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Deutschlandfunk - Interview, "Der DFB hat Özil zum Sündenbock gemacht"

"Der DFB hat Özil zum Sündenbock gemacht"

Jörg Münchenberg: Monatelang hatte er geschwiegen, obwohl der öffentliche Druck riesig war. Doch Fußball-Nationalspieler Mesut Özil wollte nicht Stellung beziehen zu seinem umstrittenen Foto zusammen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan kurz vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland. Dieses Foto hatte ja auch eine heftige Debatte über die Integration hierzulande ausgelöst.

Gestern nun hat sich Özil doch geäußert. Er stehe dazu, hat er gesagt, allein schon aus Respekt vor dem höchsten Amt des Landes seiner Familie. Und dann hat er auch gleich mit dem DFB abgerechnet, der ihn zum Sündenbock gemacht habe.

Vor gut einer Stunde habe ich dazu mit dem Grünen-Politiker Cem Özdemir gesprochen und ihn zunächst nach seiner Einschätzung über die Özil-Stellungnahme gefragt.

Cem Özdemir: Für mich war das Foto falsch und es ist nach wie vor falsch, und die Erklärung überzeugt mich nicht. Er spricht von Respekt. Aber was ist mit dem Respekt vor denen, die Opfer von Erdogans Unterdrückungspolitik sind? Was ist mit Ihren Berufskollegen, den Journalisten, die einfach nur ihren Job gemacht haben? Was ist mit Oppositionellen? Respekt ist ein großes Wort, aber das zeigt man normalerweise Leuten, die Respekt verdienen, und das sind keine autoritären Herrscher.

Das gilt allerdings, wenn ich das noch hinzufügen darf, natürlich dann nicht nur für Mesut Özil oder Gündogan; das gilt natürlich dann auch für Ex-Spieler wie Lothar Matthäus, die sich mit dem autoritären Herrscher Wladimir Putin ablichten lassen. Und das gilt vor allem für den DFB und noch mehr für die FIFA, die mit solchen autoritären Herrschern gemeinsame Geschäfte macht – denken Sie an die WM in Russland und denken Sie an die nächste WM in Katar.

"Prominenz nicht nutzen, um Wahlkampf für autoritäre Herrscher zu machen"

Münchenberg: Herr Özdemir, das ist ja genau der Punkt. Özil sagt, da wird letztlich mit zweierlei Maß gemessen. Bei Matthäus regt sich keiner auf, bei ihm aber schon.

Özdemir: Da hat er recht! Da hat er absolut recht. Deshalb geht es auch nicht darum, dass Özil türkischer Herkunft ist, sondern es geht darum, dass er Nationalspieler ist oder Nationalspieler war, nachdem er jetzt sich zurückgezogen hat, und damit auch ein Vorbild für viele Jugendliche, natürlich insbesondere auch Jugendliche deutsch-türkischer Herkunft. Aber es geht erst mal darum, dass ich mir wünsche, dass alle, die Vorbild sind in der Nationalmannschaft, auch damit deutlich machen, dass sie ihre Prominenz nicht nutzen, um Wahlkampf zu machen für autoritäre Herrscher, die Andersdenkende einsperren lassen. Das gilt für jeden Nationalspieler, egal welcher Herkunft, und das gilt auch für jeden autoritären Herrscher, nicht nur für Erdogan.

Münchenberg: Aber Özil hat ja in seinem Statement gestern auch betont, er sei kein Politiker. Hat er da nicht aus seiner Sicht recht, auch wenn ihm manche dann vielleicht Naivität unterstellen?

Özdemir: Da macht er es sich meines Erachtens ein bisschen zu einfach. Aber er hat mit einem anderen Punkt recht – und das ist, glaube ich, das eigentlich Fatale -, nämlich dem Satz, den er in seinem dritten Statement gesagt hat: "Wenn Du Erfolg hast, bist Du Deutscher, und wenn Du verlierst, dann bist Du Migrant." Da spricht er sicherlich sehr vielen Menschen mit Migrationshintergrund, übrigens nicht nur türkischer Herkunft aus dem Herzen. Und wenn das sich nicht als richtig erweisen soll, dann darf es jetzt auch in der DFB-Spitze kein einfaches "weiter so" geben. Denn die DFB-Spitze hat von Anfang an geirrlichtert in dieser Affäre, oder eigentlich muss man ja sagen, in diesem Skandal.

