Wunderbare Jahre I.1: Jetzt wird's ernst
OPENING SEQUENCE (Bilder von verschiedenen Ereignissen der sechziger Jahre.) 1968 war ich zwölf Jahre alt. In diesem Jahr ist 'ne Menge passiert. Denni(s) McLain gewann 31 Spiele, im Kino lief "Rosemary's Baby", und ich wechselte von der Hillcrest-Grundschule auf die Junior Highschool...aber dazu kommen wir später. Auch wenn es banal klingt - ich bin in der Vorstadt aufgewachsen. Die meisten denken wahrscheinlich, in der Vorstadt hat man alle Nachteile der Großstadt ohne die Vorteile des Landlebens...und umgekehrt. Aber irgendwie waren dies für uns die Wunderjahre, damals in der Vorstadt, so eine Art goldenes Zeitalter für Kinder.
EXT. TAG. VORSTADTSTRASSE (Kevin, sein Bruder Wayne, und andere Kinder spielen auf einer Vorstadtstraße Football.) Da, das bin ich. Kevin Arnold, 1968, im Sommer vor der Junior Highschool. Eigenlob stinkt zwar, aber im Sport hatte ich ganz schön was drauf.
(Kevin verfehlt einen Paß; die anderen Kinder lachen. Kevin nähert sich Winnie, die den Football aufgehoben hat.)
WINNIE: Das war ein ziemlich harter Paß.
KEVIN: Naja, ja, ja...Er hatte irgendwie einen ziemlichen Rückwärtsdrall.
WAYNE: Kevin, komm ! Sabbel deiner Freundin nicht die Ohren voll !
KEVIN: Sie ist nicht meine Freundin, klar?!
(Kevin, geht mit dem Football zu den anderen zurück. Sie spielen weiter.)
Das stimmte. Winnie Cooper war nicht meine Freundin. Als wir noch sehr klein waren, hatten wir zwar öfters in Harper's Woods Leuchtkäfer gefangen, aber unsere Beziehung tendierte gegen null, seit wir neun waren.
WAYNE: Uh-oh, deine Freundin ist wohl sauer auf dich ? Geh lieber zu ihr hin und gib ihr einen Zungenkuß!
KEVIN: Halt die Klappe, Wayne!
WAYNE: Hey Mädchen, kommt mal rüber! Kevin möchte euch gern zeigen, was ein Zungenkuß ist.
KEVIN: Blöder Sack!
WAYNE: Was hast du gesagt?
KEVIN: Gar nichts!
(Wayne wirft Kevin zu Boden und schlägt ihm mit der Faust auf die Schulter.)
So endeten die meisten Unterhaltungen mit meinem Bruder Wayne. Wahrscheinlich bereute er die Tatsache, daß ich geboren worden war, zutiefst - und er wollte, daß ich es auch bereue.
PAUL: Laß ihn los Wayne, hör schon auf!
(Paul versucht, Wayne von Kevin wegzuzerren.)
WAYNE: Tut mir leid, Paul. Das ist eine Familienangelegenheit. Das ist mein bester Freund, Paul Pfeiffer. Paul war gegen alles allergisch. Wayne sagte immer, er wär sogar gegen seine eigene Spucke allergisch. Wayne war ein echter Komiker.
BRIAN (ruft): Hey Wayne, laß das, sonst mach ich mit dir gleich dasselbe.
(Brian Cooper steht neben seinem Auto und zündet sich eine Zigarette an. Winnie steht neben ihm.)
Winnies Bruder, Brian Cooper. Er war neunzehn, und für uns der Inbegriff des "coolen Typen". Er hatte so'n tollen 59er El Camino - die Kiste lief natürlich nicht, aber Brian war ständig am Basteln, verschwitzt, die Hände voller Schmiere... was für ein Kerl ! In diesem Juni wurde er eingezogen und nach Vietnam verfrachtet. Aber sein Auto stand weiterhin vor der Tür, aufgepoppt. wer in unserer Straße wirklich das Sagen hatte.
INT. TAG. HAUS DER ARNOLDS (Kevin und Paul kommen in die Küche. Kevin's Mutter, Norma, ist in einem anderen Raum.)
KEVIN: Mom, darf Paul heute bei uns essen?
NORMA (V/O): Natürlich, wenn seine Mutter Bescheid weiß.
PAUL: Was gibt es denn?
