Salzburg
Am dritten Januar wollen Kurt und Helga mit ihrem Sohn Florian einen Ausflug nach Salzburg machen. Florian muss bald wieder in die Schule gehen, weil die Ferien fast vorbei sind, aber heute denkt er nicht darüber nach - er ist viel zu aufgeregt wegen des Ausflugs nach Salzburg.
Salzburg liegt in Österreich unweit der deutschen Grenze. Mit rund einhundertfünfzigtausend Einwohnern gilt Salzburg als eine mittelgroße Stadt. Es ist eine sehr alte Stadt, die es bereits zur Zeit der Kelten gab. Im Römischen Reich war Salzburg eine wichtige Provinzstadt, die mit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches zeitweilig an Bedeutung verlor. Im Mittelalter führte allerdings der damals äußerst wichtige Salzhandel durch die Stadt, was zu einem erneuten wirtschaftlichen Aufschwung führte.
Florian kennt die Geschichte Salzburgs recht gut, denn er interessiert sich sehr für Geschichte und er hat viel über Salzburg gelesen. Allerdings war er noch nie in der Stadt und er freut sich darauf, die Sehenswürdigkeiten zu besichtigen.
Die Familie Lehmann fährt früh am Morgen gleich nach dem Frühstück weg. Mit dem Auto sind es rund dreißig Minuten Fahrtzeit nach Salzburg. Die Grenze nach Österreich passieren sie ohne anzuhalten. Die Grenzkontrollen wurden 1995 im Rahmen des Schengener Abkommens abgeschafft.
Die Straße nach Salzburg führt durch gebirgiges Land. Als sie ankommen, können sie nur langsam fahren, da viele andere Besucher ebenfalls mit dem Auto gekommen sind. Kurt findet keinen Parkplatz in der Stadt. Deshalb fährt er zum Festungsberg. Hoch oben auf dem Berg ist eine große Burg namens Hohensalzburg. Tief im Berg jedoch wurde eine Garage gebaut, die Platz für sehr viele Autos bietet. Kurt fährt hinein und parkt seinen Wagen. Auf dem Weg nach draußen fällt Florian etwas ungewöhnliches auf.
„Mensch Papa, schau mal die dicke Tür an. Wofür ist die denn?“
Er zeigt auf ein sehr dickes Stahltor, mit dem der Zugang zur Garage geschlossen werden kann.
„Das ist eine Bunkertür“, sagt sein Vater. „Schau, da vorne ist noch eine. Die wurden während des kalten Kriegs gebaut, als die Menschen Angst vor Bombenangriffen hatten.“
„Warum, Papa?“
„Darüber reden wir ein anderes Mal. Es ist eine lange Geschichte, die nichts mit Salzburg zu tun hat. Jetzt aber gehen wir erst einmal die Burg besichtigen.“
Die Festung Hohensalzburg, erbaut im Jahr 1077 von Erzbischof Gebhard und umfangreich erweitert durch Erzbischof Leonhard von Keutschach (1495-1519), ist die größte vollständig erhaltene Burg Mitteleuropas.
„Du gehst in die falsche Richtung“, sagt Florian. „Die Burg ist hinter uns.“
„Wir werden nicht zu Fuß gehen, sondern mit der Festungsbahn fahren. Das ist eine Standseilbahn, die zur Burg hochführt.“
Sie gehen zur Festungsgasse, von wo aus die Bahn fährt. Kurt sieht sich die Preise an. Die Bahnfahrt und Eintritt in die Burg kosten elf Euro dreißig für Erwachsene und sechs Euro fünfzig für Kinder. Eine Familienkarte kostet sechsundzwanzig Euro zwanzig. Kurt rechnet nach.
„Zwei Erwachsene und ein Kind macht zusammen neunundzwanzig Euro zehn.“
„Die Familienkarte ist also zwei Euro neunzig billiger", sagt Florian schnell. Kurt löst deshalb eine Familienkarte. Dann gehen sie zur Festungsbahn und fahren zur Festung Hohensalzburg hoch. Was können sie mit der Familienkarte sehen? Sie ermöglicht den Eintritt in die Burghöfe, Wehrtürme, Fürstenzimmer, das Festungsmuseum, das Rainer-Regimentsmuseum, das
Marionettenmuseum und die Almpassage. Sie bekommen auch einen Audio-Guide in neun Sprachen für einen Rundgang durch die Innenräume (Galerie, Folterkammer, Aussichtsturm).