Münchenberg: Darauf kommen wir gleich zu sprechen. Ich würde ganz gerne noch mal bei Özil bleiben. In der deutschen Debatte, muss man sagen, ist ja eigentlich gleich grundsätzlich die Integration der Kinder von Migranten angezweifelt worden. Will man da nicht einfach auch ein Stück weit wahrhaben oder nicht wahrhaben, dass Özil auch Türke ist und nicht nur Deutscher?

Özdemir: Dagegen spricht ja nichts. Es geht ja nicht darum, dass man sich assimiliert, sondern es geht darum, dass man sich integriert. Das heißt, dass man die Sprache halbwegs beherrscht. Das gilt ja auch für mich als Schwaben, dass ich in der Lage bin, mit Ihnen halbwegs Hochdeutsch zu reden. Es geht darum, dass man sich in die Gesellschaft einbringt, dass man sich an unsere großartige Verfassung hält. Das muss man machen. Ob Sie eine weitere Muttersprache haben, welche Religion Sie haben, ob Sie überhaupt eine Religion haben, oder welche Konfession, das hat mich alles erst mal nichts anzugehen, und das ist ja das Gute, dass wir in Deutschland eigentlich viel weiter schon mal waren. Denken Sie daran: Vor vier Jahren, da stand auch die Nationalmannschaft bei ihrem Weltmeisterschaftssieg in Brasilien dafür, dass wir die Vielfalt dieser Gesellschaft abbilden. Heute ist das Frankreich. Das Problem ist nicht Vielfalt, sondern das Problem ist Einfalt und das Problem ist, dass dieser Fall natürlich jetzt auch Wasser auf die Mühlen ist von all denen, die ganz anderes im Schilde führen: Auf der einen Seite Erdogan und seine AKP und bei uns die AfD und Pegida und wie sie alle heißen. All die, die gegen Vielfalt sind, all die, die dagegen sind, dass man Menschen nicht danach beurteilt, wo sie herkommen, sondern danach, wo sie hinwollen.

"Wir sind um Jahre zurückgeworfen"

Münchenberg: Kann man denn trotzdem zugespitzt einfach das so behaupten und sagen, weil Özil sich mit Erdogan hat ablichten lassen auf einem gemeinsamen Foto, ist letztlich auch die Integration gescheitert?

Özdemir: Nein, das geht viel zu weit. Denn gerade auch im Fußball gibt es doch großartige Beispiele dafür, dass Jugendliche das Vorbild, eines Tages in der deutschen Nationalmannschaft zu spielen, als Anreiz sehen, sich weiterzuentwickeln, eine Chance haben, ihr Potenzial auszuschöpfen. Und Özil stand ja auch für dieses Vorbild. Umso schlimmer, dass er selber durch sein Foto dann einen fatalen Beitrag geliefert hat, dass da jetzt ein großes Fragezeichen ist. Aber ich will es doch noch mal sagen: Auch der DFB, denn der DFB hat am Anfang gesagt, das mit dem Foto ist nicht das Problem, die Affäre ist abgeschlossen, hat damit den Konflikt auch in die Mannschaft getragen, und nachdem die Mannschaft gemeinsam gescheitert ist, die Schuld ausschließlich bei ihm abgeladen, auch vom eigenen Versagen abzulenken. Das geht nicht, denn dieses Agieren des DFB wird dazu führen, dass es künftig wesentlich schwieriger wird, junge Leute dafür zu begeistern, dass die deutsche Nationalmannschaft ihre ist. Wir sind da um Jahre zurückgeworfen.

Münchenberg: Nun hat jetzt ja selbst ein Sponsor damals, Mercedes-Benz, Özil aus der Werbekampagne für die Fußball-Weltmeisterschaft genommen, ohne dass der DFB eingegriffen hat. Würden Sie sagen, der DFB hat da auch seine Fürsorgepflicht gegenüber Özil klar verletzt?

Özdemir: Absolut! Nehmen Sie doch das Beispiel Schweden mit Jimmy Durmaz. Anschließend gab es ein gemeinsames Video der Mannschaft, wo man deutlich gemacht hat, wir klären unsere Geschichten intern, aber für Rassismus gibt es keinen Platz. Eine solche Aussage würde ich mir auch unter Herrn Grindel wünschen, aber ich glaube, unter Herrn Grindel geht eine solche Aussage nicht. Da muss er sich wahrscheinlich selber in Frage stellen, ob er den Satz in dieser Klarheit auch sagen würde und sich deutlich hinstellen würde und sagen würde, die Zusammensetzung dieser Gesellschaft, alle die hier kicken, alle die hier mitspielen, das ist Deutschland, und die will ich in der Nationalmannschaft abgebildet bekommen. Da würde ich mir mal eine klare Aussage von Herrn Grindel wünschen, ob er einsteht zur Vielfalt und damit zur Stärke unseres Landes.

