Betrogene Liebe - Auf der Spur der Internetherzensbrecher | SWR Doku (1)
. (Aufregende Klaviermusik) Jahrelang einsam - dann die große Liebe.
Doch ihr Traummann ist ein Betrüger.
Man schämt sich dafür, dass man so dumm war,
überhaupt auf so was reinzufallen.
Herzklopfen und große Gefühle.
Auch ihr Lover aus dem Internet brachte sie mit Lügengeschichten
um ihr Erspartes.
Man ist gar nicht mehr Herr seiner eigenen Sinne,
seiner eigenen Gedanken, seines eigenen Willens.
Als Journalistin will ich die Masche der Heiratsschwindlermafia aufdecken.
Angeblich wimmelt es im Netz von falschen Märchenprinzen.
Mit einer neuen Identität spiele ich den Lockvogel.
Zum Schein begebe ich mich in Online-Börsen auf Partnersuche.
Ich will herausfinden, wie es die Kriminellen schaffen,
ihren Opfern das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Es geht um Liebe, Herzblut und große Enttäuschung.
(Düstere Klaviermusik)
Ich bin auf dem Weg nach München.
Bevor ich mich auf die Suche nach den Tätern mache,
möchte ich ihre Opfer treffen.
Mich treibt die Frage um, warum bloß zahlen Frauen Unsummen an Männer,
die sie im Internet kennengelernt, aber noch nie getroffen haben.
(Musik: "What Doesn't Kill You Makes You Stronger" von Kelly Clarkson)
Brigitta Berger ist eigentlich ist ein lebensfroher und geerdeter Typ.
Als Single lebt sie in einer Zweizimmerwohnung.
Bei der Hausarbeit hört sie gerne ihr Lieblingslied.
# What doesn't kill you, makes you stronger.
"Was dich nicht umbringt, macht dich stärker", so der Refrain.
Und das ist auch ihr Lebensmotto.
Sie will mir zeigen, dass sie an ihrer Geschichte nicht zerbrach.
Und sie will andere Frauen warnen.
Bis heute kann sie nicht verstehen, wie sie - wie sie selbst sagt -
so dumm sein konnte.
Wie kam es denn dazu, dass Sie einen Mann im Internet suchten?
Die Jahre zuvor war ich Single, ziemlich lang schon
und hab das aber nach so bestimmten Erfahrungen
in den vergangenen Jahren nicht so sehr vermisst,
jetzt unbedingt wieder einen neuen Mann.
Aber durch das, dass ich praktisch aus der Arbeit raus war -
und da war ja auch ein Jahr vorher der Tod meiner Mutter,
die ist nach längerer Krankheit dann verstorben.
Da fällt man schon gefühlsmäßig in ein ziemliches Loch.
Die Einsamkeit und ihre Sehnsucht nach Liebe
machten sie zu einem leichten Opfer.
Sie verbrachte viel Zeit zu Hause,
seit sie durch die Bankenpleite ihre Arbeit verlor.
(Ruhige Musik)
Vor einem Jahr meldete sie sich bei einer Partnerbörse an
und war - wie sie selbst sagt -
komplett von den Socken, als sich ein Traummann meldete.
Daniel Hamilton, 51, ein wohl- habender britischer Schmuckhändler,
der in Berlin lebt und nur einige Brocken Deutsch spricht.
Dass sich eben genau dieser Mann dann für mich interessiert,
da kann ich natürlich schon sagen,
das hat schon ein gewisses Herzklopfen ausgelöst,
Schmetterlinge im Bauch.
Aber ich war von Anfang an immer
ein bisschen im Clinche mit mir selber,
was will der eigentlich von mir, wir passen nicht zusammen.
Das ist ein anderes Leben, eine völlig andere Kategorie sozusagen.
Champions League.
Von dem hat er mich dann mehr oder weniger versucht,
vom Gegenteil zu überzeugen,
dass das nicht ausschlaggebend ist, das Ganze.
Er bringt frischen Wind in ihr Leben.
