heute journal vom 11.12.2020 - Härterer Shutdown
Guten Abend.
Dass es letzten Monat noch darum ging,
wie entspannt wir hoffentlich alle Weihnachten feiern können
und wie viel an Silvester geböllert werden darf, erscheint heute,
im Rückblick, fast wie eine Debatte aus einer anderen Zeitzone.
Jetzt geht es nur noch darum,
ob das Land schon vor oder erst nach Weihnachten stillgelegt wird.
Auch diese Frage wird sich aber
möglicherweise bald von selbst erledigen.
Denn das Virus hat Weihnachten offenkundig nicht auf dem Zettel.
Das Robert Koch-Institut meldet heute knapp 30.000 Neuinfektionen
und fast 600 neu registrierte Todesfälle.
Auf den Intensivstationen der deutschen Kliniken
denkt keiner mehr an Stille Nacht.
Dazu gleich ein Gespräch,
doch zunächst der Bericht von Laura Barnick.
Annaberg-Buchholz, ein Tag vor dem Shutdown.
Schulen und Kitas ab morgen dicht.
Ebenso der Einzelhandel.
Die Krankenhäuser schon jetzt am Limit.
Die Zahlen steigen immer weiter.
Da haben wir uns gewundert, warum die Zahl der Kontakte abnimmt.
Man schwindelt.
Man glaubt einfach, nicht mehr alles angeben zu müssen.
Auch die Geduld des Ministerpräsidenten ist am Ende.
Wir brauchen hier ganz andere, autoritäre Maßnahmen des Staates.
Es ist nicht mehr damit getan, dass wir ermahnen.
Das gesellschaftliche Lebe n muss zur Ruhe kommen.
Das lieber gestern als heute, meint auch Armin Laschet.
Wir haben doppelt so viele Fälle
wie auf dem Höhepunkt der ersten Welle.
Wir brauchen eine gesamtdeutsche Antwort.
Das Vorpreschen einzelner Bundesländer
ist für manche ärgerlich.
Wir müssen zu einer gemeinsamen Beschlussfassung kommen.
Die sollte bis Sonntag vorliegen.
Man darf aus wichtigen Gründen,
zum Einkaufen, zum Arbeiten, das Haus verlassen.
Aber nur für diesen Zweck.
Die kommenden Feiertage machen den Intensivstationen sorgen.
Wir haben heute in einer Sondersitzung des Ministerrates
beschlossen, dass wir die ursprünglich geplanten
Lockerungen über Weihnachten zurücknehmen.
Eine einheitliche Linie wünschen sich alle.
Bislang haben die Länder sich dazu nicht durchringen können.
Und dann wollen wir die Perspektive eines Intensivmediziners hören,
Professor Uwe Janssens ist uns zugeschaltet.
Er ist Präsident
der Deutschen Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin.
Er ist uns aus Eschweiler in Nordrhein-Westfalen zugeschaltet,
weil er dort Chefarzt des St.-Antonius-Hospitals ist.
Guten Abend, Herr Professor Janssens. Ich grüße Sie, Frau Slomka.
Sie erleben diese politische Diskussion auch mit:
Soll es einheitliche Maßnahmen geben und ab wann -
vor Weihnachten, nach Weihnachten?
Was fordern Sie?
Ja, wir haben jetzt mal die Reißleine gezogen,
weil wir erkannt haben, dass es so nicht mehr weitergeht.
Diese extrem hohen Infektionszahlen,
die uns gerade heute wieder durch den Äther ans Ohr gedrungen sind.
Die sind einfach zu hoch.
Die damit verbundenen Todeszahlen
sind Ergebnis der hohen Infektionszahlen.
Uns besorgen diese anhaltend hohen Infektionszahlen,
weil die Intensivmedizin jetzt schon seit Wochen unter Druck steht
und jetzt in einigen Gebieten noch mehr unter Druck gerät.
Das können wir nicht mehr lange den Mitarbeitern, den Krankenschwestern,
den Krankenpflegern und den Ärzten noch zumuten,
weil die wirklich am Limit arbeiten.
