Kolonie auf dem Mond - Fast Forward Science (2018)
Ok, das war etwas viel Pathos – aber im mal im Ernst – der erste Schritt Neill Armstrongs
auf dem Mond hat für kurze Zeit die ganze Menschheit geeint, hat sie den kalten Krieg
vergessen lassen.
Ist eine ganze lunare Kolonie eventuell das Projekt, welches wir gerade heute mehr denn
je brauchen?
Wir glauben, das Jahr 2018 verträgt ein bisschen Pathos und Wissenschaftsromantik.
Aber werden wir mal sachlich.
Wenn wir ein derartiges Konzept heute vorstellen, dann müssen wir prinzipiell zwei Fragen beantworten:
Warum wollen wir Menschen auf dem Mond ansiedeln – was bietet uns dieser leblose Stein, was
wir nicht auf der Erde haben.
Zweitens: wie lässt sich so eine Mondkolonie umsetzen, was sind die ersten Schritte – welche
Ziele kann man, beziehungsweise muss man ins Auge fassen.
Wir beantworten heute beide Fragen!
Ich bin Ronny.
Willkommen bei Raumzeit!
Warum kann der Mond lohnenswerter Ort für eine Kolonie sein?
Ich wette, viele von Euch hatten schon bei der Einleitung die Worte Helium 3 auf den
Lippen.
Die Kombination von Mondbasis und Helium 3 Abbau ist mittlerweile so vertraut, dass wir
uns oft gar keine Gedanken über anderweitige Möglichkeiten machen.
Also vorweg einige Worte zum besagte Helium 3.
Helium 3 ist ein Isotop von Helium 4; im Unterschied zu diesem besitzt es lediglich ein Neutron.
Auf der Erde kommt Helium 3 nur in Spuren vor – etwa 300 Helium 3 Atome auf 1 Million
Helium 4 Atome.
Da HE3 auf der Erde für medizinische Diagnostik und für Neutrinodetektoren genutzt wird,
kommt es zum recht exorbitanten Preis von mehr als 10 Millionen Euro pro Kilogramm – fast
30 mal teurer als Gold.
Helium 3 wäre auch ein extrem sinnvolles Material für Fusionsreaktoren.
Im Gegensatz zu den aktuell genutzten Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium produziert Helium 3-Fusion
eine hohe Energiemenge ohne dabei das umgebende Material radioaktiv zu machen.
Allerdings ist Helium3 Fusion aktuell technisch gar nicht vorstellbar – da die nötigen
Temperaturen ungleich höher liegen als bei Wasserstofffusion.
Wir erinnern uns: auch im Inneren eines Sterns beginnt HE Fusion erst, nahezu aller Wasserstoff
aufgebraucht ist und die Kerntemperatur die 15 Millionen Grad des Sonnenkerns weit übersteigt.
Auf dem Mond schätzt man die Vorkommen an HE3 ungleich höher ein als auf der Erde.
Ein Abbau jedoch erfordert die Verarbeitung von etwa 150 Millionen Tonnen Mondregolith
für eine einzige Tonne He3.
Und dessen irdischer Preis würde vermutlich rapide sinken, wenn es tonnenweise vom Mond
geliefert würde.
Hier verwenden wir mal ein kurzes Zitat aus dem Film Moon, den wir bereits an anderer
Stelle empfohlen haben.
Ein schönes visuelles Beispiel, welche Dimensionen solche Abbauunternehmungen annehmen müssten.
Was gibt es sonst noch in der Mondkruste zu holen?
Die obere Schicht besteht zu großen Teilen aus Silikaten; andere wichtige Elemente sind
Aluminium, Eisen, Magnesium und Titan.
Wir finden auch Gold und Platin.
Die Zusammensetzung ist unspektakulär und lässt Mondbergbau wenig profitabel erscheinen.
Alle diese Elemente gibt es auch auf der Erde – und der Abbau ist zuhause um Größenordnungen
leichter.
Sie werden natürlich eine gewichtige Rolle bei der Errichtung einer Mondkolonie selber
– und allen späteren Bautätigkeiten spielen.
Der Mond hat nicht viel zu bieten.
Aber vielleicht haben wir die falsche Frage gestellt.
Vielleicht müssen wir nach den Dingen fragen, die der Mond nicht hat.
Und da fallen sofort zwei Dinge auf: der Mond hat keine Atmosphäre und keine nennenswerte
Gravitation.
Und das sind tatsächlich die wertvollsten Ressourcen, die uns der Mond aktuell bietet.
Bei einer Gravitation die lediglich 16% der Erdgravitation entspricht und quasi ohne atmosphärischen
Luftwiderstand sind Raketenstarts ungleich einfacher und kostengünstiger als von der
Erdoberfläche.