Florian rennt aufgeregt durch einen der Burghöfe. Er will unbedingt auf einen Wehrturm steigen. Als er einen Aufgang findet, geht er so schnell hoch, dass seine Eltern kaum nachkommen. Als er oben ankommt, hat er einen wunderbaren Blick über Salzburg und das umliegende Land.
Er sieht die Salzach, die durch Salzburg hindurchfließt. Er stellt sich vor, dort wäre ein Ritterheer beim Überqueren des Flusses, kurz vor dem Angriff auf die Burg, und dass er, Ritter Florian, die Burg gegen die feindlichen Ritter verteidigen würde. In seinen Gedanken passiert alles sehr schnell, und schon wähnt er sich als siegreicher Ritter, als plötzlich...
„Florian! Florian! Da bist du ja endlich", sagt seine Mutter etwas ärgerlich. „Renn bitte nicht weg. Die Burg ist groß und wir wollen nicht den Vormittag damit verbringen, dich zu suchen.“
„Ja, Mama“, sagt er und wünscht sich, er wäre wieder ein furchtloser Ritter.
Sie sehen noch viele andere tolle Sachen. Am lustigsten findet Florian den Ort für wichtige Sitzungen. Es ist ein Klo, das außen an die Burgmauer angebaut ist. Durch ein Loch ist dann alles bis unten an den Fuß der Mauer gefallen.
Nach über zweieinhalb Stunden in der Burg ist es Zeit, in die Stadt zurückzugehen. Es ist bald Mittag und sie wollen ein schönes Lokal finden, um dort zu essen.
„Ich kenne ein kleines Lokal am Stadtrand", sagt Helga. „Da finden Touristen nie hin, aber es ist viel besser als hier in der Innenstadt.“ Helga hatte recht. Das Essen im Lokal war gut und preiswert. Nach dem Mittagessen sind alle ausgeruht und fühlen sich gestärkt.
Nach dem Essen gehen sie zuerst zu dem wohl berühmtesten Haus in Salzburg: dem
Geburtshaus des Wolfgang Amadeus Mozart. Im ,Hagenauer Haus' in der Getreidegasse Nr. 9 wurde am 27. Januar 1756 Salzburgs Wunderknabe geboren. Gemeinsam mit seiner Schwester ,Nannerl‘ und den Eltern lebte er in diesem Haus bis zum Jahr 1773. Heute befindet sich in Mozarts Geburtshaus ein Museum, das ganzjährig geöffnet ist.
Am Eingang des Mozarthauses erwartet Kurt natürlich zuerst die Kasse: zehn Euro für Erwachsene und drei Euro fünfzig für Kinder. Kurt zahlt ohne zu murren, obwohl er nicht sehr glücklich darüber ist. Im Haus sehen sie dann historische Möbel sowie Instrumente der Familie Mozart.
Es hängen viele Gemälde und Bilder an den Wänden, und Erläuterungen bringen den Besuchern das Leben von Mozart näher. Kurt, Helga und Florian sind große Bewunderer von Mozart und der Besuch in seinem Geburtshaus gefällt ihnen gut. Doch worauf sich Helga am meisten freut, ist ein kleines Geschäft nahe des Mozarthauses.
„Du, Schatz“, sagt sie zu ihrem Mann, als sie das Haus wieder verlassen, „gehen wir noch in den kleinen Laden unten. Die haben ganz was besonderes.“
„So, was denn?“
„Mozart kugeln.“
Jetzt versteht Kurt, was seine Frau will. Mozartkugeln sind Kugeln aus Schokolade. Die Schokolade ist hervorragend, allerdings sind
die Kugeln auch nicht billig.
