Podcast #3: Die Verteidigungsministerin - Bundeswehr
A: Hauptfeldwebel Sam Hansen:, ich melde mich im Funkkreis mit einer Folge des Podcasts
aus Afghanistan, Masar-i-Scharif. Hinter jedem Menschen steckt eine Geschichte, stecken Gewohnheiten,
die wir nur dann erkennen, wenn wir uns mit diesen Menschen auch unterhalten. Neben mir
sitzt Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Schön, dass Sie da sind.
B: Hallo
A: Frau Ministerin, es gibt vieles was ich Sie jetzt fragen könnte, vieles zu Ihrer
Tätigkeit als Bundesministerin. In erster Linie interessiert mich aber heute die Person
Kramp-Karrenbauer. Zum Beispiel: Die Mutter, die Mama Kramp-Karrenbauer, wenn man so will.
Wie reagieren Kinder, wenn man ihnen sagt, ich bin ab morgen Verteidigungsministerin?
B: Na zuerst einmal überrascht, natürlich aber mit einer großen Unterstützung und
die in meiner weiteren Familie, die selbst einmal Bundeswehr-Erfahrung hatten, die haben
erst mal herzhaft gelacht, weil sie sich jetzt irgendwie nicht vorstellen konnten. Aber mittlerweile
sind alle sehr zufrieden oder sehr stolz auf mich.
A: Jetzt erfährt man von Ihnen und der Familie recht wenig. Würden Sie von sich behaupten,
ein Familienmensch zu sein?
B: Ja, absolut. Ich komme aus einer Großfamilie. Ich habe selbst fünf Geschwister, ein riesen
Familienkreis, bis heute. Gott sei Dank. Und kann mir ein Leben ohne Familie irgendwie
gar nicht vorstellen. Und das ist für mich auch wirklich ein ganz wichtiger Raum und
deswegen versuche ich den auch ein bisschen zu schützen. Das bin ich auch meinen Kindern
schuldig, damit die ihr Leben leben können, nicht von meinem irgendwie zu stark beeinflusst sind.
A: Gibt es da dann so eine gewisse Art von Routine? Ich weiß zum Beispiel von der Vorgängerin.
Sie nahm sich immer ganz gewisse Zeit, auch explizit, um dann beispielsweise Samstags
mit der Familie am Tisch zu sitzen und zu essen. Haben Sie auch so etwas?
B: Wir versuchen es. Meine Kinder sind ja schon älter und jeder hat so seine eigene
Routine. Aber wenn ich am Wochenende zu Hause bin, versuchen wir, ein Treffen gemeinsam
zu organisieren. Und als sie kleiner waren, war es so, dass die Geburtstage zum Beispiel
absolut heilig waren. Da gab's keinen Termin, egal, wie wichtig er war, der an dem Tag gemacht
wurde, sondern dann hatten die Kinder immer absoluten Vorrang.
A: Das sind ja jetzt besondere Tage. Die würde es wahrscheinlich sehr häufig auch in ihrem
Leben geben, wenn man so bedenkt, Reise dorthin, Reise nach da, weil man muss ja unter Umständen
auch die Truppe überall besuchen. Wie sieht aber so eine tägliche Routine als Verteidigungsministerin
aus? Also, wenn ich mir vorstelle, ich komme auf Arbeit, ist das Erste, was man in der
Regel macht Kaffeemaschine an. Wie ist das bei Ihnen?
B: Ja es ist auch so, es startet morgens um halb acht mit einem Morgenkaffee und kleines
Morgenbriefing, in der Regel mit dem Leiter Leitungsstab und danach ist es wahlweise,
entweder die Rücksprache intern oder auch viele Außentermine. Dann kommt natürlich
auch noch bei mir in der Doppelfunktion auch noch eine Reihe von Parteiarbeit dazu. Also
die Wochen sind echt gut ausgefüllt. Und der Unterschied liegt halt im Rhythmus, vor
allen Dingen darin, ob es eine Sitzungswoche in Berlin ist mit entsprechendem Bundestagspräsenzen
oder ob es eine sitzungsfreie Woche ist.
A: Das klingt überhaupt nicht nach einer Routine, die man da täglich ablaufen kann.
B: Nein, es ist jeder Tag ist anders und bei der Bundeswehr sowieso. So ein bisschen wie
ein Adventskalender. Jeden Tag Türchen auf irgendeine Überraschung, mal eine Schöne,
mal eine weniger Schöne.
A: Wie sieht es aus? Haben Sie da entsprechend einen Tipp bekommen, zum Beispiel von Ihrer
Vorgängerin, wie man das am besten managen kann oder haben Sie für sich da einen Fahrplan
gefunden, wo Sie sagen, dass kann ich abarbeiten?
B: Na ja, man macht schon ein Übergabegespräch, dass man so ein Gefühl ein bisschen bekommt.
Aber ansonsten, hat jeder seine eigene Methode. Ich hab ja reichlich Regierungserfahrung in
anderen Bereichen. Und man muss das so machen, wie es für einen selbst passt und sich aber
vor allen Dingen auch auf die neue Tätigkeit, auf das neue Haus auch einlassen. Das Verteidigungsministerium
hat halt seine ganz eigenen Regeln. Und wenn man als Zivilist, wie ich, so quer reinkommt,
muss man sich daran erst gewöhnen, vor allen Dingen an die ganzen Abkürzungen.
