nachtmagazin 27.04.2021, 00:44 Uhr - Impfpriorisierung soll im Juni wegfallen, Eckernförde erprobt Urlaub in Zeiten von
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit dem nachtmagazin.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (27.04.2021)
Heute im Studio: Andre Schünke
Willkommen zum nachtmagazin.
Schön, dass Sie noch dabei sind.
Am Ende eines langen Tages,
an dem es mal wieder "gegipfelt" hat per Videoschalte.
Vom "großen Impfgipfel" war Rede -
vor den Beratungen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten.
Hoch waren die Erwartungen, es gab aber nur wenige Ergebnisse.
Die lassen zumindest optimistischer in die Zukunft schauen.
Im Juni soll die Impfreihenfolge aufgehoben werden, so die Kanzlerin.
Alle, die geimpft werden wollen,
dürfen sich dann um einen Termin bemühen.
Was Rechte für Geimpfte angeht, blieb es bei der Diskussion.
Bevor wir gleich darüber sprechen,
fasst Moritz Rödle die Ergebnisse zusammen.
Es kann so schnell gehen.
Das haben viele Hildesheimer am Wochenende gemerkt:
Nicht mal das Auto muss man verlassen.
Wie das Impfen beschleunigt werden könnte:
Auch darüber haben Bund und Länder beraten.
Ein Zwischenergebnis:
Ab Juni könnte die Impfreihenfolge aufgehoben werden.
Das heißt nicht, dass dann jeder sofort geimpft werden kann.
Aber dann kann sich jeder um einen Termin bemühen.
Bayerns Ministerpräsident Söder hatte vorher klar gemacht,
was er erwartet: mehr Freiheiten für Geimpfte.
Dazu noch kein endgültiger Beschluss, die Richtung scheint aber klar.
Zweifach Geimpfte sollen so schnell wie möglich
ihre Grundrechte zurückbekommen.
Daraus leiten sich keine Anspruchsrechte
auf die Öffnung von Institutionen ab.
Wenn jemand Geimpftes möchte,
dass das Schwimmbad für ihn geöffnet wird.
Aber wo es geht, sollte man Erleichterungen machen.
Bundestag und Bundesregierung sollen nun das weitere Vorgehen beraten.
Der Grund, die Rechte von Geimpften einzuschränken,
ist schon jetzt weggefallen.
Wenn die Politik die Klärung dieser Fragen noch aufschiebt,
werden die Gerichte das klären.
Voraussetzung für all das: schneller impfen.
Auch Betriebsärzte könnten bald einbezogen werden.
Impfzentren will der Bürgermeister von Berlin trotzdem weiter nutzen.
Wir werden noch große Bevölkerungsgruppen haben,
die wir dann schnell impfen wollen.
Wenn man an Studierende oder Auszubildende denkt,
wo man über die Impfzentren viele ansprechen kann.
Kritik am Gipfelergebnis kommt von der FDP.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion
hätte sich klare Entscheidungen ab sofort gewünscht.
Indem wir den Impfprozess schneller entbürokratisieren.
Den Ärzten erlauben,
von der Impf-Priorisierung abzuweichen.
Und ich hätte mir ein klares Signal gewünscht:
Dass man Grundrechtseinschränkungen für geimpfte Personen
stärker zurücknimmt.
All das wird wohl kommen, aber eben nicht sofort.
Zu Kerstin Palzer in unserem Hauptstadtstudio.
Die wichtigste Botschaft des Tages lautet:
Ende der festgelegten Impfreihenfolge im Juni.
Haben dann alle freie Auswahl beim Impfen?
Grundsätzlich ja.
Die Bundesregierung hofft darauf, dass dann zwei Millionen Impfdosen
insbesondere an die Hausarztpraxen gehen werden.
Dann könnten wir entscheiden, was wir geimpft haben wollen.
Aber nur mit der Voraussetzung,
dass der Hausarzt den Impfstoff vorrätig hat.
Dafür gibt es noch keine Garantie.
Bisher fällt die Entscheidung
zwischen Biontech, AstraZeneca und Moderna.
Gibt es demnächst noch mehr Impfstoffe?
Die Kanzlerin hat erzählt, dass sie sich eingeschaltet hat,
dass Sputnik V nach Deutschland kommt.
Das befürworte sie aber nur, wenn dieser Impfstoff
von der Europäischen Arzneimittelbehörde genehmigt wird.
Da liegen wohl noch nicht alle Unterlagen vor.
