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2020-7 Imported from YouTube, Psychosen: Wann darf man zwangseinweisen? | STRG_F

Psychosen: Wann darf man zwangseinweisen? | STRG_F

. Stell dir vor, du hast eine Psychose. Du hast Panik und fühlst dich verfolgt.

Du erkennst nicht, dass dein Wahn eine Krankheit ist.

... wollte wissen, was ich denke. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin.

Da hat sie mir gerade gesagt, dass ihr Bruder denkt,

dass der Psychologe zur Mafia gehört.

Dann habe ich auch echt Panik gekriegt.

Ich weiß noch, dass ich wirklich Panik bekam. Was ist los?

Was würdest du wollen?

Deine Freiheit behalten oder zur Therapie gezwungen werden?

*Titelmelodie*

Eine Freundin von mir ist zu Besuch.

Ihr Bruder hat eine Psychose.

Sie ist bereit, uns ihre Geschichte zu erzählen,

will aber anonym bleiben, um ihren Bruder zu schützen.

Er ist seit vier Jahren krank, will es aber nicht wahrhaben.

Er hat keine Arbeit und keine Wohnung mehr.

Sie hat Angst, dass er irgendwann auf der Straße landet.

Bei den Eltern zu Hause wird es immer schwieriger.

Da passierten dann aber auch so Sachen, dass er halt durchs Haus lief

und alle Steckdosen überprüfte, weil er dachte,

da sind ab Hörgeräte drin.

Er hat dann im Verfolgungswahn ein Taxi geklaut

und hat mit dem Taxi einen Unfall gebaut.

Hattest du mir auch mal erzählt, dass er mal selber die Polizei rief?

Ja, genau, da hat er auch gesagt: Nee, hier ist was im Zimmer usw.

Und dann kamen die auch.

Mit einem Notarzt.

Die sind dann ins Zimmer gegangen, haben mit ihm geguckt.

Natürlich war da nichts.

Die sind dann halt wieder weggefahren.

Ich weiß noch, wie meine Mutter

zusammengebrochen ist eigentlich und in Tränen ausbrach,

weil sie dachte, das kann doch jetzt nicht sein,

dass die einfach so wieder fahren, ohne etwas zu tun,

obwohl es offensichtlich ist, dass hier jemand ist,

der nicht mehr weiß, was echt ist und was nicht echt ist.

Ihre Familie wünscht sich, dass ihr Bruder zwangseingewiesen

und behandelt wird.

In Deutschland gibt es dafür zwei gesetzliche Grundlagen.

Jedes Bundesland hat ein Psychisch-Kranken-Gesetz,

wonach Personen in eine Klinik eingewiesen werden können,

wenn Gefahr besteht, dass sie sich oder andere erheblich schädigen.

Was genau "Gefahr" bedeutet, ist nicht festgelegt.

Dann gibt es noch das Betreuungsgesetz.

Ein Richter kann einen Vormund einsetzen,

der dann die Einweisung beantragen kann.

Einen Vormund für den Bruder, das hat nicht geklappt.

Eine Expertin sprach zwar mit ihm, doch er tat so, als wäre nichts.

Den krassesten Satz, den meine Mutter zu hören bekam,

von einer Hotline, wo sie anrief... - Okay, das hat sie gemacht?

... Da hat die Frau zu ihr gesagt:

Wissen Sie was? Jeder hat das Recht auf Krankheit.

Ein bis zwei von 100 Menschen erkranken in ihrem Leben

an einer Psychose.

Aber was ist das genau?

Ich habe mir einen Überblick verschafft.

Psychose ist ein Überbegriff für verschiedene psychische Erkrankungen.

Die häufigste ist die Schizophrenie.

Anzeichen dafür sind z.B. Stimmen hören und Verfolgungswahn.

Aber woher kommt das?

Auslöser eine Psychose können Lebenskrisen sein

oder traumatische Erlebnisse.

Wenn man zum ersten Mal von zu Hause aussieht, seinen Job verliert

oder ein geliebter Mensch stirbt.

Häufig spielen auch Drogen eine Rolle.

Zum Beispiel, wenn man sehr früh, mit 14, 15 beginnt regelmäßig zu kiffen.

Wir sind jetzt auf der Suche nach jemandem, der mit uns sprechen würde,

der selber Psychosen erlebt hat.

Und wir haben jetzt um die 20 Landesverbände angeschrieben

von Psychiatrieerfahrenen und Angehörigenverbände usw.

Eine Psychologin sagt,

"Das tut mir leid, ich habe im Moment keinen Betroffenen,

den ich empfehlen kann, vor der Kamera zu sprechen.

Das ist doch eine Schwierigkeit, sich als Mensch mit einer Schizophrenie

in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Was v.a. an der Realität der Stigmatisierung

in unserer Gesellschaft liegt.

Also ich hoffe, dass wir noch jemanden finden.

Weil es ja auch dann...

... gerade ...

vielleicht dieser Stigmatisierung entgegenwirken könnte,

wenn man sieht, da ist jemand,

da das hat oder hatte.

Und ist jetzt halt ein normaler Mensch, der ein normales Leben führt.

"Normal".

So, da kommt jemand, ist er das?

Nee, er kommt doch nicht rüber.

Nach drei Wochen hat sich jemand gemeldet, der mit uns reden will.

Er heißt Samuel.

Vor 20 Jahren hatte er eine Psychose.

Ah, guck mal. Da kommt jetzt jemand. Mit dem grauen Pulli.

*Hund bellt*

Hallo.

Ich gehe mal davon aus, du bist Samuel.

Hi. Ich bin Simone. - Moin.

Ich wollte dich mitnehmen.

Samuel erzählt mir, dass es schleichend anfing.

Plötzlich sah er überall Verbindungen,

es gab keine Zufälle mehr.

Auf einer Zugfahrt merkte er selbst, dass es das nicht stimmt.

Auf der Fahrt hatte ich schon eine krasse...