Özdemir zu Grindel: "Hat eindeutig Özil zum Sündenbock gemacht"

Münchenberg: Was muss der DFB aus Ihrer Sicht für Konsequenzen ziehen? Muss Grindel zum Beispiel auch zurücktreten?

Özdemir: Mit Grindel wird das sehr schwer nach seinem bisherigen Agieren. Er hat eindeutig Özil zum Sündenbock gemacht. Das ist nun wirklich absurd. Wir führen hier jetzt kein sportliches Interview über die Gründe des Ausscheidens bei der Weltmeisterschaft. Aber zu sagen, das lag ausschließlich an Özil, da muss man schon jemand sein, der entweder nichts von Fußball versteht – das glaube ich eigentlich nicht, dass man dann Chef des DFB wird -, oder schon böswillig an die Sache herangehen. Jemand der das so gesagt hat und diesen Eindruck erweckt hat – und das gilt ja leider auch für den Manager, der es dann zwar später zurückgenommen hat, aber es offensichtlich erst mal in einem Interview gesagt hat -, der vertritt nicht die Breite des Fußballs in Deutschland und mit dem wird es schwer, dafür zu sorgen, dass junge Deutsch-Türken, übrigens auch Deutsch-Kroaten und andere Migranten sich dafür entscheiden, dass die deutsche Nationalmannschaft ihre ist. Der Türkische Fußballverband, der wird sich sehr freuen über die Äußerungen von Herrn Grindel. Das wird es ihm leichter machen, künftig Jugendliche in Deutschland zu rekrutieren. Ich, Cem Özdemir will: Jugendliche, die in Deutschland aufwachsen, sollen sich für unsere, für die deutsche Nationalmannschaft entscheiden. Der Grindel will offensichtlich anderes.

Münchenberg: Aber noch mal. Sie sagen, Özil hat eine gewisse Vorbildfunktion als Spitzenfußballer. Hat das der DFB letztlich nicht auch und muss dann auch die Konsequenzen ziehen, wenn er diesen Anspruch nicht erfüllt?

Özdemir: Ich habe das ja gerade gesagt. Die DFB-Spitze nach diesem Agieren, aber insgesamt die gesamte FIFA, das sind doch die Letzten, die über Werte sprechen sollten. Was sind das für Werte, wenn man sich für Putins Propaganda-Show hergibt, oder wenn die nächste Weltmeisterschaft zur Adventszeit in Katar stattfindet? Da wird doch der Fußball kaputtgemacht. Jeder ehrliche Fußball-Fan, der sich freut, wenn seine Mannschaft, zumal seine Nationalmannschaft aufläuft, ihr die Daumen drückt, der fühlt sich doch auf den Arm genommen angesichts dessen, dass es hier vor allem ums große Geld geht, und der Fußball und die Fans bleiben zunehmend auf der Strecke.

Münchenberg: … sagt Cem Özdemir von den Grünen heute Morgen hier im Deutschlandfunk.

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"Der DFB hat Özil zum Sündenbock gemacht" "The DFB made Özil a scapegoat" "Le DFB a fait d'Özil un bouc émissaire" "De DFB heeft Özil tot zondebok gemaakt" "A DFB fez de Özil um bode expiatório"

Jörg Münchenberg: Monatelang hatte er geschwiegen, obwohl der öffentliche Druck riesig war. Jörg Münchenberg: For months he had been silent, although the public pressure was huge. Doch Fußball-Nationalspieler Mesut Özil wollte nicht Stellung beziehen zu seinem umstrittenen Foto zusammen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan kurz vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland. Ale fotbalový mezinárodní Mesut Özil se nechtěl vyjádřit ke své kontroverzní fotografii s tureckým prezidentem Erdoganem krátce před mistrovstvím světa v Rusku. But football international Mesut Özil did not want to comment on his controversial photo with Turkish President Erdogan shortly before the World Cup in Russia. Dieses Foto hatte ja auch eine heftige Debatte über die Integration hierzulande ausgelöst. Tato fotografie skutečně vyvolala vzrušující debatu o integraci v této zemi. This photo had indeed triggered a heated debate over integration in this country.