Es könnte sein, dass dann alles so spät kommt,
dass wir Sputnik V dann nicht mehr brauchen.
Viele hofften, dass heute
über Rechte für Geimpfte und Genesene entschieden wird.
Warum ist die Antwort darauf nicht so einfach?
Es ist eine schwierige ethische Frage.
Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates sagte:
"Es ist die kniffligste Frage überhaupt."
Es geht darum, ob Geimpfte einen doppelten Vorteil haben,
weil sie die Impfung haben und früher ihre Freiheitsrechte wieder bekommen.
Die anderen wären doppelt gekniffen.
Sie haben nicht die Impfung und können bestimmte Dinge nicht machen.
Heute gab es keinen Beschluss dazu.
Es wurde heftig diskutiert, sagte Söder.
Alina Buyx vom Ethikrat sagte,
diese Frage habe das Potenzial, unsere Gesellschaft zu spalten.
Markus Söder sprach von
"einer Ministerpräsidentenkonferenz der Hoffnung."
Wir seien auf einem richtig guten Weg.
Was macht ihn so optimistisch?
Er sagte, es ging das erste Mal wieder um Freiheit.
Eine Art Quantensprung.
Und er hofft darauf,
dass durch mehr Impfstoffe es endlich bergauf geht.
Aber Söder will sich damit auch ins Spiel bringen.
Er schafft ein Narrativ der Hoffnung.
Das hat die Kanzlerin gleich übernommen.
Da bringt er sich ins politische Spiel.
Danke für diese Informationen.
Stichwort Hoffnung: irgendwie zurück zur Normalität.
Darauf hoffen wir alle momentan.
Auch wenn wir das Virus trotz Impfungen und Schnelltests
noch lange nicht los sind.
Wie trotzdem etwas Normalität wieder möglich ist,
wird in Eckernförde in Schleswig-Holstein erprobt.
Dort wird getestet,
wie Urlaub an der Ostsee in Zeiten von Corona ablaufen kann.
Urlaub machen in Corona-Zeiten.
In Eckernförde geht das seit einer Woche.
Hotels und Gastronomie sind offen.
Ich checke ein bei Hotelbesitzer Oliver Träger.
Ich freue mich, bin aber auch nervös.
Meine Eintrittskarte ist ein negativer Corona-Test.
Der ist von heute, Sie haben die erste Hürde geschafft.
Das Bedürfnis nach Erholung ist groß.
Wir sind das "gallische Dorf" in Deutschland.
Die ganze Republik möchte hier Urlaub machen.
Das bedeutet auch: viele Formulare und Vorgaben.
Abendessen darf im Innenraum,
Frühstück aber nur draußen serviert werden.
Das sagt das Gesundheitsamt.
Dann darf ich einchecken.
Lange Tage, Extraauflagen - ist es das wert?
Ja, auf jeden Fall.
Das ist die Chance, auf die wir seit fünf Monaten warten.
Dass wir beweisen können,
dass Gastronomie und Hotellerie sicher ist.
Dass wir einen Lichtblick haben zur Sommersaison.
Am Ende wird wissenschaftlich ausgewertet,
ob das Konzept aufgegangen ist.
Am Wochenende kommen Tagestouristen zu den Urlaubern dazu.
Abstand halten ist in der Innenstadt schwierig.
Und manche vergessen die Abstandsregeln komplett.
Ich muss immer wieder darauf aufmerksam machen,
dass ich nur eine bestimmte Zahl an Personen im Laden haben darf.
Mein Geschäft ist recht klein.
Wie kommt es hier an,
dass man Testgebiet für ganz Deutschland ist?
Das ist ganz gemischt.
Auf der einen Seite sind wir froh über die Ausnahmesituation.
Weil wir davon auch wirtschaftlich profitieren.
Auf der anderen Seite geht man selber nicht mehr an den Strand.
Das merke ich an meinem Verhalten.
Endlich wieder in ein Restaurant gehen -
aber ich bin nicht die einzige Urlauberin.
Frühestens um 21 Uhr, aber bis dahin bin ich verhungert.
Bekomme ich einen Tisch bei Ihnen? Leider nein.
Alles ausgebucht.
In meinem Hotel habe ich Glück.
Jeder Gast muss per App am Tisch einchecken -
auch ich als registrierter Hotelgast.
Damit nachverfolgt werden kann, wer mit wem Kontakt hatte.
So wie ich mit meinen Tischnachbarn aus Wiesbaden.