KEVIN: Mom, was gibt's denn?
NORMA (V/O): Hackbraten.
PAUL: Dagegen bin ich allergisch.
KEVIN: Ist das alles?
NORMA (V/O): Salat.
(Paul schüttelt den Kopf.)
INT. ABEND. HAUS DER ARNOLDS (Kevin, Paul und Wayne sitzen am Tisch und essen Abendbrot. Der Fernseher zeigt Bilder vom Vietnamkrieg. Norma ist in der Küche beschäftigt.)
KEVIN: Weißt du wann Dad kommt?
NORMA: Jede Minute. Er wird wegen des Verkehrs und seiner Arbeit sehr angespannt sein, also bitte verärgern wir ihn nicht.
KEVIN: Er ist immer angespannt.
NORMA: Angespannt ist er immer, da hast du recht, aber er ist noch nicht verärgert, und es wäre nett wenn wir es schaffen, diesen Zustand beizubehalten.
(Kevin's Vater, Jack, betritt die Küche und geht in einen Nachbarraum.)
NORMA: Hallo Schatz, wie war der Verkehr?
JACK: Verkehr ist Verkehr. Dad liebte kurze, knappe Antworten.
(Karen kommt in die Küche.)
NORMA: Karen, Liebling, du wolltest doch früher kommen und mir kochen helfen.
KAREN: Frieden, Mom, okay?
NORMA: Frieden ist ja ganz schön, aber du hast gesagt du hilfst mir kochen.
KAREN: Also dein Karma ist unheimlich schlecht, weißt du das, Ma? Ich würde mich an deiner Stelle vorsehen.
NORMA: Danke schön. Ich werde darauf achten. Und was dich betrifft, Karen, wenn dein Vater reinkommt, vielleicht schaffst du es, ihn nicht zu verärgern, ja?
(Jack kommt wieder in die Küche und setzt sich an den Tisch.)
JACK: Hallo, Paul.
(Paul winkt mit seinem Brot.)
Zu unseren Freunden sagte Dad immer "Hallo", aber für die Familie schien er seine eigenen Regeln aufgestellt zu haben. Er arbeitete hart für uns, er sorgte für uns, aber er hatte beim besten Willen keine Lust, sich auch noch mit uns zu unterhalten. Meine Strategie war es, alle plötzlichen Bewegungen oder Geräusche zu vermeiden, bis er seinen ersten Wodka Tonic intus hatte und zu hoffen, daß ihn auch sonst niemand aus der Fassung bringen würde.
KAREN: Ach übrigens, ich nehm jetzt die Pille. Ich dachte, das solltet ihr wissen.
(Kurzes Geräusch eines pfeifenden Wasserkessels. Jack legt wütend die Gabel auf den Tisch und alle reden durcheinander...) So ungefähr lief dieser Sommer im großen und ganzen ab. Es war allerdings für mich der letzte Sommer einer schönen, unbeschwerten Kindheit.
INT. TAG. Kevin'S ZIMMER (Paul und Kevin sitzen auf Kevin's Bett in seinem Zimmer und sehen sich staunend ein Hochglanzmagazin an.) "Unser Körper und wir". Es war soweit. Der letzte Abend der Sommerferien.
PAUL: Uh, ist das ein Kracher!
KEVIN: He, geifer nicht rauf, wenn's geht. Wenn Karen das rauskriegt, schlägt sie mich tot. Paul und ich waren der Meinung, die beste Vorbereitung auf die Mädchen der Junior Highschool war, sie sich nackt anzusehen.
(Norma öffnet die Tür. Paul setzt sich schnell auf das Magazin. Norma blickt etwas argwöhnisch.)
NORMA: Paul, deine Mutter hat angerufen. Du sollst bitte sofort nach Hause kommen.
PAUL: Gut.
(Steht auf und will gehen, bleibt aber in der Tür stehen) PAUL: Gestern nacht hab ich geträumt, ich wär in der Schule und hab erst dort gemerkt, daß ich nichts an hatte. KEVIN: Also wenn du nackt zum Bus kommst, dann sag ich's dir.
PAUL: Danke...Was ziehst du denn an?
KEVIN: Naja, ich habe nicht die leiseste Ahnung. In Wirklichkeit hatte ich meine Garderobe seit gut sechs Wochen geplant.