Sie beginnt sofort Vokabel zu pauken und ihr Schulenglisch aufzufrischen,
um sich per Mail mit Daniel austauschen zu können.
Dieser Mann schafft es, ihr das Gefühl zu geben,
dass er immer an ihrer Seite steht, komme, was wolle.
Als sie Angst vor einem Arzttermin hat, macht er ihr Mut.
Wie ich damals den Termin hatte für die Darmspiegelung.
Ich hab da wahnsinnig Angst davor gehabt,
meine Mama ist an Darmkrebs gestorben,
und das habe ich ihm auch geschrieben.
Das sind Dinge, der hat da wirklich Anteil genommen. So quasi.
Es wäre halt schön, wenn er da wäre, da würd er mich begleiten.
Und: "Nimm dir mein Foto mit, ich hab dein Foto ja auch bei mir."
Ich muss ganz ehrlich sagen, das hat mir sogar geholfen,
da bin ich ihm heute sogar dankbar dafür.
Daniel kann es kaum erwarten, sie in München zu besuchen.
Doch er muss dringend beruflich nach Hongkong.
Dort bekommt er plötzlich Probleme, bittet Brigitta,
ihm mit Geld aus der Klemme zu helfen.
Haben Sie da keinen Verdacht geschöpft?
Mein Bauchgefühl hat mich schon ziemlich massiv gewarnt.
Weil ich bin in der Hinsicht so geprägt,
ich bin ein ehemaliger Banker, mache Dinge auch abzuklären.
Gut, er hat das auch sehr gut aufgeklärt,
warum er jetzt an sein eigenes Geld nicht rankommt.
Dann habe ich mir die Kontodaten von ihm schicken lassen.
Ich hab's nicht gern gemacht,
aber ich hab mir dann gedacht, okay, 3.000 Dollar.
Vielleicht war das der Zocker in mir, den ich sonst nie hab,
lassen wir's drauf ankommen, was soll passieren?
Er fordert wieder und wieder Geld,
die Summen werden immer höher.
Sie hilft mit 20.000 Dollar. Ihre gesamten Ersparnisse!
Dann haben wir noch mal telefoniert, und ich hab geweint,
er hat angeblich auch geweint, und ich war fertig,
weil ich gesagt hab: Ich kann dir wirklich nicht helfen.
Und ich mach das auch nicht. Es ist meine Existenz.
Und da war ich dann wirklich fix und fertig.
Und am 10. März, das war ja eben dann der Tag,
wo ich durch eine Eingebung rumgesucht hab im Internet,
was es für Möglichkeiten es mittlerweile gibt.
Auf einmal geht dieser Link von den sognannten Mail-Scammers auf.
Und ich geh da drauf. Und ja, das war er.
Hier erfährt sie, sein Foto ist geklaut.
Sie ist einem Scammer auf dem Leim gegangen,
so die internationale Bezeichnung der Betrüger.
Jetzt will sie alles über Daniel erfahren, auch wenn's weh tut.
Auch ich möchte wissen, wie diese Love-Scammer im Internet vorgehen.
Ich versuche, als Lockvogel einen von ihnen an den Haken zu kriegen.
Eine Maskenbildnerin schminkt mich älter,
damit ich ins Beuteschema der Liebesbetrüger passe.
(Bewegte Musik)
Aus Petra Wernz wird Renate Röttger.
Für ein Fotoshooting schlüpfe ich in die Rolle einer sechzigjährigen Dame.
Ich bin jetzt Chefsekretärin, frisch geschieden
und auf der Suche nach der großen Liebe.
So will ich herausfinden,
wie viele falsche Märchenprinzen sich so im Netz tummeln.
Und mit welchen Tricks sie versuchen werden,
mich in ihre Liebesfalle zu locken.
Mit meiner erfundenen Identität melde ich mich problemlos
bei verschieden Dating-Portalen an.
Meine gefälschten Angaben werden nirgendwo geprüft.
Meinen Selbstversuch dokumentiere ich mit dem Handy.