A: Das glaube ich sofort. Wenn Sie sich vorstellen, ich wäre jetzt nicht Bundesverteidigungsministerin,
ich wäre Soldatin. Welcher Tätigkeit würden Sie nachgehen?
B: Erst einmal wäre ich froh, dass ich als Frau zur Bundeswehr kann, denn ich bin noch
in einer Zeit groß geworden, wo ich mir das durchaus hätte vorstellen können, wo es
aber nicht möglich war. Zum Zweiten, ist das jetzt natürlich eine Fangfrage für eine
Verteidigungsministerin. Denn je nachdem, welche Gattung oder welche Teilstreitkräfte
ich jetzt nenne, heißt es dann gleich wieder: Aha, besondere Vorliebe für. Also, ich hab
mir ja bisher schon alles angeschaut. Es ist alles wirklich faszinierend. Ich würde mal
sagen, ich würde wahrscheinlich eine Musterung über mich ergehen lassen, mal gucken, wohin
man mich steckt und dann so eine Art "Zwangsbeglückung". Ich habe eben noch mit Soldaten gesprochen.
Die meisten sind zwangsbeglückt worden und sind nachher ganz froh gewesen mit der Wahl.
A: Das klingt auch gut. Ich gebe Ihnen einen Tipp, als Radio Andernacher lernt man alle
Truppengattungen kennen und es macht verdammt viel Spaß, wenn Sie sagen würden, Radio
Andernacher, auf jeden Fall, dann wäre ich voll bei Ihnen.
B: Ich kann ja mal ein Praktikum machen bei Ihnen.
A: Einverstanden, das wird eingetütet, ich verspreche es Ihnen.
A: Jetzt sind wir hier in Afghanistan. Natürlich stellen wir dann auch Fragen explizit auch
was den Einsatz anbelangt, vor dem aktuellen politischen Hintergrund, auch von dieser NATO-Mission
hier. Wie sieht Ihre Bewertung aus?
B: Man muss sehr nüchtern sagen, wir haben in den letzten Jahren, Jahrzehnten, in denen
wir hier sind, Fortschritte erzielt. Das kann man, glaube ich, wirklich sagen, auch wenn
man mit den afghanischen Sicherheitskräften spricht. Da gibt es echte Entwicklungen, auch
wenn man sich das Leben in Kabul ansieht, mit den Frauen spricht. Es hat sich viel verändert.
Die große Angst, die natürlich bleibt, ist, dass bei den Lösungen, auch bei den politischen
Lösungen, um die es jetzt geht, am Ende des Tages eine Situation herauskommt, wo es ein
gewisses "Rollback" wieder gibt. Um das zu verhindern, bin ich der festen Überzeugung,
muss eben auch der Einsatz, vor allen Dingen das weitere Training der afghanischen Sicherheitskräften,
auch weitergehen.
A: Vor dem Hintergrund der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr und einem Bericht, der Anfang
Dezember dann auch rauskommt. Wie bewerten Sie das? Wie einsatzbereit ist die Bundeswehr?
B: habe bisher festgestellt, bei den Auslandseinsätzen sieht es mit der Einsatzbereitschaft gut aus,
also das was hier gebraucht wird. Natürlich gibt immer das eine oder andere, was noch
fehlt, aber im großen Ganzen das, was gebraucht wird, wird auch zur Verfügung gestellt. Wenn
man sich den Grundbetrieb zu Hause anschaut, ist das Bild ein anderes, bei allen Hauptwaffensystemen
vor allem. Da haben wir eine Einsatzbereitschaft, die jetzt die letzten Jahre sich immer so
um die 70 Prozent bewegt hat. Und das ist definitiv zu wenig. Und das ist eine der Hauptaufgaben
oder wenn Sie so wollen, die Hauptaufgabe, auch fürs nächste Jahr, dann noch einmal
genau hinzuschauen, mit welcher Maßnahme, mit welchen Hebeln können wir eigentlich
schnell für eine bessere Einsatzbereitschaft sorgen.
A: Sie sprachen gerade die Zahl 70 an. Wie realistisch ist denn dieses Bild?
B: Es ist natürlich der Querschnitt gerechnet. Wir haben Bestandteile, da ist der Prozentsatz
sehr viel höher. Und wir haben eben auch Systeme, da sind die Probleme ja schon seit
langem bekannt, ob das der Puma ist oder Anderes. Und es ist wahlweise, wenn neues System eingeführt
wird, mit allen Kinderkrankheiten. Oft liegt es daran, dass Ersatzteile nicht genügend
vorhanden sind, nicht rechtzeitig kommen. Da muss man noch einmal genau hinschauen,
ob das System, das wir haben, so ähnlich wie in der Automobilindustrie "just in time"
geliefert wird. Das scheint mir nicht so zu funktionieren, wie es mal geplant war. Also
müssen wir überlegen, kann man das wieder ändern? Was geben die Rahmenverträge her?