Kurt seufzt. Der Ausflug nach Salzburg wird langsam etwas teuer, aber dennoch sagt er: „Also gut, wenn du willst.“
Ehe er es sich versieht, hat seine Frau schon eine große Schachtel mit Mozartkugeln für siebzig Euro gekauft.
Helga schiebt sich gleich eine der Schokoladekugeln in den Mund, als sie das Geschäft verlässt. Dank der köstlichen Schokolade im Mund wähnt sie sich im siebten Himmel.
„Gibst du mir bitte auch eine Kugel, Mama? ", sagt Florian. Seine Mutter gibt ihm eine der Kugeln mit einem Lächeln und kurz darauf erfreut der himmlische Geschmack auch Florian.
Nur der Geldbeutel von Kurt ist nicht im siebten Himmel.
Die Familie geht langsam durch die Gassen der Stadt, vorbei an alten, aber charmanten Gebäuden. Entzückte Touristen gehen von Geschäft zu Geschäft und kaufen allerlei Andenken.
Straßenmusikanten gibt es keine, denn wer will schon bei kaltem Wetter auf der Straße stehen. Aber es gibt einige Droschken, auch Fiaker genannt. Als Florian eine Droschke sieht, möchte er unbedingt damit fahren. Er liebt Pferde und der Gedanke, mit einer Pferdekutsche zu fahren, ist für ihn unwiderstehlich.
„Ui, schau mal, eine Pferdedroschke“, sagt er. „Können wir auch mit einer fahren? Bitte, Papa!“
„Ich frage, wieviel das kostet, Florian, aber versprechen kann ich dir nichts.“ Kurt sieht eine leere Droschke und geht zum Kutscher.
„Wieviel kostet eine Fahrt? ", fragt er. „Für den ganzen Fiaker sind es achtundachtzig Euro für fünfzig Minuten und vierundvierzig Euro für zwanzig Minuten", sagt der Kutscher. Kurt denkt einen Augenblick nach. Seinem Geldbeutel geht es zwar nicht sehr gut, aber er weiß, dass Florian bei einer Droschken fahrt im siebten Himmel wäre.
Er dreht sich um und sieht wie Florian ihn erwartungsvoll ansieht.
„Na ja", murmelt er, „es sind ja noch Weihnachtsferien.“ „Wie bitte? ", sagt der Kutscher. „Ach, nichts, äh... ich meine, wir nehmen eine Fahrt von zwanzig Minuten bitte.“
„Gerne“, sagt der Kutscher. „Steigen sie gleich ein.“
Kurt winkt seine Familie herbei und sagt: „Kommt und steigt ein. Die Fahrt geht gleich los.“
Florian steigt begeistert ein und auch Helga freut sich. Nach den Ausgaben für Eintrittskarten, dem Mittagessen und den teuren Mozartkugeln hatte sie nicht erwartet, dass ihr Mann auch noch für eine Droschkenfahrt bezahlen würde.
Der Kutscher gibt ihnen Decken für ihre Beine und sofort fährt er los. Das Pferd trabt durch die Stadt und der Kutscher erzählt dabei Anekdoten und Ereignisse aus der Stadtgeschichte.
Zwanzig Minuten später ist die angenehme Fahrt in der Droschke zu Ende, doch sie wird Florian noch lange im Gedächtnis bleiben. Er liebt Tiere und es fällt ihm schwer, sich von dem braunen Pferd zu verabschieden.
Nach der Droschkenfahrt beschließen Kurt und Helga, noch einen Spaziergang entlang der Salzach zu machen. Der Fluss strömt mit seinem eisigen Bergwasser durch die Stadt. Die Luft hier ist frisch und abseits des Touristenrummels ist es angenehm ruhig.
Da wird es dämmrig. Kurt sieht auf seine Uhr und sagt: „Das war ein sehr schöner Tag, aber jetzt ist es Zeit zurückzufahren. Wir wollen nicht zu spät heimkommen.“
Helga hat nichts dagegen, zur Ferienwohnung zurückzufahren. In ihrer rechten Hand trägt sie die Tüte mit den Mozartkugeln und sie hat einen wunderbaren Gedanken: Eine Tasse heißen Tee und Mozartkugeln auf dem Sofa in der Ferienwohnung.