderungen der Schule

nicht gewachsen und ich bekam einen furchtbaren Nervenzusammenbruch.

Zum Glück hatte ich einen, verständnisvollen Arzt, und der verordnete Zweierlei: erstens

mit Gewissheit Schluss mit der Schule. Und zweitens: 6 Wochen absolute Bettruhe.“

„Also für mich war mein Vater immer ein Phänomen. Er hatte auf der einen Seite ein

Zittern, das leider bei uns die ganze Familie hat.“

„Er war schwächlich, er war kränklich, und das alles miteinander hat ihm natürlich

eine fürchterliche Schulsituation beschert, neben der andern Raudikindern. Und er hat

sich einfach von 1. Tag an unwohl gefühlt. Auch sicher ganz massiv psychosomatisch bis

hypochondrisch, das war er sein ganzes Leben, das muss man auch sehen. Aber Gott sei Dank

ist er trotzdem 98 Jahre alt geworden. Aber diese Unfähigkeit, am Sport oder irgendetwas

teil zu nehmen, machte ihn natürlich zum Aussenseiter.“

„Er war eigentlich ein Allroundgenie. Es war nicht nur die Minox. Aber die Minox, das

war meine grosse Schwester, die perfekte Schwester. Die Minox war die grosse Schwester, auf die

ich eifersüchtig war. Die Minox hatte die ganze Aufmerksamkeit unseres Vaters; ich war

nur die Tochter, sie war sein Geschöpf.“

„Eine Kamera, die ein Handschmeichler ist. Eine Kamera, die man eigentlich auch nutzen

kann, um gar nicht damit zu fotografieren. Sie einfach in der Hand halten und den Ablauf

des Hemmwerkes am Ohr hören. Weil der Walter Zapp ja wusste, wie schwierig

es ist die Kombination zwischen der Blende und der Zeit, dass man eben nur die Zeit als

Variable betrachtet, die Blende ist fest. Und je länger die Belichtungszeit ist, umso

länger hört man auch dieses Hemmwerk, das eben dann ermöglicht, dass der Verschluss

offen bleibt.“

„Das Grundkonzept war ja nicht nur damals sehr speziell, es ist über die ganzen letzten

Jahre speziell gewesen. Speziell deshalb, weil man ja einen anderen Film benötigte,

einen speziellen Minoxfilm. Und das war vielleicht auch das Hindernis, weswegen sich die Minox

eben nicht als die erfolgreichste Kamera der Welt durchgesetzt hat. Dadurch, dass natürlich

die kleinen Negative und die kleine Filmformatgrösse auch Grenzen in der maximalen Grösse des

Prints, als des Fotos nachher beinhaltet. Natürlich hat die Filmtechnologie in den

letzten Jahren sehr aufgeholt, die Bilder sind feinkörniger geworden und demzufolge

ist es auch möglich, aus einem kleinen Minoxnegativ gute Ergebnisse herauszuholen, nur eben im

Vergleich zu einem eben deutlich grösseren Kleinbildnegativ immer noch limitiert.“

1921 begann Walter Zapp bei einem Verwandten in Riga eine Lehre als Lithograf, bereits

ein Vierteljahr danach aber zog die Familie nach Tallinn, wo er eine Lehre als Graveur

antrat. Die Lehre scheiterte und er konnte bei Lemberg

beginnen, dem damals bekanntesten Kunstfotografen Estlands. Dort lernte er dessen Gehilfen Nieländer

kennen, der später sein Freund und ein wichtiger Estischer Fotograf wurde.

" Er ging gegen die 20, beschäftigte sich bereits intensiv mit dem Gedanken an eine

Kleinstbildkamera. In dieser Zeit entstand auch seine erste Erfindung, die er patentieren

liess, nämlich eine Fotobeschneidemaschine. Nachdem Lemberg ihn aus wirtschaftlichen Gründen

1924 hatte entlassen müssen, arbeitete Zapp als Laborant in einem grossen Photogeschäft

in Tallinn. Die verhasste Beschäftigung dauerte bis 1932.

An einem der letzten Arbeitstage machte er eine schicksalhafte Bekanntschaft."

"Dieser zunächst sehr unsympathisch wirkende Mann verstand von Technik nichts, aber er

war ein so genannter Knipser, ein einfacher Liebhaberphotograph.

Und nun wollte er nach Sonderwünschen einen Vergrösserer gebaut haben.

Ich begann, und Jürgens besuchten mich und stellte eine verhängnisvolle Frage. Was ich

als Photograph glaube, wann der Kleinbildunsinn endlich aufhören würde? Und zu seinem Verdruss

musste ich sagen: Nie. Oh weh, wenn der geahnt hätte, dass ich an Kleinstbild dachte!

Und eines Tages sagte Jürgens, nun ja, also ich habe bescheidene Ersparnisse; wenn Sie

was entwickeln... Und wenn was herauskommt, dann machen wir es halb und halb. Das war

unser ganzer Geschäftsvertrag. Und das war am 16. August des Jahres 1932.“

Die Familie lebte zu jener Zeit in Nömme, einem Vorort von Tallinn.

Hier, das wurde nach meinen Plänen gebaut.

„Es ist absolut ausgeschlossen in der heutigen Zeit, als einzelner Erfinder den Weg zu gehen,

den Zapp gegangen ist. Sie müssen auch berücksichtigen, dass er keinen Hochschulabschluss

hatte oder eine sonst irgendwie spezielle Ausbildung erfahren hat.

