Wird Venus die Erde 2.0? Terraforming total! (2018)
Venus, eine zweite Erde, ein tropischer Garten mit Ozeanen und dichten Wäldern.
Haben wir in der ersten Folge zum Terraforming der Venus noch fliegende Plattformen in den
Wolken des Planeten geplant, geht es heute um das echte Terraforming.
Wir machen den Planeten selbst bewohnbar.
Das Projekt hat titanische Ausmaße sowohl was die Finanzierung als auch die Zeiträume
angeht, aber es ist wissenschaftlich möglich.
Machen wir‘s doch einfach.
Ich bin Ronny, willkommen bei Raumzeit!
Die Venus, das hatten wir in der letzten Episode schon betont, ist äußerst lebensfeindlich.
Wollen wir jemals einen Fuß auf diesen Planeten setzen, geschweige denn dort wohnen, dann
haben wir eine Reihe immenser Aufgaben vor uns.
Die Durchschnittstemperatur muss von jenseits 450 Grad Celsius auf etwa 15-20 Grad Celsius
gesenkt werden.
Das Kohlendioxid, welches momentan 97% der Atmosphäre der Venus ausmacht, muss verschwinden
– und mit ihm ein erheblicher Teil des Stickstoffs, der die restlichen 3% darstellt.
Wir benötigen Sauerstoff, müssen Schwefelsäurewolken verschwinden lassen, eine gewaltige Menge
an Wasser erzeugen und dann ist da noch die Sache mit der Rotation des Planeten – die
müssen wir nämlich entweder erheblich beschleunigen oder aber eine alternative Lösung finden,
um die Tage auf der Venus von über 100 Tagen auf 24 Stunden schrumpfen zu lassen.
Wir werden in unserem Video versuchen, die nötigen Zeiträume einigermaßen genau auf
Basis aktuell verfügbarer Daten zu berechnen – eine genaue Zahl, auch was die Finanzierung
angeht, lässt sich aber nicht liefern.
Terraforming ist allerdings teuer – und es dauert sehr lang.
Es ist genaugenommen so teuer und so langwierig, dass es schwierig werden wird, eine ökonomische
Rechtfertigung dafür zu finden.
Rentiert sich nämlich eine Investition nicht nach spätestens 30 Jahren, so gilt sie aktuell
betriebswirtschaftlich als … unwirtschaftlich.
Das hält uns allerdings nicht davon ab, nach der Umsetzbarkeit zu fragen – starten wir
also unser Gedankenexperiment.
Beginnen wir mit Schritt 1.
Um die Temperaturen auf der Venus zu senken, ist es nötig, die Energiezufuhr von der Sonne
zu eliminieren.
Da wir dafür keinen Schalter haben, bietet es sich an, einen Schirm aus hochreflektivem
Material zwischen Venus und Sonne zu positionieren.
Es ist nicht notwendig, dass der Schirm eine optisch flache Oberfläche besitzt – es
geht lediglich darum, dass das komplette Spektrum elektromagnetischer Strahlung seitens der
Sonne von der Venus wegreflektiert wird.
Für die Positionierung dieses Schirms bietet sich der L1 LaGrange Punkt an.
LaGrange Punkte – von denen gibt es insgesamt 5 – sind gravitativ stabile Punkte zwischen
zwei Massen.
Praktischerweise befindet sich L1 direkt zwischen Sonne und Venus.
Der Schirm müsste eine Fläche von etwa 2,5 mal 10 hoch 14 Quadratmeter abdecken und hätte
ein mit aktuell verfügbaren Materialien ein Gesamtgewicht von circa 7,6 mal 10 hoch 10
kg.
Die Kosten für einen solchen Schirm belaufen sich auf eine Zahl jenseits der 100 Milliarden
Euro, was mehr als den gesamten inflationsbereinigten Kosten des Apolloprogramms entspricht.
Ist die Energiezufuhr der Sonne gestoppt, beginnt Venus, abzukühlen.
Dies ist ein eher langsamer Prozess, da die zwei effektiven Möglichkeiten des Wärmetransports,
nämlich Konvektion und Konduktion im Vakuum des Weltraums nicht möglich sind.
Venus verliert all ihre Hitze durch thermische Strahlung.
Und diese schafft anfangs nur etwa 160 Watt pro Quadratmeter.
Es wird also geraume Zeit dauern, bis eine Temperatur von 304 Kelvin erreicht wird.
Ab dieser Temperatur beginnt das CO2, als Regen auszufallen.
Es sammelt sich in den Niederungen und bildet Meere.
Neben der Temperatur sinkt nun auch der Druck.
Bei 217 Kelvin schließlich beginnen die Kohlendioxidmeere zu gefrieren, der Rest des atmosphärischen
CO2s fällt nun als Schnee herab.
Insgesamt müssen wir mit einem Zeitraum von ungefähr 200 Jahren rechnen, bevor wir unsere
Zieltemperatur von 192 Kelvin, also minus 81 Grad Celsius erreichen.
Zu diesem Zeitpunkt sind nur noch etwa 0,8 Bar CO2 und weitere 2 Bar Stickstoff in der
Atmosphäre übrig.
Die Ozeane können nun abgedeckt werden und die Temperatur anschließend wieder auf etwa
290 Kelvin – 17 Grad Celsius erhöht werden.
Wir benötigen außerdem Wasser – bisher gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass wir
auf der Venus nennenswerte Reserven wie etwa auf dem Mars finden könnten.