...Geschichte, dass ich äh...

eine Zigarette geraucht habe.

Damals durfte man im Zug noch rauchen.

Schon sehr lange her.

Ich machte mir eine Zigarette an und merkte, die Zigarette ist leer.

Und ich hatte einen Filmriss von 10 min,

wo ich dachte, wieso ist die Zigarette leer?

Okay.

Also meine Erklärung dafür ist, dass ich einfach so viel

so schnell gedacht habe und so wenig auf die Zigarette geachtet habe,

dass es ein Aufmerksamkeitsding war.

Aber das ging über die ganze Fahrt.

Das Gefühl, dass... wie so Phasen, wo mir Zeit fehlt einfach.

Dann ganz krass extrem Ängste, dass Leute wissen, was ich denke.

Die schlimmsten Gedanken, die ich denke.

Ich muss aufpassen,was ich denke. Die Leute wissen das.

Ich weiß wirklich, in meinem Tagebuch...

Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. - Ja. - Völlig...

Ein alter Freund von mir hat früher Kung-Fu gemacht.

Der hat mir irgendwann komische Handzeichen beigebracht.

Man macht so, dann so. So Kontraktionsübungen.

Ich habe das umgewandelt und gesagt, das sind Magieübungen.

Und damit kann ich die Energie

aufnehmen und verwandeln.

Und an dem einen Tag habe ich das Zeichen für Feuer entdeckt.

Und am Abend klingelte das Telefon:

Ja. Deine Mutter ist am Telefon. Deine Mutter: Ja, was ist los?

Ja, also mach dir keine Sorgen, es ist nichts passiert,

aber das Haus ist abgebrannt. - Oh, nein.

What the fuck?

An dem Tag, an dem ich das Feu*.. Da muss ich doch was gemacht haben.

Damals machte Samuel eine Schauspielausbildung.

Und in seinem Leben lief einiges schief.

Das Geld war knapp, dann wurde auch sein BAföG Antrag abgelehnt.

Er kiffte regelmäßig. Experimentierte mit härteren Drogen.

Und letzten Endes kam eine Klassenkameradin mit einem Lehrer

zu mir nach Hause.

Sie meinte: Samuel, wir haben das Gefühl, dir geht es nicht gut.

Wir würden dich gerne mal wohin bringen. Okay.

Die haben nicht gesagt, wohin und was.

Nein, die sagten nur, pack mal auch eine Zahnbürste mit ein. Okay.

Du bist einfach komplett...? - Ja, genau. Ich bin dann mitgefahren.

Und dann war ich daher erst mal so.

Das hat glaube ich aber so zwei Wochen gedauert,

bevor ich auch nur im Ansatz wusste, wo ich bin.

Samuel blieb zwei Monate lang in der Klinik.

Freiwillig.

Es hat ihm geholfen, doch er hat auch Zwangsmaßnahmen erlebt.

Das will er uns beim nächsten Mal erzählen.

Er lädt uns ein, ihn zu Hause zu besuchen.

Ich bekomme eine Nachricht von meiner Freundin.

Es sind ausnahmsweise positive Neuigkeiten.

Ihr Bruder holt sich Hilfe. Von sich aus.

Die Frage, wann zwangseingewiesen werden kann,

wird durchaus diskutiert.

In Köln treffen wir einen Psychiater, der sich entschieden äußert.

Er sagt, man solle früh einschreiten, um Schlimmeres zu verhindern.

Wie es in anderen Ländern wie in Spanien bereits passiert.

Können Sie vielleicht beschreiben, welche Erfahrungen Sie haben

mit Menschen, die zwangseingewiesen wurden, weil sie eine Psychose haben?

Es gibt viele Fälle, wo Menschen, die schwer psychisch krank sind,

die eine schizophrene Psychose z.B. haben,

in einer Akutphase sind,

und sich ihr Leben ruinieren, aber wo man nicht eingreifen kann.

Und diese Menschen sind nachher selbst darüber erschüttert,

dass man sie nicht daran geändert hat, ihr Leben zu zerstören.

Was eine Zwangseinweisung bedeutet, heißt eigentlich,

dass man die Freiheit des Patienten schützt vor seiner Psychose.

Ob ein Mensch eine Gefahr ist und damit zwangseingewiesen werden kann,

entscheidet in Deutschland ein Richter.

Natürlich hat er vorher ein Gutachten von einem Psychiater.

Therapie mit Medikamenten und Psychotherapie ist Hilfe.

Das muss man mal sagen. Das ist keine Folter.

Das ist Hilfe.

Wir brauchen Richter,

die aufgeklärt

tatsächlich Gesetze so anwenden, dass es dem Patienten nutzt.

Und nicht nur Richter, die einen abstrakten Freiheitsbegriff haben,

wo dann die Psychiatrie das Gegenteil von Freiheit ist.

Das ist Schwachsinn.

Also ich bin sehr für Freiheit,

aber der Zustand der akuten Psychose ist kein Zustand der Freiheit.

Lütz meint, viele Richter hätten ein veraltetes Psychiatriebild.

Das können wir schwer nachprüfen.

Von meiner Freundin gibt es leider schlechte Neuigkeiten.

Sie ist jetzt gerade zu Hause, wo ihr Bruder auch ist.

Und sie sagt, es ist ganz schlimm und es sei schlimm auszuhalten.

Jetzt hat sie mir gerade gesagt, dass ihr Bruder denkt,

dass der Psychologe zur Mafia gehört

und das ganze Krankenhaus zur Mafia gehört.

Und er da auf gar keinen Fall wieder hin will.

*Stöhnt auf*

Im Internet finden wir Webseiten von Verbänden,

die Zwang in der Psychiatrie kritisch sehen.

Der Bundesverband Psychiatrieerfahrener

ist einer der extremsten Kritiker und veröffentlicht Erfahrungsberichte

von Betroffenen.