Heutzutage ist es einfach so,

dass man gewisse Levels erreichen muss, um in dieser Gesellschaft voran zu kommen und

auch Gehör zu finden.“

„Eine Persönlichkeit, die einerseits sehr distanziert war. Also er hatte nie einen Freund,

mit dem er per Du war. Aber er hatte einen unwahrscheinlichen Charme, sowohl für Frauen

wie Männer. Er konnte die Leute sehr schnell für sich einnehmen. Er war ein sehr guter

Redner, auch sehr gut didaktisch und rhetorisch. Und war ein guter Zuhörer. Aber er war vor

allen Dingen eine Persönlichkeit, mit der es Spass machte, zu diskutieren.“

„Am liebsten erinnere ich mich an den älteren Vater. An den Mann, der eigentlich, als er

Ausstieg aus seinem Berufsleben, gütig und weise wurde, der früher sehr streng war,

grad zu uns Kindern. Und ich denk eigentlich am Liebsten and die letzten 10 Jahre. Da hatte

er Zeit für uns, für die Kinder, die Enkel. Und er hat nicht nur Zeit, er hat Interesse

an uns gehabt. Wir waren plötzlich wichtiger als seine Arbeit.“

„Er hatte auch gewaltigen schwarzen Humor. Er konnte unwahrscheinlich gut Witze erzählen,

konnte auch Witze zusammenstellen. Er konnte vor allen Dingen über sich selber lachen,

und er hat auch manchmal gesagt: „Wie konnte ich nur so dämlich sein, so was zu erfinden?“

Ja, er hatte sehr viel Humor. Ich denke, wenn er den Humor nicht gehabt hätte, hätte er

diese ganzen Rückschläge in seinem Leben schlicht und ergreifend nicht überlebt.“

„Es vergingen 2 Jahre und ich verstieg mich, ich schraubte die Anforderungen immer höher

und beschäftigte mich ganz naiv mit Dingen, von denen ich nicht ahnte, dass die wirkliche

Industrie sie längst vorbereitete.“

Die Form und Grundidee der Minox waren Zapp klar: klein und vollendet im Design musste

sie sein; ein Handschmeichler. Noch aber galt es, Jürgens zu gestehen, dass er dessen Ersparnisse

durch die Versuche in die falsche Richtung schon beinahe aufgebraucht hatte.

„Ich dachte mir ein Märchen aus. Ich sagte: Herr Jürgens, Sie wissen doch, die grossen

Ozeanriesen, unsinkbar natürlich? Na? Die haben trotzdem ganz kleine Rettungsboote dabei.

Herr Jürgens, ich muss Ihnen gestehen, wir segeln auf einem solchen Riesen, er ist leck

geschlagen, wir sinken bereits. Aber, auch ich hab ein kleines Rettungsboot. Und da öffnete

ich die Hand und zeigte ihm das Klötzchen. Das war der kritische Moment und Jürgens

verstand. Jetzt konnte ich alles Bisherige weg schmeissen und mich offen und mit Erfolg

der neuen Aufgabe widmen.“

In diesem Raum habe ich die Minox gemacht. Das war mein Zimmer. Hier habe ich gelebt.

„Im Sommer 1936 war es endlich so weit. Ich liess wie üblich die Teile vorfertigen,

Endarbeiten machte ich selbst, Justierung, Montage.

Jetzt mussten Versuchsaufnahmen gemacht werden.“

Die Suche nach Teilhabern für die Produktion verlief in Tallinn, Estland erfolglos. Jürgens

erinnerten sich glücklicherweise an einen Vertreter der Firma VEF in Riga, Lettland

Empfangen wurden Zapp und Jürgens von Theodors Vitols,

dem damaligen Direktor der VEF höchstpersönlich.

Vitols betrachtete die Probefotos, die Zapp ihm vorgelegt hatte.

„Plötzlich fuhr er mich an: Sind die retouchiert? Können Sie jetzt hier unter Kontrolle, einen

unserer Werksangehörigen aufnehmen? – Natürlich. Darauf war ich nun technisch gar nicht vorbereitet.

Aber bei VEF hatte man damals ein vollständiges Photolaboratorium und man stellte mir jede

erdenkliche Hilfe zur Verfügung. Und nach einer Dreiviertelstunde hatte ich das Bild.

Dann stand er auf, reichte mir die freundlich die Hand und sagte nur: ich gratuliere.“

Innert kürzester Zeit passte Zapp die Pläne der Urminox den Produktionsbedingungen bei

der VEF an. Die Pläne befinden sich heute im Archiv des Photomuseums Riga.

Im Spätherbst 1936 zog Zapp nach Riga, und bald schon lief die Produktion der Riga

Minox oder VEF Minox, wie sie auch genannt wurde, an.

Für das Serienmodell hatte Zapp auch das Format des Negativs verändert. War das Filmformat

bei den Probeaufnahmen noch 6,5x9mm gewesen, hatte er es nun auf 8x11mm vergrössert. Dass

dabei die Grösse der Kamera nur ganz minim angepasst werden musste, also beinahe so klein

wie die Urminox blieb, war eine weitere Meisterleistung Zapps.

Der Name Minox entstand, so erzählt Zapp, nach stundenlangen Diskussionen mit seinem

Freund Nixie Nieländer. Nixi war es auch, der irgendwann nach Wortspielereien wie Mina,

Minou, Minna, dann das Wort Minox zum ersten Mal aussprach.

Unter den damaligen Verhältnissen gab es für dieses Projekt keinerlei Zulieferung.

Wir mussten alles unter dem eigenen

Dach fertigen, einschliesslich der Optik, und alles war neu.

Und in nur 17 Monaten, im April 1938 kamen wir heraus.“

"Sie war ziemlich teuer, eine Exklusivität, denn sie hat 248 Lats gekostet – rund 150 Euro.

Und der Lat war damals mehr wert als heute."

Wie erfolgreich die kleine Minox hätte werden können, lässt sich nicht einmal mehr annähernd abschätzen;

es lagen zum Beispiel Bestellungen aus New York für jährlich 100 000 Stück vor.

Die Okkupation Lettlands durch Russland beendete aber alle Träume

und Zapp floh 1940 vor den Russen.

In Deutschland versuchte er vergeblich seine Kamera bei einem Unternehmen unterzubringen.

Leitz wollte ihn einstellen, und zwar als legitimen Nachfolger von Oskar Barnack, der eben die Leica konstruiert hat.

Aber Zapp wollte seine Minox bauen. Schliesslich arbeitete er bei AEG an der Entwicklung eines neuen Elektronenmikroskops mit.