INT. TAG. HAUS DER ARNOLDS (Kevin betritt die Küche. Er trägt ein für den ersten Tag an der Junior High völlig unpassendes Shirt. Jack und Karen sitzen am Tisch, Norma steht neben ihnen. Sie starren Kevin an.)
NORMA: Das willst du doch nicht etwa anziehen, wenn du zur Schule gehst?
KEVIN: Nein Mom, ich hab einen Job als Fotomodell.
(Wayne kommt herein, sieht Kevin verwundert an und bricht in lautes Gelächter aus.)
EXT. TAG. BUSHALTESTELLE (Kevin und Paul stehen nebeneinander an der Bushaltestelle. Wayne und einige andere sind auch dort.)
KEVIN (zu Paul): Du siehst echt scharf aus. Alles bestens.
PAUL: Darf ich eventuell nochmal deinen Stundenplan sehen?
KEVIN: Nein. Sowas mußte ein richtiger Kerl abkönnen. Das war die Junior-Highschool-Bushaltestelle, und wenn wir mit den Älteren mithalten wollten, mußten wir uns ganz schön anstrengen, erwachsen zu wirken. Größenmäßig waren wir offensichtlich im Nachteil, aber dabeisein ist alles.
(Kevin und Paul immitieren die älteren Jungen, indem sie die Zungen weit herausstecken. Plötzlich entdecken sie ein hübsches Mädchen, das sich der Bushaltestelle nähert.)
Was für ein unverdientes Glück. Ein neues Gesicht. Ein armes, hilfloses Kind, das sich noch verlorener vorkommen mußte als wir. Ein zerbrechliches Wesen in Netzstrümpfen und Gogo-Stiefeln.
WINNIE: Hallo Kevin. Hallo Paul.
PAUL (verwundert): Winnie Cooper?
WINNIE: Gwendolyn. Ich möchte nicht mehr Winnie genannt werden. Mein richtiger Name ist Gwendolyn. Tja, es gab keinen Zweifel mehr - wir betraten absolutes Neuland. Sogar das bisher Vertraute erschien plötzlich irgendwie fremd. Mit der Junior Highschool schlugen wir ein völlig neues Kapitel auf.
EXT. TAG. RFK JUNIOR HIGHSCHOOL (Kevin, Paul, und hunderte andere Kinder betreten das Schulgebäude.) Wie ungefähr die Hälfte der Schulen des Landes wurde auch meine diesen Sommer in "Robert F. Kennedy Highschool" umbenannt. Als wir uns zum ersten Mal den Türen näherten, fühlten wir deutlich die Schwelle zum Erwachsensein.
INT. TAG. KLASSENZIMMER (Kevin sitzt an seinem Tisch im Klassenzimmer. Er sitzt zwischen Eric und Gail, die ihre Hände halten und einander verliebt ansehen.)
Unser Klassenzimmer. I saß zwischen Eric Antonio and Gail Aslanian. Sie fuhren zusammen im Schulbus und ziemlich aufeinander ab.
ERIC: Ich liebe dich.
GAIL: Ich liebe dich auch.
(Eric und Gail wollen sich küssen, aber Kevin, der zwischen ihnen sitzt, unterbricht sie.)
KEVIN: Und ich liebe euch beide, aber ich hab ein bißchen Schwierigkeiten, Luft zu kriegen. Ich war dabei, meine erste sexuelle Erfahrung zu machen und war nicht mal direkt beteiligt!
(Mrs. Ritvo klopft auf Kevin's Tisch. Eric und Gail setzen sich richtig hin. Mrs. Ritvo blickt argwöhnisch auf Kevin hinab.)
MRS. RITVO: Kevin Arnold, du bist Waynes Bruder, ist das richtig?
KEVIN (zögernd): Naja, also laut meiner Mutter ja, aber meine eigene Theorie... MRS. RITVO: Du hast ein schweres Kreuz zu tragen, junger Mann. Ein wirklich schweres Kreuz.
KEVIN (leise): Ja.
INT. DAY. SCHULKORRIDOR (Kevin lächelt Debbie Ackerman zu, die ihr Schließfach öffnet und zurücklächelt.) Das erste wichtige Attribut des Erwachsenseins: unsere eigenen Schließfächer. Ich konnte mein Glück noch gar nicht fassen. Zwei Fächer neben mir war Debbie Ackerman, eins der schönsten Aushängeschilder der siebenten Klasse.