Gestern nun hat sich Özil doch geäußert. Včera řekl Özil. Yesterday, Özil has commented. Er stehe dazu, hat er gesagt, allein schon aus Respekt vor dem höchsten Amt des Landes seiner Familie. Stojí za tím, řekl, z úcty k nejvyšší kanceláři v zemi své rodiny. He said, he said, out of respect for the highest office of his country. Und dann hat er auch gleich mit dem DFB abgerechnet, der ihn zum Sündenbock gemacht habe. |||||||||abrechnete|||||| A pak se také dohodl s DFB, který z něj udělal obětního beránka. And then he also settled with the DFB, who made him a scapegoat.

Vor gut einer Stunde habe ich dazu mit dem Grünen-Politiker Cem Özdemir gesprochen und ihn zunächst nach seiner Einschätzung über die Özil-Stellungnahme gefragt. |||||||||||||||||||||||statement| Před více než hodinou jsem mluvil se zeleným politikem Cemem Özdemirem a zeptal jsem se ho nejprve na jeho hodnocení prohlášení Özila. Just over an hour ago I talked to the Green politician Cem Özdemir and asked him first about his assessment of the Özil statement.

Cem Özdemir: Für mich war das Foto falsch und es ist nach wie vor falsch, und die Erklärung überzeugt mich nicht. Cem Özdemir: Pro mě byla fotka špatná a stále je špatná a vysvětlení mě nepřesvědčuje. Cem Özdemir: For me, the photo was wrong and it's still wrong, and the explanation does not convince me. Er spricht von Respekt. Mluví o respektu. He speaks of respect. Aber was ist mit dem Respekt vor denen, die Opfer von Erdogans Unterdrückungspolitik sind? Ale co úcta k těm, kteří se stali oběťmi Erdoganovy represivní politiky? But what about respect for those who are victims of Erdogan's oppressive policies? Was ist mit Ihren Berufskollegen, den Journalisten, die einfach nur ihren Job gemacht haben? A co vaši kolegové, novináři, kteří právě vykonali svou práci? What about your colleagues, the journalists who just did their job? Was ist mit Oppositionellen? What about oppositionists? Respekt ist ein großes Wort, aber das zeigt man normalerweise Leuten, die Respekt verdienen, und das sind keine autoritären Herrscher. Respekt je velké slovo, ale obvykle se to projevuje lidem, kteří si zaslouží respekt, a nejedná se o autoritativní vládce. Respect is a big word, but you usually show that to people who deserve respect, and they're not authoritarian rulers.

Das gilt allerdings, wenn ich das noch hinzufügen darf, natürlich dann nicht nur für Mesut Özil oder Gündogan; das gilt natürlich dann auch für Ex-Spieler wie Lothar Matthäus, die sich mit dem autoritären Herrscher Wladimir Putin ablichten lassen. |||||||||||||||||||||||||||||||||||||fotografieren| To je pravda, pokud to mohu dodat, samozřejmě nejen pro Mesuta Özila nebo Gündogana; To samozřejmě platí i pro bývalé hráče, jako je Lothar Matthäus, kteří mohou být vyfotografováni autoritářským vládcem Vladimírem Putinem. However, if I may add, this does not only apply to Mesut Özil or Gündogan; of course, it also applies to ex-players like Lothar Matthäus who allow themselves to be photographed with the authoritarian ruler Vladimir Putin. Und das gilt vor allem für den DFB und noch mehr für die FIFA, die mit solchen autoritären Herrschern gemeinsame Geschäfte macht – denken Sie an die WM in Russland und denken Sie an die nächste WM in Katar. And this is especially true for the DFB and even more so for FIFA, which does business with such authoritarian rulers - think of the World Cup in Russia and think of the next World Cup in Qatar.

"Prominenz nicht nutzen, um Wahlkampf für autoritäre Herrscher zu machen" "Nepoužívejte význam pro kampaň za autoritářské vládce" "Not using celebrities to campaign for authoritarian rulers"

Münchenberg: Herr Özdemir, das ist ja genau der Punkt. Münchenberg: Pane Özdemire, přesně o to jde. Münchenberg: Mr. Özdemir, that is precisely the point. Özil sagt, da wird letztlich mit zweierlei Maß gemessen. ||||||zwei Maß|| Özil říká, že se nakonec používají dvě různá opatření. Özil says that, in the end, there is a double standard. Bei Matthäus regt sich keiner auf, bei ihm aber schon. V Matthewovi se nikdo nevyvolává, ale už s ním. With Matthew nobody gets upset, but with him they do.