Am Ende des 2. Weltkrieges floh Zapp erneut vor den Russen,

diesmal in die von den Amerikanern besetzte Zone.

Die Produktion der Riga Minox war bereits 1943, nach nur 17000 Stück, eingestellt worden.

„In dem US-Sektor hatte man doch dann, gerade in dem Gebiet um Wetzlar,

da war ja die Überlegung sehr früh gediehen,

weil ja Leitz zB. dort auch war, dort wieder eine Photoindustrie aufzubauen,

und dementsprechend durfte er dann auch seine Firma mit dem Freund Richard Jürgens gründen.“

1946 trennte sich Zapp von seiner Frau Olga

und lernte wenig später seine zweite Frau Liselotte Reinecke kennen.

Aus meiner Sicht war unsere Familie Oma und Opa, Lotar und ich.

Unsere Mutter war Papas Begleiterin. Sie war keine warme Mutter.

Sie war nicht jemand, der einen in den Arm nahm und so, und ich glaube,

wenn unsere Grosseltern nicht gewesen wären,

dann hätten wir doch vieles an Wärme entbehrt.

Meine Grossmutter, das war so eine richtige Kuscheloma.

Die war eigentlich unsere richtige Mutter, muss ich sagen.

Wir sind eigentlich bei ihr aufgewachsen.

Sehr verspätet muss ich nachholen, was ich ein Leben lang versäumte...Was man versäumte, muss ich nachholen.

Die Begeisterung, für die kleine Kamera beruht ja darauf, dass es eben nicht nur eine

einzelne Kamera ist, sondern eben eine ganze kleine Welt für sich. Das heisst, wir haben

ja dazu eine kleine Tageslicht-Entwicklungsdose, es gibt Miniaturvergrösserungsgeräte, Kleinstative

Und gerade in den 50er und 60er Jahren, als Deutschland in den wirtschaftlichen Boomjahren

war, waren das natürlich Artikel, die grosse Begehrlichkeit geweckt haben. Und deswegen

ist es eigentlich bedauerlich, dass wir im Nachhinein jetzt immer nur über die Kamera

reden; es ist eigentlich eine Welt für sich. Und das kann man durchaus vergleichen mit

einer kleinen Märklinwelt, wo es eben auch nicht nur um eine Lokomotive geht, sondern

eben um die kleine Eisenbahn als Solches, und das ist eben bei der Minox eben auch der Fall.

Mein Vater hasste Menschenaufläufe. Und er war nicht gerne in Hotels, weil er unwahrscheinlich

allergisch gegen Zigarrenrauch und Zigarettenrauch war. Also kam er auf die Idee, einen Wohnwagen

zu bauen. Selbstverständlich wurde auch zuerst ein Holzklötzchen hergestellt. Und dann kam

aber der Koreakrieg, und mein Vater war sich einer Sache klar: Es kann sein, dass ich wieder

fliehen muss, aber diesmal nicht mit dem Rucksack, sondern mit dem Wohnwagen. Es kann auch sein,

dass es kein Benzin mehr gibt, also muss der Wohnwagen so gebaut sein, dass wir ihn als

Familie ziehen können. Wir Kinder haben im Auto geschlafen. Es gab keine Liegesitze,

also hat sie mein Vater gebaut, lang bevor es überhaupt welche gab. Es gab einen ausziehbaren

Tisch, einen Kleiderschrank, eine Küche mit Backofen und eingebautem Boiler, eine Wasserversorgung,

ein Fach für Holz; Gas gab es ja noch nicht. Und mit diesem Wohnwagen sind wir bis 1964

durch ganz Europa gefahren.

Sehr handlich, sehr klein, ein sehr schönes Design, ungewohnt bei den Bedienungselementen,

weil alles ein bisschen versteckt ist und auch sehr Platz sparend,.

Ich denke, dass vor 50 Jahren die Minox eine relativ einfache Kamera war, was die Bedienung

anging, aber ich kann mir einfach vorstellen, dass man relativ viel Praxis gebraucht hat,

damit man auch zum entsprechenden Resultat gekommen ist.

Die Dose, die fand ich genial, und ich habe also selten so wenig Schwierigkeiten gehabt,

wie jetzt mit dieser Dose, um einen Film einzuspannen.

Beim Fotografieren war es toll, weil es war wenig Gewicht, aber beim Handling, so, z.B.

auch im Labor, hab ich mich nicht sehr sicher gefühlt, weil das doch sehr kleine Negative

sind. Generell würde ich sagen, musste man vor

50 Jahren mehr über Fotografieren wissen, als man es heute muss. Weil mit einer kleinen

Digitalkamera, da erzielt man ja erstaunlichste Resultate, auch wenn man überhaupt keine

Ahnung hat von Licht oder Verschlusszeiten usw.

Das ist ja wie eine andere Kultur.

Jürgens und Zapp suchten in Wetzlar einen Geldgeber für ihre neu gegründete Firma.

Sie fanden ihn in Ludwig Rinn,

dem Besitzer des Tabakkonzerns Rinn und Cloos im Herbst 1946.

Bis die ersten Kameras aber in Heuchelheim bei der Firma Heyligenstaedt in Produktion gingen,

dauerte es über 2 Jahre.

Man hat einen neuen technischen Direktor eingesetzt und ihn einfach dem Zapp vor Nase gesetzt.

Das heisst, er ist auf die Art und Weise von seinem Lebenswerk getrennt worden,

so dass er schliesslich ausgeschieden ist bei der Firma Minox.

"Es gibt Geheimdienstkataloge, zum Beispiel ein Geheimdienstkatalog des OSS,

das ist der Vorgänger der CIA, und schon dort ist 1944 die Minox enthalten.

Später hat die CIA auch in ihrem Katalog die Minoxkamera drin.

Und ich bin der Meinung, dass die Minox

die am häufigsten eingesetzte Spionagekamera weltweit war, in Ost und in West.

Es gibt eine ganze Reihe der unterschiedlichsten Verschlusssysteme für Container.