(Kevin schlägt sich die Schließfachtür gegen die Stirn. Debbie lächelt amüsiert.)
Es gab nur ein Problem. Frankenstein Junior (Charles Manson) hatte das Fach zwischen uns. Siebente Klasse und schon Bartwuchs? Das war nicht die Junior Highschool - das war eine Monstershow! Hoffentlich hatte keins der Mädchen einen Bart.
CHARLES: Wie ist deine Schrankgeheimzahl, häh?
KEVIN: Hmm, naja, ich, hmm...Ich weiß dein Interesse zu schätzen, aber an sich ist uns gesagt worden, wir sollten siemöglichst keinem verraten.
(Charles hebt ihn in die Luft und preßt ihn an die Schließfächer.)
CHARLES: Hier hast du sie.
(Frankenstein Junior legt ein Messer und eine Tüte Drogen in Kevin's Schließfach.)
CHARLES: Wenn irgendjemand davon Wind kriegt, dann ist klar, wer mich verpfiffen hat.
KEVIN: Wer? Das war meine einzigste Chance. Ich dachte, vielleicht kann ich ihn austricksen.
CHARLES: Äh, du! Du. Wer sonst?
KEVIN (leise): Oh, richtig.
INT. TAG. SPORTHALLE (Kevin und andere Siebtklässer stehen in der Mitte der Turnhalle. Coach Cutlip belehrt sie über den Sportunterricht.)
Eine Tücke des Stundenplans: Ich hatte in der ersten Stunde Sport. Das hieß, morgens früh aufstehen, duschen, anziehen, zur Schule gehen, ausziehen, rumrennen, duschen und wieder anziehen. Und das alles innerhalb von 45 Minuten.
MR. CUTLIP: Alle mal herhören! Viele von euch haben vermutlich gedacht, das sei Sportunterricht, huh? Ich kriegte plötzlich Panik. Es war schon vorher nicht so gut gelaufen, aber wenn das kein Sportunterricht sein sollte, dann war ich echt ziemlich angeschmiert?
MR. CUTLIP: Das ist es nicht. Leute, hier wird nicht nur geturnt, hier könnt ihr etwas lernen. Da draußen bringen sie eurem Kopf etwas bei. Hier drinnen bring ich eurem Körper etwas bei. Ich bin euer Erzieher, okay? Euer Körpererzieher.
Damals haben wir's zwar noch nicht erkannt, aber dieser Typ hatte den größten Minderwertigkeitskomplex seit Napoleon.
MR. CUTLIP: Glaubt mir, wenn ihr hier fertig seit, dann habt ihr etwas auf dem Kasten. Dann habt ihr...etwas auf dem Kasten!
Dann versuchte er noch eine halbe Stunde, unsere Körper zu erziehen. Als er damit fertig war, war ich soweit, daß ich meine Beine hätte 'ne Mathearbeit schreiben lassen können.
MR. CUTLIP: Nur noch eins, bevor ihr eure Runden lauft. Das Suspensorium. A, was ist das? Und B, wozu ist es gut?
(Mr. Cutlip schaut auf die Schülerliste.)
MR. CUTLIP: Arnold.
Auch das noch. Ich kam mir vor wie der Hase vor der Flinte eines Jägers.
KEVIN (unsicher): Naja, das Suspensorium, Sir, ist eine besondere Art von Suspensor. Es ist... es ist hergestellt aus einem Suspensormaterial, welches man ausschließlich zur Herstellung von Suspensorien, ähm, herstellt.
(Mr. Cutlip sieht Kevin nur verständnislos und verärgert an, während im Hintergrund das Geräusch einer fallenden und explodierenden Bombe zu hören ist.)
INT. TAG. CAFETERIA (Kevin und Paul tragen ihre Tablets und sehen sich nach einem unbesetzten Tisch in der Cafeteria um.) Das Mittagessen. Irgendetwas, das ich mal nicht versauen konnte - dachte ich.
PAUL: Wo willst du dich hinsetzen?
KEVIN: Irgendwo. Setzen wir uns gleich hier.
(Kevin und Paul setzen sich an den nächsten Tisch.)
Die Cafeteria in einer Vorstadt-Junior-Highschool ist so eine Art Welt im kleinen. Das erste Ziel ist Schutz suchen, und den findet man in Gruppen. Es gibt die coolen Typen, die Strebertypen, es gibt die harten Typen und damals gab es natürlich noch die Hippies. Im wesentlichen gilt folgenden: Wer du bist hängt weniger davon ab, wer du bist, als vielmehr davon, wer neben dir sitzt. (sieht zu Paul) Ein ernüchternder Gedanke.
