Die Mondjungfrau und die Sonnenjungfrau
Vor langer, langer Zeit, vor vielen tausend Jahren, da standen Sonne und Mond nicht so hoch am Himmel wie heute, sie lebten tief, ganz tief unten, nah über der Erde.
Der Mond und die Sonne waren zwei schöne Jungfrauen, aber die Menschen wissen das heute nicht mehr. Sie waren so schön, dass keiner sagen konnte, welche der beiden schöner war. Die Himmelsjungfrauen waren so nah über der Erde, die Menschen konnten den Kopf hochheben und mit den Himmelsjungfrauen sprechen.
Und die Kinder? Die fanden immer wieder eine Leiter und liefen von zu Hause weg, um Sonne und Mond am Himmel zu besuchen.
Und der Himmel? Ja, der war auch wunderschön. So schön, dass einem fast die Worte fehlten. Auf dem Fußboden waren weiße Schäfchenwolken, darüber hingen Vorhänge aus hellblauen Wölkchen, und wenn es Abend wurde, machte die Mondjungfrau die Sterne an, damit die Menschen unten auf der Erde etwas sehen konnten.
Wenn manchmal die Mondjungfrau und die Sonnenjungfrau auf die Erde gingen, dann schloss selbst die Königin der Blumen, die Rose ihre Blüte. Kein Wunder! Die Himmelsjungfrauen hatten Kleider aus weißen Wolken, auf den Köpfen hatten sie ein Diadem aus Morgenröte, und um den Bauch eine wunderschöne Schürze aus Regenbogen.
Trotz ihrer Schönheit waren sie nicht hochmütig. Sie waren freundlich, liebten die Menschen und halfen ihnen. Manchmal schoben sie auch die blauen Vorhänge zur Seite und sprachen zu ihnen.
Am liebsten mochten sie die Kinder. Die Kleinen kletterten immer wieder in den Himmel und schaukelten auf den Wolken. Jeden Abend gab die Mondjungfrau ihnen einen Stern bevor sie wieder gingen.
Doch nichts ist für die Ewigkeit. Eines Tages war unter den Leuten ein böser Mensch. Er war so böse, dass sein Herz schwarz war. So schwarz wie die schwärzeste Nacht. Dieser Mensch kletterte leise auf einer Leiter in den Himmel und trat auf die weissen Wolken mit dreckigen Sandalen, und machte die hellblauen Wolken kaputt. Dann stahl er die Regenbogenschürze der Mondjungfrau.
Die beiden Himmelsjungfrauen waren sauer. Sie ärgerten sich. Sie ärgerten sich so sehr, dass sie an dem gleichen Abend noch hoch in den Himmel gingen um dort zu leben.
Am nächsten Tag wachten die Kinder auf, schauten zum Himmel, doch wo waren die Himmelsjungfrauen? Und so riefen und weinten sie.
Der Mondjungfrau taten die Kinder leid, und sie ging auf die Erde, um mit ihnen zu spielen. Doch plötzlich kam der böse Mensch wieder, er packte die Mondjungfrau und wollte sie nicht gehen lassen.
Als die Sonnenjungfrau dies sah, nahm sie eine Nadel aus ihrem Haar und stach dem bösen Menschen damit in die Augen. Dieser ließ die Mondjungfrau los und lief weg.
Seit dieser Zeit hat die Sonnenjungfrau immer die Nadel bei sich, und wer ihr ins Gesicht sieht, dem sticht sie in die Augen.
Die Mondjungfrau aber kann bis heute die Erde unten nicht vergessen. Sie vermisst die Kinder. Wenn es Abend wird, geht sie still in den Himmel, schaut durch die Fenster in die Häuser der Menschen, und wenn die Kinder schlafen, streicht sie, mit ihren kühlen Strahlen, über ihre Haare.
“Die Mondjungfrau und die Sonnenjungfrau” Arabic legend adapted from: http://www.hekaya.de/maerchen/die-mondjungfrau-und-die-sonnenjungfrau–asien_141.html