Das glaubt man zwar nicht, aber es ist so.
Deshalb haben wir gesagt, wir müssen jetzt dringend fordern,
dass dieser Lockdown light
in einen nachhaltigen, durchgrei- fenden Lockdown umgewandelt Wird.
Sie finden, schon vor Weihnachten
oder kann man zumindest an Weihnachten noch den Leuten
auch die Familie und das Zusammensein
mit alleinstehenden Großeltern, mit ähnlichem gönnen?
Ich finde es furchtbar, das sagen zu müssen.
Ich weiß auch, dass das sehr viel Kritik erntet
bei vielen Menschen.
Aber wir haben 30.000 Infektionen heute.
14 Tage, 30.000 Infektionen - wollen wir das noch erleben?
Das würde 420.000 Infektionen bedeuten.
Das fällt uns dann ganz stark auf die Füße
und zwar schon um Weihnachten herum und danach noch viel eher.
Dann werden wir erleben, dass die Intensivstationen
auch in den Gebieten, die noch nicht so eine Auslastung haben,
dann mit den Patienten gefüllt werden, die aus unserer Region z.B.
oder anderen belasteten Regionen dorthin verlegt werden müssen.
Das können wir uns nicht erlauben.
Das wird das System dann an den Rand bringen der Belastbarkeit.
Ich möchte nicht wissen, was dann passiert.
Wie sieht's denn bei Ihnen in Ihrem Krankenhaus
im Moment auf der Intensivstation aus?
Ja, ich sage es mal so: Wir sind pickepackevoll.
Ich komme gerade von der Intensivstation
und wir haben gerade wieder diskutiert,
wie wir mit zwei neuen Covid-19-Patienten,
die noch auf der Normalstation liegen, diese Nacht umgehen werden.
Die noch nicht schwer erkrankt sind,
aber schon Sauerstoff benötigen, und denen es nicht ganz so gut geht.
Die überwachen wir engmaschig und haben jetzt ein Konzept entwickelt,
wie wir über die Nacht kommen, mit eventuell dann
Notfallverlegungen zurück auf Normalstationen.
Das kriegen wir schon hin.
Aber das wird nicht lange mehr so gut gehen.
Wenn das so weitergeht, müssen wir irgendwann
Patienten hier aus der Region woanders hin verlegen.
So wird es sein, denn die umgebenden Krankenhäuser
sind auch schon bis an den Rand gefüllt.
Was heißt das denn eigentlich: praktisch bis an den Rand gefüllt?
Es gibt ja nicht nur Corona, es gibt Unfallopfer,
es gibt Herzinfarkte und Ähnliches - Sie sind Kardiologe.
Was passiert mit denen, wenn eine Intensivstation voll ist?
Richtig Frau Slomka, das ist genau der Punkt.
Wir sehen immer wieder angeblich die vielen freien Intensivbetten.
Ja, diese Intensivbetten, die frei sind -
das sind 3.000 Erwachsenen- Intensivbetten in Deutschland -
die brauchen wir, um die Notfälle, die anfallen, zu versorgen.
Die, die morgens noch nicht im Krankenhaus sind,
die plötzlich einen Herzinfarkt bekommen,
die einen schweren Unfall erleiden
oder einen akuten Bauch bekommen und operiert werden müssen.
Dafür benötigen wir ein Spielbein, auf dem wir uns bewegen können.
Diese Ressourcen sind aufgebraucht
durch den Anteil der Covid-19-Patienten.
Das ist das, was uns im Moment so Sorgen macht,
dieser hohe Anteil an Covid-19-Patienten.
In einigen Kliniken in Berlin z.B.
über 25 % an allen Intensivpatienten,
das ist schon eine ganze Menge.
Wenn im Moment die Zahlen in einigen Regionen relativ niedrig sind,
brauchen Sie dann auch diese Krankenhäuser,
um dort Patienten dann ggf. sogar mit Hubschrauber hinzufliegen?
So etwas findet ja z.T. wohl auch schon statt.
Absolut, das ist dringend notwendig.