"Zwei Pfleger hielten meine Arme, der dritte kniete sich auf meine Knie

und der vierte versuchte mit der Krankenschwester,

nach der ich noch trat, mich mit den Gurten zu fesseln.

Sie gaben mir beim Fixieren noch zwei Spritzen

und zwar rechts und links in die Oberschenkel. Ich schlief ein."

Und das alles, wenn man in seinem Wahn eh schon Todesangst hat.

Das muss sich furchtbar anfühlen.

Die können wir natürlich alle nicht nachprüfen.

Und es ist glaube ich zum Teil auch Erfahrung, die etwas zurückliegt.

Wie gesagt, wir können es nicht wirklich nachprüfen,

ob das so passiert und was genau.

Trotzdem wollen wir zeigen, dass es auch solche Kritiker gibt.

Worüber ich auch die ganze Zeit nachdenken muss, ist das Grundgesetz.

Da steht nämlich in Art.2

Absatz 2:

"Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Die Freiheit der Person ist unverletzlich.

In diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden."

Es steht irgendwie in dem gleichen Absatz unseres Grundgesetzes.

Da steht die Freiheit und die Unversehrtheit.

Und beides soll gewahrt werden.

Aber im Falle einer Psychose

finde ich super schwer zu entscheiden,

wo hört die Freiheit auf,

damit man die Unversehrtheit schützen kann und umgekehrt.

Klar, das Gesetz, mit dem man in diese Rechte eingreifen könnte,

wäre das Psychisch-Kranken-Gesetz.

Und das sagt ja, dass jemand zwangseingewiesen werden kann,

wenn er eine Gefahr für sich oder andere ist.

Aber was ist eine Gefahr?

Was ist, wenn jemand obdachlos wird?

Weil er durch seine Psychose keinen Job, keine Wohnung mehr halten kann,

und dann auf der Straße lebt.

Ist das auch eine Gefahr für sich selber?

Wir treffen Rabea.

Sie ist Psychologin und beschäftigt sich hauptsächlich mit Psychosen

und Zwang in der Psychiatrie.

Sie sieht Zwang kritisch.

Die Leute sind ja aber nicht, das ist jetzt gemein ausgedrückt,

nicht wirklich klar im Kopf.

Und können vielleicht gar nicht entscheiden,

was für sie das beste ist.

Ist es dann nicht wirklich wie unterlassene Hilfeleistung?

Dass man dieser Person nicht hilft, auch wenn es bisschen erzwungen ist.

Aber dafür geht es ihr danach dann besser.

In vielen Fällen helfen Medikamente, aber auch nicht in allen Fällen.

Es gibt auch die Menschen, denen es danach noch schlimmer geht als zuvor.

Die z.B. ganz stark traumatisiert sind im Nachhinein.

Ich glaube, wir als Hilfesystem sollten auch daran arbeiten,

zu versuchen, die Leute zu erreichen.

Was meinst du damit?

Dass man dazu auch Alternativen aufführt.

Ich komme einmal die Woche bei Ihnen vorbei

als Psychologe oder Psychiater.

Das ist jetzt ein Konzept, das es nur vereinzelt gibt.

Aber solche Ansätze gibt es.

Rabea hat auch Verständnis dafür,

dass viele die Medikamente nicht nehmen wollen.

Denn die haben starke Nebenwirkungen.

Was es ganz oft gibt, ist so etwas wie Gewichtszunahme.

Oder so was.

Und ich glaube, was mit am schlimmsten ist für die Leute,

du kannst einfach nicht richtig denken.

Du hast keine Konzentrationsspanne, du kannst dir nichts merken.

All das funktioniert einfach nicht richtig.

Ich finde es krass, dass ich von Rabea gehört habe,

dass die Medikamente so krasse Nebenwirkungen haben.

Da kann man natürlich verstehen, dass Leute das nicht nehmen wollen.

Und auch, dass die Medikamente nicht immer wirken.

Das finde ich auch interessant.

Und was ich auch wichtig finde, was ich gelernt habe aus dem Gespräch,

ist, Zwang noch mal ein Trauma hinterlassen kann,

was die Psychose vielleicht noch schlimmer macht.

Das gibt mir jetzt zu denken.

Man will die Situation der Menschen ja nicht verschlimmern.

Samuel kann heute ohne Medikamente leben.

Er hat uns eingeladen, um uns eine Kiste mit Erinnerungen

aus seiner Klinikzeit zu zeigen.

Ja. - Was hast du denn da?

Also es sind hauptsächlich geschriebenen Sachen? - Genau.

Aber ich habe... So richtig gelesen habe ich es auch schon lange nicht.

So was, das ist auch z.B...

Das ist einfach Fake Chinesisch.

Das sind Sachen, da sage ich, das ist schon ein bisschen peinlich.

"Strich zum Punkt hin!"

Strich zum Punkt hin?

"Schlängelung zum Punkt? Genau."

What the Fuck?

Ägypter.

Ja, das macht Sinn mit Pyramiden. Aber solche Sachen...

Das macht Sinn? - Naja, da ist eine Pyramide, daneben Ägypter schreiben.

Klar, das macht Sinn.

Aber warum hast du da überhaupt eine Pyramide gemalt? Weißt du das?

Ich habe das Zeichen der Illuminati auseinandergenommen.

*Verschiedene Gesprächsfetzen übereinander gelagert*

"Serotonin, Dopamin, THC." Ich habe mich viel damit beschäftigt.

In Samuels Kopf ging damals viel durcheinander.

An einem Tag beschließt er, aus der Klinik abzuhauen.

Er will eine große Show abziehen, um die Pfleger abzulenken.

Und ich bin richtig abgegangen. Bin zu Tür, es war nach neun.

Es war zugeschlossen. Ich begann, gegen die Tür zu treten.

Ich konnte ja jetzt auch Karate wie Neo in Matrix. - Natürlich.