Özdemir: Da hat er recht! Özdemir: Má pravdu! Da hat er absolut recht. Má naprostou pravdu. Deshalb geht es auch nicht darum, dass Özil türkischer Herkunft ist, sondern es geht darum, dass er Nationalspieler ist oder Nationalspieler war, nachdem er jetzt sich zurückgezogen hat, und damit auch ein Vorbild für viele Jugendliche, natürlich insbesondere auch Jugendliche deutsch-türkischer Herkunft. Nejde tedy o Özil tureckého původu, ale o to, že je národním hráčem nebo národním hráčem poté, co se již stáhl, a tedy vzorem pro mnoho mladých lidí, zejména pro mladé lidi německo-tureckého původu , That's why it's not about Özil being of Turkish origin, it's about him being a national player or having been a national player now that he's retired, and therefore also a role model for many young people, especially young people of German-Turkish origin, of course. Aber es geht erst mal darum, dass ich mir wünsche, dass alle, die Vorbild sind in der Nationalmannschaft, auch damit deutlich machen, dass sie ihre Prominenz nicht nutzen, um Wahlkampf zu machen für autoritäre Herrscher, die Andersdenkende einsperren lassen. But first of all, I would like all those who are role models in the national team to make it clear that they will not use their celebrity to campaign for authoritarian rulers who imprison dissidents. Das gilt für jeden Nationalspieler, egal welcher Herkunft, und das gilt auch für jeden autoritären Herrscher, nicht nur für Erdogan.

Münchenberg: Aber Özil hat ja in seinem Statement gestern auch betont, er sei kein Politiker. Münchenberg: But Özil also emphasized in his statement yesterday that he is not a politician. Hat er da nicht aus seiner Sicht recht, auch wenn ihm manche dann vielleicht Naivität unterstellen? Isn't he right from his point of view, even if some might then accuse him of naivety?

Özdemir: Da macht er es sich meines Erachtens ein bisschen zu einfach. Özdemir: I think he's making it a bit too easy for himself. Aber er hat mit einem anderen Punkt recht – und das ist, glaube ich, das eigentlich Fatale -, nämlich dem Satz, den er in seinem dritten Statement gesagt hat: "Wenn Du Erfolg hast, bist Du Deutscher, und wenn Du verlierst, dann bist Du Migrant." But he is right about another point - and I think that is actually the fatal one - namely the sentence he said in his third statement: "If you are successful, you are German, and if you lose, then are you a migrant. " Da spricht er sicherlich sehr vielen Menschen mit Migrationshintergrund, übrigens nicht nur türkischer Herkunft aus dem Herzen. He certainly speaks from the heart of many people with an immigrant background, and not just those of Turkish origin. Und wenn das sich nicht als richtig erweisen soll, dann darf es jetzt auch in der DFB-Spitze kein einfaches "weiter so" geben. And if that shouldn't prove to be correct, then there shouldn't be a simple "keep it up" at the top of the DFB either. Denn die DFB-Spitze hat von Anfang an geirrlichtert in dieser Affäre, oder eigentlich muss man ja sagen, in diesem Skandal. ||||||||irritiert|||||||||||| Because the top of the DFB has been mistaken in this affair from the beginning, or actually you have to say yes, in this scandal.

Münchenberg: Darauf kommen wir gleich zu sprechen. Münchenberg: K tomu se brzy vrátíme. Münchenberg: We'll come to that in a moment. Ich würde ganz gerne noch mal bei Özil bleiben. In der deutschen Debatte, muss man sagen, ist ja eigentlich gleich grundsätzlich die Integration der Kinder von Migranten angezweifelt worden. V německé debatě je třeba říci, že integrace dětí migrantů byla ve skutečnosti zásadně zpochybněna. In the German debate, it has to be said, the integration of the children of migrants was in principle questioned. Will man da nicht einfach auch ein Stück weit wahrhaben oder nicht wahrhaben, dass Özil auch Türke ist und nicht nur Deutscher? Don't people just want to admit or not admit that Özil is also a Turk and not just a German?