Deshalb ist ja auch unser Appell, nicht wieder kleinteilig
jedes Bundesland einzeln zu beurteilen, sondern die Maßnahmen,
die jetzt ergriffen werden sollten, müssen für alle Bundesländer gelten.
Die Länder Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern,
die jetzt noch genügend Kapazitäten haben,
die können dann den Regionen helfen, den Patienten helfen,
die es dringend benötigen, die dann von einer belasteten Region
in eine Region verlegt werden, die noch Kapazitäten hat.
Das ist genau das Konzept, und deshalb müssen auch die Regionen
zurückstehen und solidarisch mitmachen, um das zu bewältigen.
Herr Professor Janssens, danke Ihnen für das Gespräch.
Ich danke Ihnen, Frau Slomka.
Das Gespräch haben wir aufgezeichnet.
Ob es bundesweit einheitliche Maßnahmen geben wird,
dazu befragt Wulf Schmiese nachher im heute journal update
den saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans.
Ob einheitlich oder nicht:
Schaut man sich die Pläne der einzelnen Bundesländer an,
dann wird es wohl an vielen Schulen schon vor den Weihnachtsferien
keinen normalen Präsenzunterricht mehr geben,
und er wird auch im Januar nicht direkt wieder losgehen.
Mit anderen Worten: Es wird wieder ferngelernt.
Womit sich natürlich sofort die Frage stellt:
Wie sind die Schulen denn inzwischen darauf vorbereitet,
im neunten Monat der Pandemie?
Dazu eine Reportage von Peter Böhmer aus Köln.
Hinter dieser Tür wartet ein bizarrer Anblick:
Eine Klasse sucht das WLAN.
Irgendwo im Luftraum über ihnen wabert es herum,
oder auch nicht, manche suchen auch draußen.
Kein Witz das Ganze,
in manchen Räumen des Kaiserin-Theophanu-Gymnasiums
in Köln klappt's mit dem WLAN schlecht.
Unsere tägliche Situation hier ist, dass wir wie eine Wundertüte,
jeden Morgen uns überraschen lassen müssen,
wie die WLAN-Situation heute ist.
Mal funktioniert es, mal funktioniert es nicht.
Wir müssen Plan B in der Hinterhand haben,
die Stunde nicht allein auf die Technik aufbauen.
Es sollte schon irgendwie möglich sein,
denn wir kriegen es auch alle hin, zu Hause WLAN zu haben.
Warum geht's dann nicht in der Schule?
Der Schulträger, die Stadt Köln, bemüht sich,
auch mit Geld des Landes:
37.000 Endgeräte wie etwa Tablets für die Schulen,
210 allein für das Theophanu- Gymnasium, dazu das WLAN, Beamer.
Aber was nützt das alles,
wenn die Technik nicht zuverlässig funktioniert?
Kürzlich haben sie drei Tage Hybridunterricht getestet,
Online-Unterricht.
Gute Sache, sagt der Schulleiter,
bei dem gerade auch mal wieder der Computer hängt,
aber das Schulnetz machte halt nicht immer mit,
und dann müssen sie online einen Techniker rufen.
Dann kommt jemand raus, meistens ist das jemand,
den die Schule nicht kennt, eigentlich jedes Mal jemand Neues.
Unser Systemadministrator der Schule, ein Informatikkollege,
muss dann zwei Stunden lang erklären, was wir für Geräte
hier haben und wie unser WLAN funktioniert.
Dann haben wir vielleicht eine Chance,
dass Fehler abgestellt werden, aber das ist sehr frustrierend.
Solche Probleme haben viele Lehrer - Düsseldorf, eine Schulung
des Programms "Coding for Tomorrow" der Vodafone-Stiftung.
Lehrer lernen hier etwa Programme kennen für digitalen Unterricht.
In der analogen Realität haben sie alle ihre Probleme.
Ein ganz großes Problem in meinen Augen ist der Datenschutz.
Dass hier die Schulen häufig alleingelassen werden
und es große Rechtsunsicherheit gibt, welche Plattform,
welches Tool, welche App darf überhaupt benutzt werden.