Und ich weiß nicht, ob tatsächlich ein Riss reinging,

aber auf jeden Fall war dass der Moment, wo die Alarmglocken gehen.

Dann kamen klassischer Weise die großen, starken Jungs

in den weißen Turnschuhen.

Sie haben mich dann abtransportiert, ins Erdgeschoss,

wo die Geschlossene ist.

Okay. Und was passierte dann?

Und dann wollte ich auch noch abhauen, wollte ganz raus.

Ich wurde wieder eingefangen. Dann bekam ich Panik.

Ich weiß, dass ich wirklich Panik bekam, was jetzt los ist.

Ich würde dann in ein kleines Zimmer gebracht.

Und da ist so ein großes Brett, so ein Kreuzbrett,

wo man dran festgeschnallt wird.

Und ja, wenn du dich wehrst... Du musst ja festgehalten werden.

Dann wirst du festgeschnallt, dann gibt es die harten Medikamente

per Spritze.

Die wurden dir dann gespritzt? - Genau.

Und dann habe ich noch eine Stunde lang eine Show gemacht da drinnen

für die Überwachungskamera. - Trotz der Medikamente? - Ja.

Das dauert eine Weile, bis das wirklich so... - Okay.

Und ich habe dann inklusive Werbeunterbrechung,

noch mal eine große Botschaft in die Welt versucht, loszuwerden.

Was heißt Werbeunterbrechung? - Ich habe zwischendrin Werbung gemacht

für die Leute, die zuschauten.

Und dann war ich sediert.

Und dann war ich für drei Tage sediert, habe nichts mitbekommen.

Beschäftigt dich das nicht mehr?

Ist das einfach abgeschlossen in deinem Kopf?

Oder wie kommt das, dass du da so locker, lustig drüber redest?

Also erstens, ja, es ist abgeschlossen.

Ich weiß, dass es eine Geschichte war, die mir passiert ist.

Und ich sehe das wie ein Abenteuer.

Und B...

ist Humor letzten Endes für mich schon immer ein Mittel gewesen,

um damit umzugehen.

Wie hat sich das für dich angefühlt, dass die dich festgeschnallt haben.

Schrecklich, man kriegt einfach Angst in der Situation und wird emotional.

Ich glaube tatsächlich,

in vielen Situationen muss es doch ein Training geben,

dass man sagt: Okay, Deeskalation wieder.

Zu sagen, wie kriegt man das Level wieder runter,

wie nimmt man die Angst aus so Situationen raus? - Ja.

Im Nachhinein kann Sammel verstehen, warum die Ärzte so reagierten.

Aber generell gehe durch Zwangsmaßnahmen Vertrauen verloren.

Samuel findet, man müsse alles versuchen,

um die Betroffenen anders zu erreichen.

Es haben uns ja auch Psychologen, eine Psychologin erzählt,

man soll im Kontakt bleiben,

man soll wahrnehmen, was der andere für Ängste durchmacht.

Und dass man sagt, ich verstehe das.

Ich kann das zwar nicht nachvollziehen,aber ich verstehe das.

Das hört sich alles in der Theorie total richtig an.

Und dann höre ich meine Freundin, die mir erzählt,

jetzt ist wieder das und das und das passiert und sehe,

wie schlimm sie das belastet.

Und sie kann aber auch nicht den Abstand gewinnen,

weil das ihr Bruder ist, den sie lieb hat.

Und den sie nicht einfach aufgeben kann.

Ich weiß, das ist schwer, ich kann das ja auch nicht.

Es ist schwer, zu akzeptieren,

dass es vielleicht einfach auch nicht einen richtigen Weg gibt.

Dass es nicht den richtigen Weg gibt:

Du gehst in die Therapie, lässt dich behandeln

und danach bist du gesund.

Samuel brauchte damals zwei Jahre,

um sein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen.

Meine Freundin hat die Hoffnung, dass ihr Bruder das alleine schafft,

aufgegeben.

Sie hofft immer noch, dass er irgendwann

zur Behandlung gezwungen werden kann.

Wir haben mit vielen Psychologen und Psychiatern über Zwang gesprochen.

Und einige meinten, dass Zwang auch noch mal ein Trauma auslösen kann.

Dass es das viel schlimmer machen kann usw.

Was würdest du zu denen sagen oder dazu?

So wie mein Bruder momentan ist und wie er sich als nicht krank sieht...

Also er wird dann nicht rauskommen,

wenn er nicht zwangseingewiesen wird.

Also wenn man das nicht hautnah miterlebt hat,

wie das Leben mit so einem kranken Menschen abläuft,

dann kann man sich das nicht mal ansatzweise vorstellen,

was da abgeht und wie schlimm das ist.

Und wie fertigt es eine ganze Familie machen kann.

Meiner Meinung nach, ist er auch schon eine Gefahr für sich.

Weil er sein Leben zerstört.

Ich habe das Gefühl, ich bin noch genauso hilflos wie vorher.

Was ich am meisten gelernt habe, dass es unfassbar kompliziert ist.

Und super schwer ist.

Dass es so eine dünne Linie ist, zu entscheiden,

wann hört die Freiheit eines Menschen auf

und wann kann ich über den fremdbestimmen.

Ja, es gibt bestimmt die Leute, die zwangseingewiesen wurden,

zwangsbehandelt wurden und hinterher darüber glücklich sind und dankbar,

dass man ihnen geholfen hat.

Und es gibt aber genauso die Leute, das haben wir jetzt gelernt,

die danach auch traumatisiert sind und es ganz schlimm finden.

Und das weißt du vorher ja nicht.

Wie dieser Mensch das dann erleben wird.

Was würdest du wollen, wenn du plötzlich Stimmen hörst

oder du dich verfolgt fühlst, Panik hast?

Willst du, dass man dich zwangseinweist?

Wir freuen uns auf eure Antworten.

Hier könnt ihr noch zwei Filme gucken und uns abonnieren.

Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk


Psychosen: Wann darf man zwangseinweisen? | STRG_F Psychosis: when is it okay to forcibly commit? | CTRL_F Psikozlar: Bir kişi ne zaman zorunlu olarak kabul edilebilir? | CTRL_F

. Stell dir vor, du hast eine Psychose. Du hast Panik und fühlst dich verfolgt.

Du erkennst nicht, dass dein Wahn eine Krankheit ist.

... wollte wissen, was ich denke. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin.

Da hat sie mir gerade gesagt, dass ihr Bruder denkt,

dass der Psychologe zur Mafia gehört.

Dann habe ich auch echt Panik gekriegt.

Ich weiß noch, dass ich wirklich Panik bekam. Was ist los?

Was würdest du wollen?

Deine Freiheit behalten oder zur Therapie gezwungen werden?

*Titelmelodie*

Eine Freundin von mir ist zu Besuch.

Ihr Bruder hat eine Psychose.

Sie ist bereit, uns ihre Geschichte zu erzählen,

will aber anonym bleiben, um ihren Bruder zu schützen.

Er ist seit vier Jahren krank, will es aber nicht wahrhaben.

Er hat keine Arbeit und keine Wohnung mehr.

Sie hat Angst, dass er irgendwann auf der Straße landet.

Bei den Eltern zu Hause wird es immer schwieriger.

Da passierten dann aber auch so Sachen, dass er halt durchs Haus lief

und alle Steckdosen überprüfte, weil er dachte,

da sind ab Hörgeräte drin.

Er hat dann im Verfolgungswahn ein Taxi geklaut

und hat mit dem Taxi einen Unfall gebaut.

Hattest du mir auch mal erzählt, dass er mal selber die Polizei rief?

Ja, genau, da hat er auch gesagt: Nee, hier ist was im Zimmer usw.

Und dann kamen die auch.

Mit einem Notarzt.

Die sind dann ins Zimmer gegangen, haben mit ihm geguckt.

Natürlich war da nichts.

Die sind dann halt wieder weggefahren.

Ich weiß noch, wie meine Mutter

zusammengebrochen ist eigentlich und in Tränen ausbrach,

weil sie dachte, das kann doch jetzt nicht sein,

dass die einfach so wieder fahren, ohne etwas zu tun,

obwohl es offensichtlich ist, dass hier jemand ist,

der nicht mehr weiß, was echt ist und was nicht echt ist.

Ihre Familie wünscht sich, dass ihr Bruder zwangseingewiesen

und behandelt wird.

In Deutschland gibt es dafür zwei gesetzliche Grundlagen.

Jedes Bundesland hat ein Psychisch-Kranken-Gesetz,

wonach Personen in eine Klinik eingewiesen werden können,

wenn Gefahr besteht, dass sie sich oder andere erheblich schädigen.

Was genau "Gefahr" bedeutet, ist nicht festgelegt.

Dann gibt es noch das Betreuungsgesetz.

Ein Richter kann einen Vormund einsetzen,

der dann die Einweisung beantragen kann.

Einen Vormund für den Bruder, das hat nicht geklappt.

Eine Expertin sprach zwar mit ihm, doch er tat so, als wäre nichts.

Den krassesten Satz, den meine Mutter zu hören bekam,

von einer Hotline, wo sie anrief... - Okay, das hat sie gemacht?

... Da hat die Frau zu ihr gesagt:

Wissen Sie was? Jeder hat das Recht auf Krankheit.

Ein bis zwei von 100 Menschen erkranken in ihrem Leben

an einer Psychose.

Aber was ist das genau?

Ich habe mir einen Überblick verschafft.

Psychose ist ein Überbegriff für verschiedene psychische Erkrankungen.

Die häufigste ist die Schizophrenie.

Anzeichen dafür sind z.B. Stimmen hören und Verfolgungswahn.

Aber woher kommt das?

Auslöser eine Psychose können Lebenskrisen sein

oder traumatische Erlebnisse.

Wenn man zum ersten Mal von zu Hause aussieht, seinen Job verliert

oder ein geliebter Mensch stirbt.

Häufig spielen auch Drogen eine Rolle.

Zum Beispiel, wenn man sehr früh, mit 14, 15 beginnt regelmäßig zu kiffen.

Wir sind jetzt auf der Suche nach jemandem, der mit uns sprechen würde,

der selber Psychosen erlebt hat.

Und wir haben jetzt um die 20 Landesverbände angeschrieben

von Psychiatrieerfahrenen und Angehörigenverbände usw.

Eine Psychologin sagt,

"Das tut mir leid, ich habe im Moment keinen Betroffenen,

den ich empfehlen kann, vor der Kamera zu sprechen.

Das ist doch eine Schwierigkeit, sich als Mensch mit einer Schizophrenie

in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Was v.a. an der Realität der Stigmatisierung

in unserer Gesellschaft liegt.

Also ich hoffe, dass wir noch jemanden finden.

Weil es ja auch dann...

... gerade ...

vielleicht dieser Stigmatisierung entgegenwirken könnte,

wenn man sieht, da ist jemand,

da das hat oder hatte.

Und ist jetzt halt ein normaler Mensch, der ein normales Leben führt.

"Normal".

So, da kommt jemand, ist er das?

Nee, er kommt doch nicht rüber.

Nach drei Wochen hat sich jemand gemeldet, der mit uns reden will.

Er heißt Samuel.

Vor 20 Jahren hatte er eine Psychose.

Ah, guck mal. Da kommt jetzt jemand. Mit dem grauen Pulli.

*Hund bellt*

Hallo.

Ich gehe mal davon aus, du bist Samuel.

Hi. Ich bin Simone. - Moin.

Ich wollte dich mitnehmen.

Samuel erzählt mir, dass es schleichend anfing.

Plötzlich sah er überall Verbindungen,

es gab keine Zufälle mehr.

Auf einer Zugfahrt merkte er selbst, dass es das nicht stimmt.