Özdemir: Dagegen spricht ja nichts. Özdemir: There's nothing wrong with that. Es geht ja nicht darum, dass man sich assimiliert, sondern es geht darum, dass man sich integriert. After all, it's not about assimilating, it's about integrating. Das heißt, dass man die Sprache halbwegs beherrscht. That means that you have a reasonable command of the language. Das gilt ja auch für mich als Schwaben, dass ich in der Lage bin, mit Ihnen halbwegs Hochdeutsch zu reden. Totéž platí i pro mě jako Švábany, že s vámi mohu mluvit na půli vysoké němčiny. That also applies to me as a Swabian, that I am able to speak halfway standard German with you. Es geht darum, dass man sich in die Gesellschaft einbringt, dass man sich an unsere großartige Verfassung hält. Je to o zapojení do společnosti, držet se naší velké ústavy. It's about getting involved in society, sticking to our great constitution. Das muss man machen. Musíte to udělat. Ob Sie eine weitere Muttersprache haben, welche Religion Sie haben, ob Sie überhaupt eine Religion haben, oder welche Konfession, das hat mich alles erst mal nichts anzugehen, und das ist ja das Gute, dass wir in Deutschland eigentlich viel weiter schon mal waren. Whether you have another mother tongue, what religion you have, whether you have a religion at all, or what denomination, none of that concerns me at first, and that's the good thing that we were actually much further in Germany before. Denken Sie daran: Vor vier Jahren, da stand auch die Nationalmannschaft bei ihrem Weltmeisterschaftssieg in Brasilien dafür, dass wir die Vielfalt dieser Gesellschaft abbilden. |||||||||||||||||||||||representieren Pamatujte: Před čtyřmi lety stál národní tým při vítězství na Světovém poháru v Brazílii, abychom odráželi rozmanitost této společnosti. Just remember: four years ago, when the national team won the World Cup in Brazil, it stood for us to represent the diversity of this society. Heute ist das Frankreich. Today is France. Das Problem ist nicht Vielfalt, sondern das Problem ist Einfalt und das Problem ist, dass dieser Fall natürlich jetzt auch Wasser auf die Mühlen ist von all denen, die ganz anderes im Schilde führen: Auf der einen Seite Erdogan und seine AKP und bei uns die AfD und Pegida und wie sie alle heißen. |||||||||Simplicity|||||||||||||||||||||||Schilde||||||||||||||||||||| The problem is not diversity, but the problem is simplicity and the problem is that this case is of course grist to the mill for all those who have completely different plans: On the one hand, Erdogan and his AKP, and ours AfD and Pegida and what they are all called. All die, die gegen Vielfalt sind, all die, die dagegen sind, dass man Menschen nicht danach beurteilt, wo sie herkommen, sondern danach, wo sie hinwollen. All those who are against diversity, all those who are against judging people not by where they come from, but by where they want to go.

"Wir sind um Jahre zurückgeworfen" ||||set back "We are thrown back by years"

Münchenberg: Kann man denn trotzdem zugespitzt einfach das so behaupten und sagen, weil Özil sich mit Erdogan hat ablichten lassen auf einem gemeinsamen Foto, ist letztlich auch die Integration gescheitert? |||||pointed|||||||||||||||||||||||| Münchenberg: Is it still possible to bluntly claim and say that, because Özil and Erdogan had himself photographed on a joint photo, did the integration ultimately fail?

Özdemir: Nein, das geht viel zu weit. Özdemir: No, that goes much too far. Denn gerade auch im Fußball gibt es doch großartige Beispiele dafür, dass Jugendliche das Vorbild, eines Tages in der deutschen Nationalmannschaft zu spielen, als Anreiz sehen, sich weiterzuentwickeln, eine Chance haben, ihr Potenzial auszuschöpfen. |||||||||||||||||||||||||||||||||to realize In football in particular, there are great examples of how young people see the role model of one day playing in the German national team as an incentive to develop themselves further and have a chance to tap their potential. Und Özil stand ja auch für dieses Vorbild. Umso schlimmer, dass er selber durch sein Foto dann einen fatalen Beitrag geliefert hat, dass da jetzt ein großes Fragezeichen ist. All the worse that he himself has then made a fatal contribution through his photo, that there is now a big question mark. Aber ich will es doch noch mal sagen: Auch der DFB, denn der DFB hat am Anfang gesagt, das mit dem Foto ist nicht das Problem, die Affäre ist abgeschlossen, hat damit den Konflikt auch in die Mannschaft getragen, und nachdem die Mannschaft gemeinsam gescheitert ist, die Schuld ausschließlich bei ihm abgeladen, auch vom eigenen Versagen abzulenken. But I want to say it again: The DFB too, because the DFB said at the beginning that the one with the photo is not the problem, the affair is over, so it has brought the conflict into the team, and after the team together it has failed to place the guilt exclusively on him, also to divert attention from one's own failure. Das geht nicht, denn dieses Agieren des DFB wird dazu führen, dass es künftig wesentlich schwieriger wird, junge Leute dafür zu begeistern, dass die deutsche Nationalmannschaft ihre ist. That is not possible, because this action by the DFB will mean that it will be much more difficult in the future to get young people enthusiastic about the German national team being theirs. Wir sind da um Jahre zurückgeworfen.