Ich begebe mich jetzt als Lockvogel ins Netz und bin gespannt,
wie lang dauert es, bis sich ein Liebesbetrüger bei mir meldet?
Und vor allem, wie lange dauert es,
bis er dann Geld von mir haben möchte?
Laut FBI steht Love-Scamming
an erster Stelle der Internet-Betrügereien.
Mit vielen hundert Millionen Dollar Schaden.
Von der Betrugsabteilung der Polizei Aalen möchte ich wissen,
wie viele Opfer es in Deutschland gibt.
Dort erfahre ich, dass solche Taten statistisch nicht erfasst werden.
Aber Abteilungsleiterin Heike Seitzer warnt,
dass sie momentan rasant ansteigen.
Wobei die Dunkelziffer enorm hoch ist,
denn die meisten Opfer schweigen aus Scham und Angst vor Bloßstellung.
Wir hatten seit 2014 immer wieder Fälle,
wo Frauen und Männer Opfer von solchen Betrügereien geworden sind.
Die Schadenssumme war im Höchstmaß bis zu 300.000 Euro.
Das ist für mich eine der gravier- endsten Formen von Kriminalität,
wenn man so mit den Gefühlen von Menschen umgeht.
Ihr wichtigster Rat: Nie Geld überweisen an Menschen,
die man nur über das Internet kennt,
auch wenn die Liebesschwüre des Traumprinzen betörend klingen.
Aus meiner Erfahrung heraus sind die Opfer nicht dumm, im Gegenteil,
die sind gutgläubig, sie sind hilfsbereit.
Sie sind ein bisschen verliebt, haben die rosarote Brille auf.
Aber die bekommenen Geschichten aufgetischt,
die so raffiniert sind, dass der normale,
der anständige Mensch gerne helfen würde.
Und das wird ausgenutzt,
und das find ich bei dieser Masche besonders schlimm.
(Treibende Musik)
Ich frage mich, wie kann es sein, dass eigentlich taffe Frauen,
die mitten im Leben stehen, für so romantische Liebesschmeicheleien
solcher Betrüger empfänglich sind.
Eine Antwort darauf hoffe ich
bei der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz zu finden.
Dort erforscht der Dozent
und Polizeipsychologe Herbert Fischer-Drumm, ...
warum die Opfer in die Falle tappen.
Man hat lange kein zärtliches Wort mehr gehört,
keine Berührung mehr gespürt, lange nicht mehr vernommen,
wie wichtig man einem anderen Menschen ist.
Und das lässt man sich in Anführungszeichen etwas kosten.
Und wenn die Verbindung einmal steht,
dann finden diejenigen, die von diesen Verbindungen leben,
Mittel und Wege, dass die Ver- hältnisse aufrechterhalten bleiben.
Und die Opfer werden mit der Zeit kritiklos
oder leben in einer Scheinwelt.
In diese Scheinwelt tauche ich jetzt mit meinem Selbstversuch ein.
Bei fünf Partnerbörsen bin ich angemeldet.
Die meisten Männer erscheinen ehrlich.
Aber einige fallen auf, weil sie zu perfekt erscheinen.
Ich bekomme sehr viele Zuschriften, fast täglich über hundert.
Es sind viele Männer dabei, wo ich das Gefühl habe,
die sind auf der Suche nach einer Frau.
Und die meinen das auch ernst.
Und es sind einige schwarze Schafe dabei.
Ich habe aktuell Kontakt mit Stephen, er hat mir dieses Foto geschickt.
Ein sehr gutaussehender Mann, sehr attraktiver Mann,
er ist auch wesentlich jünger als ich.
Ich vermute stark, dass Stephen ein Betrüger ist.
Ich bin gespannt, vielleicht habe ich Glück,
und es klappt, ich kann ihn enttarnen.
Stephen schreibt, dass er Geschäftsmann ist, in Stendal lebt,
seine Frau verloren habe und seinen achtjährigen Sohn alleine großziehe.
