Zwischenruf: Nawalny und Nord Stream 2
Zwischenruf zur Vergiftung von Nawalny und Nord Stream 2.
Die heimtückische Vergiftung von Alexei Nawalny, dem wichtigsten Gegenspieler von Präsident
Putin in Russland, mit einem chemischen Kampfstoff hat eine überraschende Nebenwirkung.
Plötzlich steht Nord Stream 2 zur Disposition.
Das Pipeline-Projekt durch die Ostsee, das von der Bundesregierung
jahrelang gegen alle Kritik aus Europa beinhart verteidigt wurde.
Damit wir uns richtig verstehen: das Einfrieren dieses Projekts wäre nicht
nur eine Antwort auf den Mordanschlag auf Nawalny. Es geht um eine ganze
Kette von Gewaltakten des Kremls in den letzten Jahren, auf die der Westen
nie adäquat reagiert hat.
All die Mordanschläge auf Putin-Gegner in Russland und im Exil,
zuletzt die Erschießung eines georgisch-tschetschenischen Oppositionellen
im berliner Tiergarten direkt vor unserer Haustür,
der groß angelegte Hacker-Angriff auf den deutschen Bundestag,
die faktische Annexion von 20% des georgischen Territoriums durch Russland 2008,
der unerklärte Krieg gegen die Ukraine, der Abschuss eines malaysischen
Passagierflugzeugs über der Ost-Ukraine durch einen russischen Raketenwerfer,
die Bombardierung der Zivilbevölkerung in Syrien,
eine Menschenrechtsverletzung und ein Bruch des Völkerrechts nach dem anderen.
Deshalb ist es höchste Zeit für ein klares Signal an die Adresse Putins:
Bis hier her und nicht weiter.
Und das richtige Signal wäre ein Einfrieren von Nord Stream 2.
Dieses Projekt war von Anfang an
ein Fehler, ein Sündenfall der deutschen Politik. Sein strategisches Ziel ist es,
die Ukraine aus dem europäischen Gas-Transit auszuschalten.
Wenn kein russisches Erdgas mehr durch die Ukraine nach Europa fließt,
dann öffnet das dem Kreml Tür und Tor, den politischen und militärischen Druck
auf die Ukraine noch weiter zu erhöhen.
Zweitens wirbt Nord Stream 2 als Spaltpilz für eine gemeinsame europäische Politik.
Das Projekt wurde gegen den Widerstand zahlreicher europäischer Staaten,
gegen das Europaparlament und auch gegen die Kritik der EU-Kommission durchgezogen.
Drittens zementiert Nord Stream 2 die Abhängigkeit von russischem Erdgas für weitere Jahrzehnte,
obwohl die Klimaziele der Europäischen Union eine Senkung des Erdgasverbrauchs
spätestens ab dem Jahr 2030 erfordern. Und viertens wird Nord Stream 2 nicht
gebraucht, um die Energiesicherheit der Bundesrepublik zu sichern.
Das ist ein reiner Mythos. Das Erdgas, das durch diese zweite Ostsee-Pipeline fließen soll,
wird aus dem Transit durch die Ukraine abgezogen. Das ist am Ende
ein Nullsummenspiel. Ein Moratorium für den Weiterbau von Nord Stream 2,
wäre kein Einknicken vor der Trump-Administration,
sondern die überfällige Botschaft an Putin, dass seine Gewalt-Politik einen Preis hat
und das wäre gerade jetzt ein wichtiges Signal, wo sich Putin mit dem Diktator Lukaschenka
gegen die belarussische Demokratiebewegung verbündet.
Last not least wäre es die Korrektur eines europapolitischen Sündenfalls
der Bundesregierung. Man kann nicht ein geschlossenes Vorgehen der EU fordern
und gleichzeitig einen deutsch-russischen Sonderweg betreiben.