KEVIN (zu Paul): Tu mal so als ob du dich amüsierst.
(Winnie nähert sich dem Tisch, an dem nur Paul und Kevin sitzen.)
WINNIE: Hallo. Ist bei euch noch ein Platz frei?
KEVIN: Natürlich, Winnie... Wir waren auf dem besten Wege. Unsere Gruppe nahm Gestalt an und Winnie, ich meine Gwendolyn, war schließlich nicht zu verachten. Wer weiß, vielleicht hatten wir sogar eine Chance, die coole Gruppe der siebenten Klasse zu werden. Wenn wir nur unauffällig blieben, bis wir ein paar mehr Mitglieder haben würden.
(Wayne sitzt mit einem Freund, Steve, an einem anderen Tisch und zeigt auf Kevin, Paul und Winnie. Schließlich kommt er zu ihnen hinüber.)
WAYNE: Hey Steve, sieht so aus als ob mein Babybruder und seine Freundin sich gefunden hätten.
KEVIN: Sie ist nicht meine Freundin.
WAYNE (zu Winnie): Er findet dich ja so süß!
KEVIN (verärgert): Hör zu, ich finde sie ganz und gar nicht süß!
WAYNE: Er möchte dir einen wirklich dicken, feuchten Kuß geben. Hat er mir gesagt.
KEVIN: Du Lügner, das habe ich gar nicht gesagt! Ich will sie nicht küssen. Ich mag sie ja nicht mal!
(Kevin nimmt seinen Apfel und läuft wütend zum Ausgang, wo er von Mr. Diperna gestoppt wird.)
MR. DIPERNA: Junger Mann!
(Mr. Dieprna zeigt auf ein Schild, "POSITIVELY NO FOOD OUTSIDE THE CAFETERIA".)
MR. DIPERNA: Was steht denn auf diesem Schild? "Kein Essen aus der Cafeteria mitnehmen." Wenn du mit diesem Apfel durch die Tür gehst, dann darfst du heute nachsitzen.
(Kevin befreit sich aus MR. Diperna' Griff und marschiert durch die Tür. Mr. Diperna folgt ihm.)
MR. DIPERNA: Junger Mann!
(MR. Diperna hält Kevin fest.)
MR. DIPERNA: Es gibt da wohl ein kleines Problem. Er hatte recht. Es gab ein Problem.
KEVIN: Ach ja, der Apfel.
MR. DIPERNA: Ganz recht. Der Apfel.
KEVIN: Sie möchten, daß er in der Cafeteria bleibt.
MR. DIPERNA: So ist es.
KEVIN: Und jetzt ist er nicht in der Cafeteria.
MR. DIPERNA: Ganz recht. Die Unterhaltung wurde wirklich langsam öde. Ich fragte mich also: "Was würde ein Kerl wie Brian Cooper in dieser Situation machen?"
(Kevin wirft den Apfel zurück in die Cafeteria.)
KEVIN: Umm, uhh, wenn...wenn sie wollen, kann ich...kann ich ihn holen... INT. TAG. MR. DIPERNAS BÜRO (Kevin wird von seiner Mutter und Mr. Diperna zur Rede gestellt.) NORMA: Also Kevin, du mußt uns jetzt erstmal erklären, was das sollte, welcher Teufel dich geritten hat, so etwas zu machen. Ich wollte ihr sagen, daß Wayne mich vor den anderen blamiert hatte, daß die Kinder gelacht haben, daß Mr. DiPerna an mir seine Macht demonstrieren wollte und daß Winnie bei dem Schauspiel dabei war und daß sie Netzstrümpfe und Gogo-Stiefel an hatte.
KEVIN: Keine Ahnung.
NORMA: Keine Ahnung? Mehr hast du nicht zu sagen? Keine Ahnung?!
MR. DIPERNA: Kevin, die Frage ist, was wolltest du damit erreichen, indem du einen Apfel in die Cafeteria wirfst?
KEVIN (V/O): Nein, du Vollidiot. Die Frage ist, warum du ein Gehirn in Erbsengröße hast.
NORMA: Kevin?