Das Problem ist, dass die Rechenleistung unserer Rechner
z.B. überhaupt nicht ausreicht, um ein YouTube-Video
mal flüssig zu schauen, sobald man da auf Vollbild wechselt.
Das Problem beginnt an der Stelle, dass wir in Grundschulen
keine IT-Fachleute sind und auch keine zur Verfügung haben.
Alle Lehrer sagen, die Politik sei durch Corona wacher geworden,
aber alles brauche nun mal seine Zeit, heißt es etwa in Köln -
Stichwort WLAN:
Wir haben 5.200 Accesspoints in den 246 Kölner Schulen,
da sind immer Nacharbeiten erforderlich.
Es ist nicht damit getan, dass man einmalig die Antennen aufhängt.
Wir haben auch die ganze Situation im Monitoring.
Da ist Qualitätssicherung erforderlich und da muss auch immer
nachgearbeitet werden, da kann es durchaus zu blinden Flecken kommen.
In der Theophanu-Schule sind im Januar Netzwerkarbeiten geplant,
sagt die Stadt Köln,
dann hat die Sucherei im Klassen- Luftraum hoffentlich ein Ende.
Ich habe bis jetzt immer noch kein Netz.
Jetzt erst mal Heinz mit den Nachrichten.
Der Bundestag hat den Haushalt für 2021 verabschiedet.
Der Bund darf demnach im Kampf gegen die Corona-Krise
erneut hohe Schulden machen.
Der Etat sieht eine Neuverschuldung von fast 180 Mrd. Euro vor
und umfasst Ausgaben von knapp 500 Mrd. Euro.
Es war lange ein Streitthema zwischen den Innenministern
von Bund und Ländern.
Jetzt soll der generelle Abschiebestopp für Gefährder
und Straftäter nach Syrien zum Jahresende auslaufen.
Ab dem kommenden Jahr sollen Abschiebungen
in jedem Einzelfall geprüft werden.
Rund 90 in Deutschland lebende Syrer werden derzeit von den Landesbehörden
als islamistische Gefährder eingestuft.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl und Amnesty International
kritisierten den Beschluss scharf.
Das Bundesverfassungsgericht
hat sich erneut mit den Regelungen zur Antiterrordatei befasst.
Eine darin vorgesehene Möglichkeit der Datennutzung
geht dem Gericht zu weit.
Es hat den Passus zur "erweiterten Datennutzung"
im Bereich der Strafverfolgung für nichtig erklärt.
Zum Sammeln von Informationen zum internationalen Terrorismus
und zur Verhinderung von Anschlägen
darf das Instrument weiter eingesetzt werden.
Morgen jährt sich die Unterzeichnung
des Pariser Klimaabkommens zum fünften Mal.
Aus diesem Anlass rief die Klimabewegung "Fridays for Future"
zu weltweiten Protestaktionen auf.
Wie hier in Berlin forderten Aktivisten mit einer Lichteraktion
erneut dazu auf,
für eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad zu kämpfen.
Die Bewegung prangerte an,
die meisten Regierungen hätten ihre klimapolitischen Ziele verfehlt.
Der Klimaschutz gehört übrigens
zu den wenigen Krisengewinnern der Corona-Pandemie:
Während der ersten Shutdowns ging u.a. der CO2-Ausstoß
durch Flug- und Straßenverkehr massiv zurück,
im Flugverkehr sogar um 60 %.
Aber der Effekt war natürlich nur ein vorübergehender
und ersetzt keine Klimaschutzpolitik.
Nach den aktuellen Berechnungen der UN wird man jedenfalls
mit den jetzigen Treibhausgas-Reduktionen
noch nicht mal unter zwei Grad Erwärmung kommen,
geschweige denn unter 1,5 Grad.
Auf dem EU-Gipfel in Brüssel gab es dazu heute neue Beschlüsse.
Die Europäer wollen ihre Anstrengungen
noch mal deutlich nach oben schrauben, berichtet Anne Gellinek.