Münchenberg: Nun hat jetzt ja selbst ein Sponsor damals, Mercedes-Benz, Özil aus der Werbekampagne für die Fußball-Weltmeisterschaft genommen, ohne dass der DFB eingegriffen hat. Münchenberg: Now even a sponsor at the time, Mercedes-Benz, took Özil out of the advertising campaign for the soccer world championship without the DFB intervening. Würden Sie sagen, der DFB hat da auch seine Fürsorgepflicht gegenüber Özil klar verletzt? |||||||||duty of care|||| Would you say that the DFB clearly violated its duty of care towards Özil?

Özdemir: Absolut! Özdemir: Absolutely! Nehmen Sie doch das Beispiel Schweden mit Jimmy Durmaz. Take the example of Sweden with Jimmy Durmaz. Anschließend gab es ein gemeinsames Video der Mannschaft, wo man deutlich gemacht hat, wir klären unsere Geschichten intern, aber für Rassismus gibt es keinen Platz. Then there was a joint video of the team, where it was made clear that we clarify our stories internally, but there is no place for racism. Eine solche Aussage würde ich mir auch unter Herrn Grindel wünschen, aber ich glaube, unter Herrn Grindel geht eine solche Aussage nicht. I would also like to see such a statement under Mr. Grindel, but I believe such a statement is not possible under Mr. Grindel. Da muss er sich wahrscheinlich selber in Frage stellen, ob er den Satz in dieser Klarheit auch sagen würde und sich deutlich hinstellen würde und sagen würde, die Zusammensetzung dieser Gesellschaft, alle die hier kicken, alle die hier mitspielen, das ist Deutschland, und die will ich in der Nationalmannschaft abgebildet bekommen. |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||represented| So he probably has to question himself whether he would say the sentence with this clarity and would stand up clearly and say the composition of this society, everyone who plays here, everyone who plays here, that is Germany, and that I want to be featured in the national team. Da würde ich mir mal eine klare Aussage von Herrn Grindel wünschen, ob er einsteht zur Vielfalt und damit zur Stärke unseres Landes. ||||||||||||||einsteht|||||||| I would like to see a clear statement from Mr. Grindel as to whether he stands by diversity and thus the strength of our country.

Özdemir zu Grindel: "Hat eindeutig Özil zum Sündenbock gemacht" Özdemir zu Grindel: "Clearly made Özil a scapegoat"

Münchenberg: Was muss der DFB aus Ihrer Sicht für Konsequenzen ziehen? Münchenberg: In your view, what consequences must the DFB draw? Muss Grindel zum Beispiel auch zurücktreten? |||||step down Grindel tem que renunciar, por exemplo?

Özdemir: Mit Grindel wird das sehr schwer nach seinem bisherigen Agieren. Özdemir: It will be very difficult with Grindel after his actions so far. Özdemir: Será muito difícil com Grindel depois de suas ações até agora. Er hat eindeutig Özil zum Sündenbock gemacht. Ele claramente fez de Özil o bode expiatório. Das ist nun wirklich absurd. Agora isso é realmente absurdo. Wir führen hier jetzt kein sportliches Interview über die Gründe des Ausscheidens bei der Weltmeisterschaft. |||||||||||eliminating||| We are not conducting a sports interview here about the reasons for the elimination from the World Cup. Não estamos realizando uma entrevista esportiva aqui sobre os motivos da eliminação da Copa do Mundo. Aber zu sagen, das lag ausschließlich an Özil, da muss man schon jemand sein, der entweder nichts von Fußball versteht – das glaube ich eigentlich nicht, dass man dann Chef des DFB wird -, oder schon böswillig an die Sache herangehen. ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||herangehen But to say that was all down to Özil, you have to be someone who either doesn't understand anything about football - I don't really think that you will then be head of the DFB - or approach the matter maliciously. Mas para dizer que dependia inteiramente de Özil, você tem que ser alguém que não sabe nada de futebol - eu realmente não acho que você se tornará chefe da DFB - ou abordar o assunto de forma maliciosa. Jemand der das so gesagt hat und diesen Eindruck erweckt hat – und das gilt ja leider auch für den Manager, der es dann zwar später zurückgenommen hat, aber es offensichtlich erst mal in einem Interview gesagt hat -, der vertritt nicht die Breite des Fußballs in Deutschland und mit dem wird es schwer, dafür zu sorgen, dass junge Deutsch-Türken, übrigens auch Deutsch-Kroaten und andere Migranten sich dafür entscheiden, dass die deutsche Nationalmannschaft ihre ist. |||||||||||||||||||||||||withdrawn||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||| Someone who said that and gave that impression - and unfortunately that also applies to the manager, who later retracted it, but obviously said it in an interview first - does not represent the breadth of soccer in Germany, and with him it will be difficult to ensure that young German-Turks, and incidentally also German-Croats and other migrants, decide that the German national team is theirs. Alguém que disse isso e deu essa impressão - e infelizmente isso também se aplica ao treinador, que depois o retirou, mas obviamente disse primeiro em uma entrevista - não representa a amplitude do futebol na Alemanha e com isso será difícil garantir que os jovens alemães-turcos, aliás também germano-croatas e outros migrantes, decidem que a seleção alemã é deles. Der Türkische Fußballverband, der wird sich sehr freuen über die Äußerungen von Herrn Grindel. The Turkish Football Association will be very pleased with Mr. Grindel's comments. A Federação Turca de Futebol ficará muito satisfeita com as declarações de Grindel. Das wird es ihm leichter machen, künftig Jugendliche in Deutschland zu rekrutieren. This will make it easier for him to recruit young people in Germany in the future. Isso tornará mais fácil para ele recrutar jovens na Alemanha no futuro. Ich, Cem Özdemir will: Jugendliche, die in Deutschland aufwachsen, sollen sich für unsere, für die deutsche Nationalmannschaft entscheiden. I, Cem Özdemir want: Young people who grow up in Germany should decide for our, for the German national team. Eu, Cem Özdemir, quero: os jovens que crescem na Alemanha devem decidir pela nossa, pela seleção alemã. Der Grindel will offensichtlich anderes. The Grindel obviously wants something else. Grindel obviamente quer outra coisa.