Mr. Diperna hat dir eine Frage gestellt. Was hast du damit erreichen wollen, als du den Apfel in die Cafeteria geworfen hast?
KEVIN (V/O): Weltfrieden.
NORMA: Kevin?
KEVIN: Gar nichts.
MR. DIPERNA: Ja, Kevin, und genau das hast du auch erreicht - gar nichts. Ich lasse dich jetzt gehen, ohne eine weitere Strafe. Aber über eins sei dir im klaren: Ich behalte dich genau im Auge. Hast du verstanden?
NORMA: Kevin?
Hast du das jetzt verstanden?
KEVIN (widerwillig): Ja. JACK: Ich würde ihn jetzt gern mit nach Hause nehmen.
INT. TAG. IM AUTO (Kevin sitzt auf dem Rücksitz.) In den ganzen zwölfeinhalb Jahren hatte mich mein Vater nie geschlagen. Aber Wayne hatte er schon verdroschen. Zweimal. Ich erkannte diesen glasigen Blick in seinen Augen wieder. Davon abgesehen - vielleicht hatte ich es ja verdient.
EXT. TAG. HAUS DER ARNOLDS (Jack parkt das Auto in der Einfahrt.) Es gibt wirklich keine gute Ausrede dafür, Obst quer durch die Cafeteria zu schmeißen. Er dachte vermutlich, wenn *, würde ich vielleicht bei der Stange bleiben. Und vermutlich hatte er recht. Aber ich würde die Schmerzen ertragen. Ich beschloß, einfach die Augen zu schließen und mir vorzustellen, es sei Wayne.
(Norma, Jack, und Kevin steigen aus dem Auto.)
JACK (zu Kevin): Komm mit, ins Haus! Aber dann, ich glaube, wir waren ungefähr auf halbem Weg zur Veranda... (Karen und Wayne kommen zur Tür hinaus. Sie wirken verstört.)
KAREN (weinend): Brian Cooper ist gefallen.
NORMA: Oh mein Gott! Wann haben sie denn das erfahren?
(Karen shüttelt den Kopf.)
NORMA: Ich rufe gleich bei Evelyn an, ob ich etwas für sie tun kann. Mein Gott, arme Evelyn!
EXT. ABEND. EINE VORSTADTSTRASSE (Kevin spaziert langsam die Strafe entlang.) An diesem Abend machte ich einen Spaziergang. Die Tage waren noch lang, und damals konnten Kinder noch in der Dämmerung spazieren gehen ohne Angst zu haben, auf irgendeiner Müllkippe zu landen. Ich gehe hinunter zu dem großen Kletterbaum in Harper's Woods. Ich hatte es mir erst später eingestanden, aber in meinem Hinterkopf hatte sich die Idee festgesetzt, Winnie könnte vielleicht dort sein.
(Kevin sieht Winnie auf einem Feld neben dem großen Kletterbaum sitzen.)
Es sah aus als ob sie sich selbst umarmte. Sie wiegte sich langsam hin und her. Die Luft war ziemlich kühl und Winnie hatte keinen Pulli an. Einen Moment lang hatte ich Angst, näher ran zu gehen.
(Winnie sieht zu Kevin auf, der sich neben sie setzt.)
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte ein ganz merkwürdiges Gefühl. Es war für mich unmöglich zu glauben, daß Brian tot war.
KEVIN: Es tut mir leid. Das mit Brian. Und es tut mir auch leid, was ich heut gesagt hab. Das ist nicht wahr.
WINNIE: Ich weiß.
(Kevin zieht seine Jacke aus und legt sie über Winnie's Schultern. Sie küssen sich.)
Es war für uns beide der erste Kuß. Wir haben danach nie mehr darüber gesprochen. Aber ich denke immer wieder an diesen Tag - und irgendwie weiß ich, daß Winnie das auch tut. Immer dann, wenn irgend so'n Klugscheißer von der Anonymität der Vorstädte labert oder der Hirnlosigkeit der Fernsehgeneration, wissen, daß in jedem dieser fast identischen Kästen mit der Familienkutsche in der Einfahrt, dem Weißbrot auf dem Tisch und dem Fernseher, der in der Abenddämmerung blau schimmerte, Menschen waren, Menschen mit Schicksalen, Geschichten, verbunden durch Schmerz und durch Liebe. Es gab Momente, in denen wir vor lachen geweint haben und es gab Momente wie diesen, voll Traurigkeit und voller Wunder.
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