Während wir zwar schon über gigantische Mengen an Sauerstoff verfügen, ist ausgerechnet
das häufigste Element im Kosmos – Wasserstoff – Mangelware auf der Venus.
Reichlich hingegen kommt es auf den Gasriesen vor.
Eine denkbare Variante wäre es daher, auf dem Jupiter in großem Stil Wasserstoff abzubauen
und diesen in Transportkapseln zur Venus zu schicken.
Hier wird wieder schnell klar, dass eine derartige Operation auf dem Jupiter in sich ein eigenes
logistisches Abenteuer darstellt – wir benötigen zum Beispiel einen Orbitalring, über den
wir in einer anderen Folge noch berichten werden.
Alternativ besteht die Möglichkeit, einen kleineren Eismond, zum Beispiel den Saturnmond
Hyperion, zur Venus zu bringen und vor Ort das Wassereis abzubauen.
Interessant ist übrigens, dass die kinetische Energie der Kapseln, die aus Richtung Jupiter
kommen, genutzt werden kann, die Rotation der Venus zu beschleunigen.
Natürlich, wir müssen eine unbeschreibliche Energiemenge aufwenden, um der Venus ausreichend
Drehimpuls zu verleihen – genaugenommen um die 10 hoch 29 Joule.
Das ist extrem – eine Atombombe mit einer Megatonne Sprengkraft bringt es auf im Vergleich
lächerliche 4 mal 10 hoch 15 Joule.
Wir benötigen aber auch um die 50 Milliarden Megatonnen Wasserstoff – und die Energiemenge,
die für deren Transport von Jupiter oder Saturn benötigt wird, spielt in einer durchaus
ähnlichen Liga.
Gelingt es also, die Transportkapseln mit der richtigen Geschwindigkeit und dem richtigen
Winkel nahe dem Äquator einschlagen zu lassen, dann wird Schritt für Schritt die Rotationsgeschwindigkeit
der Venus erhöht und führt möglichweise ganz nebenbei zu einem robusten Magnetfeld,
welches notwendig wird, um die Atmosphäre, die wir erschaffen, auch behalten zu können.
Eine Alternative für die Erzeugung eines Magnetfelds stellt übrigens ein Magnetfeldgeneratoren
am L1-LaGrange-Punkt dar.
Schon wieder keine Science-Fiction, erst 2017 hat das NASA Goddard Space Flight Center in
Zusammenarbeit mit der University of Colorado und der Princeton University ein derartiges
Konzept für den Mars vorgestellt und rechnet gerade an einer Kostenaufstellung.
Der Generator müsste ein Magnetfeld mit einer Stärke von 1-2 Tesla erzeugen (ein MRT-Gerät
im Krankenhaus kommt auf bis zu drei Tesla).
Dieses wiederum müsste groß genug sein, um der Venus ausreichend Schutz vor dem Sonnenwind
zu bieten.
Was für uns wie selbstverständlich nach Science-Fiction klingt, ist aktuell Gegenstand
realer Planungen … Was bleibt?
Wir finden nun einen Planeten vor, auf dem mittels der Sabatier-Reaktion aus dem übrigen
Kohlendioxid und Wasserstoff Ozeane erzeugen.
Die atmosphärische Schwefelsäure können wir recht simpel mit Hilfe von Eisenstaub
zu Eisen(II)Sulfat und Wasserstoff reagieren lassen.
Der überschüssige Stickstoff muss gebunden oder vom Planeten gebracht werden.
Bereits in dieser Phase können Habitate – noch unter schützenden Plastikkuppeln – errichtet
werden.
Auch die schwebenden Plattformen, von denen wir in der letzten Folge sprachen, sind mittlerweile
auf den CO2 Ozeanen gelandet und können bewohnt bleiben.
Und schon knapp 500 Jahre später und nach dem Einsatz unfassbarer Geldmengen, die sich
einer schier unglaublichen Trillion Euro annähern haben wir eine zweite Erde: die neue Venus
hat einen 24h Tag, eine Atmosphäre wie die unsere, ein Magnetfeld und ist zu über 80%
mit flachen Ozeanen bedeckt.
Es ist angenehm warm und die Pflanzen können den Planeten erobern.
Für uns ist es eine großartige Vorstellung, dass all diese Methoden bereits jetzt sinnvoll
gedacht werden können.
Natürlich ist uns absolut klar, dass so ein Projekt vielleicht nicht umgesetzt werden
kann.
Haben wir aber eine voll ausgebaute Infrastruktur im Sonnensystem und – ebenso wichtig – haben
wir KIs, welche nahezu alle der Aufgaben automatisiert übernehmen können, dann ist die Venus für
uns ein lohnendes Ziel.
Wir hoffen es hat euch gefallen.
Wir sind unsicher, ob ein deutsches Publikum an derartigen Entwürfen interessiert ist
– wir sehen in sehr vielen Kommentaren den mahnenden Zeigefinger des Gegenwartsrealismus.
Schreibt uns daher bitte, ob ihr weitere Videos zu diesen Themen sehen wollt, zur Kolonisation
des Jupiters, des Kuipergürtels, zu interstellarer Raumfahrt.
Und natürlich freuen wir uns über euer Abo und ganz besonders über eure Unterstützung
auf Patreon, welche uns hoffentlich bald mehr Freiraum für noch bessere Videos geben wird.
Wir sagen wie immer danke fürs Zuschauen und – in diesem Sinne – 42!