Manchmal haben Masken auch was Gutes:
Sie verbergen die ins Gesicht gemeißelte Erschöpfung
nach einer schlaflosen Gipfelnacht.
Nach dem Streit um die Rechtsstaatlichkeit kam,
fast unerwartet, der um die Verschärfung der Klimaziele.
Mindestens 55 % Treibhausgase will die EU bis 2030 einsparen -
im Vergleich zum Jahr 1990.
Dafür hat es sich auch gelohnt, eine Nacht nicht zu schlafen.
Ich möchte mir nicht ausmalen, was gewesen wäre,
wenn wir ein solches Ergebnis nicht hätten erreichen können.
Der Schritt könnte ambitionierter sein, aber er wird ausreichen
und er wird uns jetzt auf den Pfad bringen,
bis 2050 treibhausgasneutral zu werden.
Wichtig ist aber, dass wir jetzt mit der Umsetzung beginnen
und uns nicht weiter in Zieldebatten verheddern.
Tatsächlich ist das Ziel relativ schnell beschlossen, aber nun
prallen die Vorstellungen darüber aufeinander, wie man es erreicht.
Wieder ist es Polen, das nicht mitziehen will.
Es folgt eine Gipfelnacht der Textarbeit.
Selten werden so viele Passagen im Gipfelpapier umgeschrieben,
zurückgezogen, überarbeitet und wieder gestrichen.
Die CO2-Reduktion ist besonders schmerzhaft für Polen,
dessen Wirtschaft noch zu 80 % von der Kohle abhängt.
Der polnische Premier fordert Garantien,
dass sein Land besonders viel Geld aus den Hilfstöpfen
für den Umbau bekommen müsse:
Die polnische Wirtschaft und unsere Energiepolitik sind einzigartig
in der EU und unsere Partner wissen das.
Deshalb ist es gut, dass wir Recht bekommen haben,
und dafür gesorgt haben, dass unsere höheren Ausgaben
ausgeglichen werden.
Textarbeit Teil 2: jetzt geht es um den Energie-Mix.
Heißt weniger Kohle dann mehr Gas oder sogar mehr Kernenergie?
Die Osteuropäer und Frankreich beantworten diese Frage mit "Ja",
am Ende einigt man sich darauf, dass jedes Land selbst entscheidet.
Über 20 Stunden ringen die Staats- und Regierungschefs
auf dem letzten Gipfel der deutschen Ratspräsidentschaft
um Rechtsstaatlichkeit, Corona-Hilfen und Klimaziele.
Am Ende sind alle drei beschlossen,
mit Zugeständnissen und Nebendeals, aber beschlossen.
Wir haben uns bis zum Ende noch viel aufgehoben für den letzten Rat.
Ich bin sehr erleichtert,
mir ist ein Stein vom Herzen gefallen.
Europa geht ernüchtert und erschöpft aus diesem Jahr.
Die deutsche Ratspräsidentschaft hatte vielleicht keinen Glanz,
aber sie steht für das, was Merkel am besten kann: den Kompromiss.
Große Geschehnisse rufen praktisch
immer Verschwörungstheoretiker auf den Plan.
Die Mondlandung nur ein Fake,
die Attentate vom 11. September ein Geheimplan des Mossad,
die Flüchtlingskrise ein gezielter Bevölkerungsaustausch,
den eine geheime Elite planvoll vorantreibt -
mutmaßlich dieselbe, die jetzt ein Virus erfunden hat,
um uns Mikrochips ins Gehirn zu pflanzen.
In früheren Zeiten waren das eher Fälle für Satiriker.
Doch die Corona-Pandemie, wie zuvor schon das Flüchtlingsthema, zeigt,
welches Potenzial hier für Extremisten liegt,
auch jenseits von Verschwörungsgläubigen.
Angst, Frust und Wut, die aktuell mit der Virusbekämpfung einhergehen,
machen sie sich zunutze.
Das war eines der Themen auf der Konferenz der Innenminister.
Die sich außerdem speziell mit der AfD beschäftigt hat.
Die Partei könnte bald in Gänze
zum Verdachtsfall für den Verfassungsschutz erklärt werden.