Er schickt mir eine Flut von Nachrichten,
meldet sich täglich mehrmals
und spricht immer von ganz großen Gefühlen.
(Schnelle Musik)
Brigitta Berger hat sich entschieden,
die Sache mit ihrem Internetgigolo zu beenden.
Sie erstattet Anzeige gegen ihn.
Doch sie hat hinterher das Gefühl,
dass die Polizisten sie nicht so richtig ernst nahmen.
Ich bin mit dem Gefühl heim, dass ich mir gedacht hab,
ich hab jetzt zumindest irgendwas getan.
Dagegen getan.
Was damit passiert, das muss man abwarten.
Aber mir war wichtig, eben sich nicht einfach hinzusetzen
und zu sagen, das ist mir jetzt passiert.
Ich habe mir gedacht, das gibt's doch nicht,
dass dieser Kerl wirklich damit durchkommt.
Als sie dann nach Hause kommt, fühlt sie sich alleingelassen.
Wut, Scham und Hilfslosigkeit steigen in ihr hoch.
(Düstere Musik)
Sie zweifelt an sich selbst,
da nicht einmal ihr Freundeskreis verstehen kann,
dass sie einem Fremden vertraut und ihm auch noch
ihre gesamten Ersparnisse ins Ausland geschickt hat.
Sie kontaktiert eine der wenigen Anlaufstellen,
die es in Deutschland für Opfer gibt:
"SOS-Selbsthilfe-Liebesbetrug".
Uschi Schröder gründete die Gruppe. - Ja, hallo?
Momentan kümmert sie sich ehrenamtlich um 82 Betroffene.
Ja, da bist du hier richtig. Da kann ich dir weiterhelfen.
Uschi weiß, wie fertig Brigitta psychisch ist.
Jede fünfte Frau, die ihre Selbsthilfegruppe kontaktiert,
denkt an Selbstmord.
Es sind genauso Männer wie Frauen, die betroffen sind,
die wirklich sagen, meine ganze Existenz ist hin.
Ich habe nichts mehr.
Ich habe keinen Grund mehr zu leben.
Aber im Moment ist erst mal das Geld vordergründig
und nach ein paar Tagen ist eigentlich
der menschliche Verrat viel schlimmer.
Dass man von einem Menschen derart belogen, betrogen wurde,
der einem ... wirklich das Vertrauen ins Mark erschüttert hat.
Dass man eigentlich gar nicht mehr glauben, vertrauen kann.
Ihre Geschichte wird mir Uschi Schröder später erzählen.
Jetzt braucht erst mal die ver- zweifelte Brigitta aus München Hilfe.
Hallo, Uschi! - Hallo, Gitti!
Schön, dass wir uns kennenlernen! - Ja!
Rein mit dir, draußen ist's kalt! - Danke.
Und wie geht's dir? - Mittlerweile ganz gut.
Hast du dich schon mit jemand unterhalten,
von Opfer zu Opfer?
Ich hab ungefähr 14 Tage gebraucht, dass ich von dem Gedanken wegkam:
Sag mal, war ich Deutschlands Dümmste, wie konnte das passieren?
Bist du nicht! Es muss sich keiner deswegen schämen!
Das ist der Knackpunkt. - Es erwischt nur die Guten,
die helfen wollen, die ein gutes Herz haben.
Die anderen, an die trauen sie sich gar nicht ran, da ist nichts.
Die packen dich da, wo die Gefühle stärker werden als der Verstand.
Innerhalb von zwei, drei Mails wissen die genau,
welche Knöpfe sie drücken müssen. - Ja.
Uschi will Brigitta zeigen, wie raffiniert ihr Betrüger
sein Netz gesponnen hat.
Weil andere Opfer den Mann schon online geoutet haben,
kann sie ihn als gerissenen Hochstapler enttarnen.
(Klirren) Ups!
Das ist der Daniel Hamilton, ne?
Hast du ihn mit diesem Foto kennengelernt?
Kennengelernt hab ich ihn mit dem Foto. - Mit dem.