Auf der Fahrt hatte ich schon eine krasse...

...Geschichte, dass ich äh...

eine Zigarette geraucht habe.

Damals durfte man im Zug noch rauchen.

Schon sehr lange her.

Ich machte mir eine Zigarette an und merkte, die Zigarette ist leer.

Und ich hatte einen Filmriss von 10 min,

wo ich dachte, wieso ist die Zigarette leer?

Okay.

Also meine Erklärung dafür ist, dass ich einfach so viel

so schnell gedacht habe und so wenig auf die Zigarette geachtet habe,

dass es ein Aufmerksamkeitsding war.

Aber das ging über die ganze Fahrt.

Das Gefühl, dass... wie so Phasen, wo mir Zeit fehlt einfach.

Dann ganz krass extrem Ängste, dass Leute wissen, was ich denke.

Die schlimmsten Gedanken, die ich denke.

Ich muss aufpassen,was ich denke. Die Leute wissen das.

Ich weiß wirklich, in meinem Tagebuch...

Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. - Ja. - Völlig...

Ein alter Freund von mir hat früher Kung-Fu gemacht.

Der hat mir irgendwann komische Handzeichen beigebracht.

Man macht so, dann so. So Kontraktionsübungen.

Ich habe das umgewandelt und gesagt, das sind Magieübungen.

Und damit kann ich die Energie

aufnehmen und verwandeln.

Und an dem einen Tag habe ich das Zeichen für Feuer entdeckt.

Und am Abend klingelte das Telefon:

Ja. Deine Mutter ist am Telefon. Deine Mutter: Ja, was ist los?

Ja, also mach dir keine Sorgen, es ist nichts passiert,

aber das Haus ist abgebrannt. - Oh, nein.

What the fuck?

An dem Tag, an dem ich das Feu*.. Da muss ich doch was gemacht haben.

Damals machte Samuel eine Schauspielausbildung.

Und in seinem Leben lief einiges schief.

Das Geld war knapp, dann wurde auch sein BAföG Antrag abgelehnt.

Er kiffte regelmäßig. Experimentierte mit härteren Drogen.

Und letzten Endes kam eine Klassenkameradin mit einem Lehrer

zu mir nach Hause.

Sie meinte: Samuel, wir haben das Gefühl, dir geht es nicht gut.

Wir würden dich gerne mal wohin bringen. Okay.

Die haben nicht gesagt, wohin und was.

Nein, die sagten nur, pack mal auch eine Zahnbürste mit ein. Okay.

Du bist einfach komplett...? - Ja, genau. Ich bin dann mitgefahren.

Und dann war ich daher erst mal so.

Das hat glaube ich aber so zwei Wochen gedauert,

bevor ich auch nur im Ansatz wusste, wo ich bin.

Samuel blieb zwei Monate lang in der Klinik.

Freiwillig.

Es hat ihm geholfen, doch er hat auch Zwangsmaßnahmen erlebt.

Das will er uns beim nächsten Mal erzählen.

Er lädt uns ein, ihn zu Hause zu besuchen.

Ich bekomme eine Nachricht von meiner Freundin.

Es sind ausnahmsweise positive Neuigkeiten.

Ihr Bruder holt sich Hilfe. Von sich aus.

Die Frage, wann zwangseingewiesen werden kann,

wird durchaus diskutiert.

In Köln treffen wir einen Psychiater, der sich entschieden äußert.

Er sagt, man solle früh einschreiten, um Schlimmeres zu verhindern.

Wie es in anderen Ländern wie in Spanien bereits passiert.

Können Sie vielleicht beschreiben, welche Erfahrungen Sie haben

mit Menschen, die zwangseingewiesen wurden, weil sie eine Psychose haben?

Es gibt viele Fälle, wo Menschen, die schwer psychisch krank sind,

die eine schizophrene Psychose z.B. haben,

in einer Akutphase sind,

und sich ihr Leben ruinieren, aber wo man nicht eingreifen kann.

Und diese Menschen sind nachher selbst darüber erschüttert,

dass man sie nicht daran geändert hat, ihr Leben zu zerstören.

Was eine Zwangseinweisung bedeutet, heißt eigentlich,

dass man die Freiheit des Patienten schützt vor seiner Psychose.

Ob ein Mensch eine Gefahr ist und damit zwangseingewiesen werden kann,

entscheidet in Deutschland ein Richter.

Natürlich hat er vorher ein Gutachten von einem Psychiater.

Therapie mit Medikamenten und Psychotherapie ist Hilfe.

Das muss man mal sagen. Das ist keine Folter.

Das ist Hilfe.

Wir brauchen Richter,

die aufgeklärt

tatsächlich Gesetze so anwenden, dass es dem Patienten nutzt.

Und nicht nur Richter, die einen abstrakten Freiheitsbegriff haben,

wo dann die Psychiatrie das Gegenteil von Freiheit ist.

Das ist Schwachsinn.

Also ich bin sehr für Freiheit,

aber der Zustand der akuten Psychose ist kein Zustand der Freiheit.

Lütz meint, viele Richter hätten ein veraltetes Psychiatriebild.

Das können wir schwer nachprüfen.

Von meiner Freundin gibt es leider schlechte Neuigkeiten.

Sie ist jetzt gerade zu Hause, wo ihr Bruder auch ist.

Und sie sagt, es ist ganz schlimm und es sei schlimm auszuhalten.

Jetzt hat sie mir gerade gesagt, dass ihr Bruder denkt,

dass der Psychologe zur Mafia gehört

und das ganze Krankenhaus zur Mafia gehört.

Und er da auf gar keinen Fall wieder hin will.

*Stöhnt auf*

Im Internet finden wir Webseiten von Verbänden,

die Zwang in der Psychiatrie kritisch sehen.

Der Bundesverband Psychiatrieerfahrener

ist einer der extremsten Kritiker und veröffentlicht Erfahrungsberichte

von Betroffenen.