Die Fluchtgeschwindigkeit von der Erdoberfläche ist etwa 11 km/s.
Auf dem Mond reduziert sich dieser Wert auf ca. 2,4 km/s.
Damit ist der Mond im Grunde eine Raumstation vor unserer Haustür – er könnte Basis
sein für alle größeren Unternehmungen im Sonnensystem, etwa den Bau von O'Neill-Zylindern
oder gar eines Dyson-schwarms.
Er wäre eine solide Ausgangsbasis für eine industrielle Verwertung des Asteroidengürtels
und natürlich für eine Besiedlung des roten Planeten oder der Venus.
Venus.
Wirklich.
Wir besiedeln den Mond also primär, um eine Ausgangsbasis für eine effizientere Erforschung
und Erschließung des Alls zu haben.
Besiedeln ist hier an sich auch das falsche Wort.
Anders als beim Mars ist ein Transfer von Mond zur Erde leicht zu bewältigen und der
von der Erde zum Mond in zumindest absehbarer Zukunft keine titanische Aufgabe mehr wenn
wir etwa an die aktuellen Fortschritte von etwa SpaceX denken.
Eine derartige permanente Präsenz auf dem Mond ist prinzipiell leichter zu bewältigen
als die Marskolonie, von der aktuell so viel zu hören ist.
Er liegt in der Nähe der Erde und auch die Kommunikation mit der Missionskontrolle ist
nahezu in Echtzeit möglich.
Die Aufgaben sind durchaus ähnlich: wir müssen zunächst Grundbedürfnisse versorgen.
Dazu gehören Wasser, Sauerstoff, Nahrung, Energie, geschützter Wohnraum und Baumaterial.
Wasser scheint in großer Menge insbesondere in den Kratern der Polregionen vorzukommen.
2010 vermeldete die indische Chandrayaan-1-Mission, dass sie insgesamt 40 permanent im Schatten
liegende Krater in der Nordpolregion entdeckt hatte, welche insgesamt mehr als 600 Millionen
Tonnen Wassereis enthalten könnten.
Damit wären sowohl Wasser als auch Sauerstoffversorgung sichergestellt.
Und Wasser ist der mit Abstand bedeutendste Rohstoff.
Wir benötigen es zum Trinken, für die Nahrungsproduktion und können daraus sogar Sauerstoff und Raketentreibstoff
erzeugen.
Die Polregion ist auch gut geeignet für die Energieversorgung.
Sie bietet Bereiche, welche zu über 80% der Zeit unter Sonneneinstrahlung stehen – anders
als etwa ein beliebiger Ort in den Maria, welcher 14 Tage Sonnenlicht hat, auf dem es
dann aber 14 Tage lang Nacht ist.
Das reicht natürlich noch nicht – hier müssen spannende und innovative Konzepte
her.
Etwa Sonnentürme, welche länger der Sonne ausgesetzt wären.
Mobile Sonnenfarmen (die Rotationsgeschwindigkeit des Mondes am Äquator entspricht der eines
zügigen Fußgängers) könnten mit dem Licht mitreisen und ihre Energie per Laser an die
Basis übertragen.
Am besten geeignet natürlich wäre Fusion – ein zuverlässiger Reaktor könnte eine
gewaltige Mondbasis auf lange Zeit hin mit Strom versorgen.
Habe ich Wasser, Strom und Sauerstoffversorgung sichergestellt, bleibt die Suche nach einem
Habitat und die Produktion von Nahrung.
Habitate können vermutlich am besten in natürlichen Lavaröhren angelegt werden.
Diese durch Vulkanaktivität entstandenen Röhren sind teils sehr weitläufig mit Durchmessern
von duzenden von Metern.
Sie bieten Schutz vor Meteroiden aber vor allem vor kosmischer Strahlung.
Sie erlauben potentiell auch ein gewisses Maß an Terraforming, wenn ich Höhlenabschnitte
versiegele und mit einer Atmosphäre sowie einem künstlichen Tageslichtzyklus versehe.
Baumaterial gewinnen wir schließlich aus dem Mondregolith, dem feinen sandartigen Material,
welches die Mondoberfläche bedeckt.
Aus ihm ließe sich ein Baumaterial entwickeln, welches Lunarcrete getauft wurde und welches
aktuell aktiv erforscht wird.
Die Komponenten von Lunarcrete sind normaler Regolith, dazu kalziumreicher und nachbehandelter
Regolith sowie Wasser.
Zur Massenproduktion wäre eine erhebliche Infrastruktur nötig – insbesondere da der
Guss von Ziegeln in einer Umgebung mit atmosphärischem Druck erfolgen muss.