Man sieht ja immer wieder den röhrenden Hirsch, der im Sockel dann eine Minox eingebaut hat. Rehe gibt es,

es gibt einen Aschenbecher, in dem eine Minox drin war,

einen Holzklotz Also die Geheimdienste waren sehr erfinderisch,

um Kameras versteckt aufbewahren zu können und Container zu bauen.“

Container sind an sich Gegenstände, die nach aussen hin was anderes dargestellt haben,

funktionsfähig waren für das, was sie dargestellt haben zum Beispiel eine Minoxkamera enthalten haben.

Der Agent durfte beim Grenzübertritt von seiner Führungsstelle

in sein Operationsland auch nicht enttarnt werden durch die eigenen Kräfte.

Insofern war dieser Container auch ein Hilfsmittel dafür,

dass der Agent unerkannt den Grenzübertritt vollziehen konnte.

Anschliessend brauchte er diesen Container nicht mehr und hat den entsorgt.“

"Die Agenten haben normalerweise nicht am Arbeitsplatz fotografiert sondern zu Hause.

Sie haben die Akten und Dokumente vom Arbeitsplatz in einer Tasche mit doppeltem Boden mitgebracht.

Und man sollte auch nicht wissen, dass der Agent über eine Minox verfügt,

weil dann ja der Verdacht vielleicht schon genährt worden wäre, deshalb hat er die

Minox zu Hause in einem Container versteckt aufbewahrt.“

"Wir haben im Rahmen unserer Tätigkeit andere Kameratypen gefunden,

Hauptsitz der Minox ist heute Wetzlar, Walter Zapp-Strasse 4.

Thorsten Kortemeier, der die Firma von Leica übernahm,

stellte 1996 den über 90 jährigen Walter Zapp als externen Entwicklungskonstrukteur ein.

"Wir fühlten uns nicht nur aus historischen Gründen eng verbunden zu Walter Zapp.

Und dann ist es eigentlich nicht einzusehen, dass wir als Wirtschaftsunternehmen profitabel und erfolgreich

sind, und der Vater des Unternehmens in einfachen Verhältnissen lebt.

Also insofern spielten da beide Dinge eine Rolle,

einerseits sicherlich der menschliche Hintergrund andererseits auch das wirtschaftliche Interesse,

da einen Erfolg raus zu bringen.“

In seinen letzten Lebensjahren wurden ihm von Lettland und von Estland hohe Ehren zu Teil.

So erhielt er beispielsweise vom Präsidenten Estlands eine Privataudienz im Regierungspalast,

nachdem der Präsident ihm einige Monate zuvor schon die Ehrenmedaille des Staates Estland überreicht hatte.

Im Gegenzug verlieh ihm die Akademie der Wissenschaften Riga die Ehrendoktorwürde.

Walter Zapp starb am 17. Juli 2003 im Alter von 98 Jahren bei seinem Sohn zu Hause in Binningen.

Der Gesprächspartner fehlt, seine Weisheit fehlt.

Es fehlt, dass ein Mensch, der so viel Schweres im Leben erlebt hat wie mein Vater Dir sagt,

guck mal es geht doch immer wieder aufwärts.

Das war Ansporn, das war der Trost, wenn er es geschafft hat,

dann schaff ich es auch; eine gewisse Stärke.

Als ich sehr jung war, las ich bei Goethe einen interessanten Ausspruch.

Der Sinn ist ungefähr der: Wenn man den Lebenslauf eines Menschen rückwärts betrachtet,

dann hat man den Eindruck, dass dem Ganzen ein sinnvoller Plan zu Grunde liegt.

Und ich glaube heute, ich darf es bestätigen.“


Die Minox: Geniestreich und Schicksal (HD 1080p) - Dokumentation von NZZ Format The Minox: stroke of genius and fate (HD 1080p) - Documentary by NZZ Format

Nie ohne Krawatte, immer

mit Weste und Sakko an, anders ist er nie raus gegangen. Er ist keinen Schritt aus dem

Haus gegangen ohne Mantel, ohne Hut; das hat ihm eben dann auch

den Spitznamen Rabbiner eingebracht.“

„Es war ja nicht nur die Minox; ich finde es immer ein bisschen schade, wenn mein Vater

nur auf Minox reduziert wird, denn er hat ja so unendlich viele Erfindungen gemacht.

Ich kann mich erinnern an eines seiner letzten Gespräche, da sagte er: „Wenn ich das alles

verwirklichen will, was ich halbfertig in der Schublade habe, muss ich noch mal 100

Jahre leben.““

Wie die Lettische Presse 1938 schrieb, war die Minox eine Revolution in der Fotoindustrie, nicht nur in Lettland

sondern auf der ganzen Welt. Keine andere Kamera hatte mit einem solchen Konzept gearbeitet."

„Man muss dann schon in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts zurückgehen. Es war so gewesen,

dass weit gehend noch mit Plattenkameras gearbeitet wurde, das heisst ein Photograph hatte Riesenkameras

dabei, mit Platten und Riesenstativ, er musste aufbauen, das Entwickeln war schwierig usw.

Und dann kam ja die Leica auf den Markt, eine Kleinbildkamera mit dem Format 24x36

„Die Formatverkleinerung war also doch nicht so ganz abwegig. Ja, aber das ist ja noch

längst das was mir vorschwebte.Wenn überhaupt, dann musste solch eine Kamera ganz unabhängig

von aller Tradition, die sich für grössere Formate bewährt hatte, rein aus der Sache

entwickelt werden. Wie wusste ich nicht. Aber ich machte ein kleines schwarzes Holzklötzchen,

das in der Hand verschwinden konnte und das man leicht und bequem halten konnte.“

Er wollte eine

Kamera haben, die so klein ist, dass man sie auch in der Hosentasche unterbringen kann.