Was nehmen Sie mit aus der Woche hier?
Hoffnung, dass es mal wieder normal wird.
Dass man zu einem geregelten Leben übergehen kann.
Gut, dass dieses Projekt versucht wird.
Mit anderen Gästen in einem Raum:
Ein Gefühl wie aus einer anderen Zeit.
Nach zwei Tagen ist mir klar,
wie viel Hoffnung in diesem Projekt steckt.
Für die Einheimischen, die vom Tourismus leben.
Und für die Urlauber, die Normalität wollen.
Auch wenn Urlaub machen sich im Moment nicht normal anfühlt.
Während wir in Deutschland uns nach Normalität sehnen,
steckt Indien akut mitten im Corona-Chaos.
Seit Tagen gibt es Höchstwerte bei den Neuinfektionen.
Zuletzt dreimal in Folge 300.000!
Auf überfüllten Intensivstationen ist der Sauerstoff knapp.
Mancher Corona-Patient stirbt auf der Straße vor dem Krankenhaus.
Auch in Indien hat das Virus eine Mutation gebildet.
Deutschland schränkte den Reiseverkehr mit Indien ein.
Die indische Corona-Variante
schaffte es trotzdem schon nach Deutschland.
Im virologischen Labor in München
entdeckte das Team von Prof. Keppler die Mutante B.1.617 bereits.
Sie breitet sich in Indien rasant aus.
Wir konnten die indische Variante
am LMU-Klinikum bei zwei Patienten nachweisen.
Wir können aber von einer Dunkelziffer ausgehen.
Hunderte dieser Variante dürften in Deutschland schon vorkommen.
Da die Corona-Regeln oft vernachlässigt werden,
läuft die Pandemie in Indien aus dem Ruder:
Über 300.000 Neuinfektionen pro Tag.
Viele Kliniken sind überlastet, es mangelt an Sauerstoff.
Die Krematorien kommen kaum hinterher.
Die neue Variante scheint einen Anteil an der Lage zu haben.
Bei dieser weist das Spike-Protein des Virus,
wie bei der brasilianischen Variante, eine Mutation an Position E484 auf.
Zusätzlich hat sie die Mutation L452R,
die bisher vor allem in Kalifornien beobachtet wurde.
Unklar ist, ob die Mutante zu einem Immunescape führt:
Also Geimpfte und Genesene erneut infizieren könnte.
Auf der Infektionsstation des Münchener Uni-Klinikums
gab es bereits Patienten mit seltenen Varianten.
Die Sorge ist groß,
dass die Impfstoffe an Wirkung verlieren.
Wenn sich das Spike-Protein so stark verändert,
dass mein Impfantikörper es nicht mehr erkennt:
Dann habe ich ein neues Virus, gegen das die Impfung nicht wirkt.
Dann müssen wir zusätzliche Impfstoffe entwickeln.
Und eine weitere Impfung machen gegen die neuen Varianten.
Hoffnung machen die mRNA-Impfstoffe, wie Biontech und Moderna.
Sie liefern dem Körper den Bauplan des Spike-Proteins
in Form von messengerRNA.
Wenn sich das Virus verändert,
lässt sich dieser Bauplan in kurzer Zeit anpassen.
Und es sind wohl mehr Auffrischungen als bei anderen Vakzinen möglich.
Ob die indische Variante das Immunsystem so austricksen kann,
dass ein neuer Impfstoff nötig wird, muss sich noch zeigen.
Das Rennen indische Variante gegen die britische Variante:
Ob es in einer Bevölkerung wie unserer einen Vorteil hat,
sich auszubreiten, wird man sehen.
Das Einreisebeschränkungen für Indien dürften zu spät kommen,
um die Entwicklung zu stoppen.
Genau 35 Jahre ist es her,
dass in Prypjat das Leben regelrecht stehenblieb.
Binnen Stunden mussten Zehntausende ihr Zuhause verlassen.
Nebenan im Atomkraftwerk Tschernobyl war es zum Super-GAU gekommen.
Ein Reaktor war explodiert.
Prypjat wurde von der sowjetischen Vorzeigesiedlung
zur Geisterstadt.
Die gesamte Region ist nach wie vor radioaktiv verseucht.
Heute wurde in der Ukraine an den Super-GAU von Tschernobyl erinnert.
Gedenken an die Opfer der Katastrophe:
Die Helfer und Feuerwehrleute,
die vor 35 Jahren den Brand im Reaktorblock bekämpften.