Dazu ein Bericht von David Gebhard.
Vor zwei Wochen hatten sie sich auf ihrem Parteitag zerlegt, heute
treffen die Vorstandsmitglieder der AfD wieder aufeinander.
Und mit ihnen alternative Fakten.
Ich sehe mich deutlich bestätigt,
mir haben sehr viele Menschen gedankt dafür.
Ich glaube, er hat eingesehen, dass es politisch unklug war
und die Partei so vorzuführen.
Welchen Streit, es gab doch keinen Streit?
Der Streit, der aus Rissen Gräben machte.
In einer Wutrede hatte Meuthen gegen "Politikkasperle",
"Kindergarten" und "flegelhaften Provokationen"
radikaler Parteifreunde gewettert, die die AfD verlassen sollten.
Eine Rede, die manchen in der Partei Mut machte, andere wütend
und den Ehrenvorsitzenden eine Woche später dazu veranlasste,
den Vorsitzenden "Feindzeugen" zu schimpfen.
Der dürfe zwar kritisieren,
aber nicht in einer Wutrede, die einen dann zum Feindzeugen macht.
Ton, Inhalt und Zeitpunkt dieser Rede
waren eines Vorsitzenden nicht würdig.
Das ist unklug von Herrn Gauland, so wie manche Äußerung,
die er in den vergangenen Zeit äußerte.
Ich musste wahrnehmen, dass der Teil, der sich der Flügel nannte,
anschickte, die Partei übernehmen zu wollen.
Und das geht nicht.
Bruch eines Männerbundes, in dem Meuthen mit Gauland
einst die Rechtsextremen in der Partei hofierte
und die groß werden ließ, die er nun bekämpft.
Vielleicht zu spät.
Gestern berichtete der Präsident des Bundesverfassungsschutzes
laut ZDF-Informationen der Innenministerkonferenz:
Im Januar wolle der Dienst bekanntgeben,
ob er die gesamte AfD beobachtet.
Wir reden natürlich darüber,
diskutieren darüber, aber nehmen da keinen Einfluss.
Dort gibt es jetzt durchaus auch gemäßigtere Strömungen,
die offensichtlich beim letzten Parteitag noch eine Mehrheit
erzielt haben, aber das ist ein Prozess, der in Bewegung ist.
Entscheidend sein könnte auch das Verhältnis der AfD
zu Straßenprotesten der sog. Querdenker-Bewegung,
deren Entwicklung Sicherheitsbehörden mit Sorge sehen.
Die Demonstrationen sind sehr verschieden,
das Teilnehmerspektrum sehr heterogen.
Wir wissen aber: In dieser Bewegung treten auch Extremisten,
Reichsbürger und Personen mit verfassungsfeindlicher Einstellung
im Übrigen in Erscheinung.
Teile der Partei um Gauland und Höcke aber suchen
den Schulterschluss mit der Straße.
Und gegen den Willen des eigenen Parteichefs:
Stil- und Tonfragen sind in der prekären politischen Gesamtlage
völlig sekundär.
Wir als AfD sollten uns
als parlamentarische Vertretung anbieten.
Die AfD zieht gespalten ins Superwahljahr 2021.
Parteichef Meuthen kämpft
gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz
und gegen den radikalsten Teil seiner eigenen Partei.
Und jetzt Heinz mit dem Blick auf die Börse.
Die Börse beendet diese Handelswoche
in einer Situation mit großen Unsicherheiten.
Die Brexit-Verhandlungen bisher sind ohne Ergebnis
und natürlich die Corona-Lage hierzulande.
Frank Bethmann, wie geht die Börse und die Wirtschaft damit um?
Der DAX geht auf Tauchstation, verliert heute 1,4 Prozent
und baut damit die Vortagsverluste weiter aus.
Hier auf dem Parkett ist es eine Momentaufnahme,
für den Einzelhandel in Deutschland eine Katastrophe.
Die allgemeine Unsicherheit hat bereits jetzt dazu geführt,
dass 50 % weniger Passanten
in Deutschlands Fußgängerzonen gezählt werden.