Im Vakuum der Mondoberfläche würde Wasser sonst schlicht sublimieren.
Nahrung auf pflanzlicher Basis wird zunächst in hydroponischen Anlagen angebaut.
Hier wachsen Pflanzen nicht in Erde, sondern in Wasserbädern in alternativen Umgebungen
(z.B.
Steinwolle) und werden mit flüssigem Dünger versorgt.
Die Beleuchtung erfolgt per LED bzw. durch Spiegel, welche Sonnenlicht in die Anlagen
reflektieren.
Wie also läuft eine Besiedlung des Mondes ab?
Zunächst würde man in unbemannten Missionen einen geeigneten Bauplatz suchen.
Polnähe, gesicherte Eisvorkommen sowie funktionale Lavaröhren sind notwendige Voraussetzungen.
Ist ein Landeplatz gefunden, würde man über einige Jahre Vorräte und Ausrüstung in die
Region transportieren.
Menschen würden erst danach folgen.
Die ersten Gruppen wären essentiell noch Astronauten.
Physisch in Topform, geschult in einer breiten Palette von Fertigkeiten.
Sie wären es, die eine erste Station errichten würden – mit aufblasbaren Habitaten, geschützt
in einer Lavaröhre.
Aufgabe dieser Astronauten wäre dann Erkundung der Umgebung, Sicherstellen der Stromversorgung,
präzise Verortung von Rohstoffen und der langsame Ausbau der Infrastruktur, insbesondere
die Vorbereitung der Landung weiterer Kolonisten.
Erst die nächsten Menschen – teils bereits Spezialisten in bestimmten Aufgabenbereichen
und auch schon in größeren Zahlen von 100-200 Personen, würden sich größeren Projekten
zuwenden.
Primäre Aufgabe bleibt das Sichern des Überlebens – die Versorgung mit Nahrung, Energie, Wasser
und Sauerstoff.
Jetzt allerdings werden Bauvorhaben größer – potentiell beginnt die Errichtung von
Fertigungsanlagen für Lunarcrete und Planungen einer ausgeweiteten Siedlung an der Oberfläche.
Die Probleme eines solchen Unterfangens liegen auf der Hand: die Energieversorgung muss stabil
sein.
Die Umgebung ist per se lebensfeindlich.
Was wir hier nie hinterfragen: Wasser, Sauerstoff, atmosphärischer Druck – das ist auf dem
Mond kostbar und aufwändig zu erzeugen.
Es bleibt das Problem mit der Gravitation.
0,16 G führen langfristig auch bei harter körperlicher Arbeit und regelmäßiger sportlicher
Aktivität zu Muskelatrophie und Knochenaufweichung.
Lösungsansätze verlangen nach rotierenden Wohnelementen – die natürlich selbst bereits
höchste Anforderungen an die Produktionskapazität einer jungen Mondkolonie stellen.
Mit anderen Worten – eine Mondbasis ist eine gewaltige Aufgabe, die technologisch
zumindest umsetzbar ist, aber eben auch gewaltigen Einsatz verlangt.
Finanziell und auch auf menschlicher Seite.
Was wir aber gewinnen können, ist ein Tor zum Weltall – eine Basis für die Produktion
von Treibstoff, für die Vorbereitung interplanetarer Missionen und mit einem Massetreiber die Möglichkeit
für nahezu kostenfreie Raketenstarts von der Mondoberfläche.
Bereits heute nehmen wir eine Fülle an internationalen Aktivitäten rund um den Mond wahr.
Während der von Google ausgelobte Lunar X Prize in diesem Jahr ohne Gewinner zurückgezogen
wurde, sind viele staatliche und private Missionen in Ausführung oder Planung.
Die NASA wird 2019 mit den Lunar Flashlight und Lunar Icecube die Suche nach Wassereis
fortsetzen, die russische Raumfahrtorganisation Roskosmos plant Luna-Glob – 4 Missionen
im nächsten Jahrzehnt, die vor allem Technologien für eine zukünftige Mondbasis entwickeln
sollen.
Zusammen mit China, Indien, Japan und anderen läuten diese Missionen ein neues Space Race
ein – ein Rennen auf die erste Mondbasis.
Wenn ihr solche Themen ähnlich spannend findet wie wir, dann gebt uns einen Daumen nach oben
– wir machen mit diesem Beitrag übrigens auch bei fast-forward-science mit!
An dieser Stelle Grüße an alle die, die uns eventuell von dort aus erreicht haben!
Wir sagen wie immer Danke fürs Zuschauen und – in diesem Sinne – 42.