Tausende starben als Folge der hohen Strahlendosis,
der sie ausgesetzt waren.
Für uns alle ist Tschernobyl eine gemeinsame Herausforderung.
Und eine gemeinsame Aktion
für die Zukunft und Sicherheit unseres Planeten.
Im Reaktorkern kam es im April 1986 zu einer Explosion, zur Kernschmelze.
Eine Wolke mit radioaktiven Partikeln trieb über Europa.
Um die Atomruine hat man eine Schutzhülle gebaut:
Den "Sarkophag".
Erste Aufräumarbeiten im Inneren sollen bald beginnen.
Doch es wird Jahrzehnte dauern,
bis alle strahlenden Überreste beseitigt sind.
Und so lange wird die Stadt Prypjat eine Geisterstadt bleiben.
Ivan Marchenko lebt in einem Dorf am Rande der Sperrzone.
Mit Sorge sieht er den Aufräumarbeiten entgegen.
Die EU ist nicht allzu weit.
Sollte etwas passieren,
wird nach zwei, drei Tagen alles in Deutschland sein.
Überall, wohin der Wind weht.
Es ist schrecklich.
Das Reaktorunglück von Tschernobyl:
Auch 35 Jahre danach hat für die Menschen hier
nichts von seinem Schrecken verloren.
"Die Oscars sind zu alt, zu männlich und zu weiß" -
diesen Vorwurf wollte die Academy nicht auf sich sitzen lassen.
Hier sehen wir das lebende Beispiel dafür:
Chloe Zhao ist die erste nicht-weiße Frau,
die einen Oscar für "Beste Regie" bekommen hat.
In den 23 Kategorien waren diesmal 70 Frauen nominiert -
ungewöhnlich für die Oscars.
Aber wegen Corona war alles ungewöhnlich
bei der Filmpreis-Verleihung.
Aber das heißt nicht, dass es schlechter war.
Die Oscars in Zeiten der Pandemie:
Diesmal wurden sie im Bahnhof von Los Angeles vergeben.
Hollywood auch mit politischen Botschaften,
etwa zum Fall des ermordeten George Floyd:
Wenn das anders ausgegangen wäre, hätte ich meine hohen Absätze
gegen Stiefel zum Demonstrieren eingetauscht.
Immer wieder applaudierten die 170 geladenen Gäste für ...
"Nomadland".
Bester Film, beste Regie, beste Hauptdarstellerin:
"Nomadland" räumte in drei der wichtigsten Kategorien ab.
Das Sozialdrama thematisiert Arbeitsnomaden in den USA.
Frances McDormand spielt neben echten Wanderarbeitern.
Als zweite Frau in der Geschichte der Oscars
bekommt Chloe Zhao den Preis für die beste Regie.
Danke an all die Menschen, die wir unterwegs getroffen haben.
Dass ihr uns die Kraft der Hoffnung gelehrt habt -
und wahre Herzlichkeit.
Ältester Preisträger aller Zeiten:
Anthony Hopkins (83) als bester männlicher Hauptdarsteller
für seine Rolle als Demenzkranker in "The Father".
Wo ist das Bild? Welches Bild? Hier passieren komische Dinge.
Nach der Kritik, fast nur Weiße zu berücksichtigen,
waren die Preisträger vielfältig.
Beste Nebendarsteller:
Der Brite Daniel Kaluuya in "Judas and the Black Messiah"
und die Koreanerin Yuh Jung Youn für "Minari".
Nach Corona hofft die Branche,
zum alten Glanz zurückkehren zu können.
Apropos Glanz:
Die Sonne glänzt morgen wieder in weiten Teilen Deutschlands.
Auch wenn's kühl bleibt, haben wir das Motto für Sie.
Und unsere Wetteraussichten:
In der Nacht vielerorts klar,
vom Westen und Nordwesten ziehen Wolken zur Mitte.
Morgen am Tag vielerorts Sonne, meist nur lockere Wolkenfelder.
Wolkiger sieht es an den Alpen aus.
Dort können sich einzelne Schauer bilden.
Das war das nachtmagazin.
Schön, dass Sie so lang drangeblieben sind.
Es geht weiter mit dem Tatort "Was wir erben".
Wer noch länger wach ist,
bekommt die nächste tagesschau gegen 2.30 Uhr.
Wir sehen uns morgen bei tagesschau24.
Ihnen eine angenehme Nacht.
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