Galeria Karstadt Kaufhof spricht stellvertretend
für viele Händler von einer existenziellen Bedrohung.
Mit einem Beschwerdebrief heute ans Kanzleramt
will der Handelsverband HDE das Schlimmste verhindern:
einen harten, bundesweiten Lockdown noch vor Weihnachten.
Große Teile des Handels als drittgrößte Branche in Deutschland
mit über drei Mio. Beschäftigten würde das nicht überleben,
mahnt der Verband.
Jeder Schließungstag im Nicht-Lebensmittelhandel würde
demnach Umsatzausfälle von bis zu einer Milliarde Euro verursachen.
Mit satten Rabatten versucht der Einzelhandel
das Weihnachtsgeschäft wenigstens teilweise zu retten.
Jetzt zählt jeder Tag, heißt es in der Branche, denn keiner kann sagen,
bis wann die Geschäfte noch geöffnet bleiben dürfen.
Zum Sport: Bei der Skiflug- Weltmeisterschaft
im slowenischen Planica
sind Karl Geiger und Markus Eisenbichler
nach den ersten beiden Durchgängen auf Spitzenplätzen.
Ganz vorne nach Tag 1: Karl Geiger.
Er setzte sich gleich im ersten Durchgang an die Spitze
und liegt nun vor dem Norweger Granerud in Führung.
Markus Eisenbichler belegt aktuell Rang 3,
nachdem er im zweiten Durchgang auf die Tagesbestweite von 247 m kam.
Die Titelentscheidung dann morgen.
Und das übertragen wir live im ZDF.
Der lange Wintersporttag beginnt um 10.20 Uhr.
Dann auch wieder mit Biathlon aus Hochfilzen.
Dort kam Franziska Preuß heute im 7,5-km-Sprint auf Platz 3.
Sie hatte einen Schießfehler
und kam am Ende hinter der fehlerfrei gebliebenen Dsinara Alimbekawa
aus Belarus und der Norwegerin Tiril Eckhoff ins Ziel.
Glücklich, wer einen Garten hat.
Psychologen sagen: Die Beschäftigung mit Pflanzen tut der Seele gut.
Erst recht in Pandemie-Zeiten.
Da haben viele den Hobbygärtner in sich noch mal ganz neu entdeckt
und eifrig gesät und geerntet.
Den meisten Großstädtern bleibt dafür aber nur der Balkon -
außer, sie haben einen der begehrten Schrebergärten.
In vielen Metropolen gibt es mittlerweile aber auch
das "Community Gardening".
In New York z.B. wird mitten in Manhattan
gemeinschaftlich Gemüse angebaut - Tomaten unterm Wolkenkratzer.
Im Stadtstaat Singapur gibt es das Urban Gardening neuerdings
sogar in großem Stil.
Dafür braucht es auch keine unbebauten Flächen,
die es dort eh kaum gibt.
Denn gegärtnert wird vertikal.
Wie das funktioniert, erzählt Normen Odenthal.
Alles, was schmeckt, wächst auf dem Korridor vor Frau Tans Haustür.
Eine Gärtnerin aus Leidenschaft, wie viele ihrer Nachbarn auch.
Die Leute sind stolz, zeigen, was sie selbst angebaut haben.
Und das ist manchmal schon überraschend, was man da sieht:
so große Kohlköpfe, wirklich riesig.
So was hat es hier früher nicht gegeben.
Singapur erlebt eine grüne Welle,
die auf dem Hochhaus-Korridor beginnt und weiterschwappt.
Zwischen den Häusern und auch oben drauf sprießt und blüht es.
Bananen vom Dachgarten – wo gibt es das schon?
Die Regierung verteilt kostenlos Saatgut und schafft Anbauflächen.
Dahinter steckt, wie immer in Singapur, ein Plan.
Diese Pandemie zeigt Auswirkungen auf die Wirtschaft,
die Lebensmittelbranche, die Versorgungslage.
Deshalb macht Singapur richtig Druck und mobilisiert möglichst jeden.
In dem Bewusstsein, dass jeder seinen Beitrag
zur Versorgung leisten kann – vor seiner Haustür.
Singapur, obwohl eng besiedelt, ist schon eine grüne Stadt.
Und will noch grüner werden.
Wer baut, muss auch Grünfläche schaffen, verlangt der Staat.
Denn Pflanzen kühlen Gebäude, verbessern das Klima
und liefern Nahrungsmittel - Platzmangel macht dabei kreativ.
"Vertical Farming" heißt das Zauberwort:
senkrechter Anbau in Gebäuden.
Von jetzt 10 % auf bald 30 % soll so die Eigenproduktion wachsen.
Und Singapur unabhängiger von Importen machen, also krisenfester.
Auf einem Hektar Fläche bauen wir hier so viel an
wie traditionelle Landwirte auf 430 Hektar.
Also: weniger ist mehr.
Drinnen herrschen Laborbedingungen –
keine Erde, keine Pestizide, keine Bakterien.
Computer steuern die Nährstoffzufuhr.
Der geschlossene Wasserkreislauf spart Ressourcen.
Dafür kostet das Licht viel Strom.
Dieses Geld, logisch, sparen sie sich draußen auf dem Parkdeck,
das Peter Barber nun beackert.
Der Australier hat seine gutgehende Technikfirma
im Silicon Valley verkauft und pflanzt Basilikum in Singapur.
Klingt nach Abenteuer - vielleicht zur rechten Zeit.
Dass Singapur die Eigenproduktion massiv fördert und bezuschusst,
setzt aber die Gesetze des Marktes nicht außer Kraft.
Es ist gut, wenn wir mehr anbauen können,
aber das ist eben nicht alles.
Produktionskapazität ist wichtig für mehr Versorgungssicherheit.
Doch am Ende geht es auch hier um die Kosten.
Auch Landwirtschaft ist eben Wirtschaft.
Ausgerechnet im Stadtstaat Singapur,
offenbar eine mit Wachstums- potenzial, in jeder Hinsicht.
Heute ist übrigens Welttag der Berge.
Gerade mit Blick darauf, was der Klimawandel für die Gebirge
unseres Planeten bedeutet.
Deshalb geht es gleich im Wetterbericht von Katja Horneffer
auch um den dramatischen weltweiten Gletscherschwund.
Um 0.20 Uhr dann unser heute journal update mit Wulf Schmiese.
Wir sehen uns morgen wieder, wenn Sie mögen, bis dahin.
Heute ist der Welttag der Berge.
Besonders das vergletscherte Hochgebirge fasziniert.
Auch mit verborgenen Schätzen, wie im Schweizer Kanton Waadt.
Dort ist im Sommer durch einen Schmelzwasser-See
unter dem Gletscher eine riesige Eishöhle entstanden.
Im Frühherbst fließt das Wasser ab, übrig bleibt die Höhle.
Beeindruckend und dramatisch, denn die Gletscher werden dünner
und ziehen sich weiter zurück.
Wenn im Winter Schnee auf Gletscher fällt, kann sich neues Eis bilden,
das im Sommer wieder schmilzt und Gletscher, Seen und Flüsse speist.
Die Erderhitzung stört diesen Kreislauf.
Wichtig sind die Gletscher im Himalaya
als Speicher für immer häufigere Trockenzeiten.
Außer der Erderhitzung setzen auch Aerosole,
also dunkle Rußpartikel, den Gletschern zu.
Sie reflektieren weniger Sonnenlicht und heizen ihn so auf.
Schnee und Eis beschäftigen uns auch hier in der Nacht,
denn es wird gefährlich glatt auf den Straßen
zwischen der Rhön und dem Bodensee - an der Grenze zur kühleren Luft.
Im Osten sinken die Temperaturen, örtlich bildet sich Nebel.
Der Samstag wird sehr trüb,
immer wieder fällt etwas Regen, die Sonne scheint kaum.
In den nächsten Tagen zeigt sich mindestens ab Montag
in Süddeutschland die Sonne bei milderen Temperaturen.