Es gibt nicht die eine Maßnahme, von der man sagt die machen wir jetzt und in drei
Monaten ist alles gut, sondern das ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Da muss man
sehr realistisch ran. Aber man muss ran, weil 70 Prozent ist einfach kein Befund, mit dem
ich mich zufrieden geben will.
A: Die eine Maßnahme Trendwende Personal, die würde ich gerne ansprechen. Für wie
attraktiv halten Sie die Bundeswehr, was Personal anbelangt?
B: Es ist ein sehr attraktiver Arbeitgeber. Es ist ein Personalkörper, der große Chancen
bietet, auch was die Ausbildung anbelangt und der sehr vielfältige Bereiche hat, zum
Beispiel auch den neuen Bereich Cyber- und Informationsraum. Wir sehen auch in den nachgeordneten
Bereichen. Das BAAINBw hatte vor kurzem so einen Karrieretag, hat über 900 Bewerbungen
dort sozusagen abgefischt. Viele Bereiche sind einfach auch nicht bekannt. Und wenn
wir jetzt den einen oder anderen Umstrukturierungsprozess, auch zum Beispiel in der Industrie erleben,
etwa wegen Veränderungen der Mobilität, wegen Digitalisierung, dann ist natürlich
die Frage nach der Arbeitsplatzsicherheit, die die Bundeswehr gewährleistet, nochmal
ein zusätzliches "Asset". Der Soldatendienst ist nochmal was anderes. Da muss man, glaube
ich noch mal, besonders auch für werben. Da muss man auch eine gewissen Grund-Wunsch
danach und ein Grund-Herz dafür haben.
A: Das glaube ich allerdings auch. Bezugnehmend auf die letzte Folge des Podcasts Funkkreis,
da sprachen wir unter anderem auch über den A-400M. Zuletzt habe ich in der Presse ein
Bild von Ihnen, in eben jenem Flugzeug gesehen. Wie haben Sie diesen Flug empfunden? Ich habe
die Frage zuletzt auch einem anderen Kameraden gestellt, in der Folge. Ihre Antwort würde
mich auch interessieren?
B: Ich bin jetzt zweimal sowohl in Mali als auch hier geflogen. Also, wenn es fliegt,
ein tolles Gerät, auch bei den entsprechenden Flugmanövern. Was mich ein bisschen ärgert,
ist, dass wir in den jüngsten Tranchen Auslieferungsprobleme haben, weil sie eben doch noch technische
Probleme gibt. Aber, wenn dann ist es wirklich ein großer Sprung nach vorne, wobei ich nichts
gegen die gute alte Transall sagen will, um jetzt nicht alle Crews dort, sozusagen, auf
die Palme zu bringen. Auch das ein ganz besonderes Flugzeug.
A: Wunderbar. Wir befinden uns gerade in der Weihnachtszeit. Deswegen würde uns auch interessieren,
welches Weihnachtsgeschenk würden Sie den Soldaten unter dem Weihnachtsbaum legen?
B: Aber das ist eine ganz schwierige Frage. Ich würde allen den Soldaten, wo es irgendwie
möglich ist, gerne den Weihnachtsbaum legen, dass sie zu Hause sein können. Es gilt für
viele leider nicht, auch hier in Afghanistan. Und ansonsten, dass wir wirklich die Probleme,
die es gibt, Einsatzbereitschaft haben wir angesprochen, vor allen Dingen auf persönliche
Schutzausstattung, dass wir das verbessern. Und ja, wenn für jeden so die eigene Schutzweste
unter dem Weihnachtsbaum liegen würde, wäre das ein ganz gutes Zeichen.
A: Was würden Sie sich selbst wünschen?
B: Ich würde mir selbst wünschen, dass der positive Blick, den es auf die Bundeswehr
gibt, durchaus in der Bevölkerung, dass im nächsten Jahr noch deutlicher wird und das
die Schlagzeilen, die wir in der einen oder anderen Stelle haben, über Probleme, die
es bei der Bundeswehr gibt, etwa im Bereich der Ausstattung, dass die nicht das gesamte
Bild der Bundeswehr bezeichnen. Und ich hätte mir vor allen Dingen wünschen, dass wir auch
von der Bundeswehr, und aus der Bundeswehr heraus, selbst eine ganz klare Haltung haben
gegen die Fälle an Extremismus, die wir in unseren Reihen haben, weil das es im Grunde
genommen, was allen anderen Soldaten schadet, was der Bundeswehr als Ganzes schadet.
A: Abschließend würde ich Ihnen gerne die Gelegenheit geben, noch das zu sagen, was
Sie gerne sagen würden. Sie müssen nicht, Sie können.
B: Also, Gruß an die Soldatinnen und Soldaten. Sie haben sich das Motto gegeben:
Sie dienen Deutschland.
Und wenn man sie im Grundbetrieb in Deutschland sieht, aber auch hier in den
Auslandseinsätzen, dann kann man das wirklich mit jeder Phase spüren. Und das macht mich
unglaublich stolz auf Sie.
A: Vielen Dank, Frau Ministerin
B: Bitteschön!