"Zwei Pfleger hielten meine Arme, der dritte kniete sich auf meine Knie

und der vierte versuchte mit der Krankenschwester,

nach der ich noch trat, mich mit den Gurten zu fesseln.

Sie gaben mir beim Fixieren noch zwei Spritzen

und zwar rechts und links in die Oberschenkel. Ich schlief ein."

Und das alles, wenn man in seinem Wahn eh schon Todesangst hat.

Das muss sich furchtbar anfühlen.

Die können wir natürlich alle nicht nachprüfen.

Und es ist glaube ich zum Teil auch Erfahrung, die etwas zurückliegt.

Wie gesagt, wir können es nicht wirklich nachprüfen,

ob das so passiert und was genau.

Trotzdem wollen wir zeigen, dass es auch solche Kritiker gibt.

Worüber ich auch die ganze Zeit nachdenken muss, ist das Grundgesetz.

Da steht nämlich in Art.2

Absatz 2:

"Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Die Freiheit der Person ist unverletzlich.

In diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden."

Es steht irgendwie in dem gleichen Absatz unseres Grundgesetzes.

Da steht die Freiheit und die Unversehrtheit.

Und beides soll gewahrt werden.

Aber im Falle einer Psychose

finde ich super schwer zu entscheiden,

wo hört die Freiheit auf,

damit man die Unversehrtheit schützen kann und umgekehrt.

Klar, das Gesetz, mit dem man in diese Rechte eingreifen könnte,

wäre das Psychisch-Kranken-Gesetz.

Und das sagt ja, dass jemand zwangseingewiesen werden kann,

wenn er eine Gefahr für sich oder andere ist.

Aber was ist eine Gefahr?

Was ist, wenn jemand obdachlos wird?

Weil er durch seine Psychose keinen Job, keine Wohnung mehr halten kann,

und dann auf der Straße lebt.

Ist das auch eine Gefahr für sich selber?

Wir treffen Rabea.

Sie ist Psychologin und beschäftigt sich hauptsächlich mit Psychosen

und Zwang in der Psychiatrie.

Sie sieht Zwang kritisch.

Die Leute sind ja aber nicht, das ist jetzt gemein ausgedrückt,

nicht wirklich klar im Kopf.

Und können vielleicht gar nicht entscheiden,

was für sie das beste ist.

Ist es dann nicht wirklich wie unterlassene Hilfeleistung?

Dass man dieser Person nicht hilft, auch wenn es bisschen erzwungen ist.

Aber dafür geht es ihr danach dann besser.

In vielen Fällen helfen Medikamente, aber auch nicht in allen Fällen.

Es gibt auch die Menschen, denen es danach noch schlimmer geht als zuvor.

Die z.B. ganz stark traumatisiert sind im Nachhinein.

Ich glaube, wir als Hilfesystem sollten auch daran arbeiten,

zu versuchen, die Leute zu erreichen.

Was meinst du damit?

Dass man dazu auch Alternativen aufführt.

Ich komme einmal die Woche bei Ihnen vorbei

als Psychologe oder Psychiater.

Das ist jetzt ein Konzept, das es nur vereinzelt gibt.

Aber solche Ansätze gibt es.

Rabea hat auch Verständnis dafür,

dass viele die Medikamente nicht nehmen wollen.

Denn die haben starke Nebenwirkungen.

Was es ganz oft gibt, ist so etwas wie Gewichtszunahme.

Oder so was.

Und ich glaube, was mit am schlimmsten ist für die Leute,

du kannst einfach nicht richtig denken.

Du hast keine Konzentrationsspanne, du kannst dir nichts merken.

All das funktioniert einfach nicht richtig.

Ich finde es krass, dass ich von Rabea gehört habe,

dass die Medikamente so krasse Nebenwirkungen haben.

Da kann man natürlich verstehen, dass Leute das nicht nehmen wollen.

Und auch, dass die Medikamente nicht immer wirken.

Das finde ich auch interessant.

Und was ich auch wichtig finde, was ich gelernt habe aus dem Gespräch,

ist, Zwang noch mal ein Trauma hinterlassen kann,

was die Psychose vielleicht noch schlimmer macht.

Das gibt mir jetzt zu denken.

Man will die Situation der Menschen ja nicht verschlimmern.

Samuel kann heute ohne Medikamente leben.

Er hat uns eingeladen, um uns eine Kiste mit Erinnerungen

aus seiner Klinikzeit zu zeigen.

Ja. - Was hast du denn da?

Also es sind hauptsächlich geschriebenen Sachen? - Genau.

Aber ich habe... So richtig gelesen habe ich es auch schon lange nicht.

So was, das ist auch z.B...

Das ist einfach Fake Chinesisch.

Das sind Sachen, da sage ich, das ist schon ein bisschen peinlich.

"Strich zum Punkt hin!"

Strich zum Punkt hin?

"Schlängelung zum Punkt? Genau."

What the Fuck?

Ägypter.

Ja, das macht Sinn mit Pyramiden. Aber solche Sachen...

Das macht Sinn? - Naja, da ist eine Pyramide, daneben Ägypter schreiben.

Klar, das macht Sinn.

Aber warum hast du da überhaupt eine Pyramide gemalt? Weißt du das?

Ich habe das Zeichen der Illuminati auseinandergenommen.

*Verschiedene Gesprächsfetzen übereinander gelagert*

"Serotonin, Dopamin, THC." Ich habe mich viel damit beschäftigt.

In Samuels Kopf ging damals viel durcheinander.

An einem Tag beschließt er, aus der Klinik abzuhauen.

Er will eine große Show abziehen, um die Pfleger abzulenken.

Und ich bin richtig abgegangen. Bin zu Tür, es war nach neun.

Es war zugeschlossen. Ich begann, gegen die Tür zu treten.

Ich konnte ja jetzt auch Karate wie Neo in Matrix. - Natürlich.

