Dunkle Materie - die Suche nach dem Unsichtbaren (2018)
5%. Soviel Materie und Energie können wir im Universum sehen. Den Rest – diese überwältigen
95% - nennen wir das dunkle Universum. Etwa 68% des Universums ist dunkle Energie – weitere
27% dunkle Materie. Und genau dieses Konzept der dunklen Materie interessiert uns heute.
Jene Materie, die da sein muss – die aber quasi unsichtbar ist und sich bisher jedem
definitiven Nachweis entzogen hat. Was spricht für, und was gegen die Theorie der dunklen
Materie? Ich bin Ronny – willkommen bei Raumzeit!
Der Schweitzer Physiker Fritz Zwicky machte 1933 eine bemerkenswerte Entdeckung: nicht
nur, dass die Nachbarn im Norden anscheinend den Verstand verloren hatten, er fand auch
eine Ungereimtheit im All. Als er nämlich sich den Coma Galaxiencluster näher ansah,
fiel ihm auf, dass in den einzelnen Galaxien nicht annähernd genug Masse zu sein schien,
um sie zusammenzuhalten. Genauer – er beobachtete nur 1% der nötigen Masse. Und dennoch – die
Galaxien bewegten sich elegant um ihr scheinbares Massezentrum.
In den 70ern schließlich konnte Vera Rubin die Beobachtungen von Zwicky bestätigen.
Bei der Betrachtung der äußeren Regionen der Andromeda-Galaxie fiel ihr auf, dass sich
die Sterne in den Randbereichen nahezu ebenso schnell bewegten wie Sterne nahe dem Zentrum
der Galaxie. Dies war jedoch weder nach Newton noch nach Einstein möglich. Die Galaxie sollte
– den physikalischen Gesetzen nach – eigentlich auseinanderdriften.
Betrachten wir das mal genauer. In einer Galaxie konzentrieren sich große Masseanteile auf
die sehr sternenreiche Region im Zentrum. Von dieser ausgehend, erwarten wir zunächst
einen Anstieg in der Umlaufgeschwindigkeit der Sterne. Diese Erwartung bestätigt sich
in unseren Beobachtungen vollständig. Wenn wir aber das massereiche Zentrum hinter uns
lassen – und die Distanzen zunehmen, dann sollten sich die Sterne immer langsamer bewegen
– analog zu den Planeten unseres Sonnensystems. Hier aber ist die Beobachtung eine ganz andere.
Die Sterne bewegen sich viel zu schnell, um in diesen Orbits zu verbleiben.
Etwas war fundamental falsch. Entweder unsere Beobachtung der Masseverhältnisse in den
Galaxien oder aber … Newton und Einstein lagen falsch. Das ist mindestens Ketzerei.
Was also stimmte? Wenn wir Newtons Graviationsgesetze oder Einsteins
Allgemeine Relativitätstheorie anzweifeln, dann rütteln wir an den Grundfesten unseres
Verständnisses des Universums. Diese Theorien haben sich in unzähligen Experimenten als
voraussagekräftig erwiesen. Sie erklären eine Unzahl von Beobachtungen – sie sind,
nach allem was wir bisher über sie wissen, wahr.
Um also nicht die Naturgesetze aus den Angeln zu heben, suchte man nach baryonischer Materie
– also klassischer, aus Atom bestehende Materie – welche allerdings extrem schwierig
zu sehen ist. Das können beispielsweise Schwarze Löcher oder Neutronensterne außerhalb von
Galaxien sein, die den Beinamen MACHOS erhalten haben (massive compact halo objects). Deren
Beobachtung allerdings gelang mithilfe von Gravitationslinseneffekten – und sie besitzen
nicht mal einen Bruchteil jener Masse, die uns fehlt.
Daher postulierte man schließlich eine nicht wahrnehmbare Form der Materie, welche zwar
gravitativ wirkt aber gleichzeitig nicht mit elektromagnetischer Strahlung interagiert.
Sie gibt weder Licht ab noch absorbiert sie Licht. Sie ist – im besten Sinne des Wortes
– unsichtbar. Mit diesem Konzept ging man auf Fritz Zwickie und andere zurück, die
bereits im frühen 20. Jahrhundert von dunkler Materie oder – wie Henri Poincaré von matière
obscure sprachen. Und tatsächlich häuften sich die Hinweise,
dass man mit der dunklen Materie ins Schwarze getroffen hatte. Einen der überzeugendsten
Beweise für die Existenz dunkler Materie finden wir in der Beobachtung von Gravitationslinseneffekten,
auf die ich vorhin schon kurz zu sprechen kam.
Was ist das? Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie zufolge krümmt die Anwesenheit von Masse
die Raumzeit. Auch Licht kann sich nur im Raum ausbreiten und muss dem gekrümmten Raum
folgen. Das bedeutet, dass wir eine Lichtquelle hinter einer ausreichend großen Masse wie
durch eine Linse beobachten – das Licht wird verzerrt, scheint von anderen Ursprungsorten
zu kommen. Häufig sind Galaxiegruppen der Auslöser für Gravitatonal Lensing – oft
aber beobachten wir Gravitationslinsen, ohne die dafür nötige Masse sehen zu können.
Die Effekte sind meist schwach, aber eindeutig – und sie weisen eben nach Albert Einstein
auf entsprechende Gravitationsfelder hin. Ein weiterer Beleg für dunkle Materie.
Schauen wir uns mal ein schönes Beispiel im Detail an. Der so genannte Bullet Cluster
besteht aus zwei Galaxiehaufen, welche vor langer Zeit kollidierten. Wie zu erwarten,
wurden die Sterne und Galaxien selber von dieser Kollision kaum beeinflusst, lediglich
gravitativ verlangsamt. Diese Sterne sehen wir deutlich im sichtbaren Spektrum. Aufnahmen
von Chandra zeigen uns hingegen das heiße Gas, welches tatsächlich die überwiegende
Mehrheit der baryonischen – also gewöhnlichen Materie, darstellt. Dieses Gas interagierte
bei der Kollision elektromagnetisch und wurde erheblich stärker abgebremst als die Sterne
der Galaxien. Gravitional Lensing sollte also besonders
um das Gas – den vermeintlichen Masseschwerpunkt auftreten. Dem ist aber nicht so. Untersuchungen
der Gravitationslinsen ergaben folgendes Bild: die Gravitationslinseneffekte erscheinen am
deutlichsten um die sichtbaren Galaxien. Dies ist damit eines der stärksten Argumente für
die Existenz dunkler Materie – diese nämlich interagiert nur extrem schwach elektromagnetisch
und wird damit durch die Kollision auch nicht abgebremst. Sie verbleibt bei den Galaxienhaufen.
Es gibt noch einen – für viele Physiker den stärksten – Beleg für Dunkle Materie:
die kosmische Hintergrundstrahlung. Sie zeigt uns ein sehr homogenes Bild des frühen Universums
etwa 400.000 Jahre nach dem Urknall. Es musste zu dieser Zeit kalte und langsame Teilchen
gegeben haben, welche das strukturierte Universum erzeugen, welches wir heute kennen – die
baryonische Materie im Universum reichte nicht aus um den Hitzedruck zu überwinden, welcher
beim gravitativen Zusammenfall des Wasserstoffs auftrat. Astrophysiker haben errechnet, dass
es etwa fünf mal mehr dunkle Materie gegeben haben muss als baryonische Materie. Ein Wert,
der sich mit den heutigen Beobachtungen von Galaxien und Galaxiehaufen deckt.
Über die Teilchen wissen wir also, dass sie nur schwach elektromagnetisch interagieren,
kalt und langsam sowie massereich sein müssen. Mit der englischen Entsprechung weakly interacting
massive particles, abgekürzt: WIMPS, bezeichnen Physiker daher die hypothetischen Teilchen,
aus denen dunkle Materie besteht. Diese Teilchen finden sich nicht im Standardmodell – sie
bedienen sich eines Konzepts namens Supersymmetrie (auch SuSy getauft). In diesem Modell gibt
es – vereinfacht gesagt - für jedes Teilchen des Standardmodells eine Entsprechung, welche
aber hunderte Male massereicher ist. Hinter einigen von diesen könnten sich jene Teilchen
verbergen, welche wir als dunkle Materie … ähm, nicht beobachten.
Gibt es alternative Ansätze? Ja, durchaus – aber keines dieser Modelle findet breite
Akzeptanz in der Astrophysik. Als Beispiel sei hier MOND genannt – Modified Newtonian
Dynamics. Diese Theorie postuliert, auf großen Distanzen gelte nicht mehr 1/r² sondern nur
noch 1/r. Dies greift – wie ich schon eingangs sagte – in unsere Vorstellung der Naturgesetze
extrem ein, mehr noch, es kann z.B. die Beobachtungen des Bullet-Clusters nicht erklären. Wir stellen
einige Links zu anderen Modellen in unsere Beschreibung.
Wir hoffen, wir konnten euch – so unmöglich das auch ist – ein Bild von Dunkler vermitteln
und zeigen, warum Forscher an ihre Existenz glauben, obwohl sie bisher nicht nachgewiesen
werden konnte. Wenn euch unser Video gefallen hat, freuen wir uns über einen Daumen nach
oben und euer Abo! Wir sehen uns am 02. September wieder, wenn wir auch unsere Sommerpause beenden
und wieder jede Woche für euch da sein werden. Wir sagen wie immer danke fürs Zuschauen
und in diesem Sinne, 42!