Münchenberg: Aber noch mal. Münchenberg: But again. Münchenberg: Mas novamente. Sie sagen, Özil hat eine gewisse Vorbildfunktion als Spitzenfußballer. You say Özil has a certain role model function as a top soccer player. Você diz que Özil tem uma certa função de modelo como um jogador de futebol de alto nível. Hat das der DFB letztlich nicht auch und muss dann auch die Konsequenzen ziehen, wenn er diesen Anspruch nicht erfüllt? In the end, doesn't the DFB also have this and must then also draw the consequences if it does not fulfill this claim? A DFB também não tem isso e depois tem que arcar com as consequências se não atender a esse requisito?

Özdemir: Ich habe das ja gerade gesagt. Özdemir: Acabei de dizer isso. Die DFB-Spitze nach diesem Agieren, aber insgesamt die gesamte FIFA, das sind doch die Letzten, die über Werte sprechen sollten. The DFB leadership after this action, but all in all the entire FIFA, these are the last people who should talk about values. A liderança da DFB após esta ação, mas no geral a FIFA, estes são os últimos que devem falar sobre valores. Was sind das für Werte, wenn man sich für Putins Propaganda-Show hergibt, oder wenn die nächste Weltmeisterschaft zur Adventszeit in Katar stattfindet? What kind of values are those when you give in to Putin's propaganda show or when the next World Cup takes place in Qatar during Advent? Quais são esses valores quando você se presta ao show de propaganda de Putin, ou quando a próxima Copa do Mundo acontece no Catar durante o Advento? Da wird doch der Fußball kaputtgemacht. Soccer is being ruined. É aí que o futebol fica arruinado. Jeder ehrliche Fußball-Fan, der sich freut, wenn seine Mannschaft, zumal seine Nationalmannschaft aufläuft, ihr die Daumen drückt, der fühlt sich doch auf den Arm genommen angesichts dessen, dass es hier vor allem ums große Geld geht, und der Fußball und die Fans bleiben zunehmend auf der Strecke. |||||||||||||spielt|||||||||||||in Anbetracht||||||||||||||||||||| Every honest football fan who is happy when his team, especially his national team, crosses their fingers for them, feels that they have been kidnapped in view of the fact that this is all about big money, and football and the like Fans are increasingly falling by the wayside. Qualquer torcedor honesto que fica feliz quando seu time mantém os dedos cruzados, especialmente porque sua seleção está jogando, sente que está sendo ridicularizado, já que aqui se trata de muito dinheiro, e o futebol e os fãs são cada vez mais deixados para trás.

Münchenberg: … sagt Cem Özdemir von den Grünen heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Münchenberg: ... says Cem Özdemir of the Green Party this morning here on Deutschlandfunk. Münchenberg: ... diz Cem Özdemir dos Verdes esta manhã aqui no Deutschlandfunk.