Und ich weiß nicht, ob tatsächlich ein Riss reinging,

aber auf jeden Fall war dass der Moment, wo die Alarmglocken gehen.

Dann kamen klassischer Weise die großen, starken Jungs

in den weißen Turnschuhen.

Sie haben mich dann abtransportiert, ins Erdgeschoss,

wo die Geschlossene ist.

Okay. Und was passierte dann?

Und dann wollte ich auch noch abhauen, wollte ganz raus.

Ich wurde wieder eingefangen. Dann bekam ich Panik.

Ich weiß, dass ich wirklich Panik bekam, was jetzt los ist.

Ich würde dann in ein kleines Zimmer gebracht.

Und da ist so ein großes Brett, so ein Kreuzbrett,

wo man dran festgeschnallt wird.

Und ja, wenn du dich wehrst... Du musst ja festgehalten werden.

Dann wirst du festgeschnallt, dann gibt es die harten Medikamente

per Spritze.

Die wurden dir dann gespritzt? - Genau.

Und dann habe ich noch eine Stunde lang eine Show gemacht da drinnen

für die Überwachungskamera. - Trotz der Medikamente? - Ja.

Das dauert eine Weile, bis das wirklich so... - Okay.

Und ich habe dann inklusive Werbeunterbrechung,

noch mal eine große Botschaft in die Welt versucht, loszuwerden.

Was heißt Werbeunterbrechung? - Ich habe zwischendrin Werbung gemacht

für die Leute, die zuschauten.

Und dann war ich sediert.

Und dann war ich für drei Tage sediert, habe nichts mitbekommen.

Beschäftigt dich das nicht mehr?

Ist das einfach abgeschlossen in deinem Kopf?

Oder wie kommt das, dass du da so locker, lustig drüber redest?

Also erstens, ja, es ist abgeschlossen.

Ich weiß, dass es eine Geschichte war, die mir passiert ist.

Und ich sehe das wie ein Abenteuer.

Und B...

ist Humor letzten Endes für mich schon immer ein Mittel gewesen,

um damit umzugehen.

Wie hat sich das für dich angefühlt, dass die dich festgeschnallt haben.

Schrecklich, man kriegt einfach Angst in der Situation und wird emotional.

Ich glaube tatsächlich,

in vielen Situationen muss es doch ein Training geben,

dass man sagt: Okay, Deeskalation wieder.

Zu sagen, wie kriegt man das Level wieder runter,

wie nimmt man die Angst aus so Situationen raus? - Ja.

Im Nachhinein kann Sammel verstehen, warum die Ärzte so reagierten.

Aber generell gehe durch Zwangsmaßnahmen Vertrauen verloren.

Samuel findet, man müsse alles versuchen,

um die Betroffenen anders zu erreichen.

Es haben uns ja auch Psychologen, eine Psychologin erzählt,

man soll im Kontakt bleiben,

man soll wahrnehmen, was der andere für Ängste durchmacht.

Und dass man sagt, ich verstehe das.

Ich kann das zwar nicht nachvollziehen,aber ich verstehe das.

Das hört sich alles in der Theorie total richtig an.

Und dann höre ich meine Freundin, die mir erzählt,

jetzt ist wieder das und das und das passiert und sehe,

wie schlimm sie das belastet.

Und sie kann aber auch nicht den Abstand gewinnen,

weil das ihr Bruder ist, den sie lieb hat.

Und den sie nicht einfach aufgeben kann.

Ich weiß, das ist schwer, ich kann das ja auch nicht.

Es ist schwer, zu akzeptieren,

dass es vielleicht einfach auch nicht einen richtigen Weg gibt.

Dass es nicht den richtigen Weg gibt:

Du gehst in die Therapie, lässt dich behandeln

und danach bist du gesund.

Samuel brauchte damals zwei Jahre,

um sein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen.

Meine Freundin hat die Hoffnung, dass ihr Bruder das alleine schafft,

aufgegeben.

Sie hofft immer noch, dass er irgendwann

zur Behandlung gezwungen werden kann.

Wir haben mit vielen Psychologen und Psychiatern über Zwang gesprochen.

Und einige meinten, dass Zwang auch noch mal ein Trauma auslösen kann.

Dass es das viel schlimmer machen kann usw.

Was würdest du zu denen sagen oder dazu?

So wie mein Bruder momentan ist und wie er sich als nicht krank sieht...

Also er wird dann nicht rauskommen,

wenn er nicht zwangseingewiesen wird.

Also wenn man das nicht hautnah miterlebt hat,

wie das Leben mit so einem kranken Menschen abläuft,

dann kann man sich das nicht mal ansatzweise vorstellen,

was da abgeht und wie schlimm das ist.

Und wie fertigt es eine ganze Familie machen kann.

Meiner Meinung nach, ist er auch schon eine Gefahr für sich.

Weil er sein Leben zerstört.

Ich habe das Gefühl, ich bin noch genauso hilflos wie vorher.

Was ich am meisten gelernt habe, dass es unfassbar kompliziert ist.

Und super schwer ist.

Dass es so eine dünne Linie ist, zu entscheiden,

wann hört die Freiheit eines Menschen auf

und wann kann ich über den fremdbestimmen.

Ja, es gibt bestimmt die Leute, die zwangseingewiesen wurden,

zwangsbehandelt wurden und hinterher darüber glücklich sind und dankbar,

dass man ihnen geholfen hat.

Und es gibt aber genauso die Leute, das haben wir jetzt gelernt,

die danach auch traumatisiert sind und es ganz schlimm finden.

Und das weißt du vorher ja nicht.

Wie dieser Mensch das dann erleben wird.

Was würdest du wollen, wenn du plötzlich Stimmen hörst

oder du dich verfolgt fühlst, Panik hast?

Willst du, dass man dich zwangseinweist?

Wir freuen uns auf eure Antworten.

Hier könnt ihr noch zwei Filme gucken und uns abonnieren.

Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk