Neutronensterne, Pulsare und Magnetare (2018)
Neutronensterne gehören zu den bizarrsten Gebilden des Weltraums. Sie werden geboren,
wenn ein massereicher Stern in einer Supernova explodiert und sein Kern in sich zusammenfällt.
Sie sind Objekte von unfassbarer Dichte, deren Gravitation beängstigend starke Wirkung entfaltet.
Wir zeigen euch heute, wie Neutronensterne entstehen und was sie so beeindruckend macht.
Ich bin Ronny. Willkommen bei Raumzeit.
Als wir über Supernovae sprachen, erklärten wir, dass es bei einem Stern jenseits von 8-10 Sonnenmassen zu einem Kernkollaps kommt,
sobald dieser sein Silizium zu Eisen fusioniert hat. Bei einem masseärmeren Stern verhindert
eine Kraft, die Physiker Entartungsdruck von Elektronen nennen, einen weiteren Zusammenfall
der Materie. Was ist Entartungsdruck? Elektronen umkreisen
den Nukleus eines Atoms. Entartungsdruck bedeutet, dass sich die Elektronen dagegen wehren, dass
andere Partikel in den Raum eindringen, den sie besetzen. Und das ist viel Raum. Wenn
wir uns vorstellen, dass ein Atomkern ein Reiskorn in der Mitte Kathedrale wäre, dann
würden die Elektronen den Raum der gesamten Kathedrale einnehmen. Ein Atom besteht also
vor allem aus Nichts - die starke Kernkraft aber hält es zusammen und Entartungsdruck
sorgt dafür, dass nichts anderes in den Raum des Atoms eindringen kann. Dieser Entartungsdruck
lässt weiße Zwerge entstehen ... aber was ist, wenn der Druck auf die Atome noch stärker
wird ... Kollabiert der Eisenkern eines Sternes mit
10-20 Sonnenmassen, stürzt er unter seiner gewaltigen eigenen Gravitation zusammen. Der
Entartungsdruck der Elektronen der Eisenatome kann dieser Kraft nicht standhalten. Die Atomkerne
selbst werden zerstört und freie Elektronen verbinden sich mit Protonen zu Neutronen.
Diese Neutronen besitzen noch immer die Masse des Atoms - aber sie sind um Größenordnungen
kleiner. Aus Fußballstadien wurden Reiskörner. Reiskörner, die jetzt genauso viel wiegen
wie vorher das Fußballstadion. Wenn der Kern weniger als 2,8 Sonnenmassen
hatte - nur der Kern, nicht der ganze Stern - dann hört der Kollaps hier auf (weißer
Zwerg). Die neu formierten Neutronen üben ebenfalls einen Entartungsdruck aus - und
dieser ist stark genug, um einen weiteren Zusammenfall zu verhindern. Das nun entstandene
Material nennt man in der Astrophysik Neutronium. Der Kern des Sterns ist zu diesem Zeitpunkt
auf die Größe einer Stadt wie München zusammen gefallen - 15-30 km Durchmesser, mehr bleibt
vom ursprünglichen Stern nicht über. Das nun entstandene, unfassbar dichte Objekt besteht
nahezu vollständig aus dicht an dicht gepackten Neutronen. Und wir nennen es einen Neutronenstern.
Der neu geborene Neutronenstern mit seinen 15, 20 km Durchmesser ist massereich jenseits
unserer Vorstellungskraft - stellen wir uns mal vor, wir würden den gesamten Planeten
Erde - alle Ozeane, alle Gebirge, den gesamten Erdball - in eine Kugel von 20km Durchmesser
komprimieren, dann würde das nicht ausreichen. Nicht im geringsten. Ein Neutronenstern verfügt
über die Gesamtmasse unserer Sonne und mehr - zusammengepresst auf die Größe einer Stadt.
Um das ein bisschen bildlicher darzustellen - 1 Teelöffel voll Neutronenstern hätte
eine Masse von etwa 400 Millionen Tonnen! Das entspricht ganz grob der Gesamtmasse aller
Menschen auf der Erde. Ein Teelöffel. Oder ein anderer Vergleich: alle 2018 in Deutschland
zugelassenen Autos, LKWs und Eisenbahnen würden es nicht auf die Masse eines Teelöffels voll
Neutronium bringen. Allein das macht einen Neutronenstern schon angsteinflößend. Aber
es geht weiter. Die Masse und der kleine Radius eines Neutronensterns
erzeugen eine absurde Gravitation. Sie ist so stark, dass die höchsten Gebirge auf einem
Neutronenstern 5 Millimeter hoch sind. Um dem Gravitationsfeld eines Neutronensterns
zu entkommen, muss ich ein Drittel bis zur halben Lichtgeschwindigkeit erreichen. Und
wieder etwas bildlicher: könnte ich auf einem Neutronenstern von einem 1 Meter hohen Tisch
springen - was ich natürlich nicht kann, weil sowohl ich als auch der Tisch sofort
Atombrei wären - könnte ich aber von einem 1 Meter hohen Tisch springen, dann würde
ich nach einem Meter Fall mit ca. 5 Millionen Stundenkilometer aufschlagen.
Diese extremen Sterne wurden 1967 von Jocelyn Bell entdeckt, die ein regelmäßiges Funksignal
beobachtete - dieses erschien präzise alle 1,3374 Sekunden. Wenig später erkannte man,
dass es sich bei dem Signal um die Emissionen eines Neutronensterns handelte, der als Pulsar
- als Pulsating Star bezeichnet wurde. Später konnten wir Pulsare ausmachen, die sich noch
viel schneller drehten, teilweise im Millisekundenbereich. Woher kommt diese Rotationsgeschwindigkeit?
Wir müssen dazu wissen, dass in der Physik des Gesetz der Drehimpulserhaltung gilt. Das
heißt, die Rotationsgeschwindigkeit eines Objektes bleibt gleich - auch wenn sich z.B.
der Radius des rotierenden Körpers ändert. Wird er kleiner, muss das Objekt aufgrund
der Drehimpulserhaltung schneller rotieren. Dies lässt sich sehr gut bei Pirouetten von
Eiskunstläufern beobachten. Schauen wir mal der tollen Julia Lipnitskaja zu: ihre Pirouette
beginnt mit einer weiten Arm- und Beinhaltung. Sobald sie aber Arme und Beine näher an ihr
Körperzentrum, die Rotationsachse, zieht - nimmt ihre Rotationsgeschwindigkeit zu.
Der Drehimpuls des Systems Julia wurde erhalten. Das können wir auf einen Stern übertragen,
der in einer Supernova detoniert. Der Gesamtdrehimpuls des Sterns - mit einst hunderten Millionen
von Kilometern Durchmesser - bleibt erhalten, wenn sich der Radius auf die 10 Kilometer
eines Neutronensterns reduziert. Der schnellste uns bekannte Pulsar, PSR J1748-2446ad, rotiert
716 mal pro Sekunde. Dabei hat seine Oberfläche eine Geschwindigkeit von 70.000 km/s - ungefähr
ein Viertel der Lichtgeschwindigkeit. Aufgrund ihrer absurden Rotationsgeschwindigkeiten
sind Pulsare äußerst magnetisch. Ihr Magnetfeld erreicht zehntausende bis Millionen Tesla
- zum Vergleich, ein MRI-Gerät im Krankenhaus arbeitet mit 3- 7 Tesla. Dabei muss das Magnetfeld
des Neutronensterns nicht an der Rotationsachse ausgerichtet sein. Wenn es verschoben ist,
und die Achse des Magnetfeldes auf die Erde zeigt, können wir die regelmäßigen Signale
des Neutronensterns sehen. Diese Neutronensterne nennen wir dann Pulsare und ihre Pulse kommen
so unfassbar regelmäßig, dass es momentan Anstrengungen gibt, ein ganz neues, quasi
galaktisches GPS (eher PPS) auf der Basis von Pulsaren zu errichten.
Wo wir gerade über Magnetfelder sprechen. Auch das Magnetfeld des Sterns unterliegt
- genau wie der Drehimpuls - der Erhaltungsregel. Daher beziehen Neutronensterne ihre extrem
starken Magnetfelder. In manchen Fällen aber führen komplexe - noch nicht ganz verstandene
Prozesse im Inneren des Neutronensterns zu besonders starken Magnetfeldern. Solche Monstren
nennen wir Magnetare - und sie gewinnen den Preis für magnetischste Objekte im gesamten
Universum. Ihre Magnetfelder erhitzen die Oberfläche des Sterns auf bis zu 18 Millionen
Grad und ihre Feldstärke kann bis zu 10 hoch 12 Tesla erreichen - 1000 Billionen Mal stärker
als das der Erde. Wäre ein Magnetar auf Höhe des Mars, könnte
er alle Kreditkarten auf der Erde löschen. Unbeindruckt? In etwa 1000 km Entfernung von
einem Magnetar können keine Molekülbindungen mehr existieren - in dieser Distanz würden
sich Raumschiffe und deren Besatzung ... irgendwie einfach auflösen.
In der Milchstraße schätzt man die Zahl der Neutronensterne auf etwa 100 Millionen.
Die meisten von ihnen haben allerdings ihre Energie verbraucht, sind kalt und dunkel und
rotieren nur noch langsam. Die aktiven allerdings bieten teils beeindruckende Anblicke. Erinnert
ihr euch noch an die Supernova von 1054? Deren Überreste kennen wir heute als den über
10 Lichtjahre großen Krebsnebel. Schauen wir nochmal genauer hin. Hier - tief im Zentrum
des Nebels - wie eine Spinne in ihrem Netz - sitzt ein Neutronenstern, der vor fast 1000
Jahren in der Supernova SN1054 geboren wurde. Dieser alle 33ms pulsierende Neutronenstern
ist noch immer aktiv - und er taucht den gesamten Krebsnebel um sich herum - den 10 Lichtjahre
großen Krebsnebel - in goldenes Licht. Um den Pulsar erkennen wir eine Scheibe aus äquatorialem
Wind, aus seinen Polen ströme Lichtjahre lange Jets aus Materie und Antimaterie.
Ich hoffe, ihr seid jetzt nicht nur von Neutronensternen beeindruckt sondern auch von unserem Video.
Wenn das so ist, dann abonniert Raumzeit, vergesst die kleine Glocke nicht, um kein
Video zu verpassen, teilt unser Video auf Facebook und Twitter und holt euch zwischendurch
einen kleinen Snack. Wir sehen uns wieder in einer Woche, wenn wir auf die Suche nach
der Unsterblichkeit gehen. In diesem Sinne, danke fürs Zuschauen und 42!