Das heisst, eine Kamera, die man immer dabei haben kann für alle Gelegenheiten, ohne dass

sie auffällig war.“

„Zapp hat sich ja nicht immer als technischer Ingenieur gesehen, sondern in erster Linie

auch als Designer. Und das Grundprinzip der Minox ist ja, dass sie sehr klein ist, aber

sich auch vernünftig bedienen lässt. Und da gibt es wenig vergleichbare Produkte am

Markt, wo das der Fall ist.“

„Wie ich aus Kurzberichten meiner Mutter weiss, begann mein Erdenleben problematisch.

Als ich endlich anschaulich da lag, war das ärztliche Gutachten: na ja, krank gerade

nicht, aber sehr zart. Und dabei blieb es bis heute. Aber jetzt kann ich wenigstens

mich mit der Ausrede Altersschwächelei verstecken.“

Die Mutter von Walter Zapp stammte aus der wohlhabenden Fabrikantenfamilie Burchard.

Der Hintergrund des Vaters ist weniger klar.

„Das muss ein spezieller Vogel gewesen sein, mir sehr sympathisch. In Deutschland geboren,

irgendwie in England aufgewachsen, auch mal die englische Staatsbürgerschaft gehabt.

So wie man früher in den Wilden Westen nach Amerika ging, ging er in den wilden Osten

ins Baltikum, hat sich da in allem Möglichen und Unmöglichen versucht, mehr oder weniger

erfolglos leider. Und dem entsprechend war Schmalhans Kellermeister, wie man sagt. Also,

die Familie musste eng durch. Was aber nicht dazu hinderte, dass man ein Kindermädchen,

Hausmädchen usw. selbstverständlich hatte.“

Als Teil der besseren Gesellschaft gehörte es zum guten Ton, den Sommer in einer gemieteten

Datscha, einem Holzhaus, in Jurmala am Meer zu verbringen.

„Die Väter fuhren mit der Bahn nach Riga, oder wo immer sie arbeiteten, und die Familie

blieb in Jurmala, wie man in die Ferien geht. Und das wurde selbstverständlich durchgezogen.“

Im 1. Weltkrieg wurde die Familie nach Ufa deportiert, eine damals russische Stadt am Ural.

„Ich bemerkte, dass ich wesensmässig gar kein Kind war. Ich erinnere mich nicht, jemals

mit Gleichaltrigen gespielt zu haben. Es erwies sich, ich war ungeschickt im Schreiben.

Keine sichere Hand. Der meiste Lehrstoff interessierte mich nicht, mit einer einzigen Ausnahme: Geometrie,

das verstand ich sofort. Ich war den normalen Anforderungen der Schule

nicht gewachsen und ich bekam einen furchtbaren Nervenzusammenbruch.

Zum Glück hatte ich einen, verständnisvollen Arzt, und der verordnete Zweierlei: erstens

mit Gewissheit Schluss mit der Schule. Und zweitens: 6 Wochen absolute Bettruhe.“

„Also für mich war mein Vater immer ein Phänomen. Er hatte auf der einen Seite ein

Zittern, das leider bei uns die ganze Familie hat.“

„Er war schwächlich, er war kränklich, und das alles miteinander hat ihm natürlich

eine fürchterliche Schulsituation beschert, neben der andern Raudikindern. Und er hat

sich einfach von 1. Tag an unwohl gefühlt. Auch sicher ganz massiv psychosomatisch bis

hypochondrisch, das war er sein ganzes Leben, das muss man auch sehen. Aber Gott sei Dank

ist er trotzdem 98 Jahre alt geworden. Aber diese Unfähigkeit, am Sport oder irgendetwas

teil zu nehmen, machte ihn natürlich zum Aussenseiter.“

„Er war eigentlich ein Allroundgenie. Es war nicht nur die Minox. Aber die Minox, das

war meine grosse Schwester, die perfekte Schwester. Die Minox war die grosse Schwester, auf die

ich eifersüchtig war. Die Minox hatte die ganze Aufmerksamkeit unseres Vaters; ich war

nur die Tochter, sie war sein Geschöpf.“

„Eine Kamera, die ein Handschmeichler ist. Eine Kamera, die man eigentlich auch nutzen

kann, um gar nicht damit zu fotografieren. Sie einfach in der Hand halten und den Ablauf

des Hemmwerkes am Ohr hören. Weil der Walter Zapp ja wusste, wie schwierig

es ist die Kombination zwischen der Blende und der Zeit, dass man eben nur die Zeit als

Variable betrachtet, die Blende ist fest. Und je länger die Belichtungszeit ist, umso

länger hört man auch dieses Hemmwerk, das eben dann ermöglicht, dass der Verschluss

offen bleibt.“

„Das Grundkonzept war ja nicht nur damals sehr speziell, es ist über die ganzen letzten

Jahre speziell gewesen. Speziell deshalb, weil man ja einen anderen Film benötigte,

einen speziellen Minoxfilm. Und das war vielleicht auch das Hindernis, weswegen sich die Minox

eben nicht als die erfolgreichste Kamera der Welt durchgesetzt hat. Dadurch, dass natürlich

die kleinen Negative und die kleine Filmformatgrösse auch Grenzen in der maximalen Grösse des

Prints, als des Fotos nachher beinhaltet. Natürlich hat die Filmtechnologie in den

letzten Jahren sehr aufgeholt, die Bilder sind feinkörniger geworden und demzufolge

ist es auch möglich, aus einem kleinen Minoxnegativ gute Ergebnisse herauszuholen, nur eben im

Vergleich zu einem eben deutlich grösseren Kleinbildnegativ immer noch limitiert.“

1921 begann Walter Zapp bei einem Verwandten in Riga eine Lehre als Lithograf, bereits

ein Vierteljahr danach aber zog die Familie nach Tallinn, wo er eine Lehre als Graveur

antrat. Die Lehre scheiterte und er konnte bei Lemberg

beginnen, dem damals bekanntesten Kunstfotografen Estlands. Dort lernte er dessen Gehilfen Nieländer

kennen, der später sein Freund und ein wichtiger Estischer Fotograf wurde.

" Er ging gegen die 20, beschäftigte sich bereits intensiv mit dem Gedanken an eine

Kleinstbildkamera. In dieser Zeit entstand auch seine erste Erfindung, die er patentieren

liess, nämlich eine Fotobeschneidemaschine. Nachdem Lemberg ihn aus wirtschaftlichen Gründen

1924 hatte entlassen müssen, arbeitete Zapp als Laborant in einem grossen Photogeschäft

in Tallinn. Die verhasste Beschäftigung dauerte bis 1932.

An einem der letzten Arbeitstage machte er eine schicksalhafte Bekanntschaft."

"Dieser zunächst sehr unsympathisch wirkende Mann verstand von Technik nichts, aber er

war ein so genannter Knipser, ein einfacher Liebhaberphotograph.

Und nun wollte er nach Sonderwünschen einen Vergrösserer gebaut haben.

Ich begann, und Jürgens besuchten mich und stellte eine verhängnisvolle Frage. Was ich

als Photograph glaube, wann der Kleinbildunsinn endlich aufhören würde? Und zu seinem Verdruss

musste ich sagen: Nie. Oh weh, wenn der geahnt hätte, dass ich an Kleinstbild dachte!

Und eines Tages sagte Jürgens, nun ja, also ich habe bescheidene Ersparnisse; wenn Sie

was entwickeln... Und wenn was herauskommt, dann machen wir es halb und halb. Das war

unser ganzer Geschäftsvertrag. Und das war am 16. August des Jahres 1932.“

Die Familie lebte zu jener Zeit in Nömme, einem Vorort von Tallinn.

Hier, das wurde nach meinen Plänen gebaut.

„Es ist absolut ausgeschlossen in der heutigen Zeit, als einzelner Erfinder den Weg zu gehen,

den Zapp gegangen ist. Sie müssen auch berücksichtigen, dass er keinen Hochschulabschluss

hatte oder eine sonst irgendwie spezielle Ausbildung erfahren hat.

Heutzutage ist es einfach so,

dass man gewisse Levels erreichen muss, um in dieser Gesellschaft voran zu kommen und

auch Gehör zu finden.“

„Eine Persönlichkeit, die einerseits sehr distanziert war. Also er hatte nie einen Freund,

mit dem er per Du war. Aber er hatte einen unwahrscheinlichen Charme, sowohl für Frauen

wie Männer. Er konnte die Leute sehr schnell für sich einnehmen. Er war ein sehr guter

Redner, auch sehr gut didaktisch und rhetorisch. Und war ein guter Zuhörer. Aber er war vor

allen Dingen eine Persönlichkeit, mit der es Spass machte, zu diskutieren.“

„Am liebsten erinnere ich mich an den älteren Vater. An den Mann, der eigentlich, als er

Ausstieg aus seinem Berufsleben, gütig und weise wurde, der früher sehr streng war,

grad zu uns Kindern. Und ich denk eigentlich am Liebsten and die letzten 10 Jahre. Da hatte

er Zeit für uns, für die Kinder, die Enkel. Und er hat nicht nur Zeit, er hat Interesse

an uns gehabt. Wir waren plötzlich wichtiger als seine Arbeit.“

„Er hatte auch gewaltigen schwarzen Humor. Er konnte unwahrscheinlich gut Witze erzählen,

konnte auch Witze zusammenstellen. Er konnte vor allen Dingen über sich selber lachen,

und er hat auch manchmal gesagt: „Wie konnte ich nur so dämlich sein, so was zu erfinden?“

Ja, er hatte sehr viel Humor. Ich denke, wenn er den Humor nicht gehabt hätte, hätte er

diese ganzen Rückschläge in seinem Leben schlicht und ergreifend nicht überlebt.“

„Es vergingen 2 Jahre und ich verstieg mich, ich schraubte die Anforderungen immer höher

und beschäftigte mich ganz naiv mit Dingen, von denen ich nicht ahnte, dass die wirkliche

Industrie sie längst vorbereitete.“

Die Form und Grundidee der Minox waren Zapp klar: klein und vollendet im Design musste

sie sein; ein Handschmeichler. Noch aber galt es, Jürgens zu gestehen, dass er dessen Ersparnisse

durch die Versuche in die falsche Richtung schon beinahe aufgebraucht hatte.

„Ich dachte mir ein Märchen aus. Ich sagte: Herr Jürgens, Sie wissen doch, die grossen

Ozeanriesen, unsinkbar natürlich? Na? Die haben trotzdem ganz kleine Rettungsboote dabei.

Herr Jürgens, ich muss Ihnen gestehen, wir segeln auf einem solchen Riesen, er ist leck

geschlagen, wir sinken bereits. Aber, auch ich hab ein kleines Rettungsboot. Und da öffnete

ich die Hand und zeigte ihm das Klötzchen. Das war der kritische Moment und Jürgens

verstand. Jetzt konnte ich alles Bisherige weg schmeissen und mich offen und mit Erfolg

der neuen Aufgabe widmen.“

In diesem Raum habe ich die Minox gemacht. Das war mein Zimmer. Hier habe ich gelebt.

„Im Sommer 1936 war es endlich so weit. Ich liess wie üblich die Teile vorfertigen,

Endarbeiten machte ich selbst, Justierung, Montage.

Jetzt mussten Versuchsaufnahmen gemacht werden.“

Die Suche nach Teilhabern für die Produktion verlief in Tallinn, Estland erfolglos. Jürgens

erinnerten sich glücklicherweise an einen Vertreter der Firma VEF in Riga, Lettland

Empfangen wurden Zapp und Jürgens von Theodors Vitols,

dem damaligen Direktor der VEF höchstpersönlich.

Vitols betrachtete die Probefotos, die Zapp ihm vorgelegt hatte.

„Plötzlich fuhr er mich an: Sind die retouchiert? Können Sie jetzt hier unter Kontrolle, einen

unserer Werksangehörigen aufnehmen? – Natürlich. Darauf war ich nun technisch gar nicht vorbereitet.

Aber bei VEF hatte man damals ein vollständiges Photolaboratorium und man stellte mir jede

erdenkliche Hilfe zur Verfügung. Und nach einer Dreiviertelstunde hatte ich das Bild.

Dann stand er auf, reichte mir die freundlich die Hand und sagte nur: ich gratuliere.“

Innert kürzester Zeit passte Zapp die Pläne der Urminox den Produktionsbedingungen bei

der VEF an. Die Pläne befinden sich heute im Archiv des Photomuseums Riga.

Im Spätherbst 1936 zog Zapp nach Riga, und bald schon lief die Produktion der Riga

Minox oder VEF Minox, wie sie auch genannt wurde, an.

Für das Serienmodell hatte Zapp auch das Format des Negativs verändert. War das Filmformat

bei den Probeaufnahmen noch 6,5x9mm gewesen, hatte er es nun auf 8x11mm vergrössert. Dass

dabei die Grösse der Kamera nur ganz minim angepasst werden musste, also beinahe so klein

wie die Urminox blieb, war eine weitere Meisterleistung Zapps.

Der Name Minox entstand, so erzählt Zapp, nach stundenlangen Diskussionen mit seinem

Freund Nixie Nieländer. Nixi war es auch, der irgendwann nach Wortspielereien wie Mina,

Minou, Minna, dann das Wort Minox zum ersten Mal aussprach.

Unter den damaligen Verhältnissen gab es für dieses Projekt keinerlei Zulieferung.

Wir mussten alles unter dem eigenen

Dach fertigen, einschliesslich der Optik, und alles war neu.

Und in nur 17 Monaten, im April 1938 kamen wir heraus.“

"Sie war ziemlich teuer, eine Exklusivität, denn sie hat 248 Lats gekostet – rund 150 Euro.

Und der Lat war damals mehr wert als heute."

Wie erfolgreich die kleine Minox hätte werden können, lässt sich nicht einmal mehr annähernd abschätzen;

es lagen zum Beispiel Bestellungen aus New York für jährlich 100 000 Stück vor.

Die Okkupation Lettlands durch Russland beendete aber alle Träume

und Zapp floh 1940 vor den Russen.

In Deutschland versuchte er vergeblich seine Kamera bei einem Unternehmen unterzubringen.

Leitz wollte ihn einstellen, und zwar als legitimen Nachfolger von Oskar Barnack, der eben die Leica konstruiert hat.

Aber Zapp wollte seine Minox bauen. Schliesslich arbeitete er bei AEG an der Entwicklung eines neuen Elektronenmikroskops mit.

Am Ende des 2. Weltkrieges floh Zapp erneut vor den Russen,

diesmal in die von den Amerikanern besetzte Zone.

Die Produktion der Riga Minox war bereits 1943, nach nur 17000 Stück, eingestellt worden.

„In dem US-Sektor hatte man doch dann, gerade in dem Gebiet um Wetzlar,

da war ja die Überlegung sehr früh gediehen,

weil ja Leitz zB. dort auch war, dort wieder eine Photoindustrie aufzubauen,

und dementsprechend durfte er dann auch seine Firma mit dem Freund Richard Jürgens gründen.“

1946 trennte sich Zapp von seiner Frau Olga

und lernte wenig später seine zweite Frau Liselotte Reinecke kennen.

Aus meiner Sicht war unsere Familie Oma und Opa, Lotar und ich.

Unsere Mutter war Papas Begleiterin. Sie war keine warme Mutter.

Sie war nicht jemand, der einen in den Arm nahm und so, und ich glaube,

wenn unsere Grosseltern nicht gewesen wären,

dann hätten wir doch vieles an Wärme entbehrt.

Meine Grossmutter, das war so eine richtige Kuscheloma.

Die war eigentlich unsere richtige Mutter, muss ich sagen.

Wir sind eigentlich bei ihr aufgewachsen.

Sehr verspätet muss ich nachholen, was ich ein Leben lang versäumte...Was man versäumte, muss ich nachholen.

Die Begeisterung, für die kleine Kamera beruht ja darauf, dass es eben nicht nur eine

einzelne Kamera ist, sondern eben eine ganze kleine Welt für sich. Das heisst, wir haben

ja dazu eine kleine Tageslicht-Entwicklungsdose, es gibt Miniaturvergrösserungsgeräte, Kleinstative

Und gerade in den 50er und 60er Jahren, als Deutschland in den wirtschaftlichen Boomjahren

war, waren das natürlich Artikel, die grosse Begehrlichkeit geweckt haben. Und deswegen

ist es eigentlich bedauerlich, dass wir im Nachhinein jetzt immer nur über die Kamera

reden; es ist eigentlich eine Welt für sich. Und das kann man durchaus vergleichen mit

einer kleinen Märklinwelt, wo es eben auch nicht nur um eine Lokomotive geht, sondern

eben um die kleine Eisenbahn als Solches, und das ist eben bei der Minox eben auch der Fall.

Mein Vater hasste Menschenaufläufe. Und er war nicht gerne in Hotels, weil er unwahrscheinlich

allergisch gegen Zigarrenrauch und Zigarettenrauch war. Also kam er auf die Idee, einen Wohnwagen

zu bauen. Selbstverständlich wurde auch zuerst ein Holzklötzchen hergestellt. Und dann kam

aber der Koreakrieg, und mein Vater war sich einer Sache klar: Es kann sein, dass ich wieder

fliehen muss, aber diesmal nicht mit dem Rucksack, sondern mit dem Wohnwagen. Es kann auch sein,

dass es kein Benzin mehr gibt, also muss der Wohnwagen so gebaut sein, dass wir ihn als

Familie ziehen können. Wir Kinder haben im Auto geschlafen. Es gab keine Liegesitze,

also hat sie mein Vater gebaut, lang bevor es überhaupt welche gab. Es gab einen ausziehbaren

Tisch, einen Kleiderschrank, eine Küche mit Backofen und eingebautem Boiler, eine Wasserversorgung,

ein Fach für Holz; Gas gab es ja noch nicht. Und mit diesem Wohnwagen sind wir bis 1964

durch ganz Europa gefahren.

Sehr handlich, sehr klein, ein sehr schönes Design, ungewohnt bei den Bedienungselementen,

weil alles ein bisschen versteckt ist und auch sehr Platz sparend,.

Ich denke, dass vor 50 Jahren die Minox eine relativ einfache Kamera war, was die Bedienung

anging, aber ich kann mir einfach vorstellen, dass man relativ viel Praxis gebraucht hat,

damit man auch zum entsprechenden Resultat gekommen ist.

Die Dose, die fand ich genial, und ich habe also selten so wenig Schwierigkeiten gehabt,

wie jetzt mit dieser Dose, um einen Film einzuspannen.

Beim Fotografieren war es toll, weil es war wenig Gewicht, aber beim Handling, so, z.B.

auch im Labor, hab ich mich nicht sehr sicher gefühlt, weil das doch sehr kleine Negative

sind. Generell würde ich sagen, musste man vor

50 Jahren mehr über Fotografieren wissen, als man es heute muss. Weil mit einer kleinen

Digitalkamera, da erzielt man ja erstaunlichste Resultate, auch wenn man überhaupt keine

Ahnung hat von Licht oder Verschlusszeiten usw.

Das ist ja wie eine andere Kultur.

Jürgens und Zapp suchten in Wetzlar einen Geldgeber für ihre neu gegründete Firma.

Sie fanden ihn in Ludwig Rinn,

dem Besitzer des Tabakkonzerns Rinn und Cloos im Herbst 1946.

Bis die ersten Kameras aber in Heuchelheim bei der Firma Heyligenstaedt in Produktion gingen,

dauerte es über 2 Jahre.

Man hat einen neuen technischen Direktor eingesetzt und ihn einfach dem Zapp vor Nase gesetzt.

Das heisst, er ist auf die Art und Weise von seinem Lebenswerk getrennt worden,

so dass er schliesslich ausgeschieden ist bei der Firma Minox.

"Es gibt Geheimdienstkataloge, zum Beispiel ein Geheimdienstkatalog des OSS,

das ist der Vorgänger der CIA, und schon dort ist 1944 die Minox enthalten.

Später hat die CIA auch in ihrem Katalog die Minoxkamera drin.

Und ich bin der Meinung, dass die Minox

die am häufigsten eingesetzte Spionagekamera weltweit war, in Ost und in West.

Es gibt eine ganze Reihe der unterschiedlichsten Verschlusssysteme für Container.

Man sieht ja immer wieder den röhrenden Hirsch, der im Sockel dann eine Minox eingebaut hat. Rehe gibt es,

es gibt einen Aschenbecher, in dem eine Minox drin war,

einen Holzklotz Also die Geheimdienste waren sehr erfinderisch,

um Kameras versteckt aufbewahren zu können und Container zu bauen.“

Container sind an sich Gegenstände, die nach aussen hin was anderes dargestellt haben,

funktionsfähig waren für das, was sie dargestellt haben zum Beispiel eine Minoxkamera enthalten haben.

Der Agent durfte beim Grenzübertritt von seiner Führungsstelle

in sein Operationsland auch nicht enttarnt werden durch die eigenen Kräfte.

Insofern war dieser Container auch ein Hilfsmittel dafür,

dass der Agent unerkannt den Grenzübertritt vollziehen konnte.

Anschliessend brauchte er diesen Container nicht mehr und hat den entsorgt.“

"Die Agenten haben normalerweise nicht am Arbeitsplatz fotografiert sondern zu Hause.

Sie haben die Akten und Dokumente vom Arbeitsplatz in einer Tasche mit doppeltem Boden mitgebracht.

Und man sollte auch nicht wissen, dass der Agent über eine Minox verfügt,

weil dann ja der Verdacht vielleicht schon genährt worden wäre, deshalb hat er die

Minox zu Hause in einem Container versteckt aufbewahrt.“

"Wir haben im Rahmen unserer Tätigkeit andere Kameratypen gefunden,

Hauptsitz der Minox ist heute Wetzlar, Walter Zapp-Strasse 4.

Thorsten Kortemeier, der die Firma von Leica übernahm,

stellte 1996 den über 90 jährigen Walter Zapp als externen Entwicklungskonstrukteur ein.

"Wir fühlten uns nicht nur aus historischen Gründen eng verbunden zu Walter Zapp.

Und dann ist es eigentlich nicht einzusehen, dass wir als Wirtschaftsunternehmen profitabel und erfolgreich

sind, und der Vater des Unternehmens in einfachen Verhältnissen lebt.

Also insofern spielten da beide Dinge eine Rolle,

einerseits sicherlich der menschliche Hintergrund andererseits auch das wirtschaftliche Interesse,

da einen Erfolg raus zu bringen.“

In seinen letzten Lebensjahren wurden ihm von Lettland und von Estland hohe Ehren zu Teil.

So erhielt er beispielsweise vom Präsidenten Estlands eine Privataudienz im Regierungspalast,

nachdem der Präsident ihm einige Monate zuvor schon die Ehrenmedaille des Staates Estland überreicht hatte.

Im Gegenzug verlieh ihm die Akademie der Wissenschaften Riga die Ehrendoktorwürde.

Walter Zapp starb am 17. Juli 2003 im Alter von 98 Jahren bei seinem Sohn zu Hause in Binningen.

Der Gesprächspartner fehlt, seine Weisheit fehlt.

Es fehlt, dass ein Mensch, der so viel Schweres im Leben erlebt hat wie mein Vater Dir sagt,

guck mal es geht doch immer wieder aufwärts.

Das war Ansporn, das war der Trost, wenn er es geschafft hat,

dann schaff ich es auch; eine gewisse Stärke.

Als ich sehr jung war, las ich bei Goethe einen interessanten Ausspruch.

Der Sinn ist ungefähr der: Wenn man den Lebenslauf eines Menschen rückwärts betrachtet,

dann hat man den Eindruck, dass dem Ganzen ein sinnvoller Plan zu Grunde liegt.

Und ich glaube heute, ich darf es bestätigen.“